Zustellung bei Abwesenheit von der Abgabenstelle
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des SP, Adr, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 12/13/14 Purkersdorf vom betreffend Zurückweisung der Berufung vom entschieden:
Der Berufung wird Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.
Entscheidungsgründe
Mit Bescheid vom wies das Finanzamt 12/13/14/Purkersdorf den Antrag des Berufungswerbers (Bw.) vom auf Gewährung einer Ausgleichszahlung für sein in der Slowakei lebendes Kind SV , geb. am , für den Zeitraum April bis Dezember 2010 ab.
Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass nach dem tatsächlichen wirtschaftlichen Gehalt einer Vereinbarung zu beurteilen sei, ob ein Arbeitsverhältnis gem. § 47 EStG vorliege. Für Staatsangehörige bestimmter EU/EWR-Staaten würden die Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes weiter gelten. Sie hätten innerhalb der 7-jährigen Übergangsfrist keinen freien Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt. Stünden solche Staatsangehörige unter Umgehung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes in Österreich in einem Arbeitsverhältnis, könne nicht vom Vorliegen einer Beschäftigung iSd genannten EU-Verordnung ausgegangen werden und sei daher der Anspruch auf die österreichischen Familienleistungen ausgeschlossen.
Der Abweisungsbescheid wurde laut Zustellnachweis am beim Postamt 1120 Wien mit dem Vermerk "Beginn der Abholfrist " hinterlegt.
Mit Eingabe vom , per Einschreiben am zur Post gegeben, erhob der Bw. gegen den abweisenden Bescheid des Finanzamtes vom Berufung und führte aus, dass in der Begründung des Bescheides zwar mehrere Gesetzesausschnitte bzw. einige allgemeine Feststellungen angeführt würden, aber mit keinem einzigen Satz werde begründet, warum die Gewährung der Familienleistung abgewiesen worden sei. Sollte ihm vorgeworfen werden, dass die von ihm in Österreich auf Basis der gelösten Gewerbescheine ausgeübte Tätigkeit als Dienstverhältnis iSd § 47 Abs. 2 EStG zu beurteilen und daher nach dem AuslBG bewilligungspflichtig sei, dann sei anzuführen, dass er bereits am in Österreich einen Gewerbebetrieb (drei verschiedene Gewerbeberechtigungen) gegründet und gleich nach der Anmeldung des Gewerbebetriebes der zuständigen Landesdirektion der SVA der gewerblichen Wirtschaft die angemeldete Tätigkeit mitgeteilt habe. Er habe die Beiträge laufend bezahlt und auch die Steuererklärung für das abgelaufene Wirtschaftsjahr beim zuständigen Wohnsitzfinanzamt abgegeben. In seinem Fall liege ein Gewerbebetrieb vor, weil alle Kriterien, die für die selbständige Führung eines Gewerbebetriebes sprächen (Weisungsfreiheit, keine Eingliederung in den geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers, Unternehmerrisiko, keine Kontrolle des Arbeitgebers bezüglich Arbeitszeit, Arbeitsfortgang und Arbeitsqualität, Verwendung des eigenen Werkzeugs und großteils der eigenen Arbeitsmittel), vorhanden seien.
Mit Bescheid vom wies das Finanzamt die Berufung des Bw. gem. § 273 Abs. 1 BAO zurück, weil die Berufungsfrist gem. § 245 bzw. 276 BAO bereits am abgelaufen sei.
In der rechtzeitig eingelangten Berufung führte der Bw. aus, dass er den Abweisungsbescheid vom tatsächlich erst am (Montag, kein Werktag) persönlich zu seinen Händen übernommen habe. An diesem Wochentag komme er von Wochenenden-Familienheimfahrten nach Wien zurück. Somit wäre die einmonatige Berufungsfrist am abgelaufen (genau an diesem Tag habe er seine Berufung an das Finanzamt per Post verschickt). Gleichzeitig legte der Bw. den Postaufgabenachweis vor.
