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OGH vom 11.12.1985, 1Ob23/85

OGH vom 11.12.1985, 1Ob23/85

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Gamerith, Dr. Hofmann und Dr. Schlosser als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) Franz A, Landwirt, 2.) Franziska B, Landwirtin, beide Bad Leonfelden, Haid 12, vertreten durch Dr. Alfred Haslinger, DDr. Heinz Mück und Dr. Peter Wagner, Rechtsanwälte in Linz, wider die beklagte Partei Alfred C, Angestellter, Linz,

Feldweg 21, vertreten durch Dr. Peter Wiesauer und Dr. Helmuth Hackl, Rechtsanwälte in Linz, wegen Feststellung des Nichtbestandes einer Dienstbarkeit (Streitwert S 30.000,-) infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom , GZ 14 R 116/84-22, womit infolge Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Bezirksgerichtes Bad Leonfelden vom , GZ C 79/83-16, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß die Entscheidung des Erstrichters wiederhergestellt wird. Die klagenden Parteien sind schuldig, dem Beklagten die mit S 8.174,52 bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (hievon S 655,77 Umsatzsteuer und S 960,- Barauslagen) binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Kläger sind Eigentümer der Liegenschaft EZ 48 KG Laimbach, der Beklagte ist Eigentümer der Liegenschaft EZ 181 dieser Katastralgemeinde. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung vom , Wa-203-1973, wurde dem Beklagten die Errichtung und der Betrieb einer Fischteichanlage bewilligt; es wurde ausgesprochen, daß das Maß der Wasserbenutzung sich aus dem vorgesehenen Zuleitungsrohr mit einem Durchmesser von 100 mm bei einem angenommenen Gefälle von 5 % mit 10 l/sec. ergibt. Die Wasserversorgung der Fischteichanlage erfolgte über ein unbenanntes offenes Wassergerinne, das über das Grundstück der Kläger zum Grundstück des Beklagten verlief. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung vom , Wa-203-1973, wurden Abweichungen vom genehmigten Projekt, die das Ausmaß der Fischteichanlage und die Zuleitung des Wassers betrafen, nachträglich bewilligt. Das Maß der Wasserbenutzung wurde entsprechend dem Fassungsvermögen der Zuleitungsvorrichtung mit 5 l/sec. festgesetzt. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung vom , Wa-203-73, wurde dem Beklagten die Errichtung von weiteren zwei Fischteichen (nachträglich) bewilligt. Mit Wasserbuchbescheid vom , Wa 1829/1-1978, wurde die Anlage in das Wasserbuch eingetragen und das Ausmaß der Wassernutzung in Ansehung des Grundwassers und des unbenannten Gerinnes, das als fließendes Privatgewässer bezeichnet wird, festgehalten. In der Folge suchte der Beklagte um wasserrechtliche Erweiterung der Fischteichanlage an, worüber am an Ort und Stelle eine mündliche Verhandlung der Wasserrechtsbehörde stattfand. Der Erstkläger wies dabei darauf hin, daß die Wasserversorgung der Fischteichanlage aus einem unbenannten Wassergerinne über verschiedene Kunststoffleitungen und aus Dränrohren erfolge. Er stellte weiters fest, daß die Art der Wasserversorgung der Anlage des Beklagten in keiner Weise seine Hauswasserversorgung berühre und ihn keine Haftung treffe, wenn wegen vollständigen Ausschöpfens (des vorhandenen Wassers) durch seine Hauswasserversorgung die Zuleitung zu den Fischteichen des Beklagten versiegen sollte. Der Beklagte stellte fest, daß ein "Wasserbezug aus der Hauswasserleitung bzw. Hausversorgung niemals und auch weiterhin nicht beansprucht werde". Die Aufrechterhaltung der bestehenden Dränleitungen sei aber Voraussetzung für seinen Wasserbezug.

Der Beklagte erhob zu C 73/83 des Erstgerichts eine Besitzstörungsklage gegen die Kläger; er führte in der Klage aus, seine Fischteichanlage werde von einem nördlich der Anlage befindlichen offenen Wassergerinne gespeist, er sei demnach im Besitz dieses Wassergerinnes zur Anspeisung seiner Fischteichanlage. Die Beklagten hätten den Lauf dieses Wassergerinnes dergestalt unterbrochen, daß das Gerinne nicht mehr in seine Fischteichanlage fließe. Er sei damit im ruhigen Besitz des Wassergerinnes und am Zufluß der darin befindlichen Wassermenge gestört. Die Kläger seien schuldig, sich jeder weiteren derartigen Störung zu enthalten und die Unterbrechung, Zuschüttung und Umleitung des Wassergerinnes so zu entfernen, daß das offene Gerinne so wie bisher zur Anspeisung der Fischteichanlage diene. In einem an die Kläger gerichteten Schreiben vom führte der Beklagte aus, daß er "Wasserbesitzer dieses Gerinnes" sei. Eine Dienstbarkeit des Wasserbezuges oder der Wasserleitung behauptete der Beklagte nicht ausdrücklich.

