Berufungswerber wendet res iudicata ein; Liquiditätsstatus
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der Unabhängige Finanzsenat hat durch den Vorsitzenden Hofrat Dr. Karl Kittinger und die weiteren Mitglieder ADir. Helmut Hummel, Kommerzialrat Gottfried Hochhauser und Gerhard Mayerhofer im Beisein der Schriftführerin Edith Madlberger über die Berufung des Bw., vertreten durch Böck & Kus Wirtschaftstreuhänder Steuerberatungsges.mbH, 1130 Wien, Lainzer Straße 53, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 9/18/19 Klosterneuburg vom betreffend Haftung gemäß § 9 iVm § 80 BAO nach der am in 1030 Wien, Vordere Zollamtsstraße 7, durchgeführten mündlichen Berufungsverhandlung entschieden:
Der Berufung wird insoweit stattgegeben als die Haftung auf € 2.413,77 (anstatt bisher € 62.670,20) eingeschränkt wird.
Im Übrigen wird die Berufung als unbegründet abgewiesen.
Entscheidungsgründe
Mit Bescheid vom wurde der Berufungswerber (Bw.) gemäß § 9 iVm § 80 BAO für Abgabenschuldigkeiten der V- KG in Höhe von € 62.670,20 zur Haftung herangezogen.
Diese setzen sich wie folgt zusammen:
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Abgabenart | Zeitraum | Betrag |
Umsatzsteuer | 9/1999 | 3.231,28 |
Umsatzsteuer | 10/99 | 8.732,39 |
Umsatzsteuer | 12/1999 | 4.494,78 |
Umsatzsteuer | 8/2002 | 4.595,47 |
Umsatzsteuer | 10/2002 | 3.875,46 |
Umsatzsteuer | 11/2002 | 1.160,83 |
Lohnsteuer | 9/1999 | 814,78 |
Lohnsteuer | 10/99 | 2.300,63 |
Lohnsteuer | 11/99 | 2.168,99 |
Lohnsteuer | 1/2000 | 1.456,15 |
Lohnsteuer | 11/2000 | 1.335,42 |
Lohnsteuer | 1/2001 | 1.049,01 |
Lohnsteuer | 9/2002 | 1.243,91 |
Lohnsteuer | 11/2002 | 1.222,19 |
Lohnsteuer | 12/2002 | 1.862,56 |
Lohnsteuer | 1/2003 | 273,87 |
Lohnsteuer | 12/2003 | 1.674,61 |
Dienstgeberbeitrag | 9/1999 | 1.111,96 |
Dienstgeberbeitrag | 10/1999 | 942,35 |
Dienstgeberbeitrag | 11/1999 | 883,97 |
Dienstgeberbeitrag | 1/2000 | 564,16 |
Dienstgeberbeitrag | 11/2000 | 615,02 |
Dienstgeberbeitrag | 1/2001 | 371,68 |
Dienstgeberbeitrag | 8/2002 | 303,12 |
Dienstgeberbeitrag | 9/2002 | 504,28 |
Dienstgeberbeitrag | 11/2002 | 439,14 |
Dienstgeberbeitrag | 12/2002 | 930,75 |
Dienstgeberbeitrag | 12/2003 | 151,71 |
Zuschlag zum DB | 9/1999 | 130,96 |
Zuschlag zum DB | 10/1999 | 110,99 |
Zuschlag zum DB | 11/99 | 104,11 |
Zuschlag zum DB | 1/2000 | 66,44 |
Zuschlag zum DB | 11/2000 | 71,06 |
Zuschlag zum DB | 1/2001 | 42,14 |
Zuschlag zum DB | 8/2002 | 58,58 |
Zuschlag zum DB | 9/2002 | 52,67 |
Zuschlag zum DB | 11/2002 | 45,87 |
Zuschlag zum DB | 12/2002 | 97,21 |
Umsatzsteuer | 12/2006 | 7.947,45 |
Umsatzsteuer | 1/2004 | 1.868,86 |
Umsatzsteuer | 2/2004 | 3.763,39 |
Zur Begründung wurde nach Zitierung der §§ 9 und 80 BAO sowie der maßgeblichen Judikatur und Rechtsprechung des VwGH im Wesentlichen ausgeführt, dass der Bw. im Zeitraum von 1980 bis dato unbestritten handelsrechtlicher Geschäftsführer der K.-V.-GmbH sei und er in diesem Zeitraum keine oder nur unzureichende Zahlungen für Selbstbemessungsabgaben geleistet und es verabsäumt habe, für eine gleichmäßige Befriedigung aller Verbindlichkeiten Sorge zu tragen.
