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Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSS vom 28.02.2011, RV/0050-S/11

1. Kein Verlustabzug bei Einkünften aus Vermietung und Verpachtung 2. Anlassfallwirkung


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Miterledigte GZ:
RV/0051-S/11

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufungen der Bw, vom und gegen die Bescheide des Finanzamtes Salzburg-Stadt vom und betreffend Einkommensteuer 2008 und 2009 entschieden:

Die Berufungen werden als unbegründet abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide bleiben unverändert.

Entscheidungsgründe

In den Einkommensteuererklärungen für die Jahre 2008 und 2009 beantragte die Berufungswerberin (Bw) die Berücksichtigung eines Verlustabzuges in Höhe von 90.504,03 € bzw. 130.235,37 € als Sonderausgabe. Dabei handelt es sich um im Rahmen einer Miteigentümergemeinschaft erzielte, nach vertikalem Verlustausgleich verbliebene, negative Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung des Jahres 2006.

In den Einkommensteuerbescheiden 2008 und 2009 berücksichtigte das Finanzamt den Verlustabzug nicht.

Dagegen wurde jeweils Berufung erhoben. Begründend verwies die Bw im Wesentlichen auf die gegen den Einkommensteuerbescheid 2007 eingebrachte Berufung, in welcher sie ihre verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die in § 18 Abs. 6 EStG 1988 vorgesehene Beschränkung des Verlustabzuges auf die betrieblichen Einkunftsarten vorbrachte. Gegen die abweisende Berufungsentscheidung des Unabhängigen Finanzsenats vom (RV/0622-S/08) hatte die Bw am Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof erhoben. Die Bw ersuchte, die Erledigung der Berufung bis zum Ergehen des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofs auszusetzen.

Das Finanzamt erließ die entsprechenden Aussetzungsbescheide, die in Rechtskraft erwuchsen. Der Verfassungsgerichtshof hob die Berufungsentscheidung mit Erkenntnis vom , B 192/09 auf, weil die Bw wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung in ihren Rechten verletzt worden war. Der Bw war Anlassfallwirkung im Verfahren G 35/10 zugekommen, in welchem der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom die Wortfolgen "- wenn die Verluste durch ordnungsmäßige Buchführung ermittelt worden sind und" in § 18 Abs. 6 EStG 1988 sowie den letzten Satz dieser Bestimmung, jeweils in der Fassung BGBl. Nr. 201/1996, als verfassungswidrig aufgehoben und ausgesprochen, dass die Aufhebung mit Ablauf des in Kraft tritt.

Das Finanzamt legte in der Folge die Berufungen dem Unabhängigen Finanzsenat zur Entscheidung vor.

