Personen haben gemäß § 2 Abs 8 FLAG nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie den Mittelpunkt der Lebensinteressen im Bundesgebiet haben. Arbeitnehmer oder Selbständiger iSd VO EWG 1408/71 ist jeder, der auch nur gegen ein einziges Risiko im Rahmen eines allgemein oder besonderen Systems der sozialen Sicherheit pflichtversichert oder freiwillig versichert ist, und zwar unabhängig vom Bestehen eines Arbeitsverhältnisses.
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes c vom betreffend Abweisung eines Antrages auf Gewährung der Familienbeihilfe ab entschieden:
Der Berufung wird Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.
Entscheidungsgründe
Mit Bescheid vom wurde der Antrag der Berufungswerberin (Bw) auf Gewährung der Familienbeihilfe für ihren Sohn i ab Juli 2007 mit der Begründung abgewiesen, dass gemäß § 2 Abs 8 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) Personen nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe haben, wenn sie den Mittelpunkt der Lebensinteressen im Inland haben. Da sich sowohl die Bw als auch der Kindesvater zu Ausbildungszwecken in Österreich aufhalten, bestehe wegen nur vorübergehenden Aufenthaltes in und mangelnder Anbindung an Österreich kein Anspruch auf österreichische Familienbeihilfe.
Gegen obgenannten Bescheid berief die Bw rechtzeitig mit ihrem Schriftsatz vom und führte aus:
"Es wird gegen folgenden Punkt in dem obengenannten Abweisungsbescheid berufen:
"Die Elternteile des Kindes aufhalten sich in Österreich nur zu Ausbildungszwecken und es besteht wegen nur vorübergehenden Aufenthalts in und mangelnder Anbindung an Österreich kein Anspruch auf Österreichische Familienbeihilfe".
Die Eltern haben seit mehr als zwei Jahren ihren Lebensmittelpunkt bzw den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen in Österreich, was sich aus nachstehenden Gründen ergibt:
1. Für verheiratete Personen liegt der Mittelpunkt der Lebensinteressen stets dort, wo sich ihre Familie aufhält, was die Führung eines gemeinsamen Haushaltes voraussetzt (SWK 1990, R 91). Die Eltern von ks sind seit verheiratet und leben seit damals in gemeinsamen Haushalt in Österreich.
2. Die Eltern und das Kind (das seit seiner Geburt im gemeinsamen Haushalt mit den Eltern lebt) leben ganzjährig in Österreich. Obwohl beide Elternteile studieren, verbringen sie auch die Sommer- und Winterferien in Österreich (im Sommer 2005 und 2006 hat die Mutter - m - in Österreich gearbeitet).
3. Ihr Mietvertrag ist für ein volles Jahr unterschrieben, wobei in Aussicht genommen wird, dass dieser im Jahr 2008 auf unbestimmte Zeit verlängert wird.
4. Die Mutter hat seit Sommer 2005 immer in Österreich gearbeitet, soweit es ihr als ausländischer Studierenden gestattet ist (geringfügig).
5. Alle Familienmitglieder sind in Österreich krankenversichert (TGKK).
6. Der Antrag auf Familienbeihilfe wurde in a aufgrund des Umstandes abgewiesen, dass die Eltern und das Kind seit mehr als 2 Jahren nicht mehr in a sondern in Österreich leben.
Da sohin alle Voraussetzungen für die Gewährung von Familienbeihilfe vorliegen, stellen die Eltern von ks den Antrag der Berufung Folge zu geben und die Familienbeihilfe zu bewilligen."
Mit Berufungsvorentscheidung vom wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen und wie folgt ausgeführt:
"Gem. § 3 Abs. 1 Familienlastenausgleichsgesetz (FLAG) 1967 haben Personen, die nicht österreichische Staatsbürger sind, nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie sich nach §§ 8 und 9 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005 rechtmäßig in Österreich aufhalten.
Gem. § 3 Abs. 2 FLAG 1967 besteht für Kinder, die nicht österreichische Staatsbürger sind, Anspruch auf Familienbeihilfe, sofern sie sich nach §§ 8 und 9 NAG rechtmäßig in Österreich aufhalten.
Weiters haben Personen gem. § 2 Abs. 8 FLAG nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie den Mittelpunkt der Lebensinteressen im Bundesgebiet haben.
