Rückforderung von Familienbeihilfe für in Ausbildung befindliche Tochter während der zweijährigen Karenzzeit
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw, in W, vertreten durch Ulrike Riha & Gab Steiner OG, 1210 Wien, Siemensstraße 74/Top 4 U 5, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 2/20/21/22 vom betreffend Rückforderung von Familienbeihilfe und von Kinderabsetzbeträgen für die Monate Jänner 2008 bis Juni 2008 entschieden:
Der Berufung wird Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.
Entscheidungsgründe
Im Zuge einer Überprüfung des Anspruches auf Familienbeihilfe übermittelte der Bw das Jahreszeugnis seiner Tochter A, geboren 1988, welche die Tourismusschule1 besucht hatte. Es war ein Jahreszeugnis der 4. Klasse vom Mai 2007, welches positiv war und die Schülerin zum Aufsteigen in die 5. Klasse berechtigte. Es wurde auch die Geburtsurkunde von Enkel vorgelegt, aus der hervorging, dass die Tochter A Juli 2007 einen Sohn geboren hatte.
Aus einem Schreiben der Tourismusschule1 ging hervor, dass sich die Tochter A per von der Tourismusschule1 abgemeldet hatte. In einem Schreiben vom Februar 2008 teilte die Tourismusschule2 A mit, dass das Ansuchen um Schulwechsel und Zulassung zur Externistenprüfung nicht positiv bewertet werden könne. Gemäß § 3 Externistenprüfungsgesetz dürfe ein Prüfungskandidat frühestens 12 Monate nach der zuletzt nicht erfolgreich abgeschlossenen Schulstufe zu einer Externistenprüfung über diese betreffende Schulart oder Schulstufe antreten.
Das Finanzamt erließ in der Folge einen Bescheid, mit dem vom Bw die Familienbeihilfe und der Kinderabsetzbetrag für die Tochter A für die Monate Jänner bis Juni 2008 zurückgefordert wurden. Der gesamte Rückforderungsbetrag betrug Euro 1.221,60. Begründend führte das Finanzamt aus, dass ein Anspruch auf Familienbeihilfe nur bestünde, wenn sich das volljährige Kind in Berufsausbildung befinde.
Gegen diesen Bescheid wurde Berufung erhoben. Der Bw teilte darin mit, dass die Schule ursprünglich zugesichert hatte, dass die Tochter die Matura ganz normal machen könnte. Sie sehe auch kein Problem dabei, dass es für die Tochter keine hundertprozentige Anwesenheitspflicht geben könne, da sie im Juli 2007 einen Sohn geboren habe und für diesen natürlich Zeit verwenden müsse. Ab Oktober 2007 sei es aber in der Klasse zu Unmutsäußerungen durch andere Schülerinnen gekommen. So habe sich der Direktor der Schule gezwungen gesehen, der Tochter des Bw ab Dezember 2007 den Schulbesuch zu verwehren. Damit wurde der Tochter des Bw unverschuldet der Weg zu einer abgeschlossenen Berufsausbildung verwehrt. Sie sei somit nicht selbsterhaltungsfähig. Bereits im November 2007 habe sich die Tochter um einen Platz an einer anderen Schule bemüht. Sie habe aber nach Rücksprache mit dem Stadtschulrat ein Jahr pausieren müssen, um danach ihre Matura nachholen zu können. Er unterstütze seine Tochter daher weiterhin finanziell.
Der Berufung beigelegt war ein Schreiben vom November 2007 der Tochter A an die Tourismusschule2, worin diese um ein Gespräch ersuchte, um abzuklären, ob es möglich wäre, an dieser Schule im Juni 2008 einen Abschluss zu machen. Weiters wurde ein Beschluss des Bezirksgerichtes Donaustadt vom vorgelegt, in dem der Bw sich verpflichtete, ab monatlich einen Unterhaltsbeitrag von Euro 200,00 an seine Tochter A zu bezahlen. Weiters wurden zahlreiche Rechnungen über diversen Hausrat und Einrichtungsgegenstände zum Nachweis der Kostentragung für die Tochter A vorgelegt.
Das Finanzamt entschied mit abweisender Berufungsvorentscheidung. Da sich die Tochter im Rückforderungszeitraum nicht mehr in Ausbildung befunden hätte, bestünde auch kein Anspruch auf Familienbeihilfe. Dass die Tochter unverschuldet keiner Berufsausbildung mehr habe nachgehen können, sei nicht relevant.