Es sei dem außergerichtlichen Ausgleich (Antrag vom ) mit Schreiben vom zugestimmt worden. Dieser sei eingehalten worden. Am sei über die KG das Konkursverfahren eröffnet worden. Die Konkurseröffnung stelle die Lage der Firma anders da. Denn einem Ausgleich werde ja immer mit der Hoffnung zugestimmt, dass die Firma wieder erfolgreich weiterarbeiten könne. Es sei mehrmals durch ein Vorhalteverfahren zu ermitteln versucht worden, ob es durch den Geschäftsführer zu einer Ungleichbehandlung der Finanzbehörde gegenüber anderen Gläubigern gekommen sei. Warum die Inanspruchnahme des Geschäftsführers für die Abgabenschuldigkeiten des Geschäftsführers (Anm: richtig wohl Abgabenschuldigkeiten der Firma) nicht möglich sein sollte, könne nicht nachvollzogen werden. Auch auf die im außergerichtlichen Ausgleich von der Finanzverwaltung gegenüber der Firma verzichteten Abgabenforderungen könnten nachträglich im Haftungswege vom Geschäftsführer eingefordert werden. Das Finanzamt habe im außergerichtlichen Ausgleich nicht auf die Geltendmachung der Haftung gegenüber dem Geschäftsführer verzichtet, sondern anteilsmäßig auf die Einbringung der Forderungen von der KG verzichtet. In den meisten Fällen komme es erst nach Abschluss des Ausgleichs- oder Konkursverfahrens (gerichtlich oder außergerichtlich) zur Entscheidung über die Geschäftsführerhaftung.
In der nach Fristverlängerung eingebrachten Berufung führte der steuerliche Vertreter aus, dass am der erste Haftungsbescheid erlassen worden sei. Nach Abweisung der Berufung sei ein Vorlageantrag an den Unabhängigen Finanzsenat gestellt worden. Nach einer mündlichen Verhandlung habe der UFS mit Berufungsentscheidung vom dem Standpunkt des Bw. weitestgehend stattgegeben.
Das Finanzamt habe auf ein außerordentliches Rechtsmittel verzichtet.
Stattdessen habe es am und am zwei Ersuchen um Ergänzung erlassen, in denen ein neuerlicher Haftungsbescheid in Aussicht gestellt worden sei. Dieser neuerliche Versuch, ein verlorenes Verfahren durch einen weiteren Haftungsbescheid zu gewinnen, habe der Bw. nicht nur als rechtswidrig, sondern auch als schikanös empfunden. Eine Nachfrage beim Finanzministerium (MR Ritz) habe ergeben, dass auch aus dessen Sicht eine derartige Vorgangsweise nicht rechtens sei.
Das Ersuchen um Ergänzung sei am beantwortet worden. Daraufhin sei das Verfahren eingestellt worden. Es sei kein Haftungsbescheid erlassen und das Guthaben des Haftungskontos an den Bw. ausbezahlt worden.
Jetzt - nach bald drei Jahren - sei schon wieder ein neuer Haftungsbescheid erlassen worden. Es werde ausdrücklich festgehalten, dass das Verfahren betreffend Haftung des Bw. mit der Berufungsentscheidung des Unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, datiert mit materiell beendet worden sei. Es wäre dem Finanzamt das Recht zugestanden gewesen, eine Verwaltungsgerichtshofbeschwerde einzubringen. Von diesem Recht habe das Finanzamt keinen Gebrauch gemacht. Es sei rechtlich nicht gedeckt, ein abgeschlossenes Verfahren durch immer neue Haftungsbescheide so lange zu betreiben, bis das Finanzamt vielleicht einmal Recht bekomme oder bis der Steuerpflichtige aufgebe. Auf diese Rechtswidrigkeit sei in der Beantwortung vom hingewiesen worden. In diesem neuerlichen Haftungsbescheid werde auf dieses Thema nicht eingegangen.
