TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSW vom 15.02.2012, RV/2879-W/10

Bemessungsverjährung bei Einkommensteuer - Berufung richtet sich nur gegen den Sachbescheid und nicht gegen den Wiederaufnahmebescheid, welcher daher in Rechtskraft erwuchs.

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Witwe als Erbin nach NN, Adresse, vertreten durch sh & eckl Treuhand Steuerberatungs GmbH, 3620 Spitz, Erlahof 23, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Waldviertel vom betreffend Einkommensteuer 2000 entschieden:

Der Berufung wird stattgegeben, der angefochtene Bescheid wird aufgehoben. Damit tritt der Bescheid vom wieder in Wirksamkeit.

Entscheidungsgründe

Die Berufung richtet sich gegen einen Sachbescheid, der nach Durchführung einer von NN beantragten Wiederaufnahme des Verfahrens erlassen wurde.

Im Antrag auf Wiederaufnahme des Einkommensteuerverfahrens 2000 vom begründete der Vertreter des NN, dass nachträglich hervorgekommen sei, dass es sich bei dem mit datierten und der Einkommensteuerfestsetzung 2000 zu Grunde gelegten Feststellungsbescheid (§ 188 BAO) aufgrund einer Berufungsentscheidung des Unabhängigen Finanzsenats (UFS) vom um keinen Bescheid gehandelt habe.

Die gegen den in der Folge ergangenen Feststellungsbescheid vom erhobene Berufung sei vom UFS mit Bescheid vom ebenfalls mit der Begründung des fehlenden Bescheidcharakters zurückgewiesen worden. Damit fehle auch diesem abgeleiteten Einkommensteuerbescheid vom (im Wiederaufnahmeantrag fälschlich mit angegeben) die Rechtsgrundlage.

Die Qualifizierung des Feststellungsbescheides als Nichtbescheid durch den UFS mit Bescheid vom stelle einen neu hervorgekommene Tatsache iSd. § 303 Abs. 1 lit. b BAO dar und sei daher als tauglicher Wiederaufnahmsgrund zu qualifizieren. Wenn selbst der bescheiderlassenden Behörde die mangelnde Bescheidqualität des Grundlagenbescheides nicht bekannt gewesen sei, könne dieser Umstand bei NN nur als neu hervorgekommene Tatsache gewertet werden, an deren Nichtgeltendmachung im bisherigen Verfahren NN kein grobes Verschulden treffe.

Am verstarb NN.

Das Finanzamt (FA) gab dem Antrag des verstorbenen NN statt und nahm das Einkommensteuerverfahren 2000 mit Bescheid vom wieder auf.

Ebenfalls am erließ das FA einen neuen Sachbescheid (Einkommensteuerbescheid 2000), der sich im Spruch nicht vom letztgültigen, durch die Wiederaufnahme beseitigten Einkommensteuerbescheid vom unterscheidet. Das Finanzamt begründete seinen Bescheid im Wesentlichen damit, dass für das Jahr 2000 am ein Feststellungsbescheid erlassen worden sei, der dem Berufungswerber wieder Einkünfte aus Gewerbebetrieb in unveränderter Höhe zugewiesen habe. Im neuen Sachbescheid seien nicht nur Änderungen zulässig, die auf den Wiederaufnahmsgründen basierten.

In seiner Berufung gegen diesen Einkommensteuerbescheid 2000 wendete die Verlassenschaft nach NN ein, dass gem. § 207 ff BAO hinsichtlich der Einkommensteuer 2000 Verjährung eingetreten sei. Die Verjährungsfrist betrage gem. § 207 Abs. 2 BAO fünf Jahre und beginne nach § 208 BAO mit dem Ablauf des Jahres, in dem der Abgabenanspruch entstanden sei. Unter Berücksichtigung der verjährungsverlängernden Amtshandlungen gem. § 209 BAO sei für die Einkommensteuer 2000 daher mit Beginn des Jahres 2008 die Bemessungsverjährung eingetreten, weshalb der nunmehr erlassene Einkommensteuerbescheid vom rechtswidrig sei.

Mit Beschluss vom des Bezirksgerichts Krems an der Donau wurde die Verlassenschaft nach NN der erblasserischen Witwe Witwe eingeantwortet.

