Berufungsentscheidung - Zoll (Referent), UFSZ1W vom 03.03.2011, ZRV/0037-Z1W/07

Aufgrund einer veränderten tariflichen Einstufung von Tabakwaren ergeht ein Nachforderungsbescheid gestützt auf Art. 203 ZK, jedoch schon außerhalb der Verjährungsfrist nach Art. 221 Abs.3 ZK. Nichtanwendbarkeit der zehnjährigen Verjährungsfrist nach § 74 Abs.2 ZollR-DG. Bindung der Abgabenbehörde an Strafgerichtsurteile.


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Miterledigte GZ:
ZRV/0050-Z1W/07

Beachte

VwGH-Beschwerde zur Zl. 2011/16/0105 eingebracht. Mit Erk v. als unbegründet abgewiesen.

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Beschwerden der Bf.., Adr., vertreten durch RA, Rechtsanwalt, Adr, vom und gegen die Berufungsvorentscheidungen des Zollamtes Wien vom , Zl. 100/33115/2003-30, betreffend Eingangsabgaben und Nebenansprüche (Pkt. I) bzw. vom , Zl. 100/33115/2003-35, betreffend Aussetzung der Vollziehung (Pkt. II) gemäß § 85c ZollR-DG entschieden:

I. Der Beschwerde betreffend Eingangsabgaben und Nebenansprüche wird im Grunde des Art. 221 Abs.3 ZK Folge gegeben, die Berufungsvorentscheidung aufgehoben und die Abgabenschuld mit Null Euro (statt bisher 167.285,50 €) festgesetzt.

II. Die Beschwerde betreffend die Aussetzung der Vollziehung wird wegen Nichtbestehens einer Abgabenschuld als unbegründet abgewiesen.

Entscheidungsgründe

Mit Bescheid vom , Zl. 100/33115/2003-29 schrieb das Zollamt Wien der Bf. . (Beschwerdeführerin, im Folgenden: Bf.) gemäß Art. 203 Abs.1, 2 und 3 erster Anstrich Zollkodex (ZK) iVm § 2 Abs.1 ZollR-DG nachzufordernde Eingangsabgaben für Wasserpfeifentabak, der bei 5 näher bezeichneten Importvorgängen der zollamtlichen Überwachung entzogen worden war, vor, und zwar Zoll in Höhe von 3.229,33 €, Einfuhrumsatzsteuer in Höhe von 26.152,27 € und Tabaksteuer in Höhe von 127.532,10 € sowie als Nebenanspruch (§ 3 Abs.2 BAO) eine Abgabenerhöhung gemäß § 108 Abs.1 ZollR-DG in Höhe von 10.371,80 €, somit insgesamt 167.285,50 €. Diese Beträge ergaben sich gemäß einer in den Bescheid integrierten tabellarischen Aufstellung durch Differenzbildung zwischen den für diese Waren zu entrichtenden und den schon entrichteten Abgabenbeträgen und wurden gemäß § 217 Abs.1 ZK buchmäßig erfasst und gemäß Art. 221 Abs.1 ZK mitgeteilt.

Begründet wurde der Bescheid damit, dass die Bf. diesen Wasserpfeifentabak in Ägypten bei der Firma N. bestellt hatte und per Luftpost zugesandt bekam. Die Ware wurde bei der Einbringung nach Österreich im Zollamt Flughafen Wien jeweils am , , , und gestellt und mit Einheitspapier zur Abfertigung zum zollrechtlich freien Verkehr mit der Warenbezeichnung "Tabakabfälle" und der Tarifnummer 2401 3000 00 angemeldet. Auch in den beiliegenden Papieren (Rechnungen, Ursprungszeugnisse, Frachtbriefe) war die Ware als Tabakabfall bezeichnet. Nach zollamtlichen Recherchen gelangte man zur Rechtsansicht, dass diese Waren richtig als Wasserpfeifentabak mit der Tarifeinreihung 2403 1010 bzw. in handelsüblicher Bezeichnung als "Allgemein verarbeiteter Tabak" oder auch als "Rauchtabak" einzustufen waren. Keine dieser Angaben seien richtig gemacht worden, sodass die Zollbehörde außerstande war, die Waren der richtigen Tarifnummer zuzuordnen und die objektiv richtigen Abgaben auszurechnen. In der Bescheidbegründung wird dann rechtlich näher ausgeführt, dass die tatsächlich importierten Waren andere gewesen sind als jene, die für das Zollverfahren deklariert waren und für die daher mit Verlassen des Amtsplatzes die Zollschuld aus dem Grunde des Art. 203 ZK für die jeweilige Anmelderin Bf. entstanden war. Hingewiesen wurde weiters darauf, dass bei Zollschuldvorschreibung nach Art. 203 ZK wegen § 72a ZollR-DG auch die Einfuhrumsatzsteuer sowie eine Abgabenerhöhung nach § 108 Abs.1 ZollR-DG vorzuschreiben ist. Die o.a. Beträge waren die Differenzbeträge aus den für Wasserpfeifentabak anfallenden Eingangsabgabenbeträgen und den bereits für Tabakabfall entrichteten Beträgen.

