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Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSK vom 29.06.2007, RV/0034-K/06

Geschäftsführer, Haftung

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/0034-K/06-RS1
Ein pro forma Geschäftsführer, der sich im Abgabenrecht nicht auskennt und sich um die abgabenrechtlichen Angelegenheiten einer GmbH überhaupt nicht kümmert, begeht eine schuldhafte Verletzung abgebenrechtlicher Pflichten. Er kann daher für die dadurch uneinbringlich gewordenen Abgaben zur Haftung herangezogen werden. Der Einwand, diese Agenden wurden von seinem Freund als Machthaber wahrgenommen und er habe auf die finanzielle Gebarung der Gesellschaft keinen Einfluss gehabt, befreit ihn nicht von seiner Verantwortung und Haftung für die Gesellschaft.

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des M.K., vertreten durch Mag. U.H., Rechtsanwalt, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes K. vom betreffend Haftung gemäß § 9 iVm § 80 BAO entschieden:

Die Berufung wird teilweise stattgegeben und der Haftungsbetrag auf € 6.898,40 eingeschränkt. Im Übrigen wird die Berufung als unbegründet abgewiesen.

Entscheidungsgründe

Mit angefochtenem Bescheid vom zog das Finanzamt den Berufungswerber (im Folgenden: Bw.) als Geschäftsführer der Fa. P.-Handelsgesellschaft m.b.H. zur Haftung für uneinbringliche Abgabenschuldigkeiten iHv. € 14.613,62 heran. Die Abgaben wurden nach Abgabenart und Höhe gegliedert tabellarisch dargestellt. Begründend wurde unter Hinweis auf die gesetzlichen Bestimmungen ausgeführt, dass der Bw. als alleiniger Geschäftsführer für die Entrichtung der Abgaben nicht habe Sorge getragen und die Abgaben bei der Primärschuldnerin uneinbringlich sind. Die Uneinbringlichkeit der rückständigen Abgabenschuldigkeiten stehe aufgrund der Konkursaufhebung gemäß § 139 KO fest.

Mit Eingabe vom erhob der Bw. Berufung und wendet die unrichtige Sachverhaltsdarstellung, Verletzung von Verfahrensvorschriften und unrichtige rechtliche Beurteilung ein. Der Bw. habe keine Möglichkeit gehabt, darzulegen, weshalb ihn an der Pflichtverletzung kein Verschulden treffe. Der Bw. habe seit als handelsrechtlicher Geschäftsführer die Gesellschaft vertreten. Als gewerberechtlicher Geschäftsführer fungierte Herr V.K.. Daher komme der Bw. grundsätzlich als Haftender für die uneinbringlich gewordenen Abgabenschuldigkeiten in Betracht. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes richte sich beim Vorhandensein mehrerer Geschäftsführer die haftungsrechtliche Verantwortlichkeit danach, wer mit der Besorgung einzelner Angelegenheiten betraut war. Im Innenverhältnis sei nicht der Bw., sondern der gewerberechtliche Geschäftsführer K. für die Bereiche Einkauf, Rechnungs- und Abgabenwesen zuständig gewesen. Der Bw. sei für die Marktbearbeitung, Kundenaquisition und Kundenbetreuung (Zustellwesen, Mängelrügen) zuständig gewesen. Aufgrund dieser Aufgabenverteilung habe der Bw. keine Kenntnis von laufenden Kontonachrichten des Finanzamtes erhalten, sodass er die strittigen Abgabenrückstände erst anläßlich seines Antrages auf Konkurseröffnung in Erfahrung gebracht habe. Schriftlich führte der Bw. aus:

"Der Bw., der somit im Zeitraum seiner Geschäftsführertätigkeiten (seit Anfang 2004) mit den steuerlichen Angelegenheiten nicht befasst war, hat daher auch seine eigenen Pflichten nicht verletzt, da ihm keine Unregelmäßigkeiten des zur Wahrnehmung der steuerlichen Angelegenheiten bestellten gewerberechtlichen Geschäftsführers auffielen, sodass er keine Veranlassung hatte, diesbezüglich Abhilfe zu schaffen. Auch aus diesem Grund ist er somit haftungsrechtlich nicht zur Verantwortung zu ziehen."