Auch wenn die KG, deren Geschäftsführer der Bw. gewesen sei, Steuerschulden gehabt habe, sei es rechtsstaatlich äußerst fragwürdig, immer wieder neue Haftungsbescheide zu erlassen, in denen die Steuerschuld jeweils unterschiedlich aufgegliedert werde. Eine Steuerschuld existiere in Summe nur einmal. Der UFS habe die Haftung weitestgehend verneint, daher sei das Verfahren abgeschlossen.
Der Bw. empfinde es als schikanös, dass das Finanzamt seit Jahren immer wieder versuche, ein und dieselbe Steuerschuld einzufordern. Der Bw. habe gelitten und leide an der Insolvenz seines Unternehmens, das er über Jahrzehnte aufgebaut habe und habe daher auch Verständnis für den Standpunkt des Finanzamtes gehabt. Allerdings sei es nicht einzusehen, dass das Finanzamt mit rechtsstaatlich bedenklichen Methoden seit bald drei Jahren gegen den Bw. vorgehe.
Es falle auf, dass sich offenbar der Betrag gegenüber dem Bescheid vom verringert habe. Die Begründung des Bescheides vom sei mangelhaft.
Es würden fast ausschließlich Gesetzestexte, Kommentare und Höchstgerichte zitiert. Die Begründung lese sich wie ein Kommentar zur BAO und gehe kaum auf die eigentliche Sache ein. Es könne ja wohl davon ausgegangen werden, dass dem Finanzamt, dem UFS und auch dem steuerlichen Vertreter die einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen bekannt seien.
Dem Bw. werde vorgeworfen, in seiner Funktion als Geschäftsführer der KG, über die am der Konkurs eröffnet worden sei, im Vorfeld dieser Insolvenz das Finanzamt benachteiligt zu haben.
Das Wirtschaftsjahr der AG beginne am 1. Juni und ende mit 31. Mai des Folgejahres. Im Wirtschaftsjahr 2003/2004 existiere zwar eine Buchhaltung bis Ende März 2004, allerdings würde die Eröffnungsbilanzwerte zum fehlen, da der Jahresabschluss zum nicht mehr erstellt worden sei. Aus diesem Grunde könne eine Zwischenbilanz oder zumindest ein Status nicht erstellt werden.
Der steuerliche Vertreter habe ein endgültiges Anmeldeverzeichnis des Masseverwalters erhalten. Die anerkannten Verbindlichkeiten der KG betrügen zum € 529.587,62, wovon auf das Finanzamt € 74.977,30 entfallen würden. Die KG habe Anfang 2004 noch erhebliche Zahlungen an das Finanzamt geleistet, wodurch per sogar ein Guthaben in Höhe von € 3.462,81 bestanden habe. Gegenstand der Betrachtung, ob der Bw. das Finanzamt benachteiligt habe, sei der Zeitraum bis zur Konkurseröffnung am . Dieser Zeitraum entspreche der Berufungsvorentscheidung vom .
Da zum 15. Februar 2004kein Status errechnet werden könne, würden folgende Überlegungen angestellt:
Rechne man den anerkannten Verbindlichkeiten per die beglichenen Verbindlichkeiten im Zeitraum 15. Februar bis hinzu, ergebe dies die Höhe der Verbindlichkeiten zum Stichtag . Auf Grund der Bankauszüge und des Kassabuches sei eine Aufstellung über geleistete Ausgaben erstellt worden. Nachfolgende Zahlungsflüsse seien in dieser Aufstellung nicht berücksichtigt:
Am und am habe die WGKK im Exekutionsweg insgesamt € 15.097,97 eingetrieben. Da es sich bei der Exekution um keine freiwillige Bezahlung der Schuld handle, könne dies dem Geschäftsführer nicht zur Last gelegt werden.
