Einbeziehung einer deutschen staatlichen Rente im Wege des Progressionsvorbehaltes
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw, gegen den Bescheid des Finanzamtes für den 9., 18., und 19. Bezirk und Klosterneuburg vom , betreffend Abweisung des Antrages vom auf Abänderung der Einkommensteuerbescheide 2005 bis 2010 nach § 295a BAO, entschieden:
Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.
Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.
Entscheidungsgründe
Mit Schreiben vom teilte der Berufungswerber dem Finanzamt Folgendes mit:
Er sei seit Jänner 2012 für seine aus Deutschland bezogene staatliche Rente auch in Deutschland, rückwirkend ab 2005, einkommensteuerpflichtig. Der deutsche Einkommensteuerbescheid für 2005 liege dieser Mitteilung in Kopie bei. Kopien der Bescheide für die Folgejahre werde er jeweils nach Erhalt vorlegen.
Im Rahmen der inländischen Arbeitnehmerveranlagungen für die Jahre 2005 bis dato sei seine deutsche Rente schon einmal zur Berechnung von Einkommensteuer herangezogen worden. Eine mehrmalige Berücksichtigung ein und desselben Einkommensteiles für die Berechnung von Einkommensteuern könne weder im Inland rechtens noch unionsrechtskonform sein.
Er stelle daher den Antrag nach § 295a BAO, die Einkommensteuerbescheide 2005 bis 2010 wieder aufzurollen und die zu viel vorgeschriebenen Abgaben zurückzuzahlen.
Aus dem vom Berufungswerber vorgelegten deutschen Einkommensteuerbescheid 2005 ergibt sich, dass der Jahresbetrag der deutschen Rente im Jahr 2005 360,00 € betragen hat. Davon wurden 180,00 € als steuerfreier Teil und 180,00 € als steuerpflichtiger Teil der Rente behandelt. Die festgesetzte deutsche Einkommensteuer beträgt 27,00 €.
Mit Bescheid vom wies das Finanzamt den Antrag vom mit folgender Begründung ab:
Bei der aus Deutschland bezogenen Rente handle es sich um eine öffentliche Pension. Diese werde gemäß dem Doppelbesteuerungsabkommen zwischen Österreich und Deutschland zur Gänze in Deutschland besteuert. Österreich als Ansässigkeitsstaat erfasse diese Rente nur zur Ermittlung des Steuersatzes ( = sogenannter Progressionsvorbehalt). Das ausländische Einkommen werde somit in Österreich nicht besteuert.
Gegen den Abweisungsbescheid vom erhob der Berufungswerber Berufung mit folgender Begründung:
"Ich kann der Argumentation der Behörde nicht folgen. Die aus Deutschland bezogene staatliche Rente wird hierzulande mittels Einkommensteuererklärung/Arbeitnehmerveranlagung erhoben und mündet in einem Einkommensteuerbescheid und abzuführender Einkommensteuer. Die dafür verwendete alternative Bezeichnung für die Vorgangsweise kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass meine aus Deutschland bezogene und dort versteuerte Rente in Österreich ein zweites Mal zur Berechnung von Einkommensteuer herangezogen wird. Und das fechte ich als unrechtmäßig an.
Aber selbst wenn man der Argumentation der Behörde folgen wollte, muss doch nach Vorlage des entsprechenden deutschen Einkommensteuerbescheides unstrittig sein, dass wegen dieses zurückwirkenden Ereignisses sich die Höhe der aus Deutschland bezogenen Rente geändert hat, bzw. sich ändert und meinem Antrag gemäß § 295a BAO schon aus diesem Grund Folge zu leisten gewesen wäre."
Über die Berufung wurde erwogen:
Gemäß § 295a BAO kann ein Bescheid auf Antrag der Partei (§ 78) oder von Amts wegen insoweit abgeändert werden, als ein Ereignis eintritt, das abgabenrechtliche Wirkung für die Vergangenheit auf den Bestand oder Umfang eines Abgabenanspruches hat.
Gemäß § 1 Abs. 2 EStG 1988 sind natürliche Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, unbeschränkt steuerpflichtig. Die unbeschränkte Steuerpflicht erstreckt sich auf alle in- und ausländischen Einkünfte.
Der Einkommensteuer ist nach § 2 Abs. 1 EStG 1988 das Einkommen zugrunde zu legen, das der Steuerpflichtige innerhalb eines Kalenderjahres bezogen hat. Einkommen ist nach § 2 Abs. 2 leg. cit. der Gesamtbetrag der Einkünfte aus den im Abs. 3 aufgezählten Einkunftsarten nach Ausgleich mit Verlusten, die sich aus einzelnen Einkunftsarten ergeben, und nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18) und außergewöhnlichen Belastungen (§§ 34 und 35) sowie der Freibeträge nach den §§ 104 und 105.
Für die berufungsgegenständliche, aus Deutschland bezogene Rente hat unbestrittenermaßen Deutschland das Besteuerungsrecht.
Nach Art. 23 Abs. 2 lit. a iVm d des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen, BGBl. Nr. 2002/182, (DBA-Deutschland), wird bei einer in Österreich ansässigen Person die Steuer wie folgt festgesetzt:
Bezieht eine in Österreich ansässige Person Einkünfte und dürfen diese Einkünfte nach diesem Abkommen in Deutschland besteuert werden, so nimmt Österreich diese Einkünfte von der Besteuerung aus.
