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Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSW vom 19.07.2005, RV/1210-W/05

Rückwirkende Feststellung einer Gehbehinderung

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/1210-W/05-RS1
Ein Körperbehinderter, der dauernd zu mindestens 50% erwerbsgemindert und gehbehindert ist, benötigt über die diesbezügliche Feststellung des Amtsarztes (die auch die Bestätigung des Zeitpunktes, ab welchem die Erwerbsminderung und die Gehbehinderung vorgelegen ist, umfasst) und das hier gegebene Vorliegen eines „Parkausweises für Behinderte“ hinausgehend keine weiteren Nachweise, dass die festgestellte Gehbehinderung auch „schwer“ gewesen sei bzw. dass ein Massenverkehrsmittel auf Grund der Behinderung nicht benutzt werden konnte, um den Pauschbetrag nach § 3 der Verordnung über außergewöhnliche Belastungen zu erhalten.

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw. gegen den Bescheid des Finanzamtes Bruck Eisenstadt Oberwart betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) für das Jahr 2003 entschieden:

Der Berufung wird Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil dieses Bescheidspruches.

Rechtsbelehrung

Gegen diese Entscheidung ist gemäß § 291 der Bundesabgabenordnung (BAO) ein ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig. Es steht Ihnen jedoch das Recht zu, innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung dieser Entscheidung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder den Verfassungsgerichtshof zu erheben. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlich bestimmten Ausnahmen - von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlich bestimmten Ausnahmen - von einem Rechtsanwalt oder einem Wirtschaftsprüfer unterschrieben sein.

Gemäß § 292 BAO steht der Amtspartei (§ 276 Abs. 7 BAO) das Recht zu, gegen diese Entscheidung innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung (Kenntnisnahme) Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben.

Entscheidungsgründe

Mit Bericht vom legte das Finanzamt Bruck Eisenstadt Oberwart dem Unabhängigen Finanzsenat Berufungen des Bw. gegen den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2003 als Abgabenbehörde zweiter Instanz zur Entscheidung vor. Strittig sei die "rückwirkende Gewährung einer Behinderung" sowie ein "'Antrag' auf Wiederaufnahme des Verfahrens für die Jahre 1999 - 20002"; es werde ersucht, einen Erörterungstermin anzuberaumen und hierzu zwei namentlich genannte Bedienstete des Finanzamtes zu laden.

Der bisherige Verfahrensgang wird vom Bw. in seinem Schriftsatz vom an das Finanzamt detailliert beschrieben:

"Berufung und Vorlageantrag gegen den Einkommensteuerbescheid vom für das Jahr 2003.

Wiederaufnahme der Arbeitnehmerveranlagung 1999 bis 2002. Ersuchen um Stattgabe der Vorjahre, da nur über eine Anregung abgesprochen wurde.

Der pauschale Freibetrag für ein Kfz wegen Behinderung wurde nicht gewährt, da der Parkausweis erst 2005 ausgestellt wurde.

Der Freibetrag für Kfz wurde für Personen eingeführt, die eine Gehbehinderung, ein eigenes Kfz besitzen und eine weitere Strecke zu Fuß nicht zurückgelegen können.

Ein Mitarbeiter vom Info-Center im Finanzamt Eisenstadt hat mich darauf aufmerksam gemacht, dass ich mir meine Gehbehinderung mit dem Formular L 38 vom Amtsarzt bestätigen lassen kann. Mit dieser Bestätigung wird mir dann der Freibetrag gewährt. Auch im Steuerbuch 2004 wird man über diesen Freibetrag für Gehbehinderung mit eigenen KfZ informiert.

Im Dezember 2004 hat mir der Amtsarzt, nach Einsicht in meine Befunde und einer eingehenden Untersuchung, eine 80 %ige Gehbehinderung rückwirkend mit 1999 bestätigt.

Der Mitarbeiter des Finanzamtes erklärte mir, dass ich rückwirkend ab dem Jahre 1999 einen Antrag auf Wiederaufnahme gem. § 303 BAO einbringen soll, was ich natürlich gleich erledigte (mit dem am Finanzamt aufliegenden Formular ,Antrag auf Wiederaufnahme gem. § 303 BAO').

Kurz darauf wurde ich informiert, dass mir zur Berücksichtigung des Freibetrages noch ein Ausweis gem. § 29 b der Straßenverkehrsordnung fehlt. Ich bin abermals zum Amtsarzt und dieser hat mir bestätigt, dass die Voraussetzungen für diesen Ausweis aufgrund meiner starken Gehbehinderung gegeben sind. (Voraussetzung für diesen Ausweis war wieder das L 38) Mit diesem Parkausweis, erfuhr ich, kann ich auch um eine KfZ-Befreiung ansuchen.

Ich habe daraufhin den Ausweis gem. § 29 b beim Finanzamt eingebracht und mir wurde abermals signalisiert, dass nun der Gewährung des Freibetrages für die Jahre 1999 bis 2004 für eigenes KfZ wegen Gehbehinderung nichts mehr im Wege steht.

Darauf wurde mir am Finanzamt mitgeteilt, dass diese Bestätigung vom Amtsarzt nicht akzeptiert wird. Ich sollte mir vom Bundessozialamt rückwirkend meine Gehbehinderung bestätigen lassen. Es gibt aber eindeutige Weisungen, dass der Amtsarzt bis für diese Bestätigungen zuständig war. Es kann doch nicht plötzlich die Fähigkeit eines Amtsarztes angezweifelt werden, der jahrelang diese Bestätigungen den Bürgern ausgehändigt hat. Dieser Aufforderung bin ich jedenfalls nicht mehr gefolgt. Es sollte nicht die Aufgabe eines Finanzbeamten sein, Diagnosen von Amtsärzten in Frage zu stellen. Außerdem wirft man durch diese Aussage den Amtsärzten vor in der Vergangenheit Dokumente ausgestellt zu haben, für die er nicht befähigt war.

