OGH vom 01.03.1972, 1Ob24/72
Norm
Außerstreitgesetz § 2 Abs 2 Z 5;
Kopf
SZ 45/22
Spruch
Als Beweismittel kommt im Verfahren außer Streitsachen, in dem der Grundsatz der Unbeschränktheit der Beweismittel herrscht, alles in Betracht, was zur Feststellung des Sachverhaltes geeignet und zweckdienlich ist
Dritte Personen, die einem außerstreitigen Verfahren als Beteiligte nicht zugezogen sind, können zur Vorlage von Urkunden an das Gericht nicht verhalten werden
(LGZ Wien 43 R 661/71; BG Bruck an der Leitha P 6/52)
Text
Das Erstgericht bestellte im Zuge eines Verfahrens auf Erhöhung der von Karl N für seinen unehelichen Sohn zu erbringenden monatlichen Unterhaltsleistung, das durch einen Antrag des Amtsvormundes B eingeleitet wurde, den Josef Z zum Sachverständigen und trug diesem auf, Befund und Gutachten darüber zu erstatten, ob das dem Einkommensteuerbescheid 1970 zugrundegelegte Jahreseinkommen des Unterhaltspflichtigen und seiner Ehefrau Anna N dem tatsächlich erzielten Einkommen dieser Personen im Jahre 1970 entspreche (P 1); gleichzeitig trug es dem unehelichen Vater und Anna N unter Androhung von Ordnungsstrafen auf, dem Sachverständigen Zugang zu allen Geschäftsunterlagen zu gewähren (P 2).
Das Gericht zweiter Instanz gab den von Karl N und Anna N erhobenen, (nur) gegen den in P 2 dieses Beschlusses enthaltenen Auftrag gerichteten Rekursen Folge und änderte den erstgerichtlichen Beschluß, der in seinem unangefochten gebliebenen Teil (P 1) unberührt blieb, dahin ab, daß es die in P 2 enthaltene Anordnung ersatzlos behob.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs des Amtsvormunds nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Auszugehen ist davon, daß das Außerstreitverfahren Rechtssachen zum Gegenstand hat, die zwar der Privatrechtsordnung zugehören, aber im besonderen öffentlichen Interesse stehen und eine abweichend gestaltete Verfahrensordnung erfordern. Der verfahrensmäßigen Wahrung dieses Interesses dient das Prinzip, welches als Oberbegriff Untersuchungsgrundsatz - Offizialmaxime umfaßt, die dem Grundsatzpaar Verhandlungsmaxime und Dispositionsprinzip als Ausdruck einer auf den Parteieneinfluß bedachten Prozeßregelung gegenüberstehen. Der Untersuchungsgrundsatz wird durch § 2 Abs. 2 Z 5 AußStrG in unmißverständlicher Weise postuliert (Hagen, Die Rechtsmittel des Verfahrens außer Streitsachen, JBl 1968, 190). Die letztgenannte Vorschrift regelt, ebenso wie beispielsweise § 2 Abs 2 Z 6 und § 8 AußStrG die Stoffsammlung und das Beweisverfahren im Verfahren außer Streitsachen. Die an sich spärlichen Bestimmungen über das Beweisrecht im Außerstreitverfahren bieten den Vorteil einer weitgehenden Lockerung und Vereinfachung sowie elastischeren Gestaltung des außerstreitigen Verfahrens gegenüber der Formenstrenge des Zivilprozesses und verschaffen dem Richter eine freiere Stellung bei der Stoffsammlung (Gögl, Der Beweis im Verfahren außer Streitsachen, ÖJZ 1956, 345). Als Beweismittel kommt im Verfahren außer Streitsachen, in dem der Grundsatz der Unbeschränktheit der Beweismittel herrscht, alles in Betracht, war zur Feststellung des Sachverhaltes geeignet und zweckdienlich ist. Dazu zählen Beteiligte, Zeugen und Sachverständige, Urkunden und Augenschein, ebenso aber auch schriftliche Auskünfte von Behörden, Kammern, Kreditinstituten, die Einholung und Verwertung des Inhaltes von Akten usw, wobei der Umfang der heranzuziehenden Beweismittel vom Ermessen des Gerichtes bestimmt wird (Gögl aaO, 348).
