Unterrichtspraktikum für AHS-Lehrer ist keine Berufsausbildung
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des BW, Adresse, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Salzburg-Stadt, vom betreffend Abweisung eines Antrages auf Gewährung der Familienbeihilfe für den Zeitraum September bis Dezember 2006 entschieden:
Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen. Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.
Entscheidungsgründe
Mit Antrag vom beantragte der BW die Zuerkennung der Familienbeihilfe für seine Tochter für den Zeitraum von September 2006 bis Dezember 2006, dem Monat, in dem die Tochter des BW ihr 26. Lebensjahr vollendete.
Zur Begründung führte der BW aus, dass seine Tochter ab September 2006 nach Beendigung ihres Lehramtsstudiums das Unterrichtspraktikum begonnen habe. Dieses sei eine zwingende Voraussetzung für eine weitere Beschäftigung als AHS oder BHS Lehrerin und ende auch mit einem Zeugnis mit drei möglichen Bewertungen. Seine Tochter übe den Lehrberuf nun auch tatsächlich aus, die Absolvierung des Unterrichtspraktikums sei sohin für die folgende Berufsausübung notwendig gewesen.
Dieser Fall sei vergleichbar mit dem Gerichtspraktikums. Dieses sei als Pflichtpraktikum für die Berufe des Richters, Staatsanwaltes, Rechtsanwaltes und Notars als Berufsausbildung für diese Berufe zu verstehen, weswegen bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen Familienbeihilfe zustünde, sofern der beabsichtigte Ausbildungsweg zweifelsfrei tatsächlich beschritten werde, weswegen die Familienbeihilfe in diesen Fällen rückwirkend zu gewähren sei.
Diese Rechtsansicht unterlegte der BW mit einem Erlass des Bundesministeriums für Soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz vom betreffend die Rechtspraktikanten bei Gerichten. Dieser Fall sei vergleichbar mit dem Unterrichtspraktikum eines angehenden AHS bzw. BHS Lehrers. Eine Versagung der Familienbeihilfe im gegenständlichen Fall wäre somit gleichheitswidrig.
Mit Bescheid vom wies das FA diesen Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe ab und begründete dies damit, dass die primäre Berufsausbildung eines Lehrers mit Absolvierung des Lehramtsstudiums bereits abgeschlossen sei. Das Unterrichtspraktikum sei als Berufseinstieg zu werten, bei dem auch - im Gegensatz zum Gerichtspraktikum - keine Abschlussprüfung vorgesehen sei.
Gegen diesen Bescheid erhob der BW binnen offener Frist Berufung und führte dazu im Wesentlichen aus, dass es zum einen unrichtig sei, dass das Gerichtspraktikum mit einer Abschlussprüfung ende. Lediglich die Absolvierung des Praktikums werde bestätigt.
Zum anderen werde durch das Unterrichtspraktikum ein Ausbildungsverhältnis begründet. Auf die Zulassung zum Unterrichtspraktikum bestehe ein Rechtsanspruch, das absolvierte Unterrichtspraktikum sei ein Anstellungserfordernis. Zudem sei neben beim Unterrichtspraktikum neben dem praktischen Lehramt auch ein Lehrgang am Pädagogischen Institut über ein Jahr erforderlich. Das Praktikum ende mit einem Zeugnis, in dem festgehalten werde, ob der Praktikant den zu erwartenden Arbeitserfolg erheblich überschritten, aufgewiesen oder nicht erbracht habe. Grundlage dieses Zeugnisses seien Berichte der Betreuungslehrer, des PI Abteilungsleiters, Berichte der Schulinspektion bzw. Wahrnehmungen des Dienststellenleiters
Mit Berufungsvorentscheidung vom wies das FA diese Berufung als unbegründet ab und begründete dies damit, dass - neben allgemeinen Ausführungen zur Berufsausbildung (praktischer, fachspezifischer Unterricht, nicht auf Allgemeinbildung ausgerichtetes Wissen, angemessene Unterrichtsdauer und Verpflichtung zur Ablegung einer Abschlussprüfung) nach Ansicht des Bundesministeriums für Gesundheit, Familie und Jugend die primäre Berufsausbildung eines Mittelschullehrers mit der Beendigung des Lehramtsstudiums abgeschlossen sei.