Ich habe dann bei anderen Stellen Rat gesucht. Am hat Frau H. für mich ein email an das Bürgerservice des BMF gesendet, mit der Anfrage ob der Freibetrag auch rückwirkend zusteht.

Herr K. vom Bürgerservice schreibt mir prompt zurück. Ich zitiere: ,Vielen Dank für Ihr mail vom . Für die Erlangung der Steuerabschreibung auf Grund Ihrer Behinderung ist sowohl für die Jahre ab 2000 bis 2004 als auch für die Folgejahre die Behindertenfeststellung des Polizeiarztes ausreichend. Die Bestimmung betreffend Behindertenfeststellung ausschließlich durch das Bundessozialamt bezieht sich nur auf etwaige Neufeststellungen der Behinderung ab 2005.'

Ich nahm an, dass mit dieser Auskunft von höchster Stelle, nun der Gewährung meines Freibetrages nichts mehr im Wege steht. Herr K. schreibt ja eindeutig, dass der Polizeiarzt (in Wien Polizeiarzt - bei uns der Amtsarzt) zuständig ist.

Falsch gedacht. Die Auskunft sei falsch, hieß es am Finanzamt Eisenstadt.

Darauf habe ich mich in einem Wiener Finanzamt erkundigt und folgende Auskunft erhalten:

Der Freibetrag wird gewährt, wenn ein L 38 mit einer rückwirkenden Bestätigung und der Ausweis gem. § 29 b vorliegt (Auch wenn dieser später ausgestellt wurde).

Es kann nicht sein, dass in Wien der Freibetrag gewährt wird und im Burgenland nicht. Das Burgenland zählt ja bekannterweise zu den finanzschwächeren Gebieten in Österreich.

Interessanterweise wurde aber auch in Eisenstadt bei einem Bekannten der Freibetrag rückwirkend, nur mit einem L 38 gewährt (ohne Ausweis gem. § 29 b)?!

Dann wurde ich auf einen Artikel im Kodex hingewiesen wo folgendes steht:

§ 35 EStG 1988 - Lohnsteuerbesprechung 2000

In letzter Zeit häufen sich Anträge (Erstanträge bzw. Zweitanträge), bei denen auch für vergangene Jahre Freibeträge gem. § 35 EStG 1988 (Erwerbsminderung, Diätfreibeträge, Gehbehinderung usw.) geltend gemacht werden. Der Nachweis der Behinderung erfolgt durch Vorlage des Vordruckes L 38, der in der Regel erst im Jahr der Antragstellung ausgestellt wird. Dem Formular L 38 ist nicht zu entnehmen, seit welchem Zeitpunkt die Behinderung besteht. Ab welchem Veranlagungsjahr kann in diesen Fällen erstmals der Behindertenfreibetrag gern. § 35 EStG 1988 gewährt werden?

Gem. § 35 Abs. 2 EStG 1988 sind die Tatsache der Behinderung und das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit durch eine amtliche Bestätigung der für diese Feststellung zuständigen Stelle (Amtsarzt) nachzuweisen. Soweit aus der Bestätigung hervorgeht, dass der Zeitpunkt des Bestehens der Behinderung zu einem früheren Zeitpunkt bereits bestanden hat, ist dieser Zeitpunkt auch für die Berücksichtigung der außergewöhnlichen Belastung maßgebend. Enthält diese Bestätigung keinen Hinweis auf den Zeitpunkt des Bestehens der Behinderung, ist vom Zeitpunkt der Ausstellung der Bestätigung auszugehen. Ist ein früherer Zeitpunkt allerdings offenkundig, (z.B. Behinderung auf Grund der Verletzungen durch einen Verkehrsunfall), ist dieser auch für die Berücksichtigung der außergewöhnlichen Belastung maßgebend.

Aus diesen Zeilen schließe ich, dass die Vorgangsweise des Finanzamtes in Wien und die Ansicht des Bürgerservice des Bundesministeriums für Finanzen die richtige ist und eher Teile der Mitarbeiter im Finanzamt Eisenstadt die Rechtslage nicht richtig beurteilen.

Jedenfalls dürfte in der Vergangenheit am Finanzamt Eisenstadt zur Gewährung des Freibetrages wesentlich gewesen sein, welcher Mitarbeiter den Fall bearbeitet.

Tatsache ist, dass ich gehbehindert bin, diese Behinderung mir der Amtsarzt rückwirkend bestätigt hat und einen Parkausweis f. Behinderte (Ausw. gem. § 24 b) und ein eigenes Kfz besitze.

Leider kann ich nur gegen das Jahr 2003 berufen, weil mir bei den übrigen Jahren das Rechtsmittel genommen wurde.

Ich habe im Dezember 2004 einen "Antrag auf Wiederaufnahme gem. § 303 BAO" für die Jahre 1999 bis 2002 gestellt.

Ende Mai erhalte ich ein Schreiben ohne Datum, mit dem Betreff: "Anregungen auf der Wiederaufnahme der Arbeitnehmerveranlagungen 1999, 2000, 5001? und 2002. Ihren Anregungen auf Wiederaufnahme der Arbeitnehmerveranlagungen für die Kalenderjahre 1999, 2000, 2201? und 2002 wurde nicht nachgekommen. Grund: Es besteht kein Rechtsanspruch. Der beantragte pauschale Freibetrag für ein KfZ wegen Behinderung steht nicht zu, da der Parkausweis für Behinderte erst ab 2005 ausgestellt wurde.'