Am habe die KG eine Zahlung in Höhe von € 28.624,69 von der B-Gesellschafterhalten und habe am einen Betrag von € 23.138,32 an die Firma U. GmbH überwiesen. Diesen Zahlungen liege folgender Sachverhalt zu Grunde:
Die GmbH sei ein laufender Kooperationspartner der KG gewesen. Die GmbH hätte einen Auftrag der B-Gesellschaft erhalten wollen, den sie aber unter ihrem Namen nicht habe durchführen können. So sei der Auftrag von der KG übernommen worden, die Arbeiten seien allerdings im Subauftrag von der GmbH durchgeführt worden. Das Honorar, welches die KG in Höhe von netto € 28.640,69 inkl. Umsatzsteuer erhalten habe, sei netto abzüglich 3% an die U.GmbH einen Tag nach Vereinnahmung überwiesen worden. Das Geschäft sei daher in wirtschaftlicher Betrachtungsweise der GmbH und nicht der KG zuzurechnen, da die KG zwar in eigenem Namen aber auf fremde Rechnung gearbeitet habe. Der KG sei daher lediglich eine Bearbeitungsgebühr von 3% verblieben. Da es sich bei diesem Honarar um einen Durchlaufposten an die U. GmbH gehandelt habe, sei hier in wirtschaftlicher Betrachtung keine Verbindlichkeit bezahlt und daher das Finanzamt nicht benachteiligt worden.
Es habe einige Abhebungen vom Bankkonto gegeben, die aber in die Kassa eingelegt worden und größtenteils wieder auf das Bankkonto rückgeführt worden seien. Diese Auszahlungen seien daher reine Liquiditätsverschiebungen innerhalb des Unternehmens und würden keine Bezahlung der Schulden darstellen.
Die Gesamtverbindlichkeiten hätten laut offiziellem Anmeldeverzeichnis des Masseverwalters im Zeitpunkt der Konkurseröffnung am € 529.587,62 betragen, die Zahlungen im Zeitraum bis € 61.201,29, wodurch sich ein Stand der Verbindlichkeiten zum in Höhe von € 590.788,91 ergebe. Setzte man die bezahlten Verbindlichkeiten von € 61.201,97 mit dem Stand der Verbindlichkeiten per in Relation, ergebe sich, dass im Zeitraum bis rund 10% der Verbindlichkeiten bezahlt worden seien. In diesem Zeitraum habe es nur eine Zahlung an das Finanzamt gegeben, nämlich € 2.698,24. Die hochgerechneten Verbindlichkeiten des Finanzamtes zum in Höhe von € 77.675,54 seien somit zu 3% befriedigt worden.
Aus dieser Gegenüberstellung sei ersichtlich, dass die Gläubiger in dem besagten Zeitraum insgesamt zu 10% befriedigt worden seien, und das Finanzamt 3% seiner Verbindlichkeiten erhalten habe. Hätte der Bw. die verfügbaren liquiden Mittel korrekt eingesetzt, hätte das Finanzamt ebenfalls 10% der Forderungen erhalten müssen, somit einen Betrag von € 7.767,55. Tatsächlich habe das Finanzamt einen Betrag von € 2.698,24 erhalten, dies bedeute einen Schaden für das Finanzamt von € 5.069,31. Von diesem Betrag sei auch die Konkursquote von 19,31015% abzuziehen, wodurch sich ein endgültiger Betrag von € 4.090,86 ergebe.
Es sei die Pflicht des Geschäftsführers darzulegen, in wie weit er das Finanzamt gegenüber den übrigen Gläubigern nicht benachteiligt habe. Selbstverständlich könne dies am Besten durch eine Zwischenbilanz oder zumindest mittels Status zum und einer Buchhaltung für den Zeitraum 15. Februar bis erfolgen. Es müsse dem Geschäftsführer aber auch zugestanden werden, dass er die Nachweise auf andere Weise erbringe. In dieser Berufung sei auf eine schlüssige Art und Weise erläutert worden, wie die Höhe der Verbindlichkeiten zum näherungsweise ermittelt werden können. Dieser retograden Ermittlung liege das offizielle Anmeldeverzeichnis des Masseverwalters zuzüglich nachprüfbarer Zahlungsflüsse vom Bankkonto und aus der Kassa zu Grunde. Wie schon erwähnt, habe das Anmeldeverzeichnis mit Sicherheit eine höhere Beweiskraft als eine Buchhaltung, da dieses Anmeldeverzeichnis in Zusammenarbeit mit dem Konkursgericht erstellt werde. Schuldhaftes Verhalten bestehe darin, wenn der Geschäftsführer das Finanzamt gegenüber den übrigen Gläubigern benachteilige. Die im Zeitraum 15. Februar bis verfügbaren Geldmittel hätten € 61.201,39 betragen. Mit den Geldmitteln seien die Gesamtgläubiger zu 10% und das Finanzamt lediglich zu 3% befriedigt worden. Im Ausmaß der Differenz liege eine Bevorzugung der übrigen Gläubiger und somit eine Haftung des Bw. vor.