Darauf beantragte der BW fristgerecht die Vorlage der Berufung zur Entscheidung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz und führte ergänzend aus, dass die Absolvierung des Praktikums notwendige Voraussetzung zur Ausübung des Lehrberufes sei.
Der UFS hat dazu erwogen:
Strittig ist beim gegenständlichen, unstrittigen Sachverhalt die Rechtsfrage, ob ein Unterrichtspraktikum steuerlicher Sicht als Berufsausbildungsmaßnahme im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG ist oder dieses Praktikum bereits als Berufsausübung im Sinne des FLAG zu sehen ist.
Gemäß § 2 Abs. 1 lit. b des FLAG 1967 in der für den Streitzeitraum geltenden Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 433/1996 haben Personen Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, wenn diese das 26. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist.
Die Einführung des Unterrichtspraktikums für Absolventen der Lehramtsstudien mit Bundesgesetz vom über das Unterrichtspraktikum (Unterrichtspraktikumsgesetz - UPG) wurde damit begründet, dass die pädagogische Ausbildung in den neuen Lehramtsstudien zwar verbessert worden sei, aber die bisherige Einführung in das praktische Lehramt (in Form eines Probejahres) dadurch nicht ersetzt werden könne, im Regelfall ein Überangebot an Absolventen der Lehramtsstudien bestehe und nicht nur der Studienerfolg als Auswahlkriterium dienen solle sowie, dass aus sozialen Gründen allen Absolventen die Möglichkeit eines bezahlten Einführungsjahres geboten werden solle (461 BlgNR, XVII. GP, 9ff). Es solle daher künftig vor der Anstellung (Ernennung) als Lehrer für allgemeinbildende Unterrichtsgegenstände eine zweigliedrige Ausbildung zurückgelegt werden:
1. Die wissenschaftliche Ausbildung an der Universität (bzw. Kunsthochschule), wobei insbesondere im Schulpraktikum auch praxisbezogene Akzente gesetzt würden; die wissenschaftliche Ausbildung werde durch die Erwerbung des Diplomgrades gemäß § 35 des Allgemeinen Hochschul-Studiengesetzes abgeschlossen.
2. Die Einführung in das praktische Lehramt, welche auf dem Universitätsstudium aufbaue und unmittelbar die praktische Tätigkeit betreffen müsse. Da die wissenschaftliche Ausbildung abgeschlossen sei, die Einführung in das praktische Lehramt im Regelfall bereits in dem auf den Studienabschluss folgenden Schuljahr erfolge und im Hinblick auf die knappe zur Verfügung stehende Zeit sei eine Ergänzung der wissenschaftlichen universitären Ausbildung während des Unterrichtspraktikums nicht vorgesehen. Somit solle die Ausbildung, welche im Rahmen der wissenschaftlichen Ausbildung nur ein geringes Maß an praktischer Ausbildung enthalte, durch die Einführung in das praktische Lehramt hinsichtlich der notwendigen praktischen Kenntnisse und Fertigkeiten vervollständigt werden.
Die vorgesehene Neugestaltung der Einführung in das praktische Lehramt erfordere neben dem UPG noch Maßnahmen im Bereich des Dienstrechtes. Insbesondere würden durch Novellierungen des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979 sowie des Vertragsbediensteten-Gesetzes 1948 Vorkehrung zu treffen sein, dass erst durch den erfolgreichen Abschluss des Unterrichtspraktikums das Ernennungserfordernis für Lehrer für allgemeinbildende Unterrichtsgegenstände an mittleren und höheren Schulen sowie an Akademien in der Verwendungsgruppe L1 erfüllt werde.
In diesem Sinne normieren § 202 Abs. 1 Beamten Dienstrechtsgesetz 1979 iVm Punkt 23.1. Abs. 7 der Anlage 1 zum BDG und die §§ 37a Abs. 1 iVm 40 Abs. 2 Vertragsbedienstetengesetz 1948 (durch Verweise auf die genannten Bestimmungen des BDG) in ihren im Streitzeitraum geltenden Fassungen die Absolvierung des Unterrichtspraktikums als Ernennungs- oder Anstellungsvoraussetzung.