In der Berufungsergänzung vom brachte die Bw Folgendes vor: Die Entscheidungen über die oben genannten Berufungen gegen die Steuerbescheide 2008 und 2009 wurden im Sinne des mit dem Finanzamt telefonisch getroffenem Einvernehmens gemäß den Bescheiden des bzw. unter Hinweis auf die gegen den Steuerbescheid 2007 beim VfGH am eingebrachte und somit anhängige Beschwerde aus verfahrensökonomischen Gründen bis zum Ergehen des VfGH-Erkenntnisses ausgesetzt.Gegenstand der VfGH-Beschwerde war die Bekämpfung der Bestimmungen im § 18/6 EStG, derzufolge dem aus dem Jahre 2006 stammenden Verlust in der Höhe vom € 130.235,37, resultierend aus negativen Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, die Vortragsfähigkeit verwehrt wurde.Mit Entscheidung G 35/10 - 9 vom wurde der Beschwerde Rechnung getragen, die bekämpfte Bestimmung als verfassungswidrig erklärt und damit die Abzugsfähigkeit des gesamten Verlustvortrages von € 130.235,37 bestätigt. Da mein Einkommen 2007 für einen Verbrauch des gesamten Verlustvortrages bedeutend zu gering war, wurde natürlich der restliche Verlustvortrag in den Jahren 2008 und 2009 als Sonderausgabe geltend gemacht und wird dieser auch im Jahr 2010 und in den folgenden Jahren bis zum vollständigen Verbrauch geltend gemacht werden.Die Tatsache, dass Steuerpflichtige mit geringerem Einkommen bei fehlender Verlustvortragsmöglichkeit gegenüber jenen mit höherem Einkommen, die bereits im Entstehungsjahr des Verlustes eine Ausgleichsmöglichkeit mit anderen positiven Einkünften oder Einkunftsteilen haben benachteiligt waren, war mit ein Grund für die Beurteilung der aufgehobenen Gesetzesbestimmung als verfassungswidrig. Der Urteilsspruch hat in erster Linie die Diskriminierung der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung, die durch die einschränkenden Bestimmungen, die aus der vorgesehenen Gewinnermittlungsart im Jahre der Verlustentstehung - in concreto somit im Jahre 2006 - resultieren, durch die Aufhebung der Bestimmungen des § 18/6 EStG beseitigt.Da jedoch auch im ersten Jahr nach der Entstehung des Verlustes - also im Jahre 2007 - mein Einkommen für den totalen Verbrauch bzw. die Verrechnung des Verlustvortrages wiederum bei weitem nicht ausreichte, verblieb der überwiegende Teil des Verlustvortrages von € 130.235,37 in der Höhe von € 90.504,03 unberücksichtigt und den Folgejahren der Geltendmachung als Sonderausgabe vorbehalten.Obwohl der VfGH in seinem Urteil der Bundesregierung für die Gesetzessanierung unter Punkt 2. des Urteilspruches eine Frist bis zum durch das erst mit diesem Datum wirksame Inkrafttreten der Aufhebung eingeräumt hat, muss sich die Anlassfallwirkung des Punktes 1. des Urteilspruches auf den gesamten Verlustvortrag, der in der Beschwerde als vortragsfähig moniert wurde, beziehen und somit zu einer positiven Berufungserledigung führen. Eine abweisende Erledigung würde nicht nur dem Grundsatz von Treu und Glauben widersprechen, sondern den Urteilspruch konterkarieren und den verfassungswidrigen Zustand, der durch eine Einkommensteuerbelastung von bis zu 50% des noch nicht ausgeglichenen Verlustes von € 90.504,03 gegeben wäre, prolongieren und somit gerade im Anlassfall bewirken, dass es auf Grund der Eigentümlichkeit des sich über mehrere Jahre erstreckenden Verlustvortragsverbrauches bei einer negativen Berufungserledigung und Verwertungsverweigerung der in Zukunft noch geltend zu machenden Verlustvortragsteile zu einer Besteuerung eines Einkommens käme, das ich, wie der VfGH im letzten Absatz auf Seite 7 seiner Ausführungen erwähnt, - auf mehrere Jahre gesehen - gar nicht erzielt habe.Ich ersuche daher durch eine entsprechende Interpretation und Anwendung des Prinzips der Anlassfallwirkung für den gesamten Verlustvortrag einer verfassungskonformen steuerlichen Behandlung gerade im konkreten Fall durch positive Berufungsentscheidungen Rechnung zu tragen. Es sollte auch im Sinne der VfGH-Entscheidung sein, dass durch das im Punkt 2. formulierte spätere Inkrafttreten der Aufhebung das Erkenntnis nicht zu Lasten des Anlassfalles geht.Ganz sicher war dieser Erkenntnispassus vom VfGH nicht als "Hofknicks" gegenüber eventuellen fiskalistischen Ambitionen des Bundeskanzleramtes, das in seiner Stellungnahme unter anderem das spätere Inkrafttreten im Falle eines für den Beschwerdewerber positiven Urteils beantragte, gedacht.

Über die Berufungen wurde erwogen:

Strittig ist, ob der im Jahr 2006 nach Ausgleich mit anderen Einkünften der Bw verbliebene Verlust aus Vermietung und Verpachtung in den Streitjahren im Rahmen des Verlustabzuges als Sonderausgabe berücksichtigt werden kann.

