Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSS vom 21.12.2012, RV/0377-S/10

Bescheidvoraussetzungen bei Sammelbescheiden

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Dr. MV als Masseverwalter der BW, Adresse, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Salzburg-Stadt, vertreten durch Dr. Karl Brejcha, vom betreffend die Haftung des Arbeitgebers für Lohnsteuer gemäß § 82 EStG 1988 für die Jahre 2003, 2004, 2005 und 2006 sowie die Abgabenbescheide betreffend den Dienstgeberbeitrag für die Jahre 2003, 2004, 2005 und 2006 entschieden:

Der Berufung wird Folge gegeben.

Die angefochtenen Bescheide betreffend die Haftung des Arbeitgebers für Lohnsteuer gemäß § 82 EStG 1988 für die Jahre 2003, 2004, 2005 und 2006 sowie die Abgabenbescheide betreffend den Dienstgeberbeitrag für die Jahre 2003, 2004, 2005 und 2006 werden aufgehoben.

Entscheidungsgründe

Bei der BW fand in den Jahren 2008 und 2009 eine gemeinsame Prüfung der lohnabhängigen Abgaben für die Jahre 2003, 2004, 2005 und 2006 statt. Dieses Verfahren wurde mit Schlussbesprechung vom beendet und darüber ein Prüfbericht mit Datum erstellt. In diesem Bericht wurde darauf hingewiesen, dass in Lohnkonten, Werkverträge, Bilanzen, Skripten und diverse Unterrichtsunterlagen Einsicht genommen worden sei. Sodann begründete die Prüferin das Ermessen, warum sie die BW als Arbeitgeberin zur Haftung herangezogen habe. Hinsichtlich der Feststellungen führte die Prüferin im Bericht an "Pauschale Nachrechnung Finanz" Sachverhaltsdarstellung: "BMG für DB und K wurden nachträglich pflichtig". In weiterer Folge wurde angeführt "laut Feststellung des GPLA-Prüfers: Sachverhaltsdarstellung: Werkvertrag wurde nicht anerkannt A-Studenten Verrechnung erfolgt in D1, da bereits für Februar 2003 eine ALG.BGL von € 270,--".

Sodann stellte die Prüferin noch eine Ergebnisübersicht für Lohnsteuer und Dienstgeberbeitrag für die Jahre 2003, 2004, 2005 und 2006 dar.

Mit gleichem Datum erließ das FA Haftungsbescheide für die Lohnsteuer 2003, 2004, 2005 und 2006 wobei die BW als "Haftende gemäß § 82 EStG" in Anspruch genommen wurde, sowie Bescheide über die Festsetzung des Dienstgeberbeitrages für diese Jahre. Zur Begründung wurde in allen Fällen auf den Prüfungsbericht vom verwiesen, weitere inhaltliche Ausführungen finden sich in diesen Bescheiden nicht.

Bei den Bescheiden betreffend die Festsetzung des Dienstgeberbeitrages wurde festgehalten: "Der DB und der DZ waren bereits fällig. ..." Bescheide über die Festsetzung des Zuschlages zum Dienstgeberbeitrag wurden nach der Aktenlage nicht erlassen.

Gegen diese Bescheide erhob die BW durch ihren damals ausgewiesenen Vertreter fristgerecht Berufung und führte dazu im Wesentlichen an, dass aus dem Bericht als Begründung dieser Bescheide zu entnehmen sei, dass Werkverträge nicht anerkannt worden seien. Die BW sei aber sehr wohl der Ansicht, dass es sich bei diesen Tätigkeiten um Werkverträge handle. Genauere Einwendungen seien aber nicht möglich, da die Behörde in ihrer Begründung nicht definiere warum die Werkverträge nicht anerkannt würden. Die Begründung enthalte weder eine Sachverhaltsdarstellung, noch eine daraus abgeleitete rechtliche Würdigung. Insofern enthielten die gegenständlichen Bescheide keine ausreichende Begründung und die BW stelle daher zusätzlich den Antrag eine Begründung im Sinn des § 93 Abs. 3 lit. a BAO nachzureichen.