Im Jahre 2004 habe es an liquiden Mitteln gefehlt. Allenfalls kurzfristig vorhandene Mittel wären anteilig für die Begleichung aller Verbindlichkeiten verwendet worden. Die Heranziehung zur Haftung liege im Ermessen der Behörde. Die Abgabenschulden beziehen sich nicht bloß auf das Jahr 2004, sondern auch auf die Jahre 2001 bis 2003, in welchen der Bw. nicht Geschäftsführer gewesen sei. Es wäre daher die Höhe des Haftungsbetrages dahingehend zu reduzieren, als er lediglich für solche Abgaben heranzuziehen wäre, die in seine Zeit als Geschäftsführer fielen.

Das Finanzamt wies in der abweisenden Berufungsvorentscheidung darauf hin, dass die Übertragung von Agenden an einem Dritten den Geschäftsführer nicht von seiner Haftung befreie.

Mit Eingabe vom ergänzte der Bw., dass der Konkurs der Firma durch seine langjährigen Freunde V.K. und H.M. hinter seinem Rücken vorbereitet worden wäre. Er sei kurzfristig zum Geschäftführer bestellt worden. Nach seiner Bestellung zum Geschäftsführer habe er bemerkt, dass er nicht in die Geschäftsabläufe eingebunden sei. Daher habe er erst spät erkannt, wie es um das Unternehmen stehe. Sämtliche Rettungsversuche haben fehlgeschlagen. Herr K. sei weder vom Konkursgericht noch der Finanzbehörde zur Verantwortung gezogen worden, obwohl er die Geschäfte seit der Gründung des Unternehmens geführt habe. Dieser habe sich in Fl. ein zweites Standbein aufgebaut und fahre weiterhin mit dem Firmenauto mit der Aufschrift P.F.. Er betreibe nach wie vor mit seiner Gattin am B.Platz das Lokal "B.C.". Er habe schließlich auch dem Steuerberater Dr. R. misstraut. Er habe weder Kenntnis von einer Körperschaft- noch Umsatzsteuererklärung.

Nachdem das Finanzamt die Berufung mit Berufungsvorentscheidung abgewiesen hat, beantragte der Bw. die Vorlage der Berufung an die Abgabenbehörde II. Instanz.

Im Zuge einer Einvernahme beim Unabhängigen Finanzsenat am übermittelte der Bw. die Saldenleisten und Auszüge aus dem Kassabuch des Unternehmens betreffend das Geschäftsjahr 2004.

Daraus ergibt sich, dass das Unternehmen bis einschließlich Oktober 2004 Umsatzerlöse erzielt hat. Aus der übermittelten Korrespondenz mit den Lieferanten Fa. A. und italienischen Zulieferern ergibt sich, dass die Firma seit Juni 2004 in Zahlungsschwierigkeiten geraten ist. Vom Lieferanten A. wurde die Firma mittels eingeschriebenen Brief aufgefordert, ihre Außenstände iHv. € 34.017,19 zu begleichen. Aus den Saldenlisten ergibt sich, dass die Außenstände bei den wichtigsten Lieferanten aus I. (B., etc.) schließlich mehr als € 60.000,-- betragen haben.

Im Zuge seiner Einvernahme gab der Bw. niederschriftlich zu Protokoll:

