Zahnerkrankung in Zusammenhang mit einer Krebserkrankung, welche Grund für einen Bescheid des Bundessozialamtes über eine 70%ige Behinderung darstellt.
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der R M, Adresse, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Grieskirchen Wels vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2007 entschieden:
Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.
Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.
Entscheidungsgründe
Mit hat die Berufungswerberin ihre Einkommensteuererklärung (Arbeitnehmerveranlagung) für 2007 im elektronischen Wege abgegeben.
Durch einen Bescheides des Bundessozialamtes wird der Berufungswerberin eine 70%ige Erwerbsminderung bescheinigt.
Unter Kennzahl 476 (nachgewiesenen Kosten aus der eigenen Behinderung nach der Verordnung über außergewöhnliche Belastungen) wurden als zusätzliche Kosten der Behinderung 6.519,42 € als außergewöhnliche Belastung erklärt.
Aufgrund eines telefonischen Vorhaltes wurde von der Berufungswerberin mit eine Aufstellung zur Arbeitnehmerveranlagung 2007 dem Finanzamt übermittelt.
Ua wird darin eine "Rechnung Dr. H (4.368 € abzüglich Zuzahlung von 400 € ergibt 3.968 €)" angeführt, deren Betrag in der Kennzahl 476 (nachgewiesenen Kosten aus der eigenen Behinderung nach der Verordnung über außergewöhnliche Belastungen) enthalten ist.
Im Akt befindet sich die Kopie einer Seite (Seite 2 von3) eines Befundes über eine ärztliche Untersuchung von Prim. Prof. Dr. AP vom mit im Wesentlichen folgendem Inhalt:
Erhobene Befunde
CT-Thorax, ,
Art der Untersuchung: CT-Thorax,
Befund:
MD-Spiral-CT der Thoraxorgane mit i. v. Kontrastmittelapplikation,
Normale Darstellung des Tracheobronchialbaumes. Mediastinal finden sich einzelne normal große Lymphknoten mit einem Durchmesser bis zu 1 cm. Keine pathologischen Raumforderung mediastinal oder hilär. Axillär beidseits liegen einzelne benigne Lymphknoten vor, die einen Durchmesser bis 1,2 cm erreichen. Prothese in der linken Brust. Normale Darstellung der Mamma beidseits bis auf narbige Indurationen links.
Kein Hinweis auf eine pulmonale Filialisierung.
Kein Hinweis auf ossäre Destruktionen. Kein Hinweis auf eine Pleurakarzinose.
Zusammenfassung:
Bei der Kontrolle am berichtet die Patientin subjektiv über gutes Befinden und keinerlei besonderen Vorkommnisse seit der Letztkontrolle. Der Lokalstatus ist unauffällig, auch laborchemisch zeigen sich keinerlei Hinweise auf ein Rezidiv der Grunderkrankung. Auf Grund des letzten Thoraxröntgens, in dem eine unklare Verklumpung der linken Hilusregion beschrieben wurde, wurde bei der diesmaligen Kontrolle eine CT-Thoraxuntersuchung durchgeführt. Diese ergab keinerlei Auffälligkeiten. Somit kann von einer Remission der Grunderkrankung ausgegangen werden.
Bezüglich der von der Patientin geschilderten Zahnprobleme ist festzuhalten, dass eine vorangegangene Chemotherapie als ursächlicher Faktor für die derzeit bestehende Zahnproblematik sicherlich ins Kalkül zu ziehen ist.
Im Einkommensteuerbescheid 2007 vom wurden Zahnarztkosten als außergewöhnliche Belastung unter Abzug eines Selbstbehaltes berücksichtigt. Die nachgewiesenen Kosten aus der eigenen Behinderung nach der Verordnung über außergewöhnliche Belastungen (Kennzahl 476) wurden entsprechend gekürzt.
Zur Begründung führte das Finanzamt an:
Als Kosten der Heilbehandlung (ohne Abzug eines Selbstbehaltes) sind jene Aufwendungen zu verstehen, die zur Stabilisierung und Erhaltung der die Behinderung verursachenden Erkrankung geleistet werden.
Gemäß dem ärztlichen Befund ist für die derzeitige Zahnproblematik als ursächlicher Faktor die Heilbehandlung (Chemotherapie) in Betracht zu ziehen. Die Zahnproblematik stellt jedoch nicht den Auslöser der ursächlichen Erkrankung dar, noch hat die Zahnbehandlung Auswirkung auf die eigentliche Krankheit.