Mit Vorhalt des Unabhängigen Finanzsenates vom wurde der Bw. darauf hingewiesen, dass die von ihm erstellte Berechnung nicht ausreichend sei, da ein Liquiditätsstatus die Frage, welcher Betrag unter Einbeziehung sämtlicher Zahlungseingänge (beginnend ab dem 1. Fälligkeitstag) bei Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger bezogen auf die jeweiligen Fälligkeitszeitpunkte einerseits und das Vorhandensein liquider Mittel andererseits zu entrichten gewesen wären, zu klären habe.
Im diesbezüglichen Antwortschreiben vom führte der steuerliche Vertreter des Bw. aus, dass, wie bereits in der Berufung vom dargelegt, zwar eine Buchhaltung existiere, allerdings die Eröffnungsbilanzwerte fehlen würden. Aus diesem Grunde sei unter Zugrundelegung des Anmeldeverzeichnisses aus dem Insolvenzverfahren und der laufenden Buchhaltung ein Status per zurückgerechnet worden. Der steuerliche Vertreter sei nach wie vor der Meinung, dass ein Anmeldeverzeichnis, welches vom Masseverwalter in Zusammenarbeit mit dem Konkursgericht erstellt werde, ein taugliches Instrument darstelle, um einen Status zu erstellen. Die Ausgaben vom bis seien ausführlich dokumentiert worden. Zahlungseingänge mit Ausnahme von der B-Gesellschaft habe es nicht gegeben.
Betreffend die Haftung für die Lohnsteuer werde auf die Beilage zum Haftungsbescheid vom verwiesen. In der Auflistung seien Lohnsteuerbeträge für die Jahre 1999 bis 2003 enthalten. Bekanntlich habe es zwischen dem Finanzamt und dem Bw. im April 2000 einen außergerichtlichen Vergleich gegeben, wonach das Finanzamt auf seine Forderungen gegenüber der GmbH verzichtet habe. Es könnten daher keine Lohnsteuerbeträge aus den Jahren 1999 und 2000 aushaften. Gleiches gelte für diverse Abgaben aus den Jahren 1999 und 2000, die vom Vergleich ebenfalls betroffen gewesen wären.
Eine Haftung für die Umsatzsteuer Dezember 2006 könne ebenfalls nicht in Betracht kommen, da die Fälligkeit weit nach Eröffnung des Konkurses gelegen sei.
In der am abgehaltenen mündlichen Berufungsverhandlung wurde ergänzend ausgeführt, dass in der gegenständlichen Sache im November 2007 bereits einmal eine Berufungsentscheidung des UFS ergangen sei und daher res iudicata eingewendet werde. Die erste Berufungsentscheidung UFS sei seitens des Finanzamtes beim VwGH nicht angefochten worden, sodass der Bw. davon ausgegangen sei, die Sache sei damit erledigt. Auch eine Anfrage bei MR Dr. Ritz im BMF bzw. bei kundigen Rechtsanwälten habe diese Rechtsmeinung bestätigt. Auch werde eingewendet, dass gem. § 289 Abs. 3 BAO das Finanzamt an die Rechtsmeinung des UFS gebunden sei.
Trotz Vorliegen einer rechtskräftigen Berufungsentscheidung sei dennoch seitens Finanzamtes das Verfahren weitergeführt worden und es seien zwei Vorhalte ergangen. In der Folge sei erst in einem zeitlichen Abstand von mehr als einem Jahr die Erlassung des gegenständlichen Haftungsbescheides erfolgt, obwohl der Bw. davon ausgegangen sei, dass das Verfahren längst von der Behörde eingestellt worden sei.
Eingewendet werde auch, dass mit der Finanzbehörde I. Instanz ein außergerichtlicher Ausgleich abgeschlossen worden sei, der auch von der KG erfüllt worden sei, sodass der zugrunde liegende Abgabenanspruch erloschen sei.
