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OGH 25.02.2016, 1Ob27/16a

OGH 25.02.2016, 1Ob27/16a

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer als weitere Richter in der Sachwalterschaftssache der M***** Z*****, aus Anlass des außerordentlichen Revisionsrekurses des Sachwalters Dr. J***** B*****, gegen den Beschluss des Landesgerichts Linz als Rekursgericht vom , GZ 15 R 416/15z-123, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Linz vom , GZ 6 P 45/09b-120, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Akten werden dem Erstgericht zurückgestellt.

Text

Begründung:

Das Erstgericht wies den Antrag des Sachwalters - eines Rechtsanwalts - ab, ihn infolge Unzumutbarkeit von seinem Amt zu entheben.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Der Beschluss des Rekursgerichts wurde dem Sachwalter am zugestellt.

Dagegen erhob der Sachwalter auf dem Postweg einen außerordentlichen Revisionsrekurs, dessen Postaufgabe nach der Aktenlage nicht bekannt ist und der am beim Erstgericht einlangte. Das Erstgericht legte daraufhin das Rechtsmittel dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung vor.

Rechtliche Beurteilung

Die Akten sind an das Erstgericht zurückzustellen:

1. Zum Zeitpunkt des Einlangens des außerordentlichen Revisionsrekurses beim Erstgericht war die 14-tägige Rechtsmittelfrist (§ 65 Abs 1 AußStrG), deren letzter Tag der war, bereits abgelaufen. Der Tag der Postaufgabe steht nach der Aktenlage nicht fest. Das Erstgericht wird daher gemäß § 71 Abs 4 iVm § 51 Abs 2 AußStrG geeignete Erhebungen durchzuführen haben, damit die Rechtzeitigkeit des Rechtsmittels beurteilt werden kann.

2. Nach ständiger Rechtsprechung hat ein Rechtsmittel bis zur sicheren Widerlegung von Zweifeln die Vermutung der Rechtzeitigkeit für sich, nämlich solange nicht seine Verspätung eindeutig ausgewiesen ist. Die Ergebnislosigkeit von Erhebungen über die Rechtzeitigkeit wirkt zum Vorteil des Rechtsmittelwerbers (RIS-Justiz RS0006965).

3. Sollte nach den durchzuführenden Erhebungen feststehen, dass der Revisionsrekurs rechtzeitig zur Post gegeben wurde, oder das Erhebungsverfahren ohne Ergebnis bleiben, ist zu beachten, dass Rechtsanwälte gemäß § 89c Abs 5 Z 1 GOG nach Maßgabe der technischen Möglichkeiten zur Teilnahme am elektronischen Rechtsverkehr verpflichtet sind. Erfasst sind auch Eingaben von Rechtsanwälten in eigener Sache (vgl 1 Nc 50/14i; Gitschthaler in Rechberger3 § 74 ZPO Rz 2 und 14). Der Sachwalter - ein Rechtsanwalt - hat weder behauptet noch bescheinigt, dass die Übermittlung des außerordentlichen Revisionsrekurses auf elektronischem Weg aus technischen Gründen ausnahmsweise nicht möglich gewesen sei (§ 1 Abs 1c ERV 2006). Ein Verstoß gegen § 89c Abs 5 Z 1 GOG ist wie ein Formmangel zu behandeln, der zu verbessern ist (§ 89c Abs 6 GOG). Für Eingaben eines Rechtsanwalts, die - wie hier - im Postweg oder persönlich überreicht und nicht im elektronischen Rechtsverkehr eingebracht werden, ist demnach ein Verbesserungsverfahren durchzuführen. Im Fall der Verbesserung durch Rechtsmitteleinbringung im elektronischen Rechtsverkehr innerhalb zu setzender Frist gilt das Anbringen als zum ursprünglichen Zeitpunkt eingebracht (§ 10 Abs 5 erster Satz AußStrG). Im Fall des Unterbleibens der fristgerechten Verbesserung ist mit Zurückweisung der Eingabe vorzugehen (RIS-Justiz RS0128266). Zur Durchführung dieses Verbesserungsverfahrens sind die Akten dem Erstgericht ebenfalls zurückzustellen.