Gegen diesen Bescheid erhob die Bf. durch ihren Rechtsvertreter am fristgerecht das Rechtsmittel der Berufung und führte darin aus, dass die gegenständlichen Importvorgänge schon Inhalt des Bescheides des Zollamtes Wien vom gewesen seien, mit dem das Zollamt im Grunde des Art. 201 Abs.1 Buchst. a und Abs.3 ZK eine Abgabenschuld in Höhe von 159.590,09 € festgesetzt hatte. Zu diesem Bescheid sei es im Rechtsmittelverfahren zur aufhebenden Berufungsentscheidung des GZ. ZRV/0303-Z2L/03 gekommen. Im Wesentlichen wurde diese Aufhebung damit begründet, dass die Abgabenvorschreibung nicht auf Basis von Art. 201, sondern Art. 203 ZK hätte erfolgen müssen. Nunmehr habe die Behörde mit dem Bescheid vom zum selben Sachverhalt die Abgabenvorschreibung in Höhe von 167.285,50 € auf Basis von Art. 203 Abs.1, 2 und 3 erster Anstrich ZK, also mit dem Rechtsgrund der Entziehung der Waren aus der zollamtlichen Überwachung, vorgenommen. Diese Vorgangsweise sei unrichtig. Einerseits schon aus dem Grund, dass in Hinblick auf Art. 217 bis 219 ZK, insbesondere die normierte Zwei-Tage-Frist und den Umstand, dass die Behörde im Dezember 2006 eine Maßnahme setzt, die sie (in der richtigen Weise) schon im März 2003 setzen konnte, die zollbehördliche Maßnahme bereits verfristet sei. Auch der Umstand, dass bereits 2003 eine Strafanzeige erfolgt war, mache deutlich, dass der Behörde schon damals der Sachverhalt klar gewesen sei. Die Behörde versuche, einen verfehlten Bescheid mit dreijähriger Verspätung zu korrigieren, verstoße aber mit dem neuerlichen Bescheid zum selben Sachverhalt gegen das verfahrensrechtliche Prinzip "ne bis in idem". Weiters sei zugunsten der Bf. ins Treffen zu führen, dass ein Vorsatz des Firmenverantwortlichen in Hinblick auf die Entziehung aus der zollamtlichen Überwachung nicht vorlag. Denn dieser im Gerichtsverfahren angeklagte und rechtskräftig freigesprochene Firmenverantwortliche habe auf die Fachkenntnis des abfertigenden Zollbeamten im Flughafen Wien vertraut. Dieser habe auch bei jedem Importvorgang die Möglichkeit zur Beschau der Ware gehabt, habe aufgrund einer ausdrücklichen Anfrage in der per e-Mail gemachten Antwort die Waren als solche der Tarifnummer 2401 3001000 qualifiziert und im Übrigen sei auf der Verpackung die Bezeichnung "Wasserpfeifentabak" zu lesen gewesen. Bei einer dem § 115 BAO entsprechenden Vorgangsweise der Behörde wäre es zu den Fehlern gar nicht gekommen und von einem Entziehen aus der zollamtlichen Überwachung könne keine Rede sein. Im Übrigen habe die Behörde auch ihrer Ermittlungspflicht in Hinblick auf die Qualität der Rauchwaren und der Ermittlung des Kleinverkaufspreises nicht entsprochen, was als Verfahrensmangel geltend gemacht wird.

