Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSW vom 07.05.2009, RV/0771-W/09

Gutschriftszinsen des Gruppenmitgliedes bei rückwirkender Gruppenbesteuerung

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der EA, vertreten durch K-GmbH, gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 1/23 vom betreffend Anspruchszinsen (§ 205 BAO) entschieden:

Der Berufung wird insoweit Folge gegeben, als die Berechnung der Gutschriftszinsen für das Jahr 2005 den Betrag von € 32.978,40 und für das Jahr 2006 den Betrag von € 1.685,38 ergibt.

Im Übrigen wird die Berufung als unbegründet abgewiesen.

Entscheidungsgründe

Mit Eingabe vom beantragte bzw ersuchte die Berufungswerberin (Bw.), die Anspruchszinsen zu errechnen und ihr auf dem Abgabenkonto gutzuschreiben.

Ende 2005 sei seitens der Ö-AG (V) und der E-AG ein Gruppenantrag unter Einbeziehung der Bw. (Tochtergesellschaft zu jeweils 50% im Eigentum der beiden vorgenannten Gesellschaften) als Gruppenmitglied gestellt worden. Bis zum Ergehen des Gruppenfeststellungsbescheides vom habe die Bw. weiterhin Körperschaftsteuervorauszahlungen zu leisten gehabt, und zwar € 350.000,000 für 2005, € 3.500,00 für 2006, € 350.000,00 für 2007 und € 1.750,00 für 2008. Die nunmehr aufgrund der Gruppenmitgliedschaft amtswegige Rückerstattung des vorausgezahlten Betrages von insgesamt € 705.250,00 sei am auf das Abgabenkonto der Bw. erfolgt.

Da die verzögerte Bescheiderteilung nicht im Einflussbereich der Bw. gelegen sei, sei auch die Rückerstattung der zu Unrecht geleisteten Vorauszahlungen erst im August 2008 erfolgt, wodurch der Bw. ein beträchtlicher Zinsverlust (von rd. € 70.000,00 nach eigener Berechnung) entstanden sei.

Das Finanzamt wies den Antrag mit Bescheid vom ab.

In der dagegen rechtzeitig eingebrachten Berufung beantragte die Bw., den angefochtenen Bescheid ersatzlos aufzuheben und der Bw. den Betrag der Anspruchszinsen auf die Differenzbeträge zwischen der für die auf Ebene der Bw. als Gruppenmitglied iSd § 9 Abs. 2 KStG festzusetzende Körperschaftsteuer für die Jahre 2005 - 2008 in Höhe von € 0,00 und den zunächst bescheidmäßig festgesetzten sowie entrichteten Körperschaftsteuervorauszahlungen für diese Jahre gutzuschreiben.

Zinsrelevante Differenzbeträge ergäben sich bei der veranlagten Körperschaftsteuer gemäß § 205 Abs. 1 BAO u.a. aus der Erlassung von Nichtveranlagungsbescheiden. Nichtveranlagungsbescheide seien Bescheide, die feststellten, dass eine Veranlagung zu unterbleiben habe. Derartige Bescheide seien entsprechend der Judikatur und der herrschenden Lehre Feststellungsbescheide im Sinne des § 92 BAO. Das Bestehen einer steuerlichen Unternehmensgruppe sei durch das Finanzamt mittels Feststellungsbescheides im Sinne des § 92 BAO bescheidmäßig festzustellen. Lägen die Voraussetzungen für das Bestehen der Unternehmensgruppe nicht vor, habe das Finanzamt einen Abweisungsbescheid zu erlassen. Die bescheidmäßige Feststellung der Gruppe diene der Rechtssicherheit. Daher komme diesem Gruppenfeststellungsbescheid auch Bindungswirkung in Bezug auf die laufende Körperschaftbesteuerung der involvierten Gruppen zu.

Die einzelnen Gruppenmitglieder blieben nach Feststellung der Unternehmensgruppe zwar subjektiv steuerpflichtig, seien aber (abgesehen von der Mindeststeuer) objektiv nicht steuerpflichtig. Das bedeute, dass das Jahreseinkommen des Gruppenmitgliedes in einem eigenen Feststellungsbescheid festgesetzt werde, jedoch finde eine Veranlagung nur beim Gruppenträger statt. Somit ergehe der Körperschaftsteuerbescheid nur mehr an den Gruppenträger. Damit stelle der Gruppenfeststellungsbescheid einen Nichtveranlagungsbescheid hinsichtlich der einzelnen Gruppenmitglieder dar. Weiters führe der Gruppenfeststellungsbescheid zur Aufhebung der objektiven Steuerpflicht des einzelnen Gruppenmitgliedes. Jedoch seien bis zum Ergehen des Gruppenfeststellungsbescheides von den Gruppenmitgliedern Körperschaftsteuervorauszahlungen zu leisten. Diese Pflicht bestehe selbst dann, wenn der Gruppenfeststellungsbescheid von der Behörde mit Rückwirkung ausgestattet werde und daher auch die objektive Steuerpflicht des Gruppenmitgliedes rückwirkend wegfalle.