EU/EWR-Staatsangehörige, auf die die österreichischen Rechtsvorschriften über soziale Sicherheit anzuwenden sind, die ihre Freizügigkeit in Anspruch genommen haben (d.h. nach Österreich gereist sind), und sich länger als drei Monate hier aufhalten, sind Österreichern in Bezug auf den Familienbeihilfenanspruch grundsätzlich nur dann gleichgestellt, wenn sie
hier unselbständig oder selbständig erwerbstätig sind bzw.
über ausreichende Existenzmittel und eine ausreichende Krankenversicherung für sich und ihre Familienangehörigen verfügen.
Laut Ihren Angaben bzw. laut Aktenlage sind sowohl Sie als auch Ihr Gatte r Staatsbürger und studieren in Österreich.
Laut Zentralem Melderegister waren Sie vom bis mit Nebenwohnsitz und vom bis mit Hauptwohnsitz im Studentenheim in c gemeldet. Seit haben Sie mit Ihrem Gatten eine 2-Zimmer-Wohnung in c für ein Jahr gemietet.
Ihr Gatte war im Zeitraum bis (Nebenwohnsitz) und bis (Hauptwohnsitz) ebenfalls im Studentenheim gemeldet.
In der eingereichten Bestätigung, erklären Ihre Eltern, dass sie Ihnen monatlichen Unterhalt in Höhe von € 500,-- bis € 600,-- leisten. Weitere Existenzmittel wurden von Ihnen nicht nachgewiesen. Eine Abfrage der Sozialversicherungsdaten ergab, dass weder Sie noch Ihr Gatte laufend beschäftigt sind.
Aufgrund der fehlenden Erwerbstätigkeit und der zu geringen Existenzmittel kann in Bezug auf den Anspruch auf Familienbeihilfe eine Gleichstellung mit österreichischen Staatsbürgern nicht erfolgen.
Auch Studierende, die über Existenzmittel und eine ausreichende Krankenversicherung in Österreich verfügen, haben für sich selbst und für deren Kinder grundsätzlich keinen Anspruch auf Familienbeihilfe, da sich diese Personen nur vorübergehend in Österreich aufhalten und keine Anbindung an Österreich vorliegt. Ausnahmen sind lediglich bei intensiver Anbindung an Österreich möglich - etwa durch Existenzaufbau nach Heirat mit einem in Österreich lebenden österreichischen Studenten. Eine solche Ausnahme kann in Ihrem Fall nicht erblickt werden.
Ihre Berufung musste daher abgewiesen werden."
Mit Schriftsatz vom 10. Feber 2008 stellte die Bw den Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz und führte hiezu aus:
"In Bezug auf Ihre Berufungsvorentscheidung vom , die am zugestellt wurde und den folgenden Textausschnitt:
"EU/EWR-Staatsangehörige, auf die die österreichischen Rechtsvorschriften über soziale Sicherheit anzuwenden sind, die ihre Freizügigkeit in Anspruch genommen haben (d.h. nach Österreich eingereist sind), und sich länger als drei Monate hier aufhalten, sind Österreichern in Bezug auf den Familienbeihilfenanspruch grundsätzlich nur dann gleichgestellt, wenn sie
hier unselbständig oder selbständig erwerbstätig sind bzw.
über ausreichende Existenzmittel und eine ausreichende Krankenversicherung für sich und ihre Familienangehörigen verfügen."
zeigen wir folgende zusätzliche Umstände an, die durch die beigefügten Unterlagen bestätigt werden:
1. Verlängerung des Mietvertrages auf weitere 3 Jahre.
2. Der Vater, ss ist kein Student mehr sondern seit 1. Feber 2008 selbständig erwerbstätig. Somit verfügt der Vater als Einzelunternehmer über eine ausreichende Kranken-, Pensions- und Sozialversicherung. Die Familienmitglieder sind bei ihm mitversichert. Die selbständige Erwerbstätigkeit wurde bereits beim Finanzamt angezeigt. Der Gewerbeschein kann bei Bedarf nachgereicht werden.
3. Die Mutter, m, wird ab Mitte März einer bewilligten Beschäftigung bei der Firma fv nachgehen. Die Bestätigung dafür kann bei Bedarf nachgereicht werden.
Da sohin alle Voraussetzungen für die Gewährung von Familienbeihilfe vorliegen, stellen die Eltern von ks die Anträge
1. die Abgabehörde zweiter Instanz möge über die Berufung entscheiden und
2. dieser Berufung Folge geben und die Familienbeihilfe bewilligen."
Ergänzend wurden folgende Unterlagen vorgelegt:
Eine PSK-Auftragsbestätigung betreffend Gebührenzahlung in Höhe von € 162,60;
Ein unterzeichneter Mietvertrag datiert mit , welcher auf die Dauer von drei Jahren (bis zum ) abgeschlossen wurde.