Mit Berufungsvorentscheidung (BVE) vom , Zl. 100/33115/2003-30, wies das Zollamt die Berufung ab, es wurde lediglich eine Richtigstellung des Zeitraums von " bis " auf " bis " vorgenommen. In der Begründung wird neben den die Ausführungen aus dem Erstbescheid wiederholenden und vertiefenden Argumenten auf die in Art. 221 Abs.3 ZK enthaltene gemeinschaftsrechtliche Verjährungsbestimmung hingewiesen, wonach die Mitteilung einer Zollschuld an den Zollschuldner nach Ablauf einer Frist von drei Jahren nach Entstehen der Zollschuld nicht mehr erfolgen darf, diese Frist jedoch ab Einbringung eines Rechtsbehelfs (Art. 243 ZK) ausgesetzt ist, und zwar für die Dauer des Rechtsbehelfs. Weiters enthält die Begründung der BVE Ausführungen zum Kleinverkaufspreis von Tabakwaren, den das Zollamt in der im Amtsblatt zur Wiener Zeitung veröffentlichten Höhe herangezogen hatte. Dem Argument, mit der Abgabenfestsetzung im Bescheid vom werde gegen das Prinzip "ne bis in idem" verstoßen, hält das Zollamt entgegen, dass Gegenstand des ersten Bescheides eine Abgabenfestsetzung für Tabakabfall im Grunde der Art. 201 und 220 Abs.1 ZK war, während es in diesem zweiten Bescheid um die Abgabenfestsetzung für Wasserpfeifentabak im Grunde des Art. 203 ZK ginge, also keine Sachidendität vorläge. Die BVE enthält weiters Ausführungen mit Literatur- und Judikaturverweisen, dass es bei der Zollschuldentstehung nach Art. 203 Abs.3 erster Anstrich ZK nicht auf eine subjektive Komponente ankäme, womit es für die Frage des Entziehens aus der zollamtlichen Überwachung keine Relevanz habe, dass der Geschäftsführer der Bf., S. mit Urteil des Landesgerichts Korneuburg vom Dat. vom Vorwurf des gewerbsmäßigen Schmuggels mit diesen Waren freigesprochen wurde. Die Bf. war jeweils als Zollanmelderin Inhaberin des Zollverfahrens und somit - unabhängig vom Verschulden - Zollschuldnerin nach Art. 203 Abs.1 und Abs.3 erster Anstrich ZK. Bezüglich der tarifarischen Einreihung von Wasserpfeifentabak unter die Position 2403 1010 verweist die BVE auf eine bis zum xxx gültige verbindliche Zolltarifauskunft. Die Korrektur des Spruches des Erstbescheides sei nötig gewesen, weil dieser Bescheid auch schon den Importvorgang vom inkludiert, die Höhe der Abgabenberechnung sei aber richtig gewesen. Aus diesen Gründen sei die Abgabenvorschreibung zu Recht erfolgt.