Mit Datum übermittelte die Prüferin dem Teamleiter des FA eine "grobe Übersicht des Sachverhaltes, des Prüfungsablaufes und der rechtlichen Beurteilung". Es sei sehr schwierig dies darzustellen, da die Unterlagen 8 Ordner schwer seien. Die Dokumente könnten jederzeit angefordert werden oder Akteneinsicht genommen werden. Die Stellungnahme umfasst 2 ½ Seiten. In dieser Zusammenstellung des Prüfungsablaufes hielt die Prüferin fest: "5 Niederschriften erstellt und anschließend hat eine Besprechung am (Parteiengehör) stattgefunden. Es erfolgte eine grobe Einteilung der Werkverträge in 3 Sparten: Lehrer Beaufsichtigung (Nacht- und Nachmittagsbetreuung der Jugendlichen im Lehrerhaus), Familie Heinzer: Weitere Niederschriften und spezielle für Beaufsichtigung und Fam. Heinzer erstellt, 8 von 9 Niederschriften wurden dem Rechtsanwalt des Unternehmens Herr Dr. Hauser anonymisiert weitergeleitet. Ca. 30 Gegenniederschriften erhalten". Eine Auseinandersetzung mit diesen offenbar unterschiedlichen Aussagen der verschiedenen Lehrenden ist weder der Stellungnahme noch den vorliegenden Akten zu entnehmen.

Aus den Akten ist nicht ersichtlich, ob diese Stellungnahme der BW zur Kenntnis gebracht wurde.

Weiters ist festzuhalten, dass über das Vermögen der BW mit 24. November 2009der Konkurs eröffnet wurde.

In den Akten findet sich weiters ein Bescheid der Salzburger Gebietskrankenkasse, in dem Sozialversicherungsbeträge für Werkverträge vorgeschrieben worden waren. Dieser Bescheid ist mit datiert.

Mit erließ das FA eine Berufungsvorentscheidung in der die Berufung der BW als unbegründet abgewiesen wurde.

Zur Begründung führte das FA an, dass die BW verschiedene Sprachkurse, Ferienkurse, Tutorien und dergleichen angeboten habe. Für jeden dieser Kurse sei zwischen der BW und dem konkreten Lehrer ein Werkvertrag im Nachhinein abgeschlossen und somit eine Abrechnung erstellt worden. Es habe verschiedene Arten von Werkverträgen gegeben, z.B. für Lehrtätigkeiten, Nachtaufsicht, Nachmittage im Lehrerhaus, sowie für Reinigung. Den abgeschlossenen Werkverträgen liege in Wahrheit aber keine selbständige Tätigkeit zu Grunde, vielmehr lägen abhängige Beschäftigungsverhältnisse vor. Die Vermittlung von Wissensstoff und Fertigkeiten allein sei keine in sich geschlossene Einheit die an sich Gegenstand eines Werkvertrages sein könne. Das Personal habe kein Unternehmerrisiko getragen. Kurszeiten und Kursdauer seien von vornherein fix eingeteilt gewesen. Die Kurse seien vorab im Internet abrufbar gewesen eine Disposition der Termine sei nach Ankündigung fast nicht mehr möglich gewesen. Ferienkurse seien im Internet für Erwachsene, Kinder und Jugendliche mit extra buchbaren Bausteinen angeboten worden. Zudem hätten Konferenzen mit Anwesenheitspflichten der Lehrer stattgefunden. Zeitliche Abläufe hätten eingehalten werden müssen. Die Einstufungstests für die zu Unterrichtenden seien bereits vorgefertigt gewesen. Es habe genaue Stundenpläne mit Klassenzimmereinteilung und Tutorienplänen mit genauen Einteilungen gegeben. Die Lehrer seien in den geschäftlichen Organismus des Unternehmens jedenfalls eingebunden gewesen. Eine Eingliederung sei bereits aufgrund des großen zeitlichen Aufwands der Tätigkeit für den Dienstgeber gegeben gewesen. Die überwiegende Mehrheit der Lehrer habe in ihren niederschriftlichen Einvernahmen angegeben, dass sie sich ständig kontrolliert, überprüft und gemaßregelt gefühlt hätten. Sie hätten zahlreiche Anweisungen erhalten, welche streng eingehalten werden müssten und dies sei auch überprüft worden. An den anberaumten Konferenzen habe zwingend teilgenommen werden müssen. Jede Abänderung habe von der Geschäftsführerin der BW abgesegnet werden müssen. Auch das zu verwendende Unterrichtsmaterial sei genau vorgegeben gewesen. Es hätten genaue Klassenbücher geführt werden und Lernfortschrittskontrollen und Test nach genauen Angaben der Unternehmensleitung durchgeführt werden müssen. Die Lehrer hätten sich auch die Schüler keinesfalls selbst aussuchen können. Das Büromaterial sei von der Geschäftsführerin der BW zur Verfügung gestellt worden, auch bei der Nachtaufsicht und den Nachmittagsbetreuungen von Jugendlichen während der Sommerkurse habe sich das Personal an genaue Anordnungen und zeitliche Vorgaben auch in Bezug auf die Freizeitgestaltung halten müssen. Für das Unternehmen sei der persönliche Arbeitseinsatz der Dienstnehmer erforderlich gewesen. Es habe daher eine Eingliederung der Auftragnehmer bei Erfüllung der von ihnen persönlich übernommenen Tätigkeitsbereiche in den betrieblichen Ablauf der BW gegeben und zwar sowohl in zeitlicher und örtlicher als auch in organisatorischer Hinsicht. Bei dieser Sachlage sei davon auszugehen das bereits die vorrangig zu prüfenden Kriterien Weisungsgebundenheit und Eingliederung in den geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers eindeutig für das Vorliegen von Dienstverhältnissen sprächen. Die Berufung sei somit aus den vorstehenden Gründen abzuweisen gewesen.