Gemäß § 18 Abs. 6 EStG 1988 in der in den Streitjahren geltenden Fassung (BGBl. 201/1996) sind als Sonderausgaben auch Verluste abzuziehen, die in einem vorangegangenen Jahr entstanden sind (Verlustabzug). Dies gilt nur, wenn die Verluste durch ordnungsmäßige Buchführung ermittelt worden sind und soweit die Verluste nicht bereits bei der Veranlagung für die vorangegangenen Kalenderjahre berücksichtigt wurden. Die Höhe des Verlustes ist nach den §§ 4 bis 14 zu ermitteln.

Die Anordnungen, dass nur Verluste abgezogen werden können, die durch ordnungsmäßige Buchführung ermittelt worden sind, und dass die Höhe des Verlustes nach den §§ 4 bis 14 EStG 1988 zu ermitteln ist, haben zur Folge, dass der Verlustabzug auf die betrieblichen Einkunftsarten (Land- und Forstwirtschaft, selbständige Arbeit, Gewerbebetrieb) beschränkt und bei diesen grundsätzlich bilanzierenden Steuerpflichtigen vorbehalten ist.

Die Bw war mit ihrer Beschwerde gegen die Berufungsentscheidung betreffend Einkommensteuer 2007 Anlassfall für das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , G 35/10, mit welchem die Beschränkung des Verlustabzuges auf die betrieblichen Einkunftsarten als verfassungswidrig aufgehoben wurde. Nachdem die Einkünfte der Bw im Jahr 2007 für den Verbrauch des gesamten Verlustvortrages zu gering waren, erachtet sie auf Grund dieses Erkenntnisses die Anlassfallwirkung auch hinsichtlich der nachfolgenden Veranlagungsjahre als gegeben.

Die Rechtswirkungen eines Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes sind in Art. 140 B-VG geregelt:

Ist ein Gesetz wegen Verfassungswidrigkeit aufgehoben worden oder hat der Verfassungsgerichtshof gem. Art. 140 Abs. 4 B-VG ausgesprochen, dass ein Gesetz verfassungswidrig war, so sind nach Art. 140 Abs. 7 B-VG alle Gerichte und Verwaltungsbehörden an den Spruch des Verfassungsgerichtshofes gebunden. Auf die vor der Aufhebung verwirklichten Tatbestände mit Ausnahme des Anlassfalles ist jedoch das Gesetz weiterhin anzuwenden, sofern der Verfassungsgerichtshof nicht in seinem aufhebenden Erkenntnis anderes ausspricht. Hat der Verfassungsgerichtshof in seinem aufhebenden Erkenntnis eine Frist gem. Art. 140 Abs. 5 B-VG gesetzt, so ist das Gesetz auf alle bis zum Ablauf dieser Frist verwirklichten Tatbestände mit Ausnahme des Anlassfalles anzuwenden.

Für den Anlassfall nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes ist der unmittelbare Zusammenhang zwischen einer Beschwerde und der Gesetzesaufhebung wegen Verfassungswidrigkeit charakteristisch. Eine Erweiterung des Begriffes des Anlassfalles dahin, dass ein einmal erfolgreich gewesener Beschwerdeführer dem aufgehobenen Gesetz nicht mehr unterliegt, ist mit dem dargelegten konkreten Zusammenhang unvereinbar (vgl. B 4/67, VfSlg. 5466).

Der Spruch des oben erwähnten Erkenntnisses lautet:

Die Wortfolge "- wenn die Verluste durch ordnungsmäßige Buchführung ermittelt worden sind und" in § 18 Abs. 6 des Bundesgesetzes vom über die Besteuerung des Einkommens natürlicher Personen (Einkommensteuergesetz 1988 - EStG 1988), BGBl. 400, sowie der letzte Satz dieser Bestimmung, jeweils in der Fassung BGBl. Nr. 201/1996, werden als verfassungswidrig aufgehoben.

Die Aufhebung tritt mit Ablauf des in Kraft.

Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Kraft.

Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Bundesgesetzblatt I verpflichtet.