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer als weitere Richter in der Sachwalterschaftssache der M***** Z*****, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Sachwalters Dr. J***** B*****, gegen den Beschluss des Landesgerichts Linz als Rekursgericht vom , GZ 15 R 416/15z-123, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Linz vom , GZ 6 P 45/09b-120, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Die Beurteilung, ob anstelle des bestellten Sachwalters ein anderer herangezogen werden soll, hat grundsätzlich keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung (RIS-Justiz RS0117813 [T2]). Ebenso wirft die Frage, ob die im Einzelfall vorgetragenen Argumente eines Rechtsanwalts, aus welchen Gründen seiner Ansicht nach die konkrete Sachwalterschaft unzumutbar ist, gerechtfertigt sind, im Allgemeinen keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG auf (RIS-Justiz RS0123440 [T9]).

Eine Sachwalterumbestellung setzt voraus, dass das Wohl des Betroffenen eine solche Maßnahme erfordert (RIS-Justiz RS0117813 [T1]). Das „Wohl“ des Betroffenen ist nach der Rechtsprechung nicht allein von einem materiellen Gesichtspunkt aus zu beurteilen, sondern es ist auch auf die Befindlichkeit und den psychischen Zustand des Betroffenen abzustellen. Allgemein ist eine stabile Betreuungssituation wünschenswert, weshalb es nur aus besonderen Gründen zu einer Sachwalterumbestellung kommen soll (3 Ob 196/14s mwN; RIS-Justiz RS0117813 [T7, T10]).

2. Ein – ungeachtet dieser Grundsätze – vom Obersten Gerichtshof im Interesse der Rechtssicherheit zu korrigierender Fehler der angefochtenen Entscheidung liegt nicht vor.

3. Nach § 278 Abs 1 AußStrG hat das Gericht die Sachwalterschaft unter anderem dann einer anderen Person zu übertragen, wenn der Sachwalter nicht die erforderliche Eignung aufweist, ihm die Ausübung des Amts nicht zugemutet werden kann oder das Wohl des Pflegebefohlenen dies aus anderen Gründen erfordert. Rechtsanwälte müssen gemäß § 274 Abs 2 ABGB Sachwalterschaften grundsätzlich übernehmen. Ablehnungsgründe sind in erster Instanz konkret geltend zu machen (RIS-Justiz RS0123440).

4. Eine fehlende Einsichtsfähigkeit des Betroffenen und die dadurch erschwerte Kommunikation im Verhältnis zum Sachwalter sind ein nahezu klassisches Problem bei der Übernahme von Sachwalterschaften für psychisch kranke Personen. Derartige Umstände bewirken – ebensowenig wie lediglich verbalaggressives Verhalten der behinderten Person – für sich alleine nicht die Unzumutbarkeit der Übernahme der Sachwalterschaft für einen Rechtsanwalt (RIS-Justiz RS0123572).

Dem Sachwalter ist durchaus zuzugestehen, dass sich die Führung der Sachwalterschaft angesichts der von der Betroffenen im Anlassfall gebrauchten Kraftausdrücke schwierig gestaltet. Diese schwierige Situation würde sich auch bei Bestellung einer anderen Person zum Sachwalter grundsätzlich nicht ändern (vgl 6 Ob 129/12g). Die Anschuldigungen, die eine Kommunikation mit der Betroffenen schwierig machen, resultieren aus deren Persönlichkeitsstruktur. Ein konkret gar nicht behauptetes Vorgehen des Sachwalters gegen die Betroffene wegen der Beleidigung zeigt keinen Interessenkonflikt auf. Aus dem vom Sachwalter geschilderten einmaligen Vorfall kann auch keine nachhaltige Erschütterung des Vertrauensverhältnisses zwischen ihm und der behinderten Person abgeleitet werden.

5. Mangels erheblicher Rechtsfrage ist der außerordentliche Revisionsrekurs des Sachwalters daher zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).

Zusatzinformationen


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Rechtsgebiet
Zivilrecht
ECLI
ECLI:AT:OGH0002:2016:0010OB00027.16A.0225.000
Datenquelle

Fundstelle(n):
HAAAC-98760