Gegen diese BVE brachte die Bf. durch ihren Rechtsvertreter am fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde ein. Darin hält sie am Einwand der Verfristung wegen Art. 221 Abs.1 und Abs.3 ZK fest, die Zollschuld wäre spätestens im März 2003 mitzuteilen gewesen, die auf einen anderen Rechtsgrund gestützte und eine andere Warenqualifikation betreffende, erst mit Bescheid vom erfolgte Mitteilung sei jedenfalls verspätet. Die in Art. 221 Abs.3 ZK vorgesehene Hemmung wäre nur dann wirksam, wenn man die Zollschuld wieder auf Basis von Art. 201 ZK vorgeschrieben hätte. Es wird dazu ein vergleichendes Beispiel aus dem Zivilrecht gebracht: Wenn man eine Haftung nach dem EKHG geltend macht und nach mehr als drei Jahren das Gericht mit Urteil das Bestehen einer solchen Haftung verneint, geht es nicht an, nunmehr die allgemeine Verschuldenshaftung nach §§ 1293 ff ABGB geltend zu machen. Der Umstand, einen Anspruch unter einem unzutreffenden Rechtsgrund geltend zu machen, könne nicht dazu führen, auf den richtigen Rechtsgrund nach dessen Verjährungsfrist zu wechseln. Weiters wird in der Beschwerdeschrift die Rechtsansicht vertreten, dass der Begriff des "Entziehens aus der zollamtlichen Überwachung" in Art. 203 ZK sehr wohl eine subjektive Seite anspricht und die Regelung in Abs.3 dritter Anstrich nur eine Haftungserweiterung für Personen mit minderem Grad des Verschuldens trifft, wobei im vorliegenden Fall bedacht werden müsse, dass hier eine physische Person organschaftlich für eine GmbH tätig gewesen sei. Wenn aber das Gericht diesen Geschäftsführer von jeglichem Verschulden freispricht, gehe es nicht an, dass die Finanzbehörde nun nach rein objektiven Gesichtspunkten die Zollschuld geltend machen möchte, wo doch auch das Wort "entziehen" rein sprachlich ein bewusstes Handeln impliziere. Zur Irrtumsthematik wird ausgeführt, dass die Verpackung die unmissverständliche Aufschrift "Wasserpfeifentabak" aufwies und dem Geschäftsführer seitens der Behörde schriftlich mitgeteilt worden sei, er könne diese Ware unter der Warennummer 2401 3000 00 importieren (so auch Gerichtsurteil des Landesgerichts Korneuburg). Es müsse dann die Partei auf eine solche Auskunft vertrauen dürfen bzw. sei ihr nicht zumutbar, eine von einer solchen Auskunft eines fachzuständigen Beamten abweichende Erklärung abzugeben, es liege vielmehr eine die Nachforderung ausschließende "Gutgläubigkeit" der Partei im Sinne von Art. 220 Abs.2 Buchst. b ZK vor. Aus diesen Gründen sei der Bescheid vom und die diesen bestätigende BVE vom aufzuheben.

Im Berufungsschreiben vom wurde auch ein Antrag auf Aussetzung der Einhebung (Vollziehung) des gesamten Nachforderungsbetrages 167.285,50 € nach Art. 244 ZK gestellt. Zu diesem Antrag erging unter Zl. 100/33115/2003-31 am ein abweisender Bescheid des Zollamtes Wien mit der Begründung, das Zollamt habe aufgrund der Verfahrensergebnisse weder begründete Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung noch einen Hinweis auf einen unersetzbaren Schaden für die Bf. bei sofortiger Vollziehung im Sinne von Art. 244 ZK. Auch gegen diesen Bescheid wurde am Berufung erhoben mit der Begründung, dass schon die Aufhebung des Zollverfahrens im ersten Rechtsgang, das mit Bescheid vom in die Wege geleitet wurde, mit Entscheidung des Unabhängigen Finanzsenates (UFS) vom deutlich macht, dass hier im Zusammenhang mit den Art. 201 bis 203 ZK ein diffizileres Rechtsproblem anstünde, bei dem es durchaus denkbar erscheint, dass der UFS wiederum anders entscheidet als das Zollamt, somit also "begründete Zweifel" die Aussetzung der Vollziehung rechtfertigen würden. Auch die Voraussetzung des zu befürchtenden "unersetzbaren Schadens" träfe zu, da die Bf. als Unternehmen mit nur 2 Mitarbeitern bei Vollziehung von rund 160.000 € in den Konkurs getrieben würde.

Dazu ering am unter Zl. 100/33115/2003-35 eine abweisende BVE des Zollamtes Wien unter Beibehaltung und diesmal näherer Ausführung des bisherigen Rechtsstandpunktes und mit dem Hinweis, dass das Unternehmen seine wirtschaftlichen Verhältnisse nicht näher dargestellt habe. Gegen diese abweisende BVE wurde am Beschwerde an den UFS unter Beibehaltung der bisherigen Argumente eingebracht.