Mit Berufungsvorentscheidung vom wies das Finanzamt die Berufung als unbegründet ab. Nach Wiedergabe der maßgebenden gesetzlichen Bestimmungen führte das Finanzamt aus, dass am eine Verständigung über die Hinterlegung des Bescheides vom beim Postamt 1120 Wien in das Hausbrieffach erfolgt sei. Die Abholfrist habe am zu laufen begonnen und die Monatsfrist mit geendet. Weil der ein Feiertag (Ostermontag) gewesen sei, habe diese Frist mit (Dienstag) geendet. Das Berufungsschreiben sei mit datiert, den Abweisungsbescheid habe der Bw. angeblich erst am ausgefolgt bekommen. Da die Aufgabe der Berufung erst am erfolgt sei, wäre die Berufung als verspätet eingebracht zu werten gewesen.
Mit Eingabe vom beantragte der Bw. die Vorlage der Berufung an die Abgabenbehörde II. Instanz und führte darin aus, dass alle in seinen bisherigen Berufungen getätigten Angaben der Wahrheit entsprächen und dass alle diesbezüglichen Fristen eingehalten worden wären.
Mit Schreiben des wurde der Bw. ersucht, die behauptete Ortsabwesenheit zu konkretisieren und durch geeignete Beweismittel nachzuweisen, dass er wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte.
In Entsprechung dieses Ersuchens übermittelte die steuerliche Vertretung des Bw. eine Bestätigung der Ehefrau des Bw., dass ihr Ehemann wegen der Erkrankung der gemeinsamen Tochter in der Nacht vom nach Hause gekommen und erst am wieder nach Wien gefahren sei sowie eine Arztbestätigung, dass das Kind SV am in Begleitung des Vaters untersucht wurde. Weiters wurde mitgeteilt, dass an Stelle einer Ausgleichszahlung nunmehr die Zuerkennung der Familienbeihilfe ab beantragt werde.
In einer dazu abgegebenen Stellungnahme führte das Finanzamt aus, dass die vorgelegten Unterlagen lediglich aufzeigen würden, dass der Bw. am die Tochter zum Arzt gebracht habe, sie würden jedoch nicht belegen, dass es dem Bw. nicht möglich gewesen wäre, den Abweisungsbescheid vom , der erst am beim Postamt hinterlegt wurde, zu beheben. Für die angebliche pflegebedingte Abwesenheit des Bw. gäbe es lediglich die Aussage der Gattin.
Unter Zugrundelegung der Aktenlage sei davon auszugehen, dass die Gattin in der Slowakei nicht berufstätig ist - ansonsten stünden für die Tochter nur Ausgleichszahlungen zu; wenn die Gattin des Bw. allerdings nicht berufstätig und daher zu Hause gewesen sei, erscheine es absolut unglaubwürdig, dass der Bw. die Tochter gepflegt haben soll - dies umso mehr, als die "Erkrankung" lediglich in einem einmaligen Erbrechen gelegen wäre.
Zusammenfassend gehe daher das Finanzamt davon aus, dass der Bw. bereits am Tag des erstmaligen Zustellversuches von dem Bescheid hätte Kenntnis erlangen können und daher die Berufungsfrist versäumt habe.
Sollte der UFS den Ausführungen des Bw. trotz der angeführten Bedenken des Finanzamtes Glauben schenken und der Bescheid tatsächlich erst nach dem behoben worden sein, wäre darüber hinaus insbesondere für das Jahr 2010 zu prüfen, ob der Bw. über ausreichende Existenzmittel verfügt hat.
Mit Schreiben der steuerlichen Vertretung vom wurde nochmals vorgebracht, dass der Bw. den Abweisungsbescheid vom erst am von der Post abgeholt habe. Mit diesem Tag beginne die Berufungsfrist zu laufen.
Der Bw. habe in der Zeit vom bis einen Pflegeurlaub für seine mj kranke Tochter im ausländischen Heimatort (Arztbesuchsbestätigung und Bestätigung der Ehefrau abgegeben) konsumiert und somit unmöglich vom Zustellvorgang wissen können. Die Erklärung der Ehefrau habe Dokumentenstatus.
Der Bw. habe den Lebensunterhalt aus seinem Einkommen bestreiten können.
Es werde um antragsgemäße Erledigung der Anträge für Familienbeihilfe für die Zeit vom bis und ab dem bis laufend und für die Ausgleichszahlung vom bis ersucht.