Die Verpflichtung zur Entrichtung einer Körperschaftsteuervorauszahlung entfalle für das jeweilige Gruppenmitglied erst dann, wenn der Feststellungsbescheid über die Anerkennung der Gruppe und der Mitgliedschaft des jeweiligen Gruppenmitgliedes erlassen worden sei. Vor dem Ergehen des Gruppenfeststellungsbescheides seien damit vom zukünftigen Gruppenmitglied weiterhin selbstständig Körperschaftsteuervorauszahlungen zu entrichten. Ab dem ersten Jahr, für das die Gruppe festgestellt werde, habe nur mehr der Gruppenträger die Vorauszahlungen zu leisten. Das Gruppeneinkommen sei ab diesem Zeitpunkt beim Gruppenträger zu schätzen und danach die Körperschaftsteuervorauszahlung für die gesamte Gruppe nur dem Gruppenträger vorzuschreiben.

Da die Bw. zur Entrichtung von Körperschaftsteuervorauszahlungen bescheidmäßig verpflichtet gewesen sei und die Vorauszahlungen auch ordnungsgemäß geleistet habe, obwohl in einem späteren Abgabenbescheid die Nichtveranlagung der Bw. von der Behörde festgestellt worden sei, stünden der Bw. aus dem Differenzbetrag zwischen den geleisteten Körperschaftsteuervorauszahlungen und der Körperschaftsteuer in Höhe von Null Gutschriftszinsen zu.

Über die Berufung wurde erwogen:

Gemäß § 205 Abs. 1 BAO sind Differenzbeträge an Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, die sich aus Abgabenbescheiden unter Außerachtlassung von Anzahlungen (Abs. 3), nach Gegenüberstellung mit Vorauszahlungen oder mit der bisher festgesetzt gewesenen Abgabe ergeben, für den Zeitraum ab 1. Oktober des dem Jahr des Entstehens des Abgabenanspruchs folgenden Jahres bis zum Zeitpunkt der Bekanntgabe dieses Bescheides zu verzinsen (Anspruchszinsen). Dies gilt sinngemäß für Differenzbeträge aus

a) Aufhebungen von Abgabenbescheiden,

b) Bescheiden, die aussprechen, dass eine Veranlagung unterbleibt,

c) auf Grund völkerrechtlicher Verträge oder gemäß § 240 Abs. 3 erlassenen Rückzahlungsbescheiden.

Gemäß § 205 Abs. 2 BAO betragen die Anspruchszinsen pro Jahr 2 % über dem Basiszinssatz. Anspruchszinsen, die den Betrag von 50 Euro nicht erreichen, sind nicht festzusetzen. Anspruchszinsen sind für einen Zeitraum von höchstens 48 Monaten festzusetzen.

Gemäß § 205 Abs. 3 BAO kann der Abgabepflichtige, auch wiederholt, auf Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer Anzahlungen dem Finanzamt bekannt geben. Anzahlungen sowie Mehrbeträge zu bisher bekannt gegebenen Anzahlungen gelten für die Verrechnung nach § 214 am Tag der jeweiligen Bekanntgabe als fällig. Wird eine Anzahlung in gegenüber der bisher bekannt gegebenen Anzahlung verminderter Höhe bekannt gegeben, so wirkt die hieraus entstehende, auf die bisherige Anzahlung zu verrechnende Gutschrift auf den Tag der Bekanntgabe der verminderten Anzahlung zurück. Entrichtete Anzahlungen sind auf die Einkommensteuer- bzw. Körperschaftsteuerschuld höchstens im Ausmaß der Nachforderung zu verrechnen. Soweit keine solche Verrechnung zu erfolgen hat, sind die Anzahlungen gutzuschreiben; die Gutschrift wird mit Bekanntgabe des im Abs. 1 genannten Bescheides wirksam. Mit Ablauf des Zeitraumes des Abs. 2 dritter Satz sind noch nicht verrechnete und nicht bereits gutgeschriebene Anzahlungen gutzuschreiben.