Die für das Verfahren erforderlichen Urkunden können von den Beteiligten freiwillig und ohne Aufforderung des Gerichtes vorgelegt werden. Ist dies nicht der Fall, hat das Gericht von den Parteien oder ihren Vertretern alle zur näheren Aufklärung dienlichen Urkunden abzufordern. Dieser Auftrag zur Vorlage der Urkunden kann gegenüber den Parteien und ihren Vertretern nach den Bestimmungen der §§ 2 Z 9 und 19 AußStrG erzwungen werden (Rintelen, Grundriß des Verfahrens außer Streitsachen, 28).
Dritte Personen, welche dem Verfahren als Beteiligte nicht zugezogen sind, können zur Vorlage von Urkunden an das Gericht nicht verhalten werden (Rintelen aaO, Gögl aaO 353, SZ 26/42, 7 Ob 424/57, a M Ott, Geschichte und Grundlagen des österreichischen Rechtsfürsorgeverfahrens, 195). Die Bestimmungen der ZPO über die Pflicht dritter Personen zur Urkundenvorlage (§ 308 ZPO) stellen eine Sonderregelung des streitigen Verfahrens dar, welche im Außerstreitverfahren deshalb nicht analog angewendet werden kann, weil es sich hierbei nicht um Rechtsgrundsätze handelt, die allen Verfahrensarten gemeinsam sind. Was aber die Bestimmung des § 2 Abs 2 Z 5 AußStrG anlangt, derzufolge das Gericht alle zur näheren Aufklärung dienlichen Urkunden abzufordern hat, so kann diese nicht so weit ausgelegt werden, daß damit auch für dritte Personen eine Herausgabepflicht begrundet werden sollte. § 2 AußStrG regelt das Verfahren nur im Hinblick auf die Parteien. Dritte Parteien können in der Regel (Ausnahme zB § 56 Abs 3 EntmO) zur Herausgabe von Urkunden im Verfahren außer Streitsachen nicht gezwungen werden. Dies ergibt sich, wie das Rekursgericht zutreffend erkannte, aus § 19 AußStrG, aber auch aus § 2 Z 9 AußStrG, wonach die Exekution von Aufträgen auf die Parteien und ihre Vertreter beschränkt bleibt (SZ 8/73).
Anna N ist nun in dem gegen ihren Ehemann eingeleiteten Verfahren nicht Partei, der an sie ergangene Auftrag, dem Sachverständigen Einsicht in die zur Erstellung des Gutachtens erforderlichen Geschäftsunterlagen zu gewähren, findet daher im Gesetz keine Deckung.
Die rechtliche Unmöglichkeit, Anna N zur Urkundenvorlage zu verhalten, im Zusammenhalte mit dem von der Genannten erklärten Widerspruch, einer Einsichtnahme durch dritte Personen zuzustimmen - und der antragstellende Minderjährige in dessen Interesse die Einholung des Sachverständigengutachtens primär gelegen ist, stellt für Anna N eine dritte Person dar - verbietet es aber auch, dem Unterhaltspflichtigen für seine Person allein einen Auftrag auf Urkundenvorlage zu erteilen, weil damit zwangsläufig in die vom Gesetzgeber geschützte Rechtssphäre Anna Ns eingegriffen würde. Zufolge ihrer Weigerung, der Vorlage jener Geschäftsunterlagen zuzustimmen, die sich auf den gemeinsamen Gewerbebetrieb der Ehegatten und die hieraus gezogenen Einkünfte beziehen, ist eine entsprechende Auftragserteilung an den Unterhaltspflichtigen ausgeschlossen.
Daß dies keineswegs zu Rechtsnachteilen für den Unterhaltsberechtigten führen muß, wurde bereits vom Rekursgericht betont.