"Herr M. und seine Gattin haben mir angeboten ihre Anteile an der GmbH zu erwerben, ich habe für die Anteile nichts gezahlt und wurde auch dafür nichts verlangt. Vom Notar, Dr. L., der die Verträge erstellt hat, habe ich nichts mehr gehört und eine Rechnung über € 1.416,00 auch nicht gezahlt. Da wurde ich zum ersten Mal stutzig, weil es gegen mich keine Forderungsdurchsetzung gab. Ich war vor allem für die Zustellung der Waren (Obst und Gemüse) und deren Abholung zuständig. Ich habe sozusagen sämtliche Kunden vor Ort betreut. Aufträge wurden telefonisch entgegen genommen, die Warenzustellung und Betreuung erfolgt vor Ort, auch für das Reklamationswesen war ich zuständig. Ich habe bei der K.S. (Herrn S./Firmenkundenbetreuer) eine Bankvollmacht über ein Rahmenkonto als Geschäftskonto bis zu einem Rahmen in Höhe von € 5.000,00 gehabt. Für dieses Konto bei der K.S. war ich der einzige Verfügungsberechtigte, weil das alte Konto auch bei der K.S. mit € 14.000,00 überzogen war und wir dort von diesem Konto kein Geld mehr bekommen haben. Ich bin soweit mir erinnerlich im März 2004 zum ersten Mal nach I., Großmarkt U., gefahren, um Waren zu holen und haben die dortigen Firmen mir nur noch Waren gegen Barzahlung ausgefolgt, da der Rückstand mittlerweile auf ca. € 60.000,00 angewachsen war. Im Mai/Juni 2004 habe ich erkannt, dass das Unternehmen so nicht mehr zu führen sei und habe mit dem Herrn Bürgermeister Sch. und Vizebürgermeister C. begonnen zu verhandeln, dass die Fa. E. den Standplatz der Fa. P.Fr. GmbH am B.Platz übernimmt und auch den gesamten Kundenstock der Fa. P.Fr. in Zukunft beliefern soll. Es war geplant bzw. mein Wunsch, dass die Fa. E. den gesamten Kundenstock der P.Fr. GmbH übernimmt und dafür die ausstehenden Verbindlichkeiten der Firma abdecken werde. Dazu ist es jedoch nicht gekommen, weil am gesamten Marktplatz Angst vor den Dumpingpreisen der Fa. E. geherrscht hat und zusätzlich Räumlichkeiten für die Errichtung sanitärer Anlagen (behindertengerechte Toilettanlagen) benötigt wurden. Auf diese Art und Weise hat die Fa. P.Fr. GmbH ihr Verkaufslokal am B.Platz verloren bzw. nicht mehr halten können und wurde die Firma im Zuge eines Konkursverfahrens liquidiert.

Aus meiner Sicht war Herr Ku. derjenige, der die Geschäfte geführt hat und den Kundenstock auch aufgebaut hat. Ich war Zusteller und habe erst ab Juli 2004 begonnen, als Geschäftsführer zu handeln, nachdem ich erkannt habe, wie die finanzielle Situation der Firma zu diesem Zeitpunkt ausgeschaut hat. Wir hatten zu diesem Zeitpunkt in I. bei unseren Lieferanten bereits mehr als € 60.000,00 Außenstände und lieferten die Waren nur mehr gegen Barzahlung aus.

Ich habe mit den Geschäften nichts zu tun gehabt. Herr Ku. ist am Markt gesessen und hat die Firma seit 10 Jahren geleitet. Ich war immer nur Zusteller, war 25 Stunden die Woche angemeldet und habe monatlich etwa € 600,00 verdient. Ich war in dieser Firma für alle erkennbar Fahrer, Zusteller, sozusagen "Mädchen für Alles".

Herr Ku. war der Einzige, der über das Rechnungswesen der Firma den Überblick und die Übersicht gehabt hat. Ich hatte nie die Möglichkeit in der Firma etwas selbständig zu machen, weil er diese Angelegenheiten von mir abgeblockt hat. Ich habe zu den Ordnern können, habe mir den Kontoauszügen jedoch nichts anfangen können, weil ich mich in diesen Angelegenheiten nicht ausgekannt habe. Ich habe eine Lehre als Koch, Frisör und Großhandelskaufmann begonnen, jedoch alles abgebrochen. Insgesamt habe ich schon bis zu 40 verschiedene Berufe gemacht.