Gemäß § 205 Abs. 4 BAO wird die Bemessungsgrundlage für Anspruchszinsen zu Lasten des Abgabepflichtigen (Nachforderungszinsen) durch Anzahlungen in ihrer jeweils maßgeblichen Höhe vermindert. Anzahlungen (Abs. 3) mindern die Bemessungsgrundlage für die Anspruchszinsen nur insoweit, als sie entrichtet sind.

Gemäß § 205 Abs. 5 BAO sind Differenzbeträge zu Gunsten des Abgabepflichtigen nur insoweit zu verzinsen (Gutschriftszinsen), als die nach Abs. 1 gegenüberzustellenden Beträge entrichtet sind.

Aus der Bestimmung des § 205 BAO ergibt sich vorerst, dass ein Antrag auf Festsetzung von Gutschriftszinsen gesetzlich nicht vorgesehen ist, zumal der Zinsenbescheid an die im Spruch des zur Nachforderung oder Gutschrift führenden Bescheides ausgewiesene Nachforderung bzw. Gutschrift gebunden ist. (vgl. Ritz, BAO-Kommentar³, § 205 Tz 33). Wird von der Partei ein Anspruch auf Erlassung eines Bescheides behauptet, obwohl ein solcher Anspruch nicht besteht, so besteht ein Anspruch auf (zurückweisende) Erledigung (vgl. Stoll, BAO-Kommentar, 2999). Obwohl das Anbringen vom somit als unzulässig zurückzuweisen gewesen wäre, erfolgte seitens des Finanzamtes eine meritorische Entscheidung.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (, 2003/15/0081) ist im Falle von Zweifeln über den Inhalt des Spruches eines Bescheides zu dessen Deutung auch die Begründung heranzuziehen. Hiebei ist der Spruch im Zweifel im Sinne des angewendeten Gesetzes auszulegen ("gesetzeskonforme" Bescheidauslegung).

Im Spruch des angefochtenen Bescheides kommt zum Ausdruck, dass der Bescheid Anspruchszinsen betrifft. Aus der Begründung des angefochtenen Bescheides ergibt sich, dass es sich um Anspruchszinsen für die Jahre 2005, 2006, 2007 und 2008 handelt. Weiters führt die Begründung nach Wiedergabe der Bestimmung des § 205 Abs. 1 BAO aus, dass lediglich Differenzbeträge an Körperschaftsteuer Gegenstand der Anspruchszinsen seien, die Vorauszahlungen an sich seien nicht zu verzinsen. Im Übrigen beliefen sich sämtliche in Frage kommenden Differenzbeträge auf Null, womit sich auch die Höhe der Anspruchszinsen mit Null errechnen würde.

Der angefochtene Bescheid ist daher nach Ansicht des Unabhängigen Finanzsenates dahingehend auszulegen, als damit auf Anregung der Bw. die Anspruchszinsen der Bw. für die Jahre 2005 bis 2008 mit Null festgesetzt wurden.

Laut Aktenlage wurden entsprechend dem Vorbringen der Bw. mit Bescheid vom die Vorauszahlungen an Körperschaftsteuer 2005 mit € 350.000,00 festgesetzt. Diese Vorauszahlungen wurden mit den Beträgen von € 282.058, € 87.500,00 und € 87.500,00 am , und geleistet. Für das zweite Kalendervierteljahr 2005 erfolgte eine Gutschrift in Höhe von € 107.058,00.

Die Vorauszahlungen an Körperschaftsteuer 2006 wurden mit Bescheid vom mit € 350.000,00 festgesetzt und zu je einem Viertel (€ 87.500,00) am , , und entrichtet. Allerdings wurden die Vorauszahlungen an Körperschaftsteuer 2006 mit Bescheid vom mit € 3.500,00 neu festgesetzt und der Betrag von € 346.500,00 dem Abgabenkonto gutgeschrieben.

Die Vorauszahlungen an Körperschaftsteuer 2007 wurden mit Bescheid vom mit € 350.000,00 festgesetzt und zu je einem Viertel (€ 87.500,00) am , , und entrichtet.

Die Vorauszahlungen an Körperschaftsteuer 2008 wurden am und zu jeweils einem Betrag von € 875,00 geleistet.

Mit Gruppenfeststellungsbescheid vom wurde bezüglich der Bw. ausgesprochen, dass für sie als Gruppenmitglied die Zugehörigkeit zur Gruppe ab der Veranlagung 2005 gilt.

Mit Bescheiden vom wurden die Vorauszahlungen an Körperschaftsteuer für die Jahre 2005 bis 2008 mit € 0,00 festgesetzt und die entrichteten Beträge von € 350.000,00, € 3.500,00, € 350.000,00 und € 1.750,00 dem Abgabenkonto gutgeschrieben.