Es wurde mir also das Rechtsmittel für die Jahre 1999 bis 2002 genommen. Ich habe keine Anregung auf Wiederaufnahme angeregt, sondern eindeutig einen Antrag auf Wiederaufnahme gem. § 303 BAO beantragt. Die Wiederaufnahme gem. § 303 BAO wurde angeblich eingeführt, damit der Bürger nach Endigung der Berufungsfrist ein Rechtsmittel gegen eine Abweisung hat. Dieses Rechtsmittel wurde mir durch das mir zugestellte Schreiben verwehrt. Der Amtsarzt hat eine 80 %ige Gehbehinderung festgestellt. Es hätte zumindest der Freibetrag auf Erwerbsminderung um eine Stufe erhöht werden müssen. Die Jahre zuvor wurde mir eine 80 %ige Erwerbsminderung gewährt.

Ich ersuche Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren, meiner Berufung auf Gewährung des Freibetrages wegen Gehbehinderung stattzugeben. Meine starken Abnützung resultieren aus meinem Beruf als Lebensmittelkaufmann, den ich 50 Jahre ohne Krankenstand oder Arbeitslosigkeit ausgeübt habe. Unsere Generation wurde auch anlässlich der Feiern "50 Jahre Staatsvertrag" im Parlament überschwänglich als Aufbaugeneration gelobt. Schöne Worte. Für den Staat war ich sicherlich keine Belastung. Ich würde es nur schwer verstehen, wenn die Gewährung dieses Anliegens davon abhängt, wo man zu Hause ist und welcher Mitarbeiter den Fall gerade bearbeitet."

Beilage 1 ist die Kopie eines undatierten Schreibens des Finanzamtes Bruck Eisenstadt Oberwart an den Bw. mit folgendem Inhalt:

"Betreff: Anregungen auf der Wiederaufnahme der Arbeitnehmerveranlagungen 1999, 2000, 5001 und 2002

Ihren Anregungen auf Wiederaufnahme der Arbeitnehmerveranlagungen für die Kalenderjahre 1999 2000 2201 und 2002 wurde nicht nachgekommen.

Grund: Es besteht kein Rechtsanspruch. Der beantragte pauschale Freibetrag für ein KFZ wegen Behinderung steht nicht zu."

Beilage 2 ist der Ausdruck einer E-Mail vom , 18:37:12 von Postausgang@bmf.gv.at, gezeichnet von einem Mitarbeiter des Bürgerservice des BMF an eine Frau H. (die Anfragemail ist nicht aktenkundig):

"... Für die Erlangung der Steuerabschreibung auf Grund Ihrer Behinderung ist sowohl für die Jahre ab 2000 bis 2004 als auch für die Folgejahre die Behindertenfeststellung des Polizeiamtsarztes ausreichend.

Die Bestimmung betreffend Behindertenfeststellung ausschließlich durch das Bundessozialamt bezieht sich nur auf etwaige Neufeststellungen der Behinderung ab 2005 ..."

Beilage 3 zu diesem Schreiben ist eine Kopie aus dem "Kodex Steuer-Erlässe", Stand , in welchem das Lohnsteuerprotokoll 2000 mit dem in der Berufung angeführten Inhalt wiedergegeben ist.

Beilage 4 ist eine Kopie aus dem "Kodex Steuer-Erlässe", Stand , betreffend Rz. 839 LStR 2000.

Beilage 5 ist eine Kopie aus dem "Steuerbuch" des BMF betreffend Gehbehinderte.

Im Finanzamtsakt befinden sich ferner unter anderem noch folgende relevante Aktenteile:

Eine Bestätigung des Amtsarztes der Bezirkshauptmannschaft Oberpullendorf vom , wonach der Bw. seit 1998 zu 80% erwerbsgemindert und gehbehindert ist. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit sei dauernd. Eine Bescheinigung "gemäß § 296 StVO" liege nicht vor.

Das Formular betreffend Wiederaufnahme hat im Wesentlichen folgenden Wortlaut:

"Bw. (Name, Anschrift)

An das Finanzamt Eisenstadt, Anschrift

Sozialversicherungsnummer...

Steuernummer:...

Wiederaufnahme gem. § 303 BAO

Ich ersuche um Wiederaufnahme des Verfahrens der Arbeitnehmerveranlagung für das (die) Jahr(e) 1999 - 2002

Begründung:

80% gehbehindert (siehe L38)

Eigener PKW vorhanden (OP -)

Ich ersuche um antragsgemäße Stattgabe.

Unterschrift Bw."

Aktenkundig ist ferner die Kopie eines für den Bw. ausgestellten "Parkausweises für Behinderte", ausgestellt von der Bezirkshauptmannschaft Oberpullendorf. Ein Ausstellungsdatum ist nicht ersichtlich.

Ferner befindet sich in den Akten die Anfrage einer Fachexpertin des Finanzamtes Bruck Eisenstadt Oberwart an den bundesweiten Fachbereich vom mit folgendem Inhalt:

"Ein Abgabepflichtiger ist auf Grund einer Bescheinigung des Amtsarztes zu 80% gehbehindert. Die Gehbehinderung ist auf dem Formblatt L 38 vom Amtsarzt bescheinigt, gleichzeitig aber das Vorliegen einer Bescheinigung nach § 296 StVO (oder einer gleichartigen Bescheinigung) verneint. Ist der Freibetrag für das KFZ trotzdem zu gewähren?"