Somit hat der UFS nunmehr betreffend die Bf. über 2 Rechtsmittel zu entscheiden. Das geschieht spruchgemäß durch 2 einzelne Absprüche, sodass die vorliegende Berufungsentscheidung als kombinierter Bescheid, der 2 Einzelentscheidungen enthält, aufzufassen ist. Eine solche, durch den engen Konnex der beiden Verfahren nahegelegte Vorgangsweise ist zulässig, wenn die beiden Einzelentscheidungen isoliert erkennbar bleiben und jeweils für sich begründet sind (z.B. Zl. 94/17/0378). Daher sind auch die beiden Absprüche I. und II. getrennt bekämpfbar, sodass sich die oben stehende Rechtsbelehrung jeweils auf die einzelnen Spruchpunkte bezieht.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Dem mit obiger Chronologie dargestellten Abgabenverfahren ging schon ein früheres voraus, nämlich das schon oben angesprochene, mit Bescheid vom , Zl. 100/33115/2003, initiierte Verfahren, in dem das Zollamt Wien aufgrund veränderter tarifarischer Einreihung der Ware der Bf. gemäß Art. 201 Abs.1 Buchst. a und Abs.3 ZK iVm § 2 Abs.1 ZollR-DG für die 5 gegenständlichen Importvorgänge Eingangsabgaben in Höhe von insgesamt 159.590,09 € vorschrieb, und zwar Zoll in Höhe von 3.518,62 €, Einfuhrumsatzsteuer in Höhe von 28.539,37 € und Tabaksteuer in Höhe von 127.532,10 €, von denen aber nur Zoll in Höhe von 289,29 € und Einfuhrumsatzsteuer in Höhe von 2.287,10 € buchmäßig erfasst worden waren, sodass der Differenzbetrag - unter Weglassung der Einfuhrumsatzsteuer gemäß § 72a ZollR-DG und unter Zuschlag der Abgabenerhöhung nach § 108 Abs.1 ZollR-DG - in Höhe von 141.133,23 € nachzufordern und gemäß Art. 221 Abs.1 ZK mitzuteilen sei.

Daraufhin entwickelte sich ein zum obigen argumentativ weitgehend ähnlicher Rechtsstreit bezüglich der tarifarischen Einreihung dieser Tabakwaren, der Irrtumsthematik des Art. 220 Abs.2 Buchst.b ZK und der Relevanz des Grundsatzes von Treu und Glauben. Zur Berufung der Bf. vom erging am eine abweisende BVE und gegen diese eine Beschwerde an den UFS am .

Parallel zum Abgabenverfahren wurde unter Zl. 100/90.752/2002 - Str.III/Wl auch ein Strafakt geführt, in dem es am zur Anzeige an die Staatsanwaltschaft beim Landesgericht Korneuburg kam wegen des Verdachts des gewerbsmäßigen Schmuggels, des Monopoleingriffs und der Beweismittelfälschung durch den Geschäftsführer der Bf., S. bei diesen 5 Importvorgängen. Von diesen Vorwürfen wurde S mit Urteil des Landesgerichts Korneuburg nach der am Dat. durchgeführten Hauptverhandlung, Zl., gemäß § 259 Z. 3 StPO freigesprochen. Das Gericht sah es aufgrund des durchgeführten Beweisverfahrens, u.a. auch der zeugenschaftlichen Einvernahme des tätig gewesenen Abfertigungsbeamten H., als erwiesen an, dass jedenfalls der für einen Schmuggel notwendige Vorsatz gefehlt habe, da S auf die Auskunft des Abfertigungsbeamten vertraut habe, ihm bei keinem der Importvorgänge bewusst gewesen sei, dass die korrekte Warenbezeichnung "Rauchtabak" gelautet hätte und äußerlich auf den Verpackungen die Bezeichnung "Wasserpfeifentabak" aufschien.

Zur Beschwerde an den erging unter GZ. ZRV/0303-Z2L/03 am eine stattgebende Berufungsentscheidung, weil im vorliegenden Fall keine Zollschuld nach Art. 201 Abs.1 Buchst. a und Abs.3 ZK entstanden war. Für die Details darf auf die Ausführungen in dieser Entscheidung verwiesen werden (es ist nach höchstgerichtlicher Judikatur zulässig, auf die Begründung einer anderen Entscheidung zu verweisen, wenn sie der Partei inhaltlich bekannt ist, z.B. ), es seien aber folgende Entscheidungsgründe und Rechtsmeinungen nochmals hervorgehoben:

Die Zollschuld entsteht nach Art. 201 Abs.1 Buchst. a ZK, also bei einer regulär gestellten und angemeldeten Ware, mit vollendeter Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr, also mit der Überlassung. Überlassen kann nur eine Ware werden, die Gegenstand der Anmeldung und damit des durchgeführten Zollverfahrens war. In der Zollanmeldung habe aber weder die verbale Bezeichnung (in Feld 31 stand "Tabakabfälle") noch die angegebene Tarifnummer der Ware (in Feld 33 stand "2401 3000 00") deren wahre Beschaffenheit als Wasserpfeifentabak erfasst. Für den Wasserpfeifentabak war keine gültige Anmeldung abgegeben und es konnte für diese Ware keine Überlassung im zollrechtlichen Sinn erfolgen. Da die Ware Wasserpfeifentabak nicht im Zollverfahren zur Einfuhr in den freien Verkehr stand, ist bei ihr mit Verlassen des Amtsplatzes eine Entziehung aus der zollamtlichen Überwachung und somit eine Entstehung der Zollschuld nach Art. 203 ZK erfolgt. Wasserpfeifentabak war nicht Gegenstand eines unter Art. 201 ZK subsumierbaren Tatbestandes, und da es der Rechtsmittelbehörde versagt ist, einen anderen Sachverhalt erstmals zu beurteilen, musste mit Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidung vorgegangen werden.

Die Abgabenbehörde I. Instanz war im Weiteren an diese Rechtsmeinung des UFS gebunden und eröffnete am daraufhin das in obiger Chronologie geschilderte (neue) Abgabenverfahren betreffend die Entziehung von Wasserpfeifentabak aus der zollamtlichen Überwachung nach Art. 203 ZK.

Auch im 1. Rechtsgang hatte die Bf. in der Berufung vom einen Antrag auf Aussetzung der Einhebung (Vollziehung) des Nachforderungsbetrages 141.133,33 € gestellt, der mit Bescheid vom abgewiesen und nach Berufung vom mit BVE vom sowie nach Beschwerde an den mit Berufungsentscheidung vom , GZ. ZRV/0129-Z2L/05 neuerlich abgewiesen worden war.

Zu Spruchpunkt I :

Die relevanten abgabenrechtlichen Bestimmungen in der zeitbezogenen Fassung sind :

Art. 221 ZK (idF ab ) :

Abs.3 : Die Mitteilung an den Zollschuldner darf nach Ablauf einer Frist von drei Jahren nach dem Zeitpunkt des Entstehens der Zollschuld nicht mehr erfolgen. Diese Frist wird ab dem Zeitpunkt ausgesetzt, in dem ein Rechtsbehelf gemäß Art. 243 eingelegt wird, und zwar für die Dauer des Rechtsbehelfs.

Abs:4 : Ist die Zollschuld aufgrund einer Handlung entstanden, die zu dem Zeitpunkt, als sie begangen wurde, strafbar war, so kann die Mitteilung unter den Voraussetzungen, die im geltenden Recht festgelegt sind, noch nach Ablauf der Dreijahresfrist nach Absatz 3 erfolgen.

§ 74 Abs.2 ZollR-DG (idF - ):

Die Verjährungsfrist beträgt bei Eingangs- und Ausgangsabgaben drei Jahre ab dem Zeitpunkt des Entstehens der Abgabenschuld. Bei hinterzogenen Eingangs- und Ausgangsabgaben beträgt diese Frist zehn Jahre, bei Einfuhr- und Ausfuhrabgaben jedoch nur dann, wenn die Zollbehörden den gesetzlich geschuldeten Abgabenbetrag infolge eines ausschließlich vor einem Gericht oder einem Spruchsenat zu verfolgenden Finanzvergehens nicht oder nicht genau ermitteln konnten. Die Verjährungsfrist bei anderen Geldleistungen bestimmt sich nach den allgemeinen abgabenrechtlichen Vorschriften.

§ 74 Abs.2 ZollR-DG (idF ab ) :

Die Verjährungsfrist bei hinterzogenen Eingangs- oder Ausgangsabgaben beträgt zehn Jahre, wenn im Zusammenhang mit diesen Abgabenansprüchen ein ausschließlich vor einem Gericht oder einem Spruchsenat zu verfolgendes Finanzvergehen begangen wurde.

In Anbetracht dieser Bestimmungen ist die durch das Zollamt mit Bescheid vom erfolgte Abgabenfestsetzung verspätet, nämlich außerhalb der zur Verfügung stehenden Verjährungsfrist erfolgt. Die grundlegende Verjährungsfrist zur Abgabenfestsetzung beträgt im Zollrecht drei Jahre. Der Verordnungsgeber der EU hat in Art. 221 Abs.4 ZK den Einzelstaaten die Ermächtigung erteilt, bei strafbaren Handlungen längere Verjährungsfristen zu normieren, wovon der österreichische Gesetzgeber in § 74 Abs.2 ZollR-DG Gebrauch gemacht hat. Es sei vermerkt, dass die zollrechtlichen Verjährungsvorschriften solche des materiellen Rechts sind (; Zl. 2005/16/0083), sodass sie in der zum jeweiligen Zeitpunkt geltenden Fassung anzuwenden sind. Daher wäre auf die beiden ersten Importvorgänge die ältere obzitierte Fassung anzuwenden, was aber gemäß folgenden Ausführungen auch zu keinem anderen Ergebnis führt.