Einkünfte einer in Österreich ansässigen Person, die nach dem Abkommen von der Besteuerung in Österreich auszunehmen sind, dürfen gleichwohl in Österreich bei der Festsetzung der Steuer für das übrige Einkommen der Person einbezogen werden.
Art. 23 DBA-Deutschland sieht zur Vermeidung der Doppelbesteuerung somit die sogenannte "Befreiungsmethode" vor. Nach der Befreiungsmethode scheidet der Wohnsitzstaat jene Einkünfte aus der Bemessungsgrundlage aus, die dem anderen Staat auf Grund des Doppelbesteuerungsabkommens zur Besteuerung zugeteilt worden sind. Mit der Befreiungsmethode ist jedoch ein Progressionsvorbehalt für den Wohnsitzstaat verbunden.
Die Wirkung des Progressionsvorbehaltes besteht darin, dass für Zwecke der Ermittlung des Tarifs auch die nach dem Doppelbesteuerungsabkommen befreiten Einkünfte einzubeziehen sind. Dieses Steuersatzeinkommen ist nach den Regeln des österreichischen Steuerrechts zu ermitteln. Der Durchschnittssteuersatz, der sich bei Anwendung des Tarifs auf das gesamte Einkommen ergeben würde, ist zu ermitteln. Dieser Durchschnittssteuersatz ist sodann auf die verbleibende inländische Bemessungsgrundlage anzuwenden. Dadurch wird sichergestellt, dass die Befreiung der Einkünfte nicht noch zu einem zusätzlichen Effekt, nämlich der Verminderung des darauf entfallenden Steuersatzes, führt (Lang, Einführung in das Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 2. Auflage, Rz 457).
Der Sinn und Zweck eines Abkommens zur Vermeidung von Doppelbesteuerungen erschöpft sich darin, dass die Steuer lediglich von gewissen Einkommensteilen, hinsichtlich deren das Besteuerungsrecht wie hier der Bundesrepublik Deutschland zusteht, nicht von Österreich erhoben werden darf. Es soll aber nicht dazu dienen, einen im Inland unbeschränkt Einkommensteuerpflichtigen vor der Anwendung des progressiven Steuersatzes zu schützen. Ein solches Ergebnis würde auch dem Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung widersprechen und gerade das Gegenteil von dem herbeiführen, was mit einem Vertrag zur Vermeidung der Doppelbesteuerung bezweckt ist (vgl. ).
Der Progressionsvorbehalt ist zwar nicht explizit im Gesetz geregelt, jedoch ergibt sich die Rechtsgrundlage hiefür aus § 2 EStG 1988, wonach das gesamte in- und ausländische Einkommen der Einkommensteuer unterliegt (vgl. ).
Der Progressionsvorbehalt soll somit verhindern, dass durch die Aufteilung der Einkünfte auf zwei verschiedene Staaten in beiden Staaten ein niedrigerer Tarif zur Anwendung gelangt und daraus ein Vorteil gegenüber einem Steuerpflichtigen entsteht, der die gleiche Summe ausschließlich aus inländischen Quellen erhält. Bei grenzüberschreitenden Sachverhalten soll nämlich grundsätzlich eine Besteuerung erreicht werden, wie sie auch bei rein innerstaatlichen Sachverhalten vorgenommen wird (; ).
Durch die Anwendung des Progressionsvorbehaltes wird daher nicht, wie der Berufungswerber vermeint, die deutsche Rente nochmals besteuert, sondern es wird jener Steuersatz ermittelt, der zum Tragen käme, wenn alle Einkünfte aus inländischen Quellen stammen würden.
Bei der Anwendung des Progressionsvorbehaltes wird das (Gesamt-) Einkommen gemäß § 2 Abs. 8 EStG 1988 nach den Vorschriften des österreichischen EStG ermittelt.
Nach § 20 Abs. 1 Z 6 EStG 1988 dürfen Steuern vom Einkommen und sonstige Personensteuern bei den einzelnen Einkünften nicht abgezogen werden.
§ 20 Abs. 1 Z 6 EStG 1988 erfasst sämtliche in- und ausländischen Personensteuern von unbeschränkt und beschränkt Steuerpflichtigen. Zu den nichtabzugsfähigen Personensteuern im Sinne des § 20 Abs. 1 Z 6 leg. cit. gehören damit unter anderem die veranlagte oder im Abzugsweg erhobene Einkommensteuer (Lohn- und Kapitalertragsteuer sowie Abzugssteuer nach § 99; vgl. Doralt/Kofler, EStG11, § 20 Tz 139/1).
Da somit die deutsche Einkommensteuer unter das Abzugsverbot des § 20 Abs. 1 Z 6 EStG 1988 fällt, ergibt sich aus dem vorgelegten deutschen Einkommensteuerbescheid diesbezüglich keine Änderung der Höhe der in Österreich im Wege des Progressionsvorbehaltes zu berücksichtigenden deutschen Rente.
Inwieweit die deutsche Rente im deutschen Einkommensteuerbescheid als steuerpflichtig bzw. steuerfrei behandelt wurde, ist für die Höhe des in Österreich beim Progressionsvorbehalt zu berücksichtigenden Betrages ebenfalls ohne Bedeutung.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | § 295a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 1 Abs. 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 2 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 Art. 23 DBA D (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Bundesrepublik Deutschland (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. III Nr. 182/2002 § 2 Abs. 8 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 20 Abs. 1 Z 6 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Verweise |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at