Mit Feststellung der Zugehörigkeit der Bw. als Gruppenmitglied zur Unternehmensgruppe ab der Veranlagung 2005 mit Bescheid vom blieb die Bw. zwar subjektiv aber nicht objektiv steuerpflichtig (vgl Wiesner/Kirchmayr/Mayr, Gruppenbesteuerung, E 3). Die Bildung einer Unternehmensgruppe bewirkt eine rein steuerliche Ergebniszurechnung und Besteuerung der vereinigten (saldierten) Ergebnisse beim Gruppenträger. Eine Veranlagung findet nur beim Gruppenträger statt. Der Körperschaftsteuerbescheid ergeht sodann an den Gruppenträger (vgl Wiesner/Kirchmayr/Mayr, Gruppenbesteuerung, K 51).

Die Anspruchszinsen sollen (mögliche) Zinsvorteile bzw. Zinsnachteile ausgleichen, die sich aus unterschiedlichen Zeitpunkten der Abgabenfestsetzung ergeben. Entscheidend ist die objektive Möglichkeit der Erzielung von Zinsvorteilen bzw Zinsnachteilen. Für die Anwendung des § 205 BAO ist daher bedeutungslos, aus welchen Gründen die Abgabenfestsetzung früher oder später erfolgte (vgl Ritz, BAO-Kommentar³ § 205 Tz 2). Zinsrelevante Differenzbeträge ergeben sich idR durch Gegenüberstellung der Abgabenschuld mit dem "Vorsoll" (somit mit Vorauszahlungen iSd § 45 EStG oder mit der bisher festgesetzten Abgabe) (vgl Ritz, BAO-Kommentar³ § 205 Tz 10).

Abgabenbescheide sind alle Bescheide, die ein Leistungsgebot in Bezug auf die Erbringung einer abgabenrechtlichen Geldleistung enthalten. Darunter fallen beispielsweise Einkommensteuervorauszahlungsbescheide - und damit zufolge der Bestimmung des § 24 Abs. 3 KStG wohl auch Körperschaftsteuervorauszahlungsbescheide - (vgl Ritz, BAO-Kommentar³ 198 Tz 6). Die in Verbindung mit dem Gruppenfeststellungsbescheid vom auf Grund der Gruppenbesteuerung ab 2005 erfolgte Herabsetzung jener Körperschaftsteuer der Jahre 2005 bis 2008, auf die in Rede stehenden Körperschaftsteuervorauszahlungen in Höhe von € 350.000,00, € 3.500,00, € 350.000,00 und € 1.750,00 geleistet wurden, mit Vorauszahlungsbescheiden vom ergibt somit ebenso wie die Herabsetzung der Körperschaftsteuervorauszahlungen 2006 mit Vorauszahlungsbescheid vom von € 350.000,00 auf € 3.500,00 zweifelsohne zinsenrelevante Differenzbeträge im Sinne des § 205 BAO, zumal auch die den gegenständlichen Gutschriftszinsen entsprechenden - das steuerliche Ergebnis der Bw. betreffenden - Anspruchszinsen ohnehin im Rahmen der Veranlagung der Körperschaftsteuer beim Gruppenträger noch anfallen werden.

Berechnung der Gutschriftszinsen 2005 in Euro:


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Zeitraum
Differenzbetrag
Anzahl Tage
Tageszinssatz
Zinsen
-
350.000,00
10
0,0109
381,50
-
350.000,00
154
0,0128
6.899,20
-
350.000,00
483
0,0142
24.005,10
-
350.000,00
31
0,0156
1.692,60


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Berechnung der Gutschriftszinsen 2006 in Euro:

Zeitraum
Differenzbetrag
Anzahl Tage
Tageszinssatz
Zinsen
-
350.000,00
31
0,0142
1.540,70
-
3.500,00
251
0,0142
124,75
-
3.500,00
31
0,0156
19,93

Die Berechnung der Gutschriftszinsen ergibt somit für das Jahr 2005 den Betrag von € 32.978,40 und für das Jahr 2006 den Betrag von € 1.685,38. Für die Jahre 2007 und 2008 waren jedoch keine Anspruchszinsen festzusetzen, da der maßgebliche Zeitraum (ab 1. Oktober des dem Jahr des Entstehens des Abgabenanspruchs folgenden Jahres)des § 205 Abs. 1 BAO erst nach Gutschrift der geleisteten Vorauszahlungen mit Bescheiden vom begann.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
§ 205 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Schlagworte
Gruppenbesteuerung
Gruppenmitglied
Gruppenträger
Vorauszahlungsbescheid
Abgabenbescheide
meritorische Entscheidung

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at