Ein die Anwendbarkeit der zehnjährigen Verjährungsfrist ermöglichendes Finanzvergehen liegt nicht vor. Das in Frage kommende Finanzvergehen des Schmuggels war auf Grund der die Wertgrenze in § 53 Abs.2 FinStrG (37.500 €) weit übersteigenden Höhe des in Rede stehenden Hinterziehungsbetrages Gegenstand eines Gerichtsverfahrens, das mit einem Freispruch endete. Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichthofes sind Verwaltungsbehörden an verurteilende Strafgerichtsentscheidungen, und zwar an den Spruch sowie die den Spruch tragenden Begründungsteile gebunden (Ritz, Bundesabgabenordnung Kommentar, 3. Aufl., § 116, Rz. 14 mit Judikaturverweisen). In Hinsicht auf die Nichtbindung an freisprechende Entscheidungen - insbesondere ergibt sich das aus den anders gelagerten Beweisregeln im Straf- bzw. Abgabenverfahren - wird vor allem an den Fall zu denken sein, dass es sich um einen Freispruch "im Zweifel für den Angeklagten" handelt. Im vorliegenden Fall ist allerdings kein "in dubio pro reo" - Freispruch erfolgt, sondern der Schöffensenat gelangte aufgrund der durchgeführten Beweise zur Überzeugung, dass der Geschäftsführer das angelastete Delikt schon wegen Fehlens des Vorsatzelementes nicht begangen hat. Es bliebe nach Wegfall des Vorsatzdeliktes allenfalls noch zu prüfen, ob ein in die Spruchsenatszuständigkeit fallendes Fahrlässigkeitsvergehen vorliegt, denn die Wertgrenze dafür (22.000 €) wäre ebenfalls überschritten gewesen (§ 58 Abs.2 lit.a FinStrG). Es ist aber nach Meinung des UFS auch ein Fahrlässigkeitsdelikt auszuschließen, denn aus der Begründung des Gerichtsurteils bzw. der Hauptverhandlungsniederschrift ist zu entnehmen, dass S auf zollamtliche Auskünfte bzw. das richtige Agieren des H. vertraute, was auch die für ein Fahrlässigkeitsdelikt notwendige Sorgfaltspflichtverletzung ausschließt. Im Übrigen hat auch das Zollamt laut Aktenlage die strafrechtliche Seite des Falles nach dem Freispruch nicht weiterverfolgt.

Aufgrund dieser Ausführungen ist für die Abgaben(nach)forderungen nur die dreijährige Verjährungsfrist anwendbar. Im Zollrecht erfolgt die Fristenberechnung gemäß Art. 3 Fristenverordnung dermaßen, dass der Lauf einer nach Jahren zählenden Frist am Tag nach dem fristauslösenden Ereignis beginnt und im letzten Jahr am Tag mit derselben Benennung, allenfalls nächster Arbeitstag, endet. Z.B. läuft die Frist des spätesten der 5 Importvorgänge () vom bis . Nach Art. 221 Abs.3 ZK ist diese Frist für die Dauer eines Rechtsbehelfsverfahrens, d.i. die Zeit ab Einbringung einer Berufung gegen den Erstbescheid bis zur Zustellung der Berufungsentscheidung "ausgesetzt", d.h., es liegt eine Hemmung des Fristlaufes vor (Witte, Zollkodex Kommentar, 5. Aufl., Art. 221, Rz. 8). Es läuft somit nach Beendigung des Rechtsmittelverfahrens der noch offene Teil der Frist weiter ab, insbesondere könnte die Behörde innerhalb dieser restlichen Frist neuerlich einen Abgabenbescheid zustellen. Notwendig dabei ist, dass es in derselben Sache geschieht, unzulässig hingegen ist es, innerhalb der noch offenen "alten" Verjährungfrist, aber mehr als drei Jahre vom betreffenden Vorgang entfernt, einen Bescheid zu einem veränderten Sachverhalt erstmals zu erlassen. Somit ist der am ergangene, erstmals die Frage der Verzollung einer der zollamtlichen Überwachung entzogenen Ware behandelnde Bescheid zu spät ergangen. Das wurde in der BVE vom verkannt und es hat sich darin die Rechtsbehelfsbehörde erster Stufe, statt den Bescheid vom wegen Verjährung aufzuheben, auf eine Sachentscheidung mit dem Ergebnis einer Abweisung eingelassen. Somit war diese BVE spruchgemäß aufzuheben und es konnte sich ein näheres Eingehen auf materielle Rechtsfragen zu Art. 203 ZK und auf tarifrechtliche Fragen erübrigen.