Die Antwort eines Mitarbeiters des bundesweiten Fachbereichs vom lautete:

"...In dem von Ihnen geschilderten Fall liegt keine der in § 3 Abs. 1 der Verordnung des BM für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen angeführten Voraussetzungen für die Gewährung des monatlichen Freibetrages von Euro 153,-- vor.

Voraussetzung wäre

  • Bescheinigung gem. § 29b StVO

  • Befreiung von der KFZ-Steuer bzw. von der motorbezogenen Versicherungssteuer

Außerdem wird das Vorliegen der Voraussetzungen für die Befreiung offensichtlich durch den Amtsarzt verneint.

Zweckmäßig dürfte daher sein, dass der Abgabepflichtige die Ausstellung der o.a. Bescheinigungen bzw. Bescheide betreibt...."

Aktenkundig ist ferner die Korrespondenz des Sohnes des Bw., mit dem bundesweiten Fachbereich des BMF, in welchem auf die vorstehend dargestellte Auskunft Bezug genommen wird. Der Sohn mailte am :

"...die Anfrage vom durch das Finanzamt Eisenstadt betrifft meinen Vater. Die Fragestellung war jedoch nicht vollständig.

Nachdem das L 38 nach Ansicht des Bearbeiters nicht ausreichend ist, wurde von meinem Vater eine Bescheinigung gem. § 29 b STVO verlangt (seit Parkausweis für Behinderte). Diese Bescheinigung wurde nachträglich nachgerecht.

Auf eine Anfrage an das Bürgerservice des BMF (Herr ...) wurde mitgeteilt, dass aufgrund der Sachlage, der Freibetrag für Gehbehinderung zu gewähren ist.

Meine Frage: ist durch die Vorlage der Bescheinigung gem. § 29 b STVO der Freibetrag nun zu gewähren?..."

Der bundesweite Fachbereich antwortete mit Mail vom :

"Zu Ihrer Anfrage kann ich Ihnen aus der Sicht des Fachbereiches Lohnsteuer Folgendes mitteilen:

Voraussetzung für die Gewährung des Freibetrages für Benutzung des eigenen Kraftfahrzeuges von Gehbehinderten gem. § 3 Abs. 1 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen ist

  • das Vorliegen einer Bescheinigung gern. § 29b STVO oder

  • das Vorliegen einer Befreiung von der KFZ-Steuer bzw. von der motorbezogenen Versicherungssteuer.

Da diese Bescheinigung im Anlassfall nunmehr vorliegen dürfte, steht einer Gewährung des monatlichen Freibetrages in der Höhe von € 153,-- nichts mehr im Wege. Der Freibetrag steht ab dem Kalenderjahr 2005 zu.

Ihre Anfrage wäre damit grundsätzlich beantwortet. Ich habe mich aber vor der Versendung noch mit Frau [Mitarbeiterin des Finanzamtes] ins Einvernehmen gesetzt und festgestellt, dass offensichtlich auch eine Gewährung für Vorjahre (vor dem Kalenderjahr 2005) gewünscht wird. Hiezu Folgendes:

Die rückwirkende Ausstellung eines Behindertenpasses ist grundsätzlich nicht möglich. Die im Laufe eines Kalenderjahres erfolgte Feststellung des Grades einer Behinderung gilt für Zwecke der Steuerermäßigung aus Vereinfachungsgründen immer für das ganze Kalenderjahr.

Ist die Behinderung die Folge eines Ereignisses (z.B. eines Unfalles oder einer Operation), gilt der festgestellte Grad der Behinderung - in Ihrem Anlassfall auch der Umstand des Vorliegens einer Gehbehinderung - aus Vereinfachungsgründen für Zwecke der Steuerermäßigung immer rückwirkend bis zum Zeitpunkt des Ereignisses (Unfall, Operation) - jedoch begrenzt durch die Verjährungsbestimmungen.

In anderen Fällen ist die rückwirkende Feststellung eines Grades der Behinderung grundsätzlich nicht möglich. In besonderen Ausnahmefällen kann die Landesstelle des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen mit einem entsprechenden Gutachten feststellen, dass ein bestimmter Grad der Behinderung - oder eine Gehbehinderung - schon ab einem bestimmten Zeitpunkt in der Vergangenheit vorgelegen hat.

Wie Sie sehen, ist die Sachlage sehr komplex, weshalb auch bei etwaigen Auskunftserteilungen die Problematik besteht, Teile des Sachverhaltes nicht genau zu kennen und bei der Beantwortung auf wichtige Aspekte nicht einzugehen.

Die richtige Ansprechstelle liegt daher immer beim zuständigen Finanzamt. ich ersuche Sie daher, in Ihrer Angelegenheit den Kontakt mit den zuständigen Bearbeitern des Finanzamtes zu suchen.

Nachstehend teile ich ihnen noch die Sicht des Fachbereiches mit:

Wenn das Vorliegen der Gehbehinderung auf ein Ereignis zurückzuführen ist und eindeutig festgestellt werden kann, dass die Gehbehinderung bereits zu einem früheren Zeitpunkt in gleichem Ausmaß bestanden hat, wie zum Zeitpunkt der Feststellung durch das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, ist eine Berücksichtigung möglich.

Weiters wäre es möglich, beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen die Ausstellung einer Bescheinigung zu betreiben, mit der das Vorliegen ab dem früheren Zeitpunkt bescheinigt wird.

In beiden Fällen wird es günstig sein, frühere Gutachten etc. vorzulegen, die eine entsprechende Beurteilung möglich machen..."

Die Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2003 wurde elektronisch eingereicht.