Eine Erklärung der Neugründung (§ 4 Neugründungs-Förderungsgesetz - NeuFÖG) vom ;
Über die Berufung wurde erwogen:
Folgende Tatsachen waren für die Entscheidungsfindung, ob der Bw ab Juli 2007 Familienbeihilfe für ihren Sohn zusteht, maßgebend:
Die Bw ist r Staatsbürgerin.
Sie kam 2004 zu Studienzwecken nach Österreich.
Laut Behördenanfrage aus dem Zentralen Melderegister vom war die Bw an folgenden Adressen gemeldet:
Vom 16. Juni bis d (Nebenwohnsitz); vom bis an voriger Adresse jedoch als Hauptwohnsitz; vom bis laufend n;
Laut dem im Akt erliegenden Versicherungsdatenauszügen vom 4. Oktober und war die Bw seit bis laufend in Österreich entweder selbstversichert nach § 16 ASVG oder geringfügig beschäftigte Arbeiterin.
Am xx.xx.2007 kam Sohn i zur Welt.
Der Kindesvater ist rr Staatsbürger und war laut Versicherungsdatenauszügen vom 4. Oktober und vom bis selbstversichert gemäß § 16 ASVG. Laut Bestätigung der Meldung aus dem Zentralen Melderegister vom 13. Feber 2006 ist er seit 13. Feber 2006 in c, adr, gemeldet. Laut Behördenanfrage aus dem Zentralen Melderegister vom war er an folgenden Adressen gemeldet:
Vom bis 1.adr (Nebenwohnsitz); vom 13. Feber 2006 bis 2.adr (Hauptwohnsitz) und vom bis laufend n.
Im Akt befindet sich auch eine Anmeldebescheinigung für EWR-Bürger/-innen und Schweizer Bürger/-innen gemäß §§ 51 bis 53 NAG, BGBl. I Nr. 100/2005, und § 3 NAG-DV, BGBl. II Nr. 451/2005, welche auf den Kindesvater lautet und am gemäß § 51 Z 3 (Ausbildung) ausgestellt wurde. Als Hinweis wurde angegeben, dass diese Anmeldebescheinigung für EWR-Bürger/-innen und deren Angehörige gelte, die ihr Recht auf Freizügigkeit in Anspruch genommen haben. Sie sei zugleich das Dokument zur Bescheinigung des Daueraufenthaltes (Richtlinie 2004/38/EG, ABl. Nr. L 158 vom S. 77 i.d.F. ABl. Nr. L 229 vom S. 35).
Laut Bestätigung vom November 2007 unterstützt die Mutter der Bw ihre Tochter finanziell mit monatlich € 500,00 bis € 600,00.
Auszüge aus dem Mutter-Kind-Pass;
Die Bw gab in ihrer Berufungsschrift an, ganzjährig in Österreich zu leben. Obwohl beide Elternteile studieren, würden sie auch die Sommer- und Winterferien in Österreich verbringen (die Bw habe im Sommer 2005 und 2006 in Österreich gearbeitet).
Das Finanzamt begründete die Versagung der Familienbeihilfe damit, dass die Bw und der Kindesvater Studenten seien und daher davon ausgegangen werden könne, dass sie sich nur vorübergehend in Österreich aufhalten und es daher auch an der Anbindung an Österreich mangeln würde. In der Berufungsvorentscheidung wurde noch ergänzend darauf hingewiesen, dass EU/EWR-Staatsangehörige, auf die die österreichischen Rechtsvorschriften über soziale Sicherheit anzuwenden sind, die ihre Freizügigkeit in Anspruch genommen haben (d.h. nach Österreich gereist sind), und sich länger als drei Monate hier aufhalten, Österreichern in Bezug auf den Familienbeihilfenanspruch grundsätzlich nur dann gleichgestellt seien, wenn sie hier unselbständig oder selbständig erwerbstätig sind bzw. über ausreichende Existenzmittel und eine ausreichende Krankenversicherung für sich und ihre Familienangehörigen verfügen. Aufgrund der fehlenden Erwerbstätigkeit und der zu geringen Existenzmittel könne in Bezug auf den Anspruch auf Familienbeihilfe eine Gleichstellung mit österreichischen Staatsbürgern nicht erfolgen.