Gegen diese Berufungsvorentscheidung wurde Einspruch erhoben. Die Tochter habe nun in der neuen Schule Tourismusschule2 mit der 5. Klasse begonnen und werde voraussichtlich im Sommer 2009 ihre Matura machen können. Er unterstütze seine Tochter weiterhin finanziell monatlich z.B. durch Bezahlung der Telefonrechnung bzw. aller sonst noch anfallenden Kosten, da sie ohne diese Unterstützung nicht in der Lage wäre, ihre Wohnung und die gewohnte Umgebung für das Kind zu erhalten.
Über telefonische Rückfrage seitens des Unabhängigen Finanzsenates am teilte die Tourismusschule2 mit, dass A zwei Externistenprüfungen betreffend den fünften Jahrgang der Schule abgelegt habe, und zwar im Februar 2009 und im April 2009. Beide Prüfungen seien positiv gewesen. Sie habe aber beabsichtigt, noch den fünften Jahrgang besuchen zu wollen und habe sich für den Jahrgang 2009/2010 angemeldet, wofür ihr auch ein Ausbildungsplatz eingeräumt worden sei. Sie habe diesen Jahrgang dann jedoch nicht angetreten, da sie schwanger gewesen sei. Der Besuch des 5. Jahrganges sei daher auf den September 2010 verschoben worden. Sie sei bereits angemeldet und es sei ein Ausbildungsplatz für sie gesichert.
Über die Berufung wurde erwogen:
Der Unabhängige Finanzsenat ist bei seiner Entscheidung von folgendem Sachverhalt ausgegangen:
Die Tochter A, geboren 1988, besuchte bis Dezember 2007 die Tourismusschule1. Die Abmeldung im Dezember 2007 erfolgte auf Grund der Entscheidung der Schule, welche ihr den weiteren Schulbesuch verwehrte. Ihr Bemühen, noch im Dezember 2007 die Ausbildung an einer anderen Schule fortzusetzen, hatte keinen Erfolg, da auf Grund der Bestimmungen des Externistenprüfungsgesetzes die Fortsetzung der Ausbildung nach dem Abbruch einer Ausbildung erst nach einer zwölfmonatigen Wartezeit möglich ist.
Im Sommer 2007 brachte sie ihren Sohn Enkel zur Welt.
Im Februar 2009 und im April 2009 legte sie zwei Externistenprüfungen des fünften Jahrganges positiv ab. Sie meldete sich zur Fortsetzung der Ausbildung für den fünften Jahrgang ab September 2009 in der Höheren Gewerblichen Bundeslehranstalt für Tourismus an.
Im Dezember 2009 gebar sie ihren Sohn Enkel2. Der Besuch des fünften Jahrganges wurde daher auf September 2010 verschoben. Die Tochter des Bw ist bereits für diesen Jahrgang angemeldet und ein Ausbildungsplatz ab September 2010 zugesichert.
Die Tochter des Bw wohnt nicht im gemeinsamen Haushalt mit dem Bw. Der Bw trägt die überwiegenden Kosten des Unterhaltes der Tochter, da diese keine abgeschlossene Berufsausbildung hat und nicht selbsterhaltungsfähig ist.
Dieser Sachverhalt ergibt sich aus dem Akteninhalt und der telefonischen Auskunft der Höheren Gewerblichen Bundeslehranstalt für Tourismus und ist insoweit nicht strittig.
Rechtliche Würdigung:
Gemäß § 2 Abs. 1 lit. b FLAG haben Personen, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet haben, Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die das 26. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist.
Bei volljährigen Kindern, die eine in § 3 Studienförderungsgesetzes genannte Einrichtung besuchen, ist eine Berufsausbildung nur dann anzunehmen, wenn sie die vorgesehene Studienzeit pro Studienabschnitt um nicht mehr als ein Semester oder die vorgesehene Ausbildungszeit um nicht mehr als ein Ausbildungsjahr überschreiten.
Die Studienzeit wird durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis (z.B. Krankheit) verlängert. Dabei bewirkt eine Studienbehinderung von jeweils drei Monaten eine Verlängerung der Studienzeit um ein Semester.
Zeiten des Mutterschutzes sowie die Pflege und Erziehung eines eigenen Kindes bis zur Vollendung des zweiten Lebensjahres hemmen den Ablauf der Studienzeit.
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sind für einen bereits vorher entstandenen Anspruch auf Familienbeihilfe die der Natur der Dinge entsprechenden Unterbrechungen des tatsächlichen Ausbildungsvorganges nicht schädlich. Hiezu gehören beispielsweise Erkrankungen, die die Berufsausbildung auf begrenzte Zeit unterbrechen oder Urlaube oder Schulferien. Derartige Unterbrechungen stellen keine Beendigung der Berufsausbildung dar.