Mit Bescheid vom wurde der Bw. vom Finanzamt Bruck Eisenstadt Oberwart zur Einkommensteuer für das Jahr 2003 veranlagt.

Dabei wurde der Kirchenbeitrag als Sonderausgabe berücksichtigt und der Freibetrag wegen eigener Behinderung nach § 35 Abs. 3 EStG 1988 in Höhe von 435 € gewährt. Außerdem wurden Pauschbeträge nach der Verordnung über außergewöhnliche Belastungen wegen eigener Behinderung (840 €) sowie nachgewiesene Kosten aus der eigenen Behinderung nach der Verordnung über außergewöhnliche Belastungen von 1.702,09 € berücksichtigt.

Hinsichtlich der KFZ-Benutzung wird in der Bescheidbegründung ausgeführt:

"Der pauschale Freibetrag für ein KFZ wegen Behinderung konnte nicht gewährt werden, da der Parkausweis erst 2005 ausgestellt wurde."

Der Vorlagebericht des Finanzamtes vom enthält keine Äußerung zum ausführlichen Berufungsvorbringen, sondern lediglich das Ersuchen um Anberaumung eines Erörterungstermins.

Im "Steuerbuch" des Bundesministeriums für Finanzen finden sich zu der strittigen Frage unter anderem folgende Aussagen:

"Für Körperbehinderte gibt es einen Freibetrag von 153 € monatlich, sofern sie infolge ihrer Gehbehinderung ein eigenes Fahrzeug für Privatfahrten benötigen. Die Geltendmachung dieses Pauschalbetrages setzt einen Nachweis der Gehbehinderung voraus (beispielsweise Befreiungsbescheid von der motorbezogenen Versicherungssteuer, Ausweis gemäß 29b der Straßenverkehrsordnung oder Behindertenpass mit der Feststellung der Gehbehinderung). Der Nachweis der Gehbehinderung ist auf Verlangen des Finanzamtes vorzulegen.

Die Kosten einer behindertengerechten Adaptierung des Kraftfahrzeuges können nicht geltend gemacht werden. Die Mehraufwendungen eines Gehbehinderten für die Benutzung eines eigenen Kfz können nur in Höhe des Pauschalbetrages von 153 € monatlich abgesetzt werden. Behinderte mit einer mindestens 50%igen Erwerbsminderung ohne eigenes Kfz können tatsächliche Kosten für Taxifahrten bis maximal 153 € monatlich geltend machen."

Über die Berufung wurde erwogen:

Auf Grund der Aktenlage steht fest:

  • Der Bw. ist seit dem Jahr 1998 zu 80% dauernd erwerbsgemindert und gehbehindert (amtsärztliches Attest vom ).

  • Der Bw. benutzt zur Fortbewegung ein eigenes Kraftfahrzeug (unbestrittene Angaben des Bw.).

  • Für den Bw. wurde zu einem nicht aktenkundigen Zeitpunkt, aber im Jahr 2005 (ergibt sich aus der Nummerierung des Ausweises), ein "Parkausweis für Behinderte" ausgestellt.

§ 35 EStG 1988 in der ab geltenden Fassung (BGBl. I Nr. 180/2004) lautet:

§ 35. (1) Hat der Steuerpflichtige außergewöhnliche Belastungen

  • durch eine eigene körperliche oder geistige Behinderung,

  • bei Anspruch auf den Alleinverdienerabsetzbetrag durch eine Behinderung des (Ehe-)Partners (§ 106 Abs. 3) oder

  • bei Anspruch des Steuerpflichtigen selbst oder seines (Ehe-)Partners auf den Kinderabsetzbetrag, durch eine Behinderung des Kindes (§ 106 Abs. 1 und 2), für das keine erhöhte Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 4 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 gewährt wird,

und erhält weder der Steuerpflichtige noch sein (Ehe-)Partner noch sein Kind eine pflegebedingte Geldleistung (Pflegegeld, Pflegezulage oder Blindenzulage), so steht ihm jeweils ein Freibetrag (Abs. 3) zu.

(2) Die Höhe des Freibetrages bestimmt sich nach dem Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung). Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) richtet sich in Fällen,

  • in denen Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden, nach der hiefür maßgebenden Einschätzung,

  • in denen keine eigenen gesetzlichen Vorschriften für eine Einschätzung bestehen, nach § 7 und § 9 Abs. 1 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957.

Die Tatsache der Behinderung und das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) sind durch eine amtliche Bescheinigung der für diese Feststellung zuständigen Stelle nachzuweisen. Zuständige Stelle ist:

  • Der Landeshauptmann bei Empfängern einer Opferrente (§ 11 Abs. 2 des Opferfürsorgegesetzes, BGBl. Nr. 183/1947).

  • Die Sozialversicherungsträger bei Berufskrankheiten oder Berufsunfällen von Arbeitnehmern.

  • In allen übrigen Fällen sowie bei Zusammentreffen von Behinderungen verschiedener Art das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen; dieses hat den Grad der Behinderung durch Ausstellung eines Behindertenpasses nach §§ 40 ff des Bundesbehindertengesetzes, im negativen Fall durch einen in Vollziehung dieser Bestimmungen ergehenden Bescheid zu bescheinigen.

(3) Es wird jährlich gewährt


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bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von
ein Freibetrag von Euro
25% bis 34%
75
35% bis 44%
99
45% bis 54%
243
55% bis 64%
294
65% bis 74%
363
75% bis 84%
435
85% bis 94%
507
ab 95%
726

(4) Haben mehrere Steuerpflichtige Anspruch auf einen Freibetrag nach Abs. 3, dann ist dieser Freibetrag im Verhältnis der Kostentragung aufzuteilen. Weist einer der Steuerpflichtigen seine höheren Mehraufwendungen nach, dann ist beim anderen Steuerpflichtigen der Freibetrag um die nachgewiesenen Mehraufwendungen zu kürzen.