Über die Berufung wurde erwogen:

Folgender unstrittiger Sachverhalt ist aus den Finanzamtsakten ersichtlich:

NN war im Streitjahr 2000 als Mitunternehmer unter anderem an der damaligen A KG beteiligt. - Am erging betreffend diese Mitunternehmerschaft ein Feststellungsbescheid gem. § 188 BAO. Hinsichtlich Einkommensteuer (ESt) 2000 erging der Erstbescheid an NN . - Am erging ein neuerlicher ESt 2000 Bescheid gem. § 295 Abs. 1 BAO, weil das Finanzamt (FA) Mödling am einen geänderten Feststellungsbescheid zu StNr. MMM/MMMM erlassen hatte. - Dieser Bescheid wurde mit Bescheid vom gem. § 295 Abs. 1 BAO abgeändert weil das FA Melk zu StNr. 000/0000 (nunmehr StNr. 999/9999 beim FA Amstetten, Melk, Scheibbs) am nach Durchführung einer Betriebsprüfung bei der damaligen A KG einen geänderten Feststellungsbescheid erlassen hatte. Nach Ansicht der Bp. war auf eine erfolgte Einbringung Art III des UmgStG nicht anzuwenden. - Der Bescheid vom wurde mit Bescheid vom gem § 295 Abs. 1 BAO abgeändert weil das FA Melk zu StNr. 000/0000 (nunmehr StNr. 999/9999 beim FA Amstetten, Melk, Scheibbs) am einen geänderten Feststellungsbescheid erlassen hatte. Die gegen diesen ESt-Bescheid 2000 vom eingebrachte Berufung wurde mit vom wurde mit Berufungsvorentscheidung vom abgewiesen. Die Berufung gegen den Feststellungsbescheid vom wurde mit Berufungsentscheidung vom als gegen einen Nichtbescheid als unzulässig zurückgewiesen. - In der Folge erließ das FA Amstetten, Melk, Scheibbs zu StNr. 999/9999 am einen neuerlichen Feststellungsbescheid für 2000. Daher wurde mit Bescheid vom der ESt-Bescheid 2000 für NN vom gem.§ 295 Abs. 1 BAO abgeändert. Die Berufung gegen den Feststellungsbescheid vom wurde mit Berufungsentscheidung vom als gegen einen Nichtbescheid gerichtet als unzulässig zurückgewiesen. - Am beantragte NN die Wiederaufnahme des Verfahrens gem. § 303 Abs. 1 lit. b BAO mit der oben dargestellten Begründung. - Am erließ das FA Amstetten, Melk, Scheibbs zu StNr. 999/9999 einen neuerlichen Feststellungsbescheid für 2000, gegen welchen 2010 neuerlich Berufung erhoben wurde. - Am erließ das FA Waldviertel zwei Bescheide nämlich den Bescheid über die Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 Abs. 1 lit. b BAO sowie einen neuerlichen ESt-Bescheid 2000 in welchem der Feststellungsbescheid des FA Amstetten, Melk, Scheibbs zu StNr. 999/9999 vom Berücksichtigung fand.

Eine Berufung gegen den Wiederaufnahmebescheid wurde nicht eingebracht. Der Wiederaufnahmebescheid erwuchs daher in Rechtskraft.

Mit Berufung vom wurde ausdrücklich Berufung gegen den neuen Einkommensteuerbescheid 2000 vom , Verlassenschaft nach NN erhoben.

Der oben dargestellte entscheidungsrelevante Sachverhalt ist unstrittig und ergibt sich aus den dem UFS vorgelegten Akten des Finanzamts.

Das Recht eine Einkommensteuer festzusetzen endet nach fünf Jahre (§ 207 Abs. 2 BAO). Diese Verjährungsfrist beginnt mit dem Ablauf des Jahres, in dem der Abgabenanspruch entstanden ist (§ 208 Abs. 1 BAO). Das Recht auf Festsetzung verjährt normalerweise spätestens zehn Jahre nach Entstehung des Abgabenanspruches (§ 209 Abs. 3 BAO), die für die veranlagte Einkommensteuer mit Ablauf des Kalenderjahres, für das die Veranlagung vorgenommen wird, eintritt (§ 4 Abs. 2 lit. a Z 2 BAO).