Die Kläger begehren das Urteil, eine Dienstbarkeit der Wasserleitung oder des Wasserbezuges zu Gunsten der Liegenschaft EZ 181 KG Laimbach und zu Lasten der Liegenschaft EZ 48 KG Laimbach bestehe nicht. Sie brachten zur Begründung vor, der Beklagte habe im Verfahren C 73/83 des Erstgerichtes Besitz an ihrem Grundstück und im Schreiben vom Rechte an dem über ihr Grundstück fließenden Gerinne behauptet. Sie seien daher berechtigt, der Rechtsanmaßung im Klagswege entgegenzutreten.

Der Beklagte beantragte Abweisung des Klagebegehrens. Die Kläger hätten gegen ihre im Wasserrechtsgesetz normierte Verpflichtung verstoßen, das über ihr Privatgrundstück fließende Privatgewässer wieder in gleicher Menge und Beschaffenheit auf sein Nachbargrundstück abzuleiten. Für eine Ableitung des Wassers hätten sie einer wasserrechtlichen Bewilligung bedurft. Den Klägern stehe nicht das Recht zu, das Wasser des Gerinnes, das zur Speisung seiner Fischteichanlage diene, ohne behördliche Bewilligung abzuleiten. Eine Dienstbarkeit beanspruche er nicht und habe er nie behauptet. Der Erstrichter wies das Klagebegehren ab. Weder aus dem Schreiben des Beklagten vom noch aus dem Verfahren C 73/83 ergebe sich, daß der Beklagte das Recht der Dienstbarkeit des Wasserbezuges behaupte. Er beanspruche lediglich das Recht auf Wasserbezug gemäß den ihm erteilten wasserrechtsbehördlichen Bescheiden.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Kläger Folge und änderte das Urteil des Erstgerichtes dahin ab, daß es dem Klagebegehren stattgab. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 15.000, aber nicht S 300.000 übersteigt. Es erklärte die Revision für nicht zulässig. Der Beklagte habe gegen die Kläger zu C 73/83 des Erstgerichts eine Besitzstörungsklage mit der Behauptung eingebracht, es stünden ihm am unbenannten Gerinne, das der Speisung seiner Fischteichanlage diene, nicht näher bezeichnete private Rechte zu. Dieses Verhalten sei als Anmaßung eines die Freiheit des Eigentums beschränkenden Rechts zu werten. Wenn auch eine ausdrückliche Behauptung des Beklagten, daß ihm eine Dienstbarkeit zustehe, nicht erweislich sei, so komme doch nach Lage der Sache nur eine auf öffentlichrechtlicher oder privatrechtlicher Grundlage beruhende Dienstbarkeit in Betracht. Das Recht des Beklagten beziehe sich aber nur auf das auf sein Grundstück ankommende, nicht aber auf das über den Grund der Kläger fließende Wasser.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen das Urteil des Berufungsgerichtes erhobenen außerordentlichen Revision des Beklagten kommt Berechtigung zu. Es ist nicht strittig, daß es sich bei dem unbenannten Gerinne, das der Wasserversorgung der Fischteichanlage des Beklagten dient, um ein privates Gewässer handelt. Privatgewässer gehören gemäß § 3 Abs. 1 WRG, wenn nicht von anderen erworbene Recht vorliegen, dem Grundeigentümer. Daraus wird abgeleitet, daß Privatgewässer Sachen im Sinne des § 285 ABGB sind, die Gegenstand des Eigentums und des Besitzes sind. Die Zuordnung der Privatgewässer zu den Sachen bereitet keine Schwierigkeiten, soweit es sich um das Wasserbett oder die Wasserwelle stehender Gewässer handelt. Anders ist es hingegen bei der Wasserwelle fließender Gewässer. Hier kann die Berechtigung dessen, dem das Privatgewässer gehört, nur darin bestehen, über das Gewässer zu verfügen, soweit nicht Rechte Dritter oder gesetzliche Schranken entgegenstehen (Krzizek, Komm. z. WRG 23; Grabmayr-Rossmann, Das Österreichische Wasserrecht 2 30 Anm.2 zu § 3 WRG). Die Benützung der Privatgewässer steht gemäß § 5 Abs. 2 WRG mit den durch Gesetz oder durch besondere Rechtstitel begründeten Beschränkungen denjenigen zu, denen sie gehören. Zu den Rechten Dritter gehören alle Privatrechte, welche die Ausübung des Eigentums an einem Gewässer beschränken, vor allem Dienstbarkeiten. Gesetzliche Schranken, die die Befugnis des Eigentümers zur Verfügung über das Privatgewässer einschränken, sind vor allem im Wasserrechtsgesetz normiert (Krzizek a.a.O. 24). Das Wasserrechtsgesetz enthält in Ansehung der Nutzung der Privatgewässer drei wesentliche Einschränkungen: Der Eigentümer muß den