Auch werde die mangelnde Begründung des angefochtenen Bescheides ins Treffen geführt. Diese bestehe aus einer Aneinanderreihung von Literaturmeinungen und Judikaten, wobei der zugrunde liegende Gedankengang der Behörde nicht erkennbar sei.
Über die Berufung wurde erwogen:
Bereits mit Bescheid vom hat das Finanzamt den Bw. für Abgabenschuldigkeiten der KG, nämlich Umsatzsteuer, Lohnsteuer, Dienstgeberbeitrag, Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 2003 und 2004 sowie Säumniszuschläge 2004 in Höhe von insgesamt € 64.897,66 zur Haftung gemäß §§ 9 und 80 BAO herangezogen.
Über die diesbezügliche Berufung hat der Unabhängige Finanzsenat mit Berufungsentscheidung vom , GZ. RV/1166-W/07, dahingehend entschieden, dass der Berufung teilweise stattgegeben und die Haftung auf die Lohnabgaben 2003 in Höhe von € 2.594,46 eingeschränkt wurde, da eine Umsatzsteuer 2003 und 2004, sowie eine Lohnsteuer , Dienstgeberbeitrag und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 2004 gemäß Rückstandsaufgliederung nicht aushafteten und die Säumniszuschläge 2004 erst nach Konkurseröffnung fällig gewesen sind.
Mit dem vorliegenden Bescheid wurde der Bw. für die Umsatzsteuer 9/1999, 10/1999, 12/1999, 8/2002, 10/2002 und 11/2002, sowie für die Lohnabgaben 9/1999, 10/1999, 11/1999, 1/2000, 11/2000, 1/2001, 9/2002, 11/2002, 12/2002, 1/2003 und 12/2003 zur Haftung herangezogen.
Es ist im Hinblick auf das Berufungsvorbringen zunächst zu prüfen, ob das mit Berufungsentscheidung des Unabhängigen Finanzsenates vom , GZ. RV/1166-W/07, rechtskräftig abgeschlossene Haftungsverfahren der Erlassung eines weiteren Haftungsbescheides entgegensteht.
Materielle Rechtskraft bedeutet im Verwaltungsverfahren nach herrschender Lehre Unwiderrufbarkeit, Unwiederholbarkeit und Verbindlichkeit des Bescheides.
Dadurch wird die wiederholte Aufrollung einer bereits entschiedenen Sache (ohne nachträgliche Änderungen der Sach- oder Rechtslage) verhindert. Die objektive (sachliche) Grenze dieser Wirkung der Rechtskraft wird durch die "entschiedene Sache", also durch die Identität der Verwaltungssache, über die bereits mit einem formell rechtskräftigen Bescheid abgesprochen wurde, mit der im neuen Bescheid intendierten bestimmt. Dabei kommt es allein auf den normativen Inhalt des bescheidmäßigen Abspruches des rechtskräftig gewordenen Vorbescheides an (vgl. etwa das Erkenntnis des ).
Einem Haftungsbescheid kommt rechtliche Bedeutung nur für jene Abgaben und Zeiträume zu, die nach seinem Spruch erfasst sind.
Die Forderung aus einer Jahresveranlagung wie etwa bei der Umsatzsteuer ist von den selbst gemeldeten bzw. festgesetzten monatlichen Umsatzsteuervorauszahlungen zu unterscheiden. Diese stellen daher unterschiedliche Abgaben dar.
Der Unabhängige Finanzsenat mit der bereits genannten Berufungsentscheidung erkennbar zum Ausdruck gebracht, dass eine Umsatzsteuer für 2003 und 2004 sowie Lohnabgaben für 2004 gemäß Rückstandsaufgliederung nicht aushaften. Der neuerliche Haftungsbescheid enthält keine Forderungen aus Jahresveranlagungen. Der mit dem ersten Haftungsbescheid geltend gemachten Lohnsteuernachforderung 2003 resultierte aus einer Lohnsteuerprüfung. Im Gegensatz dazu resultiert die Lohnsteuer 12/03 aus einer Selbstbemessung, weshalb es sich ebenfalls nicht um idente Abgaben handelt.
Eine entschiedene Sache liegt daher nicht vor.
Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen Berufenen alle Pflichten zu erfüllen, die dem von ihnen Vertretenen obliegen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden. Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff. bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.