Gemäß § 209 Abs. 1 BAO verlängert sich die Verjährungsfrist um ein Jahr, wenn innerhalb dieser Frist von der Abgabenbehörde eine nach außen erkennbare Amtshandlung zur Geltendmachung des Abgabenanspruchs unternommen wird. Da zwischen und durch die oben dargestellten Bescheidänderungen derartige Amtshandlungen gesetzt worden waren, verlängerte sich die Verjährungsfrist für die ESt 2000 bis zum .

Gemäß § 209 Abs. 1 BAO verlängert sich die Verjährungsfrist jeweils um ein weiteres Jahr, wenn solche Amtshandlungen in einem Jahr unternommen werden, bis zu dessen Ablauf die Verjährungsfrist verlängert ist. Durch die Erlassung des Bescheides vom verlängerte sich daher die Verjährungsfrist bis . Im Jahr 2007 wurde aber von keinem FA eine neuerliche Verlängerungshandlung gesetzt, weshalb mit Ablauf des Kalenderjahres 2007 die Bemessungsverjährung für die Einkommensteuer des mittlerweile am verstorbenen NN eingetreten ist.

Ausnahmsweise ist die Festsetzung jedoch auch noch nach Ablauf dieser Fristen zulässig. Gem. § 209a Abs. 2 BAO steht der Eintritt der Verjährung einer Abgabenfestsetzung nicht entgegen, wenn die Abgabenfestsetzung unmittelbar oder mittelbar von der Erledigung einer Berufung oder eines in Abgabenvorschriften vorgesehenen Antrages (§ 85 BAO) abhängt und die Berufung oder der Antrag vor diesem Zeitpunkt (nämlich Eintritt der Verjährung) eingebracht wurde.

Eine Abgabenfestsetzung hängt von der Erledigung einer Berufung iSd § 209a Abs. 2 BAO beispielsweise ab, wenn die Berufung gegen einen Grundlagenbescheid (zB Feststellungsbescheid gem § 188 BAO) gerichtet ist (Stoll, BAO, 2208; ). Wird sie vor Eintritt der Verjährung (der "abgeleiteten" Abgabe) eingebracht, so steht der Umstand, dass sie erst nach Verjährungseintritt meritorisch erledigt wird, der Anpassung "abgeleiteter" Abgabenbescheide nicht entgegen (Ritz, BAO, § 209a Tz 6).

In diesem Zusammenhang ist die Berufung gegen den Feststellungbescheid vom bedeutsam. Grundsätzlich würde diese Berufung gegen den Feststellungsbescheid, welcher der Grundlagenbescheid zum abgeleiteten Einkommensteuerbescheid ist, den Eintritt der Verjährung verhindern. Voraussetzung ist jedoch, dass diese Berufung vor Eintritt der Bemessungsverjährung des "abgeleiteten" Bescheides erhoben wurde. Da jedoch der Feststellungsbescheid für 2000 des FA Amstetten, Melk, Scheibbs zu 999/9999 nach dem (Eintritt der Festsetzungsverjährung siehe oben) nämlich am ergangen ist, wurde die dagegen eingebrachte Berufung - trotz der mittelbaren Abhängigkeit des ESt-Bescheides - jedenfalls nach Ablauf der Verjährungsfrist erhoben, weshalb § 209a Abs. 2 BAO hier nicht zur Anwendung gelangen kann.

Der Umstand, dass der Wiederaufnahmebescheid in Rechtskraft erwachsen war, weil die Berufung sich ausdrücklich nur gegen den Sachbescheid richtete, führt dazu, dass durch die Wiederaufnahme der Bescheid vom aus dem Rechtsbestand beseitigt wurde. Da der mit der Wiederaufnahme erlassene Einkommensteuerbescheid wegen Eintritt der Verjährung aufzuheben ist, führt dieser Umstand dazu, dass der letzte Sachbescheid vor dem durch die Wiederaufnahme beseitigtem Bescheid, also der Bescheid vom - obwohl von einem Nichtbescheid abgeleitet - sich nunmehr wieder im Rechtsbestand befindet.

Wien, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
§ 188 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 303 Abs. 1 lit. b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 207 ff BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 207 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 208 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 209 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 295 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 208 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 209 Abs. 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 4 Abs. 2 lit. a Z 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 209 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 209a Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 85 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Schlagworte
Nichtbescheid
Wiederaufnahme
abgeleiteter Bescheid
Verjährung
Verweise

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at