Auf Aussagen der Lehrenden in den "ca. dreißig Gegenniederschriften" wurde kein Bezug genommen.

Darauf stellte die insolvente BW durch ihren Masseverwalter fristgerecht den Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch den Unabhängigen Finanzsenat als Abgabenbehörde II. Instanz.

Weiters beantragte sie eine mündliche Berufungsverhandlung. Dieser Antrag wurde in weiterer Folge wieder zurückgezogen.

In dem rund 30 Seiten umfassenden Schriftsatz führte der Masseverwalter ausführlich aus, dass der angefochtene Bescheid in Wahrheit keine Begründung enthalte. Es könne nicht nachvollzogen werden, warum eine Tatsache für wahr oder unwahr gehalten werde. Es werde in keiner Weise dargelegt, auf welche Beweismittel und welche Beweisergebnisse sich die erkennende Abgabenbehörde bei der Beweiswürdigung und bei der Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes stütze. Die Feststellung, die überwiegende Mehrheit der Lehrer hätte in ihrer niederschriftlichen Einvernahme angegeben, sich ständig kontrolliert, überprüft und gemaßregelt gefühlt zu haben erfülle diese Anforderungen nicht. Woher also die Abgabenbehörde den Schluss ziehe, die überwiegende Mehrheit der Lehrer hätte angegeben sich ständig kontrolliert, überprüft und gemaßregelt gefühlt zu haben sei nicht nachvollziehbar. Die Abgabenbehörde habe sich mit den Sachverhaltsdarstellungen der einzelnen Lehrer überhaupt nicht auseinandergesetzt.

Weiters führte der Masseverwalter aus, dass sowohl dem bekämpften Bescheid als auch der Berufungsvorentscheidung der Behörde I. Instanz konkrete Sachverhaltsfeststellungen fehlten, auf welche Personen und die mit den einzelnen Personen (insgesamt 63 Personen) abgeschlossenen Werkverträge welcher Sachverhalt zutreffe, aus dem sodann im Rahmen der rechtlichen Beurteilung die gesetzlichen Merkmale der Weisungsgebundenheit gegenüber dem Arbeitgeber und die Eingliederung in dessen geschäftlichen Organismus als erfüllt angesehen würden. Aus dem Inhalt der Werkverträge ergebe sich dieser Sachverhalt jedenfalls nicht.