Herr Ku. konnte es sich leisten zweimal mit seiner Gattin für mindestens einen Monat in die X. nach Fl. zu fliegen (N.) und hat sich in der Zwischenzeit dort eine eigene Existenz aufbauen können. Ab Juli 2004 konnten wir für einen Leasingwagen, Ci., die Leasingraten in der Höhe von etwa € 900,00 nicht mehr bezahlen und hat die Fa. E. diese übernommen. Herr Ku. fährt heute noch mit diesem Auto mit der Aufschrift P.Fr. für die Fa. E. oder für sich selbst. Wie er jetzt seine Geschäfte tätigt, kann ich nicht sagen, aber er macht nach wie vor dasselbe. Meine Existenz ist mittlerweile zerstört, ich bin krankheitshalber bis Ende März 2008 in Invalidenpension. Ich habe in den Monaten Jänner, Feber, März 2005 kein Geld von irgendjemanden erhalten und stundet mir mein Vermieter in der K.Str. 17 noch immer einen Mietrückstand in Höhe von etwa € 938,00. Meine monatliche Miete beträgt € 300,00. Ich bekomme derzeit inklusive Mietbeihilfe monatlich ca. € 800,00 zur Bestreitung meiner Lebensbedürfnisse. Ich habe ein Fahrrad mit einem Anhänger, mein Wohnungsinventar und einen Hund und bin vermögenslos. Die Herren M. , Ku., Le. waren Freunde von mir, die ich seit ca. 1983 gekannt habe. Ich habe mit ihnen bei der Fa. L.F. zusammen gearbeitet und stellten diese Personen für mich Vertrauenspersonen dar. Diese Personen waren alle einmal Geschäftsführer bei der Fa. P.Fr. GmbH, außer dem Herrn Ku. und haben diese Personen aus meiner Sicht mein Vertrauen ausgenützt. Dies trifft nicht auf Herrn Le. zu, weil der hat mir sogar dann geholfen, als ich kein Geld mehr hatte.

Am machte ich meine letzte Abrechnung für die Fa. P.Fr. GmbH, danach lief alles über die Fa. E. GmbH.

Herr Ku. und Herr M. haben über mich bestens Bescheid gewusst, insbesondere, dass ich wegen Alkoholprobleme in D. im Sonderkrankenhaus 12 Wochen zugebracht habe, im Jahre 1987. Sie haben auch gewusst, dass ich vorher regelmäßig Ca. geraucht habe und insofern leicht beeinflussbar gewesen bin. Dies lässt sich durch alle psychiatrischen Gutachten belegen, dass ich sehr leicht beeinflussbar bin. Ich bin deswegen auch in vorzeitiger Invaliditätspension.

Ich habe bereits mit 13 Jahren zu trinken begonnen, aufgrund meiner familiären Situation und hatte ein schlechtes Verhältnis zu meinem Vater (er war, wie ich mit 20 erfuhr mein Stiefvater). Herr M. und Herr Ku. wussten darüber Bescheid und haben die Situation für ihre Zwecke benutzt."

Über die Berufung wurde erwogen:

Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden. Voraussetzung für die Haftungsinanspruchnahme sind eine Abgabenforderung gegen den Vertretenen, die Stellung als Vertreter, die Uneinbringlichkeit der Abgabenforderung, eine Pflichtverletzung des Vertreters, dessen Verschulden an der Pflichtverletzung und die Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit.

Der Bw. vertrat seit als selbständig vertretungsbefugter Geschäftsführer die Gesellschaft. Unbestritten ist daher, dass der Bw. im haftungsgegenständlichen Zeitraum als Alleingeschäftsführer zum Kreis der in § 80 BAO genannten Vertreter zählt, der für die uneinbringlichen Abgaben der GmbH herangezogen werden kann. Unbestritten ist weiters, dass Abgaben für die der Bw. haftbar gemacht wurde, zufolge Aufhebung des Konkurses uneinbringlich sind. Im Konkursverfahren hat der Masseverwalter die Masseunzulänglichkeit angezeigt.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es Sache des Geschäftsführers, die Gründe darzulegen, die ihn ohne sein Verschulden daran gehindert haben, die ihm obliegenden abgabenrechtlichen Verpflichtungen zu erfüllen, widrigenfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden darf. Der Geschäftsführer haftet für nicht entrichtete Abgaben auch dann, wenn die Mittel, die ihm für die Entrichtung der Verbindlichkeiten der Gesellschaft zur Verfügung standen, hiezu nicht ausreichten, es sei denn, er weist nach, dass er diese Mittel anteilig für die Begleichung der Verbindlichkeiten verwendet hat (vgl. Zl. 95/14/0056), er die Abgabenschulden daher im Verhältnis nicht schlechter behandelt hat als andere Verbindlichkeiten.