Dem Ersuchen des UFS um Nachschau, wann der Bescheid vom behoben wurde, konnte seitens des zuständigen Postamtes nicht entsprochen werden, weil die Aufbewahrungsfrist für Hinterlegungsanzeigen bereits abgelaufen ist.
Über die Berufung wurde erwogen:
Gemäß § 245 Abs. 1, 1.Satz der Bundesabgabenordnung (BAO) beträgt die Berufungsfrist einen Monat.
Nach § 108 Abs. 2 BAO enden nach Wochen, Monaten oder Jahren bestimmte Fristen mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monates, der durch seine Benennung oder Zahl dem für den Beginn der Frist maßgebenden Tag entspricht.
Beginn und Lauf einer Frist werden gemäß § 108 Abs. 3 BAO durch Samstage, Sonntage oder Feiertage nicht behindert. Fällt das Ende einer Frist auf einen Samstag, Sonntag, gesetzlichen Feiertag, Karfreitag oder 24. Dezember, so ist der nächste Tag, der nicht einer der vorgenannten Tage ist, als letzter Tag der Frist anzusehen.
Die Tage des Postenlaufes werden gemäß Abs. 4 der vorzitierten Bestimmung in die Frist nicht eingerechnet.
Für den Beginn der Berufungsfrist ist der Tag maßgebend, an dem der Bescheid bekannt gegeben worden ist (nach § 109 BAO). Bei schriftlichen Bescheiden beginnt die Frist daher am Tag von dessen Zustellung.
Gemäß § 17 Abs. 1 Zustellgesetz ist, wenn das Dokument an der Abgabestelle nicht zugestellt werden kann und der Zusteller Grund zur Annahme hat, dass sich der Empfänger oder ein Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 regelmäßig an der Abgabenstelle aufhält, das Dokument im Falle der Zustellung durch den Zustelldienst bei seiner zuständigen Geschäftsstelle, in allen anderen Fällen aber beim zuständigen Gemeindeamt oder bei der Behörde, wenn sie sich in derselben Gemeinde befindet, zu hinterlegen.
Gemäß § 2 leg. cit. ist der Empfänger von der Hinterlegung schriftlich zu verständigen. Die Verständigung ist in die für die Abgabestelle bestimmte Abgabeeinrichtung (Briefeinwurf, Hausbrieffach oder Briefeinwurf) einzulegen, an der Abgabestelle zurückzulassen oder, wenn dies nicht möglich ist, an der Eingangstüre (Wohnungs-, Haus-, Gartentüre) anzubringen. Sie hat den Ort der Hinterlegung zu bezeichnen, den Beginn und die Dauer der Abholfrist anzugeben sowie auf die Wirkung der Hinterlegung hinzuweisen.
Gemäß Abs. 3 leg. cit. ist das hinterlegte Dokument mindestens zwei Wochen zur Abholung bereitzuhalten. Der Lauf dieser Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Dokument erstmals zur Abholung bereitgehalten wird. Hinterlegte Dokumente gelten mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt. Sie gelten nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, dass der Empfänger oder dessen Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam, an dem das hinterlegte Dokument behoben werden könnte.
Fest steht laut Aktenlage, dass der Bescheid vom nach erfolgtem Zustellversuch am beim Postamt 1120 Wien hinterlegt wurde und die Verständigung über die Hinterlegung des Bescheides in das Hausbrieffach eingelegt wurde. Als Beginn der Abholfrist wurde der (Freitag) bezeichnet.
Der Bw. wurde im zweitinstanzlichen Verfahren mit Vorhalt vom aufgefordert nachzuweisen, dass er wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte.
Mit Antwortschreiben vom wurden folgende Schriftstücke vorgelegt:
eine Bestätigung seiner Ehefrau, dass der Bw. in der Nacht vom wegen der Erkrankung ihrer Tochter V zum Pflegen nach Hause gekommen ist und nach Genesung der Tochter Sonntag abends, dem zurück nach Wien gefahren ist und
eine Bestätigung der praktischen Ärztin für Kinder und Minderjährige Dr. J vom , dass SV am in Begleitung des Vaters untersucht wurde.