Diesem Vorlageantrag legte die BW Sachverhaltsdarstellungen von 30 Lehrenden bei, und besprach diese im Einzelnen in diesem Schriftsatz. Weiters wies die BW auf die Unterschiede zwischen den anonymisiert vorgelegten Niederschriften sowie den im Vorlageantrag vorgelegten Niederschriften hin.

Der UFS hat dazu erwogen:

Der oben dargestellte Verfahrensgang gibt auch den Inhalt der ergangenen Bescheide hinsichtlich Spruch und Begründung wieder. Zu diesen Bescheiden ist - vor einem allfälligen Eingehen in die Sache Folgendes festzuhalten:

Gemäß § 276 Abs. 3 BAO gilt die Berufung, wenn ein Vorlageantrag rechtzeitig eingebracht wird, ... von der Einbringung des Antrages an wiederum als unerledigt. Die Ausführungen des FA in der Berufungsvorentscheidung haben lediglich Vorhaltscharakter.

Die Abgabenbehörde zweiter Instanz hat somit wiederum über die Berufung gegen den ursprünglichen Bescheid und somit über diesen zu entscheiden.

Gemäß § 82 EStG 1988 haftet der Arbeitgeber dem Bund für die Einbehaltung und Abfuhr der vom Arbeitslohn einzubehaltenden Lohnsteuer. Dabei wurde im gegenständlichen Fall ein Haftungsbescheid je Kalenderjahr erlassen. Dieser Bescheid spricht aber über die Lohnsteuer mehrerer als Arbeitnehmer eingestufter Personen für mehrere Monate ab. Es liegen damit je "Arbeitnehmer" und Monat eigenständige Haftungsbescheide vor, über die in einem Schriftstück abgesprochen wird. (Sammelbescheid) Dabei muss das Vorliegen mehrerer Bescheide eindeutig erkennbar sein. Jeder dieser Bescheide muss für sich allein alle gesetzlich vorgeschriebenen Bestandteile enthalten, er hat sein eigenes Schicksal und ist für sich bekämpfbar. Damit müssen dem Bescheid die Art und Höhe jeder Abgabe und deren Bemessungsgrundlagen zu entnehmen sein. Dabei ist es zulässig, dass diese Bestandteile nicht im Spruch eines Bescheides, sondern in einer Beilage (zB einem Außenprüfungsbericht) aufscheinen und die Bezeichnung als Bescheid, der Bescheidadressat und die Rechtsmittelbelehrung nur einmal aufscheinen.

Festzuhalten ist, dass die als Lohnsteuerhaftungsbescheide bezeichneten behördlichen Erledigungen diesen Bescheiderfordernissen nicht entsprechen. Aus keinem der angefochtenen Haftungsbescheide ist - auch unter Einbeziehung des Prüfungsberichtes als Begründung - nachvollziehbar, dass die Unterrichtenden als Arbeitnehmer eingestuft wurden. Aus dem Text der Begründung ist nur ableitbar, dass offenbar (?) A Studenten als Arbeitnehmer eingestuft worden sind. Es ist aus dem Bescheid nicht nachvollziehbar, ob bzw. welche Unterrichtenden als Arbeitnehmer angesehen wurden und nach welchen Kriterien die Lohnsteuer vorgeschrieben wurde.

Dabei ist es unerheblich, dass der Außenprüfungsbericht im Gegensatz zu den angefochtenen Lohnsteuerhaftungsbescheiden darauf hindeutet, dass Lohnabgaben und somit auch die im Haftungswege vorgeschriebene Lohnsteuer teilweise (?) pauschal vorgeschrieben worden seien.