Vom Gleichbehandlungsgebot ausgenommen ist die Lohnsteuer; aus § 78 Abs. 3 EStG 1988 ergibt sich die Verpflichtung, die Lohnsteuer zur Gänze zu entrichten und ist, sofern diese nicht einbehalten und an das Finanzamt abgeführt wird - ungeachtet der wirtschaftlichen Schwierigkeiten der GmbH - von einer schuldhaften Pflichtverletzung des Geschäftsführers auszugehen (vgl. Erkenntnis des Zl. 2001/15/0029).

Der Bw. hat im Verfahren vor den Abgabenbehörden dargelegt, welche Gründe für die Nichtentrichtung der Abgaben der Primärschuldnerin maßgebend waren. Der Bw. hat sich hiezu in die Richtung geäußert, dass nicht er für die buchhalterischen und abgabenrechtlichen Belange zuständig gewesen sei, sondern diese im Innenverhältnis vom gewerberechtlichen Geschäftsführer wahrgenommen wurden. Er habe diese Agenden nicht wahrgenommen und kenne sich in diesen Angelegenheiten nicht aus. Mit dem erstatteten Vorbringen räumt der Bw. ein, intern nicht die betriebswirtschaftlichen und abgabenrechtlichen Belange wahrgenommen zu haben. Damit hat er sich seiner Funktion als alleiniger, selbständig vertretungsbefugter Geschäftsführer entledigt. Damit ist der Bw. seiner abgabenrechtlichen Verpflichtung, nämlich dafür Sorge zu tragen, dass die Abgaben aus den verwalteten Mitteln entrichtet werden, nicht nachgekommen. Der Bw. hat dadurch, dass er zwar als Geschäftsführer fungierte, ohne diese Funktion tatsächlich auszuüben in Kauf genommen, dass ihm Abgabenrückstände verborgen blieben.

Es gehört nämlich zu den abgabenrechtlichen Pflichten eines Vertreters, dafür zu sorgen, dass die Abgaben entrichtet werden (/01069; Zl. 2003/15/0080). Der Geschäftsführer einer GmbH haftet gegenüber der Gesellschaft, den Gesellschaftern, den Gläubigern und auch gegenüber den Behörden. Im Haftungsverfahren ist nämlich entscheidend, ob man zum Geschäftsführer bestellt war. Der Bw. war als solcher verpflichtet, für die Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten zu sorgen. Im Abgabenrecht ist nicht entscheidend, ob der Geschäftsführer seine Funktion auch tatsächlich ausübt, sondern ob er zum Geschäftsführer bestellt ist. Für das Verschulden im Sinne des § 9 BAO ist nicht maßgeblich, ob der Geschäftsführer seine Funktion tatsächlich ausgeübt hat, sondern ob er als Geschäftsführer bestellt war und ihm die Ausübung der Funktion obliegen wäre ().

Der Bw. bringt vor, an der Ausübung seiner Funktion gehindert worden zu sein. Er sei in geschäftlichen Belangen nicht eingebunden gewesen, sondern habe lediglich als Warenzusteller gearbeitet. Ist ein Geschäftsführer an der ordnungsgemäßen Wahrnehmung seiner Obliegenheiten gehindert, so muss er nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () entweder sofort die Behinderung seiner Funktion - allenfalls im Rechtsweg - abstellen oder seine Funktion niederlegen und als Geschäftsführer ausscheiden. Ob der Rücktritt "unverzüglich" erfolgte, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. Auch ein Zeitraum von nahezu drei Monaten zwischen der Bestellung zum Geschäftsführer und dessen Rücktritt wegen einer Behinderung in der Ausübung seiner Funktion schließt eine Beurteilung des Rücktrittes als "unverzüglich" nicht von vornherein aus, weil die Verpflichtung zum Rücktritt erst durch die Erkennbarkeit der Behinderung und der Ergebnislosigkeit der Bemühungen, diese zu beseitigen, ausgelöst wird. Der Bw. hat keine dieser Maßnahmen gesetzt.