sogenannten kleinen Gemeingebrauch dulden (§ 8 Abs. 2 und 3 und § 10 WRG), er bedarf für gewisse Nutzungen seines Gewässers einer wasserrechtlichen Bewilligung (§ 9 Abs. 2 und § 10 Abs. 2 und 3 WRG), schließlich ergeben sich Beschränkungen aus der Einräumung von Zwangsrechten (Krzizek a.a.O. 44). Gemäß § 9 Abs. 2 WRG bedarf die Benutzung der privaten Tagwässer dann einer wasserrechtlichen Bewilligung, wenn hiedurch auf fremde Rechte oder infolge des Zusammenhanges mit fremden Privatgewässern auf das Gefälle, auf den Lauf oder die Beschaffenheit des Wassers Einfluß geübt wird. Soweit die Benützung der Privatgewässer im Interesse der Nachbarschaft eingeschränkt wird, handelt es sich bei § 9 Abs. 2 WRG um eine nachbarrechtliche Vorschrift (Krzizek a.a.O. 60). Eine weitere Beschränkung der Rechte des Eigentümers enthalten § 39 Abs. 1 WRG, wonach der Eigentümer eines Grundstückes den natürlichen Abfluß der darüber fließenden Gewässer zum Nachteil des unteren Grundstückes nicht willkürlich ändern darf, und § 413 ABGB, welche Bestimmung die eigenmächtige Veränderung des ordentlichen Laufes eines Flusses untersagt (SZ 53/11). Eine willkürliche Änderung ist insbesondere das eigenmächtige Wegleiten eines Baches vom Grundstück des Unterliegers; es berechtigt diesen zu einem Antrag auf Beseitigung der Änderung nach § 138 WRG ( Zl.905/55, zitiert bei Grabmayr-Rossmann a.a.O. 258 E.Nr.16). Eigenmächtigen Änderungen, die zu einem Eingriff in das Eigentum des Nachbarn führen, kann auch im Zivilrechtsweg entgegengetreten werden (SZ 36/164). Die Kläger gründen das Klagebegehren darauf, daß der Beklagte gegen sie zu C 73/83 des Erstgerichtes eine Besitzstörungsklage erhoben habe. Im vorgenannten Verfahren führte der Beklagte zur Begründung des Klagebegehrens aus, daß seine Fischteichanlage von einem offenen Wassergerinne gespeist werde und er "demnach im Besitz dieses Wassergerinnes zur Anspeisung seiner Fischteichanlage" sei. Die Beklagten hätten den Lauf dieses Wassergerinnes dergestalt unterbrochen, daß das Gerinne nicht mehr in seine Fischteichanlage fließt. Er sei damit im ruhigen Besitz dieses Wassergerinnes und am Zufluß der darin befindlichen Wassermenge gestört. Dieses Klagsvorbringen ist nicht vollkommen eindeutig und könnte auch dahin verstanden werden, daß der Beklagte Besitz am Grundstück der Kläger und dem über ihr Grundstück fließenden Wasser behauptet, in den die Kläger durch Veränderung der natürlichen Abflußverhältnisse eingegriffen haben. In der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom stellte der Beklagte aber klar, daß er die Besitzstörungshandlung der Kläger darin erblicke, daß sie entgegen der ihnen gemäß § 9 Abs. 2 WRG obliegenden Verpflichtung, das über ihren Grund fließende Privatgewässer wieder in der gleichen Menge und Beschaffenheit auf das Nachbargrundstück abzuleiten, eingegriffen hätten. Für eine Ableitung des Privatgewässers hätte es einer wasserrechtlichen Bewilligung bedurft. Darüber hinaus stehe ihm auf Grund des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung vom ein Wasserrecht am Gerinne zu. Der Beklagte vertrat im Besitzstörungsverfahren daher die Rechtsansicht, daß die Kläger die Eigentumsbeschränkungen, die ihnen durch § 9 Abs. 2 WRG in Ansehung ihres Privatgewässers auferlegt werden, mißachtet hätten und ihm dadurch der Besitz am Privatgewässer auf seinem Grund entzogen worden sei. Das Klagebegehren kann jedenfalls auf Grund dieser Klarstellung nicht dahin verstanden werden, daß der Beklagte Rechtsbesitz am Nachbargrundstück oder an dem über den Nachbargrund fließenden Privatgewässer behauptet habe. Wenn der Beklagte im Schreiben vom ausführte, daß er als "Wasserbesitzer" Rechte habe, so berief er sich damit unverkennbar nur auf die ihm erteilte wasserrechtliche Bewilligung. Auch dieses Schreiben beinhaltet keine Anmaßung von Rechten in Ansehung der Liegenschaft der Kläger. Liegt aber insgesamt eine Rechtsanmaßung durch den Beklagten nicht vor, erweist sich das Klagebegehren, wie der Erstrichter zutreffend erkannte, als nicht gerechtfertigt. Demzufolge ist spruchgemäß zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.