Unbestritten ist, dass der Bw. als Geschäftsführer der K.-V.- GmbH fungierte, welche wiederum Komplementärin der V- KG war. Bei einer GmbH & Co. KG wird die Gesellschaft durch die Komplementär-GmbH, somit im Ergebnis durch deren Geschäftsführer vertreten (vgl. Koppensteiner in Straube, HGB, S 170, TZ 7). Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat dieser Geschäftsführer die abgabenrechtlichen Pflichten zu erfüllen, die der GmbH obliegen und damit auch die abgabenrechtlichen Pflichten, die die KG treffen. Bei schuldhafter Pflichtverletzung haftet er für die Abgaben der KG (vgl. , , , ).
Der Konkurs über das Vermögen der KG wurde am nach erfolgter Schlussverteilung aufgehoben. Die Konkursquote betrug 19,3015% und wurde bei den haftungsgegenständlichen Abgaben bereits berücksichtigt.
Der diese Quote übersteigende Betrag ist somit bei der Primärschuldnerin uneinbringlich.
Was die Uneinbringlichkeit bei der Komplementär-GmbH betrifft, so ist auch diese Voraussetzung für den Eintritt der Ausfallhaftung des Berufungswerbers als Geschäftsführer dieser GmbH erfüllt (vgl. ). Auf die Löschung der GmbH mit Gerichtsbeschluss vom wird diesbezüglich hingewiesen.
Entsprechend der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () ist es im Falle der Uneinbringlichkeit der Abgaben bei der Gesellschaft Sache des Geschäftsführers darzutun, weshalb er nicht Sorge getragen hat, dass die Gesellschaft die anfallenden Abgaben rechtzeitig entrichtet hat, widrigenfalls die Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung annehmen darf. In der Regel wird nämlich nur der Geschäftsführer jenen ausreichenden Einblick in die Gebarung der GmbH haben, der ihm entsprechende Behauptungen und Nachweise ermöglicht.
Aus der Aktenlage geht hervor, dass das Finanzamt auf Grund des Ansuchens vom um Abschluss eines außergerichtlichen Ausgleiches am schriftlich erklärt hat, nach Entrichtung eines Betrages von ATS 500.000,00 innerhalb eines Monates, den Betrag von ATS 1,046.384,19 (d.s. € 76.043,70) zu löschen.
In der Folge wurde der Betrag von € 76.043,70 nicht wie zugesagt gelöscht, sondern Abgabenschuldigkeiten in der genannten Höhe von der Einbringung ausgesetzt. Dies aber nicht sofort, sondern erst zeitlich später und nicht in Einem, so dass zwischenzeitig Saldozahlungen zu einer teilweisen vollständigen Abdeckung einzelner verglichener Abgabenschuldigkeiten führten. Durch die zeitlich verzögerte Aussetzung der vereinbarten € 76.043,60 sind in diesem Betrag auch nach Abschluss des außergerichtlichen Ausgleiches fällig gewordene haftungsgegenständliche Verbindlichkeiten enthalten.
Die nunmehr im Zusammenhang mit dem außergerichtlichen Ausgleich ausgesetzten Abgaben betreffen die haftungsgegenständlichen Abgabenschuldigkeiten mit nachstehender Ausnahme:
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Abgabenart | Zeitraum | Betrag |
Lohnsteuer | 12/2003 | 1.674,61 |
Dienstgeberbeitrag | 12/2003 | 151,71 |
Umsatzsteuer | 12/2006 | 7.947,45 |
Umsatzsteuer | 1/2004 | 1.868,86 |
Umsatzsteuer | 2/2004 | 3.763,39 |
Bei diesen Verbindlichkeiten wurde die Konkursquote bereits vom Finanzamt berücksichtigt.
Sofern das Finanzamt vermeint, die Haftungsvoraussetzungen für die die Ausgleichsquote übersteigenden Abgabenschuldigkeiten seien entsprechend der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () zur Haftung bei Zustimmung zu einem Zwangsausgleich gegeben, weil der Schuldnachlass nur gegenüber der Primärschuldnerin und nicht gegenüber allfällige Mitschuldner wirke, ist dem zu entgegnen, dass im außergerichtlichen Ausgleich der Schuldnachlass allein auf Grund der Bestimmung des § 235 Abs. 2 BAO (iVm § 236 Abs. 3 BAO) und nicht auf Grund der Bestimmung des § 156 KO erfolgt und die Bestimmung des § 151 KO nicht anwendbar ist, unabhängig davon, ob die Abschreibung auf Grund des § 235 BAO oder § 236 BAO verfügt wurde. Daher können bei Abschluss eines außergerichtlichen Ausgleiches die die Ausgleichsquote übersteigenden Abgabenschuldigkeiten anders als bei einer Zustimmung zu einem Zwangsausgleich nicht bei allfälligen Mitschuldnern geltend gemacht werden.