Diese Möglichkeit bietet § 86 Abs. 2 EStG 1988 dann, wenn die genaue Ermittlung der auf den einzelnen Arbeitnehmer entfallenden Lohnsteuer mit unverhältnismäßigen Schwierigkeiten verbunden ist. Geht man mit der Berufungsvorentscheidung davon aus, dass offenbar Honorarabrechnungen vorliegen, da offenbar als selbständige Einkünfte versteuerte Honorare der Unterrichtenden als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit qualifiziert werden sollten, ist dem UFS nicht ersichtlich, dass überhaupt dem Grunde nach eine Schätzungsberechtigung vorliegt.

Zudem muss auch in einem Fall der pauschalen Lohnsteuerverrechnung die auf den einzelnen Arbeitnehmer entfallende Lohnsteuer errechenbar sein, was im gegenständlichen Fall - wie oben angesprochen - aus dem Spruch des Bescheides, auch im Zusammenhalt mit dem Prüfbericht nicht nachvollziehbar ist.

Der UFS geht daher im gegenständlichen Fall - wie in den Bescheiden auch angesprochen - von Lohnsteuerhaftungsbescheiden nach § 82 EStG aus.

Diese bekämpften Lohnsteuerhaftungsbescheide sind aber mit so vielen Fehlern und Unklarheiten behaftet, dass es nicht möglich ist, die zu entscheidende "Sache" ausreichend zu konkretisieren.

Die Überprüfungs- und Änderungsbefugnis des Unabhängigen Finanzsenats beschränkt sich auf die "Sache" des erstinstanzlichen Bescheides. Sache ist dabei die Angelegenheit, über die im Spruch des angefochtenen Bescheides abgesprochen worden ist bzw. die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches erster Instanz gebildet hat (Ritz, Kommentar zur BAO, § 289 Tz 38). Die Rechtsmittelbehörde darf eine Abgabe niemals erstmals vorschreiben sondern nur die erfolgte Vorschreibung auf ihre Richtigkeit hin überprüfen.

Die objektiven Grenzen der Bescheidwirkung ergeben sich daraus, dass die "entschiedene Sache" durch den angenommenen Sachverhalt in Relation zur angewandten Rechtsvorschrift bestimmt wird (). Die Sache muss im erstinstanzlichen Bescheid so klar und unmissverständlich umschrieben sein, dass es möglich ist, sie unzweifelhaft zu fixieren. Die Grenze der Abänderungsbefugnis der Berufungsbehörde liegt dort, wo es zu einer Auswechslung des Gegenstandes des erstinstanzlichen Bescheides kommen würde.

Dabei ist es ausreichend, wenn dieser Sachverhalt dem bekämpften Bescheid aus der Zusammenschau von Spruch und Begründung klar zu entnehmen ist (vgl. etwa ). Widersprechen sich Spruch und Begründung bzw. ist ein solcher Widerspruch nicht ausgeschlossen, muss der Spruch isoliert zur Auslegung des Bescheides herangezogen werden (Ritz, BAO3, § 92 Tz 7).

Daraus leitet sich ab, dass die Abgabenbehörde 2. Instanz nur über die Vorschreibung einer Abgabe durch das Finanzamt absprechen nicht aber eine solche Abgabe erstmals festsetzen darf.

Das Gebot, immer in der Sache selbst zu entscheiden, setzt nämlich voraus, dass die zu erledigende Sache, also die Angelegenheit, die Gegenstand des Verfahrens der Abgabenbehörde erster Instanz war, mit der Sache identisch ist, die in die Sachentscheidung der Rechtsmittelbehörde einbezogen wird. Sache ist in diesem Zusammenhang die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches des Bescheides des Finanzamtes gebildet hat. Der Unabhängige Finanzsenat darf in einer Angelegenheit, die so noch nicht Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens gewesen war, nicht - im Ergebnis erstmals - einen Sachbescheid erlassen.