Im selben Zuge hält das Finanzamt aber auch noch fest, dass jene Studierenden, die über Existenzmittel und eine ausreichende Krankenversicherung in Österreich verfügen, für sich selbst und für ihre Kinder grundsätzlich keinen Anspruch auf Familienbeihilfe hätten, da sich diese Personen nur vorübergehend in Österreich aufhalten und keine Anbindung an Österreich vorliegt. Ausnahmen seien lediglich bei intensiver Anbindung an Österreich möglich - etwa durch Existenzaufbau nach Heirat mit einem in Österreich lebenden österreichischen Studenten. Eine solche Ausnahme könne im Berufungsfall jedoch nicht erblickt werden.
Dazu ist folgendes auszuführen:
Die Bw ist r Staatsbürgerin. Da sowohl a (seit nunmehr ) als auch Österreich Mitgliedstaaten der Europäischen Union sind, ist die Verordnung EWG Nr. 1408/71 vom zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, anwendbar.
Gemäß Artikel 1 der VO EWG 1408/71 ist "Arbeitnehmer" oder "Selbständiger" ua jede Person, die gegen ein Risiko oder gegen mehrere Risiken, die von den Zweigen eines Systems der sozialen Sicherheit für Arbeitnehmer oder Selbständige oder einem Sondersystem für Beamte erfasst werden, pflichtversichert oder freiwillig weiterversichert ist.
Art 2 VO EWG 1408/71 lautet:
"Diese Verordnung gilt für Arbeitnehmer und Selbständige ..., für welche die Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten gelten oder galten, soweit sie Staatsangehörige eines Mitgliedstaats sind..., sowie für deren Familienangehörige und Hinterbliebene."
Gemäß Artikel 3 der VO EWG 1408/71 haben Personen, die im Gebiet eines Mitgliedsstaats wohnen und für die diese Verordnung gilt, die gleichen Rechte und Pflichten auf Grund der Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats, wie die Staatsangehörigen dieses Staates, soweit besondere Bestimmungen dieser Verordnung nicht anderes vorsehen.
Gemäß Artikel 4 der VO EWG 1408/71 gilt diese Verordnung für alle Rechtsvorschriften über Zweige der sozialen Sicherheit, ua die die Familienleistungen betreffen.
Artikel 13 der VO EWG 1408/71 bestimmt:
"(1) ... Personen, für die diese Verordnung gilt, [unterliegen] den Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaats. Welche Rechtsvorschriften diese sind, bestimmt sich nach diesem Titel.
(2)...a) Eine Person, die im Gebiet eines Mitgliedstaats abhängig beschäftigt ist, unterliegt den Rechtsvorschriften dieses Staates, und zwar auch dann, wenn sie im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats wohnt.
Nach der Entscheidung des EuGH v , Zl C-543/03, ist Arbeitnehmer oder Selbständiger iSd VO EWG 1408/71, wer auch nur gegen ein einziges Risiko im Rahmen eines allgemeinen oder besonderen System der sozialen Sicherheit pflichtversichert oder freiwillig versichert ist, und zwar unabhängig vom Bestehen eines Arbeitsverhältnisses .
Der Arbeitnehmerbegriff der VO EWG 1408/71 hat nämlich einen gemeinschaftsspezifischen Inhalt und wird vom EuGH sozialversicherungsrechtlich und nicht arbeitsrechtlich definiert. Demnach ist jede Person als Arbeitnehmer bzw. Selbständiger anzusehen, die, ob sie eine Erwerbstätigkeit ausübt oder nicht , die Versicherteneigenschaft nach den für die soziale Sicherheit geltenden Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten besitzt. Entscheidend ist lediglich, ob jemand in einem für Arbeitnehmer oder Selbständige geschaffenen System der sozialen Sicherheit pflicht- oder freiwillig versichert ist.
Wie sich aus dem vorliegenden Versicherungsdatenauszügen der Österreichischen Sozialversicherung ergibt, war bzw ist die Bw in Österreich sozialversichert und ist daher aus diesem Grund die genannte Verordnung auf sie anwendbar, unabhängig von der Frage, ob sie im berufungsgegenständlichen Zeitraum auch Studentin war.
Die genannte Verordnung ist auch sachlich anwendbar, da die Familienbeihilfe unzweifelhaft unter den Begriff der "Familienleistungen" iSd VO EWG 1408/71 fällt.
§ 2 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG) lautet auszugsweise:
(1) Anspruch auf Familienbeihilfe haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben,
a) für minderjährige Kinder.