Nach der nunmehr vorgelegten Bestätigung der Ärztin Dr. J ist davon auszugehen, dass der Bw. jedenfalls am 22. März (Dienstag) nicht an der Zustelladresse anwesend war, weil er an diesem Tag seine Tochter zur Untersuchung in der Slowakei begleitet hat. Zwar ist dem Finanzamt insoweit beizupflichten, als damit nicht nachgewiesen wird, dass er (auch) an den darauffolgenden Tagen, insbesondere am Tag der versuchten Zustellung und Hinterlegung des Bescheides am 24. März bzw. am , dem Beginn der Abholfrist, nicht in Wien aufhältig war. Doch kommt dem Umstand, dass der Bw. nachweislich am Dienstag, den 22. März, nicht in Österreich anwesend war, in Verbindung mit der Bestätigung der Ehegattin, S, wonach der Bw. in der Nacht vom nach Hause gekommen und erst am Sonntag, den , an die Zustelladresse zurückgekehrt ist, eine besondere Bedeutung zu. Denn nach Auffassung des UFS kann durch den nachweislich erfolgten Arztbesuch in der Slowakei der Aussage der Ehegattin, dass der Bw. wegen der Erkrankung der gemeinsamen Tochter nach Hause gekommen ist, die Glaubwürdigkeit nicht von vornherein abgesprochen werden. Dass der Bw. erst am nach Wien zurückgekehrt ist, erscheint - abgesehen von der diesbezüglichen Bescheinigung der Ehegattin - nach Dafürhalten des UFS auch aus nachstehenden Erwägungen zuzutreffen:
Zwar trifft es zu, dass die Ehegattin des Bw. im Jahr 2010 nicht berufstätig war (diese Tatsache resultiert aus einer aktenkundigen Ehrenerklärung vom , mit welcher S auf Ehre und Gewissen erklärt, dass sie im Jahr 2010 keine Einkünfte hatte, und wird durch die Vorlage eines Arbeitsbestätigungsabkommens zwischen S und j als Arbeitgeber, wonach das arbeitsrechtliche Verhältnis am begonnen hat, bestätigt). Ebenso ist dem Finanzamt - wie im Schriftsatz vom zum Ausdruck gebracht - grundsätzlich beizupflichten, dass nach der Lebenserfahrung davon auszugehen ist, dass jener Ehegatte, der nicht berufstätig ist, die Pflege eines kranken Kindes übernimmt. Gleichwohl ist aber nach der Lebenserfahrung anzunehmen, dass der nicht berufstätige Partner ein krankes Kind zum Arzt begleitet; umso mehr, wenn - wie im vorliegenden Fall - der Bw. in einer Entfernung von rund 350 km seiner Erwerbstätigkeit nachgeht. Da jedoch der Bw. nachweislich mit seiner Tochter am 22. März die Kinderärztin in N. aufgesucht hat, kann der Behauptung des Finanzamtes, "es sei absolut unglaubwürdig, dass der Bw. die Tochter gepflegt haben soll, obwohl dessen Gattin zu Hause gewesen ist", schon aus diesem Grundnicht gefolgt werden. Vielmehr erscheint es nach Ansicht des UFS - vor allem im Hinblick auf die Entfernung zwischen dem Heimatort des Bw.in der Slowakei und seiner Arbeitsstelle in Wien (hin und retour rund 700 km) naheliegend, dass der Bw. nicht sofort wieder an seine Arbeitsstätte zurückgekehrt ist, um zwei oder drei Tage später wieder die Heimreise anzutreten.
Nach Ansicht des UFS haben die vorgelegten Unterlagen im vorliegenden Fall ergeben, dass der Bw. im Zeitpunkt der Hinterlegung ortsabwesend war und daher nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte.
Im Sinne obiger Ausführungen gilt der Abweisungsbescheid dem Bw. daher am , dem der Rückkehr an die Abgabenstelle folgenden Tag, als zugestellt. Die Berufungsfrist (1 Monat ab Zustellung) endete daher am . Der Bw hat die Berufung gegen den oa Bescheid laut Postaufgabestempel am zur Post gegeben. Die Berufung wurde daher rechtzeitig eingebracht.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | § 17 Abs. 3 ZustG, Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at