(5) Anstelle des Freibetrages können auch die tatsächlichen Kosten aus dem Titel der Behinderung geltend gemacht werden (§ 34 Abs. 6).

(6) Bezieht ein Arbeitnehmer Arbeitslohn von zwei oder mehreren Arbeitgebern, steht der Freibetrag nur einmal zu.

(7) Der Bundesminister für Finanzen kann nach den Erfahrungen der Praxis im Verordnungsweg Durchschnittssätze für die Kosten bestimmter Krankheiten sowie körperlicher und geistiger Gebrechen festsetzen, die zu Behinderungen im Sinne des Abs. 3 führen."

§ 35 Abs. 2 EStG 1988 in der bis geltenden Fassung lautet:

(2) Die Höhe des Freibetrages bestimmt sich nach dem Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung). Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) richtet sich in Fällen,

  • in denen Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden, nach der hiefür maßgebenden Einschätzung,

  • in denen keine eigenen gesetzlichen Vorschriften für eine Einschätzung bestehen, nach den §§ 7 und 9 Abs. 1 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957.

Die Tatsache der Behinderung und das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) sind durch eine amtliche Bescheinigung der für diese Feststellung zuständigen Stelle nachzuweisen. Zuständige Stelle ist:

  • Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen bei Kriegsbeschädigten, Personen, die Präsenz- oder Ausbildungsdienst leisten oder geleistet haben, Opfern von Verbrechen und Invaliden nach dem Behinderteneinstellungsgesetz.

  • Der Landeshauptmann bei Empfängern einer Opferrente (§ 11 Abs. 2 des Opferfürsorgegesetzes, BGBl. Nr. 183/1947).

  • Die Sozialversicherungsträger bei Berufskrankheiten oder Berufsunfällen von Arbeitnehmern.

  • Das Gesundheitsamt (im Bereich der Stadt Wien der Amtsarzt des jeweiligen Bezirkspolizeikommissariates) oder das örtlich zuständige Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen durch Ausstellung eines Behindertenpasses (§ 40 Abs. 2 des Bundesbehindertengesetzes) in allen übrigen Fällen sowie bei Zusammentreffen von Behinderungen verschiedener Art.

§ 124b Z 111 EStG 1988 lautet:

"§ 35 Abs. 2 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 180/2004 ist erstmals auf Bescheinigungen anzuwenden, die nach dem ausgestellt werden. Bescheinigungen, die vor dem gemäß § 35 Abs. 2 in der Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 180/2004 ausgestellt werden, gelten ab als Bescheinigungen im Sinne des § 35 Abs. 2 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 180/2004."

§ 3 der hierzu erlassenen Verordnung des Bundesministers für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen, BGBl. Nr. 303/1996, i.d.g.F., lautet:

"§ 3. (1) Für Körperbehinderte, die zur Fortbewegung ein eigenes Kraftfahrzeug benützen, ist zur Abgeltung der Mehraufwendungen für besondere Behindertenvorrichtungen und für den Umstand, daß ein Massenbeförderungsmittel auf Grund der Behinderung nicht benützt werden kann, ein Freibetrag von 153 Euro monatlich zu berücksichtigen. Die Körperbehinderung ist durch eine Bescheinigung gemäß § 29 b der Straßenverkehrsordnung 1960 oder einen Bescheid über die Befreiung von der Kraftfahrzeugsteuer gemäß § 2 Abs. 2 des Kraftfahrzeugsteuergesetzes 1952, gemäß § 2 Abs. 1 Z 12 des Kraftfahrzeugsteuergesetzes 1992 oder gemäß § 4 Abs. 3 Z 9 des Versicherungssteuergesetzes 1953 nachzuweisen.

(2) Bei einem Gehbehinderten mit einer mindestens 50%igen Erwerbsminderung, der über kein eigenes Kraftfahrzeug verfügt, sind die Aufwendungen für Taxifahrten bis zu einem Betrag von monatlich 153 Euro zu berücksichtigen."

Nach der Verwaltungspraxis (Rz. 847 LStR 2000) und Lehre (Wiesner/Atzmüller/Grabner/Leitner/Wanke, EStG 1988, § 35 Anm. 15) kann das Vorliegen einer Körperbehinderung im Sinne des § 3 der Verordnung auch folgendermaßen nachgewiesen werden:

  • durch eine Bescheinigung gem. § 29b StVO 1960,

  • durch einen ("alten") Bescheid über die Befreiung von der Kraftfahrzeugsteuer gemäß § 2 Abs 2 KfzStG 1952,

  • durch eine Feststellung iSd § 36 Abs 2 Z 3 Bundesbehindertengesetz 1990 oder

  • durch die Eintragung einer dauernden starken Gehbehinderung, der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung oder der Blindheit im Behindertenpass (§ 42 Abs 1 Bundesbehindertengesetz 1990).

Alle nach § 3 Abs. 1 der Verordnung geforderten Tatbestandsmerkmale liegen nunmehr vor:

  • Der Bw. ist körperbehindert,

  • der Bw. benützt zur Fortbewegung ein eigenes Kraftfahrzeug,

  • für den Bw. wurde eine Bescheinigung gemäß § 29b StVO ("Die Behörde hat Personen, die dauernd stark gehbehindert sind, auf deren Ansuchen einen Ausweis über diesen Umstand auszufolgen") mit dem "Parkausweis für Behinderte" ausgestellt.