Die Kosten stehen daher nicht in direktem Zusammenhang mit der Behinderung und können nur mit Abzug eines einkommensabhängigen Selbstbehalts anerkannt werden.
In ihrer Berufung vom gegen die Nichtanerkennung der Zahnarztkosten in Höhe von 3.984,45 € als zusätzliche Kosten ohne Selbstbehalt im Zusammenhang mit der Erwerbsminderung führte die Berufungswerberin aus:
Laut des der Finanzbehörde aufliegenden ambulanten Berichtes vom Primar Prof. Dr. AP ist davon auszugehen, dass die im Zusammenhang mit der Krebsbehandlung stehenden Chemotherapie einen ursächlichen Kontext mit den aufgetretenen Zahnproblemen darstellt und somit als Folgewirkung der die Erwerbsminderung verursachende Erkrankung zu sehen ist.
Tatsache ist, dass ich davor keine nennenswerten Probleme mit meinen Zähnen hatte und auch durch die chemotherapeutischen Maßnahmen mein Zahnfleisch stark in Mitleidenschaft gezogen wurde, die gravierende Zahnprobleme verursacht haben und die daraus erwachsenen Behandlungsmaßnahmen zwangsläufig notwendig wurden.
Es gilt auch in medizinischen Fachkreisen als unbestritten, dass nach den oben angesprochenen therapeutischen Maßnahmen der Krebsbehandlung häufig Folgeprobleme im Zahnbereich auftreten können, die gegebenfalls in der Folge erhebliche zusätzliche Kosten verursachen.
Die Randziffer 844 der Lohnsteuerrichtlinien normiert auch eindeutig nachvollziehbar, dass Krankheitskosten, die nicht im ursächlichen Zusammenhang stehen unter Berücksichtigung des Selbstbehaltes absetzbar sind. Als Beispiel werden hier Kosten einer Augenoperation eines Gehbehinderten angeführt. Dieses Faktum impliziert umgekehrt konsequenterweise die Anerkennung von mit der Erwerbsminderung im Zusammenhang stehenden Therapiemaßnahmen (siehe auch RZ 851 LStRL) als zusätzlich ohne Selbstbehalt geltend zu machenden Aufwendungen.
Die im Erstbescheid angeführte Begründung, dass die Zahnbehandlung nicht den Auslöser der ursächlichen Erkrankung darstellt, steht außer Zweifel, meines Erachtens ist der Sachverhalt aber ungekehrt.
Weiters stelle ich fest, dass ich Bezug nehmend auf den ersten Satz in der Begründung selbstverständlicherweise keine Maßnahmen gesetzt habe, die der Erhaltung der der die Behinderung verursachenden dienlich sind.
Ich beantrage daher der Berufung stattzugeben.
Weiters stelle ich im Falle einer eventuellen abweisenden Berufungsvorentscheidung den Antrag, die Berufung unmittelbar der Behörde II. Instanz zur Entscheidung gemäß § 276 Abs. 2 BAO vorzulegen.
Die Berufung wurde am vom Finanzamt der Abgabenbehörde zweiter Instanz zur Entscheidung vorgelegt und die Abweisung der Berufung beantragt.
Über die Berufung wurde erwogen:
Nach § 34 Abs. 1 EStG 1988 sind bei der Ermittlung des Einkommens (§ 2 Abs. 2) eines unbeschränkt Steuerpflichtigen nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18) außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Diese werden gemäß § 34 Abs. 4 EStG steuerlich grundsätzlich nur dann schlagend, wenn sie einen vom Einkommen des Steuerpflichtigen abhängigen Selbstbehalt übersteigen.
§ 34 Abs. 6 EStG normiert - von diesem Grundsatz abweichend - jene Aufwendungen, die ohne Berücksichtigung eines Selbstbehaltes abgezogen werden können. Dazu zählen u.a. auch Aufwendungen iSd. § 35 leg. cit. (Vorliegen einer Behinderung), die an Stelle der Pauschbeträge geltend gemacht werden (§ 35 Abs. 5) sowie Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung , wenn der Steuerpflichtige pflegebedingte Geldleistungen erhält, soweit sie die Summe dieser pflegebedingten Geldleistungen übersteigen.
Gemäß § 35 Abs. 1 EStG steht dem Steuerpflichtigen ein Freibetrag iSd. Abs. 3 der genannten Gesetzesstelle zu, wenn er außergewöhnliche Belastungen durch eine eigene körperliche oder geistige Behinderung hat. Nach § 35 Abs. 2 EStG bestimmt sich die Höhe des Freibetrages nach dem Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung).