Die wesentliche Änderung des Unterrichtspraktikums gegenüber dem bisherigen Probejahr liegt darin, dass Unterrichtspraktikanten Gelegenheit geboten werden soll, möglichst selbständig eine Klasse während des gesamten Unterrichtsjahres zu führen. Dies sei - so die Erläuterungen (aaO, 17) - auf Grund der verbesserten wissenschaftlichen (einschließlich schulpraktischen) Universitätsausbildung nunmehr möglich.
Nach § 5 Abs. 1 UPG umfasst das Unterrichtspraktikum zum einen die Einführung in das praktische Lehramt an der Schule und zum anderen die Teilnahme an einem Lehrgang des Pädagogischen Institutes.
Das Unterrichtspraktikum beginnt gemäß §§ 2 und 11 Abs. 3 UPG mit einem zwei- bis dreitägigen Einführungskurs am Pädagogischen Institut in der dem Beginn des Schuljahres vorangehenden Woche und endet mit dem Ablauf eines Jahres. Der Unterrichtspraktikant hat in jedem Unterrichtsbereich, für den er das Lehramtsstudium abgeschlossen hat, eine Klasse unter besonderer Betreuung eines Betreuungslehrers zu führen.
Die Führung des Unterrichts in einer Klasse umfasst gemäß § 7 Abs. 2 UPG die eigenständige und verantwortliche Unterrichtsarbeit (einschließlich der Leistungsfeststellung und Leistungsbeurteilung) und Erziehungsarbeit unter besonderer Betreuung und Beaufsichtigung durch den Betreuungslehrer.
Der Unterrichtspraktikant hat in diesem Zusammenhang die Rechte und Pflichten eines Lehrers gemäß § 51 Abs. 1 und 3 des Schulunterrichtsgesetzes; ferner hat er an den Lehrerkonferenzen teilzunehmen.
Gemäß § 7 Abs. 3 UPG hat der Unterrichtspraktikant an den vom Betreuungslehrer festgelegten Vor- und Nachbesprechungen des Unterrichts mitzuwirken und schriftliche Unterrichtsvorbereitungen zu führen.
Der Unterrichtspraktikant hat gemäß § 8 UPG den Unterricht des Betreuungslehrers in jedem Unterrichtsbereich in zumindest einer von diesem geführten Klasse zu beobachten und gemäß § 9 UPG auf Anordnung des Schulleiters vorübergehend abwesende Lehrer seiner Unterrichtsbereiche zu vertreten.
Weiters ist er gemäß § 10 Abs. 1 leg.cit. verpflichtet, mit den Unterrichtsgegenständen, die er unterrichtet, im Zusammenhang stehende Lehrausgänge und Exkursionen zu führen oder an ihnen als Begleitperson teilzunehmen.
Gemäß § 24 Abs. 1 UPG haben die Betreuungslehrer am Ende des Unterrichtspraktikums die Leistungen des Unterrichtspraktikanten am Praxisplatz unter Bedachtnahme auf im Einzelnen bestimmte Punkte zu beschreiben.
Nach Abs. 2 leg.cit. hat der zuständige Abteilungsleiter des Pädagogischen Institutes den Erfolg der Beteiligung des Unterrichtspraktikanten am Lehrgang des Pädagogischen Institutes dem Vorgesetzten des Unterrichtspraktikanten mitzuteilen.
Abs. 5 leg.cit. bestimmt, wie vom BW ausgeführt, dass der Vorgesetzte des Unterrichtspraktikanten auf Grund der ihm übermittelten Unterlagen sowie auf Grund eigener Wahrnehmungen festzustellen hat, ob der Unterrichtspraktikant den zu erwartenden Arbeitserfolg durch besondere Leistungen erheblich überschritten, aufgewiesen oder trotz nachweislicher Ermahnung nicht aufgewiesen hat.