Die Verordnung selbst enthält keine Aussage darüber, ob die Ausstellung des Parkausweises für Behinderte erst für die Zukunft Wirkungen entfaltet, oder ob auch für Zeiträume vor der Ausstellung dieses Ausweises - wenn die starke Gehbehinderung vorgelegen ist - der Pauschbetrag gewährt werden kann.

Bei gesetzes- und verfassungskonformen Verständnis der Verordnung kann die Regelung in § 3 Abs. 1 leg. cit. nur so verstanden werden, dass die Tatbestandsmerkmale der Körperbehinderung, der Benutzung eines eigenen Kraftfahrzeuges sowie der starken Gehbehinderung im jeweiligen Veranlagungszeitraum vorliegen müssen; die Ausstellung eines "Parkausweises für Behinderte" jedoch zu einem späteren Zeitpunkt (solange nicht Verjährung hinsichtlich der jeweiligen Abgabenfestsetzung eingetreten ist) erfolgen kann.

Diese Ansicht entspricht auch der herrschenden Auffassung zum Zeitpunkt des Vorliegens eines Nachweises nach § 35 Abs. 2 EStG 1988:

Soweit aus der amtlichen Bescheinigung hervorgeht, dass die Behinderung bereits zu einem früheren Zeitpunkt bestanden hat, ist dieser Zeitpunkt auch für die Berücksichtigung der außergewöhnlichen Belastung maßgebend. Erhält die Bestätigung keinen Hinweis auf den Zeitpunkt des Entstehens der Behinderung, stehen die Freibeträge ab der Ausstellung der Bestätigung zu. Ist ein früherer Zeitpunkt allerdings offenkundig (zB Behinderung auf Grund der Verletzungen durch einen Verkehrsunfall), ist dieser auch für die Berücksichtigung der außergewöhnlichen Belastung maßgebend ( Wiesner/Atzmüller/Grabner/Leitner/Wanke, EStG 1988, § 35 Anm. 7; Rz. 839 LStR 2000 sowie die oben wiedergegebene Auskunft des bundesweiten Fachbereichs des BMF).

Die Annahme, der Pauschbetrag könne erst ab dem Zeitpunkt des Vorliegens einer Bescheinung nach § 29b StVO nur für die Zukunft gewährt werden, würde auch einen dem Verordnungsgeber nicht zu unterstellenden Wertungswiderspruch innerhalb des § 3 der Verordnung implizieren:

Benützte der Bw. kein eigenes Kraftfahrzeug zur Fortbewegung, wäre ihm nach § 3 Abs. 2 jedenfalls ein Pauschbetrag von 153 € monatlich für Taxifahrten zugestanden, da er gehbehindert und zu über 50% erwerbsgemindert war.

Nun wollte der Verordnungsgeber mit dem Hinweis auf eine Bescheinigung nach § 29b StVO in § 3 Abs. 1 der Verordnung für Behinderte mit eigenem Kfz nicht die Nachweisführung zur Erlangung eines Pauschbetrages in gleicher Höhe wie für Behinderte ohne eigenes Auto erschweren, sondern im Gegenteil erleichtern, da nach der Lebenserfahrung Gehbehinderte, die dauernd stark gehbehindert sind und über ein eigenes Auto verfügen, in der Regel einen Ausweis im Sinne des § 29b StVO ausgestellt erhalten haben, sodass der Behinderte ohne weitere Amts- und Arzt-Wege mit Vorlage dieses Ausweises den Pauschbetrag erhält.

Es wäre verfassungswidrig, Gehbehinderte mit eigenem Auto gegenüber solchen ohne eigenes Auto zu benachteiligen.

Der Inhalt des "Steuerbuches" des BMF stellt zwar für den Unabhängigen Finanzsenat keine beachtliche Rechtsquelle dar, kann jedoch auch zur Auslegung der Intentionen des Verordnungsgebers herangezogen werden. Im "Steuerbuch" ist lediglich vom Nachweis einer "Gehbehinderung" die Rede, wobei unter anderem der "Behindertenpass mit der Feststellung der Gehbehinderung" genügen solle.

Nun ist auf Grund der vorliegenden Bestätigung des Amtsarztes offenkundig, dass der Bw. bereits seit dem Jahr 1998 dauernd gehbehindert ist, wobei der Behinderung eine Erwerbsminderung von 80% zugrunde liegt. Im Jahr 2005 wurde mit der Ausstellung des "Parkausweises" dokumentiert, dass eine dauernde starke Gehbehinderung vorliegt.

Dem Bw. wäre, verfügte er über kein eigenes Auto, auf Grund der seit 1998 amtsärztlich feststellten Minderung der Erwerbsfähigkeit von mehr als 50% und der ebenfalls amtsärztlich festgestellten Gehbehinderung die Pauschalierung von 153 € monatlich für Taxifahrten nach § 3 Abs. 2 der Verordnung jedenfalls zugestanden.

Im Sinne der obigen Ausführungen kann der Verordnung in verfassungskonformer Auslegung nicht das Verständnis beigelegt werden, dass ein Körperbehinderter, der dauernd zu mindestens 50% erwerbsgemindert und gehbehindert ist, über die diesbezügliche Feststellung des Amtsarztes (die auch die Bestätigung des Zeitpunktes, ab welchem die Erwerbsminderung und die Gehbehinderung vorgelegen ist, umfasst) und das hier gegebene Vorliegen eines "Parkausweises für Behinderte" hinausgehend weitere Nachweise benötigen würde, dass die festgestellte Gehbehinderung auch "schwer" gewesen sei bzw. dass ein Massenverkehrsmittel auf Grund der Behinderung nicht benutzt werden konnte.