Im Erkenntnis () hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass bei einer mehrjährigen krankheitsbedingten Unterbrechung der tatsächlichen Berufsausbildung der Familienbeihilfenanspruch nach § 2 Abs. 1 lit. b FLAG nicht bestehen bleibe, weil in einem solchen Fall die Berufsausbildung nicht mehr aufrecht sei. Aus diesem Erkenntnis folgt für den Fall der Unterbrechung der Ausbildung durch die Geburt eines Kindes, dass auch eine solche Unterbrechung für einen bereits vorher entstandenen Anspruch auf Familienbeihilfe nicht schädlich ist, wenn sie den Zeitraum von zwei Jahren nicht deutlich übersteigt ().
Im vorliegenden Fall ist daher die Frage zu beantworten, ob die Tochter des Bw die Berufsausbildung lediglich unterbrochen oder abgebrochen hat. Wird die Berufsausbildung nach der Unterbrechung nicht wieder aufgenommen, dann können die Zeiten ab der Beendigung der Ausbildung nicht mehr als Zeiten der Berufsausbildung gesehen werden. Allein der Wunsch, die Berufsausbildung fortzusetzen, genügt nicht ().
Die Tochter des Bw hat im Juli 2007 ihren Sohn geboren und danach ab September bis Dezember 2007 noch versucht, die Berufsausbildung durch den Schulbesuch fortzusetzen. Dies wurde ihr dann ab Dezember 2007 von der Tourismusschule1 verwehrt. Sofort nach Kenntnis dieses Umstandes hat sie sich bemüht, die Berufsausbildung mit Externistenprüfungen abzuschließen. Sie hat sich in dieser Angelegenheit an eine andere Schule, die Tourismusschule2, gewandt. Dort erfuhr sie dann, dass auf Grund gesetzlicher Bestimmungen eine sofortige Fortsetzung nicht möglich ist, sondern eine Wartezeit von zwölf Monaten eingehalten werden müsste. Die Tochter hat sodann im Februar 2009 und April 2009 Prüfungen positiv abgelegt. Dies weist darauf hin, dass sie das Ziel, diese Ausbildung mit der Matura abzuschließen, ernsthaft verfolgt hat. In zeitlicher Hinsicht hat sie ihre Fortsetzungsbemühungen bereits noch vor Ablauf der zweijährigen Karenzzeit, welche im Juli 2009 zu Ende war, gesetzt. Darüber hinaus hatte sie sich bereits für den Besuch des fünften Jahrganges ab September 2009 angemeldet. Da die Tochter des Bw sich ernsthaft bemüht hat, die Ausbildung trotz der erzwungenen Unterbrechungen fortzusetzen und mit diesen Bemühungen unmittelbar nach dem unfreiwilligen Abbruch begonnen hat, und dann tatsächlich auch vor Ablauf der zweijährigen Karenzzeit bereits wieder Prüfungen abgelegt hat, geht der Unabhängige Finanzsenat daher davon aus, dass sie die Berufsausbildung nur unterbrochen und nicht abgebrochen hat.
Eine Unterbrechung der Berufsausbildung ist für einen Anspruch auf Familienbeihilfe nicht schädlich. Da auch die weitere Voraussetzung der überwiegenden Kostentragung durch den Bw glaubhaft dargestellt wurde, ist der Anspruch auf Familienbeihilfe im gegenständlichen Fall für die Dauer der zweijährigen Karenzzeit jedenfalls zu bejahen. Die Rückforderung der Familienbeihilfe für die Monate Jänner 2008 bis Juni 2008 erfolgte daher zu Unrecht (vgl. auch ).
Gegenwärtig hegt die Tochter des Bw offenbar die Absicht, die Ausbildung fortzusetzen, denn sie hat sich bereits zur Fortsetzung der Ausbildung für den fünften Jahrgang beginnend ab September 2010 angemeldet. Ob die neuerliche Schwangerschaft und Geburt des zweiten Sohnes daher zu einer neuerlichen Unterbrechung oder Beendigung der Berufsausbildung führt, wird danach zu beurteilen sein, ob die Ausbildung nach einer allfälligen weiteren Karenzzeit tatsächlich fortgesetzt wird.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | § 2 Abs. 1 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 3 StudFG, Studienförderungsgesetz 1992, BGBl. Nr. 305/1992 |
Verweise |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at