Die Tatsache der Behinderung und das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) sind durch eine amtliche Bescheinigung der für diese Feststellung zuständigen Stelle nachzuweisen. Zuständige Stelle ist:
- Der Landeshauptmann bei Empfängern einer Opferrente.
- Die Sozialversicherungsträger bei Berufskrankheiten oder Berufsunfällen von Arbeitnehmern.
- In allen übrigen Fällen sowie bei Zusammentreffen von Behinderungen verschiedener Art das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen.
Nach § 35 Abs. 5 EStG können anstelle des Freibetrages auch die tatsächlichen Kosten aus dem Titel der Behinderung - ohne Selbstbehalt - geltend gemacht werden (§ 34 Abs. 6).
Gemäß § 4 der auf Grund der §§ 34 und 35 EStG erlassenen Verordnung BGBl. 1996/303 sind nicht regelmäßig anfallende Aufwendungen für Hilfsmittel sowie Kosten der Heilbehandlung im nachgewiesenen Ausmaß zu berücksichtigen. Soweit allerdings ein ursächlicher Zusammenhang zwischen den geltend gemachten tatsächlichen Kosten und der die Behinderung begründenden Krankheit nicht dargelegt wird bzw. nicht besteht, ist eine Berücksichtigung unter Außerachtlassung des Selbstbehaltes ausgeschlossen (Doralt, EStG 4. Auflage, § 35 Tz 9 mit entsprechenden Judikaturhinweisen).
Im hier zur Beurteilung stehenden Fall liegt nun unzweifelhaft ein Bescheid des Bundessozialamtes über einen 70%igen Behinderungsgrad der Berufungswerberin in Folge ihrer Krebserkrankung vor.
Zu klären ist im gegenständlichen Fall, ob die strittigen Zahnarztkosten Kosten der Heilbehandlung, die in einem ursächlichen Zusammenhang mit der die Behinderung begründenden Krebserkrankung stehen, darstellen:
Heilbehandlungskosten können ohne Selbstbehalt berücksichtigt werden, soweit sie mit den diese Behinderung begründenden Gesundheitsbeeinträchtigungen in Zusammenhang stehen.
Dazu hat die Berufungswerberin dem unabhängigen Finanzsenat einen Untersuchungsbefund ihres behandelnden Arztes Primar Prof. Dr. A P vorgelegt, wobei dieser hinsichtlich der Erkrankung der Zähne Folgendes aussagt:
Bezüglich der von der Patientin geschilderten Zahnprobleme ist festzuhalten, dass eine vorangegangene Chemotherapie als ursächlicher Faktor für die derzeit bestehende Zahnproblematik sicherlich ins Kalkül zu ziehen ist.
Aus dieser Formulierung kann nach Ansicht des Unabhängigen Finanzsenates nur herausgelesen werden, dass ein Zusammenhang möglicherweise besteht, es jedoch auch genauso möglich ist, dass kein ursächlicher Zusammenhang mit der Krebserkrankung gegeben ist. Nach Ansicht des Unabhängigen Finanzsenates wird dadurch jedoch kein unmittelbarer Zusammenhang der Zahnerkrankung mit der Krebserkrankung, welche Grundlage für die Feststellung der Erwerbsminderung ist, nachgewiesen.
Auch aus den weiteren Ausführungen der Berufungswerberin in der Berufungsschrift kann nach Ansicht des Unabhängigen Finanzsenates kein konkreter Hinweis auf einen unmittelbaren Zusammenhang mit den sanierungsbedürftigen Zähnen oder die Erforderlichkeit der Sanierung der Zähne entnommen werden.
Die Kosten der Zahnsanierung können daher - wie schon im angefochtenen Bescheid - zwar als außergewöhnliche Belastung anerkannt werden, die fraglichen Zahnarztkosten stehen jedoch in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit den die Behinderung der Berufungswerberin begründenden Krankheiten, weshalb ein Abzug dieser Aufwendungen nur unter Berücksichtigung des nach § 34 Abs. 4 EStG zu ermittelnden Selbstbehaltes möglich ist.
Der Berufung konnte daher nicht Folge gegeben werden.
Linz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | § 34 Abs. 4 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Schlagworte | außergewöhnliche Belastung Selbstbehalt Behinderung Zahnarztkosten |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at