Das dem Gesetzesprüfungsverfahren zugrunde liegende Verfahren betraf das Veranlagungsjahr 2007. Im Spruch des Erkenntnisses hat der Verfassungsgerichtshof die Geltung der verfassungswidrigen Gesetzesbestimmungen, die den Verlustabzug auf die betrieblichen Einkunftsarten beschränken, mit dem Ablauf des begrenzt. Alle bis zu diesem Zeitpunkt verwirklichten Sachverhalte mit Ausnahme des Anlassfalles unterliegen demnach dieser Beschränkung. Dies gilt auch für die Bw, da der in den Berufungsjahren verwirklichte Tatbestand nicht auch den Anlass zur amtswegigen Überprüfung der Gesetzesstelle durch den Verfassungsgerichtshof gebildet hat und der Spruch des Erkenntnisses unzweifelhaft keine Ausdehnung der Anlassfallwirkung auch auf die zeitlich nachgelagerten Veranlagungsjahre der Bw enthält. Der Spruch des Erkenntnisses lässt daher die von der Bw. dargestellten Interpretation der Anlassfallwirkung für den gesamten Verlustvortrag nicht zu. Der Umstand, dass die Bw. hinsichtlich Einkommensteuer 2007 Anlassfall war, zeitigt somit keine Auswirkungen hinsichtlich der Verfahren betreffend Einkommensteuer 2008 und 2009 (vgl. sowie Mairinger, Twardosz, Die maßgebliche Rechtslage im Abgabenrecht - Teil II, ÖStZ 2007, S. 49 ff mwV). In diesem Sinn hat auch der Verwaltungsgerichtshof im vorerwähnten, eine aliquote Firmenwertabschreibung betreffenden, Erkenntnis entschieden, in welchem er ausgesprochen hat, dass sich die Anlassfallwirkung nicht auf zeitlich nachgelagerte Sachverhalte desselben Beschwerdeführers erstreckt, sofern der Spruch des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshof keine Fassung enthält, die über den Anlassfall im Sinne eines Sachverhalts, der tatsächlich an den Verfassungsgerichtshof herangetragen worden ist, hinausgeht.

Im Budgetbegleitgesetz 2011 hat der Gesetzgeber bereits auf die Aufhebung der in Prüfung gezogenen Wortfolgen des § 18 Abs. 6 EStG 1988 reagiert. § 28 Abs. 2 EStG 1988 wurde neu geregelt und eine antragsgebundene Zehnjahresverteilung für Absetzungen für außergewöhnliche technische oder wirtschaftliche Abnutzung und damit zusammenhängende Aufwendungen sowie außergewöhnliche Aufwendungen, die keine Instandhaltungs-, Instandsetzungs- oder Herstellungsaufwendungen sind, geschaffen. Diese Regelung ist nach § 124b Z 188 EStG 1988 erstmalig bei der Veranlagung für das Kalenderjahr 2010 anzuwenden. § 18 Abs. 6 EStG 1988 bleibt in der derzeit geltenden Fassung bestehen.

Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich, dass auch für die Bw. die unter Fristsetzung aufgehobenen Bestimmungen des § 18 Abs. 6 EStG 1988 in der Fassung BGBl. 201/1996, die den Verlustabzug auf die betrieblichen Einkunftsarten beschränken, in den Streitjahren weiterhin anzuwenden waren. Die Berücksichtigung des beantragten Verlustabzuges als Sonderausgabe war daher ausgeschlossen.

Inwiefern diese Beurteilung dem Grundsatz von Treu und Glauben widersprechen soll, ist für den Unabhängigen Finanzsenat nicht erkennbar. Zu erwähnen ist noch, dass die Berufungsverfahren vom Finanzamt über Ersuchen der Bw. ausgesetzt wurden, sodass auch die Bw das Risiko des Verlustes der Ergreiferprämie zu tragen hatte. Davon abgesehen, war es für das Veranlagungsjahr 2009 schon deshalb nicht mehr möglich, in den Genuss der Anlassfallwirkung zu gelangen, da die Entscheidung im Gesetzesprüfungsverfahren bereits am , damit noch vor Erlassung des Einkommensteuerbescheides 2009 am , gefällt wurde.

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Salzburg, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
§ 18 Abs. 6 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
Art. 140 Abs. 7 B-VG, Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930
Art. 140 Abs. 5 B-VG, Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930
Art. 140 Abs. 4 B-VG, Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930
Verweise

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at