Da somit alle Voraussetzungen für die Gewährung des Pauschbetrages nach § 3 Abs. 1 der Verordnung vorliegen, war der Berufung gegen den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2003 Folge zu geben.

Der Unabhängige Finanzsenat braucht im gegenständlichen Verfahren nicht zu entscheiden, ob § 3 der Verordnung verfassungskonform so zu interpretieren ist, dass bei festgestelltem Vorliegen einer mindestens 50%igen Erwerbsminderung und einer Gehbehinderung der Pauschbetrag von 153 € jedenfalls zu gewähren ist, unabhängig davon, ob der Gehbehinderte ein eigenes Kfz oder ein Taxi benutzt, während Körperbehinderte mit eigenem Kraftfahrzeug anstelle des Nachweises der mindestens 50%igen Erwerbsminderung den Nachweis mit einem "Parkausweis für Behinderte" (Bescheinigung gemäß § 29b StVO) oder weitere in § 3 Abs. 1 der Verordnung genannte Bescheinigungen führen können.

Von der vom Finanzamt Bruck Eisenstadt Oberwart angeregten Erörterung der Sach- und Rechtslage (§ 279 Abs. 3 BAO) oder der amtswegigen Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung (§ 284 Abs. 1 Z 2 BAO) konnte Abstand genommen werden, da die Sach- und Rechtslage nach Ansicht des Unabhängigen Finanzsenates keiner weiteren Erörterung bedarf und dem gehbehinderten Bw., ein weiterer, nicht erforderlicher Behördentermin erspart bleiben soll.

In seinem Schreiben vom rügt der Bw. ferner die Nichterledigung seiner Wiederaufnahmeanträge betreffend die Veranlagungen für die Jahre 1999 bis 2002.

Dem Bw. ist beizupflichten, dass das Finanzamt gemäß § 311 Abs. 2 BAO verpflichtet ist, über seine Wiederaufnahmeanträge innerhalb von sechs Monaten zu entscheiden.

Das formlose und undatierte Schreiben des Finanzamtes, wonach "Anregungen auf Wiederaufnahme der Arbeitnehmerveranlagungen für die Jahre 1999 2000 2201 und 2002" (im Betreff dieses Schreibens wird von den Jahren 1999, 2000, 5001 und 2002 gesprochen) nicht nachgekommen werde, weil kein Rechtsanspruch bestehe und der "pauschale Freibetrag für ein KFZ" nicht zustehe, ist kein Bescheid und somit auch keine Erledigung im Sinne der §§ 92 ff BAO. Dem Bw. ist auch Recht zu geben, dass allein die festgestellte höhere Erwerbsminderung - unabhängig von der Frage des KFZ-Pauschbetrages - für das Finanzamt eine neue Tatsache sein kann, die im Falle der Wiederaufnahme zur Erlassung anders lautender Einkommensteuerbescheide führen würde.

Der Bw. hat eine Wiederaufnahme der Verfahren im Sinne von § 303 Abs. 1 BAO beantragt und hat einen Rechtsanspruch darauf, dass dieser Antrag bescheidförmig erledigt wird.

Gegen die Säumigkeit des Finanzamtes wäre der zulässige Rechtsbehelf ein (förmlicher) Antrag auf Übergang der Zuständigkeit der Entscheidung auf die Abgabenbehörde zweiter Instanz gemäß § 311 Abs. 1 BAO. Einen derartigen Antrag hat der Bw. bislang nicht gestellt (im Hinblick auf die damit verbundenen Rechtsfolgen kann das Schreiben vom auch nicht als förmlicher Devolutionsantrag verstanden werden), sodass der Unabhängige Finanzsenat gegen die Säumigkeit des Finanzamtes (vorerst) keine Abhilfe schaffen kann.

Zur Verkürzung des weiteren Verfahrens sieht sich der Unabhängige Finanzsenat jedoch zu dem Hinweis veranlasst, dass für eine Wiederaufnahme des Verfahrens über Antrag der Partei nach § 303 Abs. 1 BAO bestimmte Voraussetzungen vorliegen und Formvorschriften erfüllt sein müssen.

Eine Wiederaufnahme von Amts wegen (§ 303 Abs. 4 BAO) liegt im Ermessen des Finanzamtes; hierauf hat der Bw. keinen Rechtsanspruch. Eine "Anregung" hierauf wäre auch nicht bescheidförmig zu erledigen.

Bemerkt wird jedoch, dass nach Ansicht des Unabhängigen Finanzsenates im Sinne der obigen Ausführungen die Ausstellung des "Parkausweises für Behinderte" ein Ereignis im Sinne des § 295a BAO ist, das - sofern hieraus oder im Zusammenhalt mit anderen Verfahrensergebnissen (wie im vorliegenden Fall) eine auch bereits in der Vergangenheit bestanden habende starke Gehbehinderung abgeleitet werden kann - abgabenrechtliche Wirkung für die Vergangenheit auf den Bestand oder Umfang eines Abgabenanspruches hat. Auf die Abänderung eines Bescheides nach § 295a BAO innerhalb der Verjährungsfrist hat der Steuerpflichtige einen Rechtsanspruch, diese Abänderung kann freilich auch von Amts wegen erfolgen.

Beilage : 1 Berechnungsblatt

Wien,

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
Schlagworte
Körperbehinderung
Gehbehinderung
Parkausweis
Behindertenpass
Rückwirkung
Zitiert/besprochen in
UFSaktuell 2005, 362

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at