Die Pflicht zur Entrichtung von Abgabenschuldigkeiten endet nicht mit dem Zeitpunkt der Entstehung der Abgabenzahlungsschuld, sondern erst mit der Abstattung. Die GmbH bleibt verhalten, Abgabenschuldigkeiten abzustatten und zu erfüllen. Zu deren Erfüllung ist der Geschäftsführer einer GmbH als deren Vertreter entsprechend der Bundesabgabenordnung verhalten.

Mit dem Vorbringen, er habe die Geschäftsführung in abgabenrechtlichen und betriebswirtschaftlichen Belangen zwar innegehabt, jedoch nicht wahrgenommen, gesteht der Bw. schließlich eine Pflichtverletzung ein, weil er sich um die abgabenrechtlichen Pflichten nicht entsprechend gekümmert hat. Wenn der alleinige Geschäftsführer einer GmbH die Wahrnehmung abgabenrechtlicher Pflichten anderen Personen überlässt, so ist er nach der ständigen Judikatur des VwGH dazu verhalten, diese in regelmäßigen Abständen so zu überwachen, dass ihm eine mögliche Nichterfüllung abgabenrechtlicher Pflichten nicht verborgen bleibt. Diesem Erfüllungserfordernis kam der Geschäftsführer auch nicht nach.

Die Abgabenbehörde I. Instanz ist auf Grund der Sach- und Rechtslage somit zur Annahme berechtigt, dass der Bw. auf Grund der Missachtung seiner abgabenrechtlichen Pflichten seiner Abgabenzahlungspflicht schuldhaft nicht nachgekommen ist; konsequenterweise haftet er daher für die von der Haftung betroffenen Abgabenschulden der Gesellschaft zur Gänze (vgl. Erkenntnis des Zl. 2001/17/0159). Die Haftung für die Lohnsteuer ergibt sich im Übrigen - wie bereits oben dargelegt - bereits aus § 78 Abs. 3 EStG.

Bei der Verletzung von abgabenrechtlichen Zahlungspflichten bedarf es - anders als bei der Verletzung sonstiger abgabenrechtlicher Pflichten - keiner näheren Begründung der Kausalität der Pflichtverletzung für die eingetretene Uneinbringlichkeit der Abgaben (vgl. Erkenntnis des Zl. 98/14/0114). Im Falle des Vorliegens einer schuldhaften Pflichtverletzung spricht eine Vermutung für die Verursachung der Uneinbringlichkeit der Abgaben durch die Pflichtverletzung und den Rechtswidrigkeitszusammenhang (vgl. Erkenntnis des Zl. 2001/13/0127).

Aus den übermittelten Saldenlisten ergibt sich, dass das Unternehmen bis einschließlich Oktober wirtschaftlich tätig war und Zahlungen zum Teil noch erfolgten. Lieferanten wurden zwangsläufig bar gezahlt, weil diese ansonsten Waren nicht mehr geliefert hätten. Die Primärschuldnerin hat damit solche Zahlungen geleistet, die unbedingt notwendig waren, um das Unternehmen aufrecht zu erhalten, während die angeführten Abgabenschuldigkeiten nicht mehr entrichtet wurden. Die Heranziehung zur Haftung ist daher dem Grunde nach gerechtfertigt.