Der BW bringt vor, das gegenständliche Unterrichtspraktikum stelle eine Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG dar, was sich schon aus der Bezeichnung des Unterrichtspraktikums als Ausbildungsverhältnis und des Entgelts als Ausbildungsbeitrag ergebe, und auch daraus erschlossen werden könne, dass die Absolvierung des Unterrichtspraktikums Voraussetzung für die Aufnahme in den Schuldienst sei.
Eine nähere Umschreibung des Begriffes "Berufsausbildung" enthält das FLAG nicht. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fallen unter diesen Begriff jedenfalls alle Arten schulischer oder kursmäßiger Ausbildung, in deren Rahmen noch nicht berufstätigen Personen ohne Bezugnahme auf die spezifischen Tätigkeiten an einem konkreten Arbeitsplatz für das künftige Berufsleben erforderliches Wissen vermittelt wird ( Zl 87/13/0135, vom , Zl. 87/14/0031, vom 7. September Zl 1993, 93/14/0100, vom , Zl 2006/15/0178).
Ihren Abschluss findet eine Berufsausbildung mit dem Beginn der Ausübung eines bestimmten Berufes, auch wenn für den konkreten Arbeitsplatz noch eine spezifische Einschulung erforderlich sein mag ( Zl 87/13/0135).
Wie der Verwaltungsgerichtshof in diesem Erkenntnis weiter ausgeführt hat, kommt im Falle so genannter Praktika weder dem Umstand des Vorliegens eines arbeitsrechtlichen Dienstverhältnisses noch der Art und Höhe der dem Praktikanten gewährten Entschädigung Bedeutung für die Frage des Vorliegens einer Berufsausbildung zu. Vielmehr ist entscheidend auf den Inhalt der Tätigkeit abzustellen.
Das Unterrichtspraktikum stellt sich seinem Inhalt nach als typischer Fall einer Einschulung am Arbeitsplatz dar. Eine Einführung in die Aufgaben des Arbeitsplatzes, wie sie gegenständlich am Pädagogischen Institut erfolgt und das anfängliche Arbeiten unter Anleitung (gegenständlich in der Gestalt eines Betreuungslehrers) stehen im Allgemeinen am Beginn jeder Berufstätigkeit von Schulabgängern oder Universitätsabsolventen. Dies erweist sich schon deshalb als notwendig, weil Universitätsstudien zumeist - anders als die auf den Arbeitsplatz Schule ausgerichteten Lehramtsstudien - nicht auf einen speziellen Beruf vorbereiten. Auch ist die am Ende des Unterrichtspraktikums gemäß § 24 UPG vom "Vorgesetzten" des Unterrichtspraktikanten zu treffende Beurteilung des "Arbeitserfolges" - dem Charakter des Unterrichtspraktikums als Einstieg in den Beruf des Lehrers entsprechend - der im öffentlichen Dienst anzufindenden Leistungsbeurteilung (vgl. § 81 Abs. 1 Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979) vergleichbar.
Dass der Gesetzgeber im Falle der Absolvierung eines Lehramtsstudiums aus sozialen Erwägungen und, um besser aus mehreren Bewerbern auswählen zu können, die typischerweise anzutreffende Einstiegsphase in den Beruf vor der eigentlichen Anstellung angesiedelt und wohl auch aus Gründen der Planstellenbewirtschaftung) als Ausbildungsverhältnis deklariert hat, rechtfertigt eine unterschiedliche Behandlung der Unterrichtspraktikanten gegenüber anderen Berufsanfängern in Bezug auf den Anspruch auf Familienbeihilfe nicht. Die belangte Behörde hat daher das von der Tochter des Beschwerdeführers absolvierte Unterrichtspraktikum zu Recht nicht als Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG beurteilt. (Vgl. auch Zl 2006/15/0080)
Ob die vom Beschwerdeführer behauptete Verwaltungspraxis in Bezug auf Rechtspraktikanten mit der Gesetzeslage im Einklang steht, kann daher im gegebenen Zusammenhang dahingestellt bleiben. Dies auch deswegen, da die Mitglieder des UFS aufgrund der Bestimmungen des § 6 Abs. 1 UFSG bei der Besorgung ihrer Aufgaben an keine Weisungen gebunden sind.
Salzburg, am
Zusatzinformationen
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Materie | |
betroffene Normen | § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at