Bei der bescheidmäßigen Vorschreibung von Lohnsteuer im Haftungswege tritt die Angabe des (Prüfungs) Zeitraumes in den Hintergrund. Diese Angabe ist nicht dazu geeignet, die Sache zu beschreiben, über die abgesprochen werden soll. Dies kann nur dadurch erfolgen, dass der Vorgang verbal so klar umschrieben wird, dass es einem sachkundigen Dritten möglich ist, diesen zweifellos zuzuordnen und abzugrenzen.

Bei der Haftung des Arbeitgebers für die Lohnsteuer handelt es sich - wie oben angeführt - nicht um eine Jahresabgabe sondern um einen Sammelbescheid, die hinsichtlich jedes "Arbeitnehmers" getrennt zu betrachten ist.

Daraus ergibt sich, dass in diesem Fall jeder einzelne dieser zusammengefassten Bescheide in seinem Spruch klar abgrenzbar über die Einstufung eines Unterrichtenden als Arbeitnehmer abzusprechen hat und dass somit die Vorschreibung hinsichtlich jedes Arbeitnehmers für sich bekämpfbar sein muss.

Lohnsteuerhaftungsbescheide haben neben dem Abgabenbetrag auch die Bemessungsgrundlage sowie den Zeitpunkt der Fälligkeit zu enthalten. Zur gesetzlich vorgesehenen Bestimmung des Fälligkeitszeitpunktes ist auch die Fixierung des Zuflusszeitpunktes notwendig (§ 198 Abs. 2 BAO).

Alle diese notwendigen Bestandteile eines derartigen Bescheides sind aus den im gegenständlichen Verfahren angefochtenen Bescheiden nicht zu entnehmen. Interne Aktenvermerke oder Ausführungen in Berufungsvorentscheidungen können diesen Mangel nicht beseitigen.

Im gegenständlichen Fall ist nicht erkennbar, ob Unterrichtende oder A Studenten als Arbeitnehmer behandelt werden sollen, Zeiträume, in denen solche Dienstverhälntisse vorliegen würden, sind nicht angeführt.

Der Bescheidspruch enthält keine ausreichende Umschreibung des beurteilten Sachverhaltes. Die zusätzliche Begründung, auf die dieser Bescheid verweist, ist widersprüchlich und deckt sich in keiner Weise mit dem Vorbringen der Begründung, die das FA in der Berufungsvorentscheidung verwendet hat. Diese kann deshalb in keiner Weise - auch nicht zu Interpretationszwecken - in die Beurteilung mit einbezogen werden.

Unstrittig ist, dass es sich beim zu beurteilenden Schriftstück um einen Bescheid im Sinne der abgabenrechtlichen Vorschriften handelt. Aus diesem ergibt sich aber nur, dass die Abgabenbehörde 1. Instanz beabsichtigte Lohnsteuer im Haftungswege vorzuschreiben.

Der Unabhängige Finanzsenat ist aber wie oben angeführt nicht in der Lage, aus der Textierung des bekämpften Bescheides mit ausreichender Klarheit festzustellen, für welche Personen die BW zur Haftung in Anspruch genommen werden soll, welcher Vorgang zu welchem Zeitpunkt beurteilt werden sollte, welche Bemessungsgrundlagen herangezogen werden sollten.

Aus diesem Grunde ist der bekämpfte Bescheid mit so vielen Fehlern und Unklarheiten behaftet, dass es nicht möglich ist, die zu entscheidende "Sache" ausreichend zu konkretisieren. Der Bescheid war deshalb ersatzlos aufzuheben, was mangels entschiedener Sache eine neuerliche Bescheiderlassung aber nicht ausschließt (vgl. , und Fischerlehner, UFSAktuell 2006, 119 sowie UFSAktuell 2006, 278).

Gleiches gilt für die Bescheide über die Vorschreibung des Dienstgeberbeitrages zum Familienlastenausgleichsfonds. Auch hier ist nicht nachvollziehbar, welche Sachverhalte das FA als dem Dienstgeberbeitrag unterliegend konkretisiert hat, wie das FA die Bemessungsgrundlagen ermittelt hat und welche Beweiswürdigung vorgenommen wurde.

Somit waren auch diese Bescheide aufzuheben.

Salzburg, am

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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen

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