Hinsichtlich der Höhe ist zu berücksichtigen, dass über die Gesellschaft am das Konkursverfahren eröffnet wurde. Der Referent beim Unabhängigen Finanzsenat geht daher davon aus, dass im November 2004 die tatsächliche Zahlungsunfähigkeit eingetreten ist. Von einer Heranziehung zur Haftung für Abgaben deren Fälligkeit nach dem liegt wird daher zu Gunsten des Bw. Abstand genommen. Soweit der Bw. meint, er könne nur für Abgaben zur Haftung herangezogen werden, die in seine Vertretertätigkeit fallen, ist ihm zu entgegnen, dass nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Haftung auch für jene offenen Abgabenschuldigkeiten besteht, deren Zahlungstermin bereits vor der Tätigkeit des betreffenden Vertreters liegt (). Der Bw. war verpflichtet, am Beginn seiner Tätigkeit die finanziellen Verhältnisse seines Unternehmens zu erheben. Er hätte sich diesbezüglich mit dem Finanzamt in Verbindung setzen können.

Die Geltendmachung der Haftung liegt im Ermessen der Abgabenbehörde, die sich innerhalb der vom Gesetz aufgezeigten Grenzen zu halten hat (§ 20 BAO). Innerhalb dieser Grenzen sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Aus dem auf die Hereinbringung der Abgabenschuld beim Haftenden gerichteten Besicherungszweck der Haftungsnorm folgt, dass die Geltendmachung der Haftung in der Regel ermessenskonform ist, wenn die betreffende Abgabe beim Primärschuldner uneinbringlich ist (vgl. Erkenntnis des Zl. 89/15/0067).

Der Bw. war alkoholabhängig, ist derzeit zu 30% invalid und bezieht zeitlich befristet bis Pensionseinkünfte iHv. € 726,-- monatlich. Damit liegt der Bw. am Existenzminimum. Der Bw. versucht wieder beruflich Fuß zu fassen. Das Finanzamt zog für die Lohnabgaben des Jahres 2000 bis 2002 und die Umsatzsteuernachforderung des Jahres 2003 iHv. insgesamt € 3.926,97 den damaligen Geschäftsführer und Vorgänger des Bw. zur Haftung heran. Das Finanzamt hält sich zu Recht am früheren Geschäftsführer schadlos, zumal die Einbringlichkeit dieser Abgaben beim früheren Geschäftsführer aufgrund seiner Pensionseinkünfte gesichert ist. Aufgrund dieses Umstandes in Verbindung mit den beengten wirtschaftlichen Verhältnissen wird daher im Ermessenswege von einer Heranziehung zur Haftung jener Abgaben zu Gunsten des Bw. Abstand genommen, deren Abgabenanspruch vor seiner Tätigkeit als Geschäftsführer entstanden ist. Dies betrifft die Abgabenschuldigkeiten des Zeitraumes 2000 bis 2003. Ein weiterer Verzicht ist jedoch aufgrund der Schwere der Verfehlungen und der nahezu ein Jahr andauernden konsequenten Nichtbeachtung der abgabenrechtlichen Pflichten ausgeschlossen.

Schließlich ist aufgrund des Alters des Bw. (Geburtsjahr: 1962) keineswegs ausgeschlossen, dass der Bw. wiederum die volle Erwerbsfähigkeit erlangt und daher in der Lage sein wird wenigstens einen Teil des erlittenen Schadens (Abgabenausfalles) im Wege einer Zahlungserleichterung wieder gut zu machen.

Vom Bw. wurden keine weiteren Gründe vorgebracht, die bei Abwägung von Zweckmäßigkeit und Billigkeit eine andere Einschätzung bewirken hätten können. Die Abgaben setzen sich daher wie folgt zusammen:


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Abgabenart
Zeitraum
Betrag
U
04/04
49,42
L
06/04
276,32
DB
06/04
205,21
DZ
06/04
19,15
K
07-09/04
386,47
L
07/04
248,70
DB
07/04
115,57
DZ
07/04
10,79
U
06/04
1.274,02
L
08/04
248,70
DB
08/04
115,57
DZ
08/04
10,79
U
07/04
883,12
L
09/04
248,70
DB
09/04
115,57
DZ
09/04
10,79
U
08/04
650,52
L
2004
1.530,82
DB
2004
455,66
DZ
2004
42,53
Summe in €:
6.898,40

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Klagenfurt, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
§ 9 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 80 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Schlagworte
Haftung
Pro-Forma Geschäftsführer
Uneinbringlichkeit
Verweise

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at