Zu Spruchpunkt II :

Die relevanten abgabenrechtlichen Bestimmungen sind :

Art. 7 ZK : Abgesehen von den Fällen nach Artikel 244 Absatz 2 sind Entscheidungen der Zollbehörden sofort vollziehbar.

Art. 244 ZK : Durch die Einlegung des Rechtsbehelfs wird die Vollziehung der angefochtenen Entscheidung nicht ausgesetzt. Die Zollbehörden setzen jedoch die Vollziehung der Entscheidung ganz oder teilweise aus, wenn sie begründete Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung haben oder wenn dem Beteiligten ein unersetzbarer Schaden entstehen könnte. Bewirkt die angefochtene Entscheidung die Erhebung von Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben, so wird die Aussetzung der Vollziehung von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht. Diese Sicherheitsleistung braucht jedoch nicht gefordert zu werden, wenn eine derartige Forderung aufgrund der Lage des Schuldners zu ernsten Schwierigkeiten wirtschaftlicher oder sozialer Art führen könnte.

Mit diese beiden Bestimmungen (es ist dadurch § 212a BAO teilweise überlagert) ist die Regelung getroffen, dass zollbehördliche Abgabenfestsetzungen grundsätzlich sofort, d.h. nach Ablauf einer im Bescheid festgesetzten Zahlungsfrist, vollziehbar sind, und zwar auch bei einem anlaufenden Rechtsmittelverfahren. In einem solchen Fall sieht aber Art. 244 ZK unter gewissen Voraussetzungen die Aussetzung der Vollziehung vor. Nun ist für die Aussetzung einer Abgabenforderung schon rein begrifflich Voraussetzung, dass eine solche offene Abgabenforderung überhaupt besteht, was aber gemäß den Ausführungen zu Spruchpunkt I. nicht der Fall ist. Würde bei nichtbestehender Abgabenforderung jemand an die Abgabenbehörde I. Instanz einen Aussetzungsantrag stellen, müsste diese den ins Leere gehenden Antrag abweisen. Daher bringt rein formell betrachtet der Erstbescheid des Aussetzungsverfahrens vom , Zl. 100/33115/2003-31, den inhaltlich richtigen Spruch, leitet ihn aber mit verfehlter Begründung her, indem das Zollamt unter der Annahme des Bestehens einer Nachforderungsschuld die inhaltliche Prüfung der Aussetzungsvoraussetzungen in Art. 244 Unterabsatz 2 ZK vornimmt. Dieser Fehler setzt sich in der BVE vom , Zl. 100/33115/2003-35, fort. In der nunmehr vorliegenden Berufungsentscheidung ergibt sich aus den Ausführungen zu Spruchpunkt I., dass die gegenständliche Abgabenschuld nicht besteht, somit der schwebende Aussetzungsantrag bzw. das Rechtsmittel dazu gegenstandslos geworden und somit, wenn auch gemäß § 289 Abs.2 BAO nunmehr mit anderer Begründung, spruchgemäß abzuweisen ist.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Zoll
betroffene Normen
Art. 221 Abs. 3 ZK, VO 2913/92, ABl. Nr. L 302 vom S. 1
Art. 221 Abs. 4 ZK, VO 2913/92, ABl. Nr. L 302 vom S. 1
§ 74 Abs. 2 ZollR-DG, Zollrechts-Durchführungsgesetz, BGBl. Nr. 659/1994
Art. 203 Abs. 1 ZK, VO 2913/92, ABl. Nr. L 302 vom S. 1
Verweise

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at