Gemäß § 2 Abs 8 FLAG 1967 haben Personen nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie den Mittelpunkt der Lebensinteressen im Bundesgebiet haben. Eine Person hat den Mittelpunkt der Lebensinteressen in dem Staat, zu dem sie die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat.
Unter persönlichen sind dabei all jene Beziehungen zu verstehen, die jemand aus in seiner Person liegenden Gründen, auf Grund der Geburt, der Staatszugehörigkeit, des Familienstandes und der Betätigungen religiöser und kultureller Art, mit anderen Worten nach allen Umständen, die den eigentlichen Sinn des Lebens ausmachen, an ein bestimmtes Land binden, während den wirtschaftlichen Beziehungen nur eine weitergehenden Zwecken dienende Funktion zukommt (vgl. ).
Der Verwaltungsgerichtshof hat wiederholt ausgesprochen, dass die stärkste persönliche Beziehung eines Menschen im Regelfall zu dem Ort besteht, an dem er regelmäßig mit seiner Familie lebt, dass also der Mittelpunkt der Lebensinteressen einer verheirateten Person regelmäßig am Ort des Aufenthaltes ihrer Familie zu finden sein wird. Diese Annahme setzt im Regelfall voraus, dass ein gemeinsamer Haushalt geführt wird und keine Umstände vorliegen, die ausschlaggebende und stärkere Bindungen zu einem anderen Ort bewirken (vgl. -I/06 unter Berufung auf u.a.).
Im Zweifel ist lediglich ein Vergleich zwischen den Beziehungen zu den in Betracht kommenden Staaten zu ziehen. § 2 Abs 8 FLAG verlangt nicht, dass die persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen ausschließlich Österreich gelten oder gar, dass der Mittelpunkt der Lebensinteressen für immer im Bundesgebiet beibehalten werden muss (vgl. mwN).
Die Bw ist mit dem Kindesvater seit verheiratet und lebt mit ihm im gemeinsamen Haushalt. Die Eltern leben laut eigener Angaben ganzjährig in Österreich und würden somit auch die Sommer- und Winterferien in Österreich verbringen. Auch der Mietvertrag wurde um drei weitere Jahre (bis ) verlängert. Der Kindesvater ist laut eigenen Angaben und vorgelegter Unterlagen seit 1. Feber 2008 selbständig erwerbstätig. Die Familienmitglieder sind bei ihm mitversichert. Die Kindesmutter wird laut eigener Angaben ab Mitte März wieder einer Beschäftigung nachgehen. Aufgrund vorstehender Ausführungen und der bisherigen Akten- und Sachlage überwiegen nach Auffassung des Unabhängigen Finanzsenates jene Umstände, die für den Mittelpunkt der Lebensinteressen in Österreich sprechen: die Bw hält sich bereits seit 2004 in Österreich auf, hat hier das Studium begonnen und war entweder geringfügig beschäftigt oder selbstversichert, der Kindesvater war vorher Student und ist seit Feber 2008 Einzelunternehmer und wohnt mit seiner Familie im gemeinsamen Haushalt in Österreich. Auf Grund dieser Umstände ist auch davon auszugehen, dass die Bw über ausreichend soziale Kontakte in Österreich verfügt.
Die Auffassung des Finanzamtes, dass der Bezug von Familienbeihilfe für Studenten grundsätzlich ausgeschlossen sei, weil sich diese nur vorübergehend in Österreich aufhalten, ist in dieser Allgemeinheit nicht haltbar. Es wird zwar in vielen Fällen typisch sein, dass der Lebensmittelpunkt von Studierenden, die sich tatsächlich nur zu Studienzwecken in Österreich aufhalten, weiterhin in ihrem Herkunftsland liegt (vgl. und vom , RV/1187-W/06). Daraus lässt sich aber nicht ableiten, dass dies in jedem Fall so sein muss. Die Bw war bzw ist laut eigenen Angaben im Antragsformular betreffend Zuerkennung der Familienbeihilfe (Eingang beim Finanzamt ) zwar noch Studentin, jene Umstände aber, die - wie bereits ausgeführt - für den Mittelpunkt der Lebensinteressen in Österreich sprechen, waren aber unzweifelhaft gegeben.
Der Unabhängige Finanzsenat gelangte daher zur Auffassung, dass der Bw die Familienbeihilfe ab Juli 2007 für ihren Sohn zusteht und es war daher wie im Spruch ausgeführt zu entscheiden.
Feldkirch, am
Zusatzinformationen
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Materie | |
betroffene Normen | § 2 Abs. 8 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 |
Schlagworte | Mittelpunkt der Lebensinteressen |
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