Selbst wenn man diese Rechtsansicht nicht teilen sollte, darf nicht übersehen werden, dass das Finanzamt schriftlich eine Löschung zugesagt hat. Dass die Bedingung zur Zustimmung des außergerichtlichen Ausgleiches, nämlich die Zahlung von ATS 500.000,00, erfüllt wurde ist aktenkundig und unbestritten. Im Hinblick auf die zugesagte Löschung konnte der Bw. darauf vertrauen, dass für diese Abgaben keine Haftung ausgesprochen wird, da eine solche für gelöschte Abgaben nicht geltend gemacht werden kann. Somit wäre im Rahmen des Ermessens zu berücksichtigen, dass das Finanzamt die Vereinbarung nicht eingehalten hat, daher der Haftung auch aus diesem Grunde insoweit stattzugeben.
Die Umsatzsteuer 12/2006 wurde nach der Konkurseröffnung () fällig, weshalb der Bw. für deren Entrichtung nicht mehr verpflichtet war. Der Berufung war daher auch für diese Abgabe stattzugeben.
Bezüglich der mit Haftungsbescheid geltend gemachten Lohnsteuer 12/2003 ergibt sich die schuldhafte Verletzung der Vertreterpflichten durch deren Nichtabfuhr nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Erkenntnis vom , 90/13/0143) aus der Bestimmung des § 78 Abs. 3 EStG, wonach jede Zahlung voller vereinbarter Arbeitslöhne, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel nicht auch für die darauf entfallende und einzubehaltende Lohnsteuer ausreichen, eine schuldhafte Verletzung der abgabenrechtlichen Pflichten des Vertreters darstellt.
Nachdem diese gemäß Rückstandsaufgliederung mit € 2.474,67 aushaftet, ist die Konkursquote nicht mehr zu berücksichtigen.
Für den Dienstgeberbeitrag 12/2003 sowie die Umsatzsteuervorauszahlungen 1/2004 und 2/2004 ist der Gleichbehandlungsgrundsatz zu beachten.
Wie aus dem Sachverhalt ersichtlich, hat der Bw. den Quotenschaden für den Zeitraum bis zur Konkurseröffnung mit 7% errechnet.
Dieser Berechnung folgt der Unabhängige Finanzsenat mit der Einschränkung, dass die Zahlung an die U. GmbH keinen Durchlaufposten darstellt.
Der Unternehmer darf, soll ein durchlaufender Posten vorliegen, nicht einen eigenen Anspruch geltend machen oder seine eigene Verbindlichkeit erfüllen. Er darf weder Gläubiger noch Schuldner, sondern nur Mittelsmann sein.
Der Bw. gesteht selbst zu, dass die KG den Vertrag mit der Bundesimmobiliengesellschaft abgeschlossen hat und daher Auftragnehmer war. Die Arbeiten wurden gemäß Eingabe vom im Subauftrag von der U. GmbH durchgeführt und diese stand daher mit der KG im Vertragsverhältnis und nicht mit der B-Gesellschaft . Bei dieser Zahlung durch die B-Gesellschaft handelt es sich daher um Einnahmen der KG.
Wie bereits ausgeführt, ist für die Lohnsteuer der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht anzuwenden. Die vom Bw. genannte Zahlung in Höhe von € 2.698,24 betraf die Lohnsteuer 03/04 in Höhe von € 1.972,81 sowie den diesbezüglichen Dienstgeberbeitrag und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag in Höhe von insgesamt € 725,43.
Die Höhe der liquiden Mittel betrug demnach € 84.339,61 (€ 61.201,29 lt. Eingabe + € 23.138,32 Zahlung U.), der gesamten Schulden € 613.127,23 (€ 590.788,91 lt. Eingabe + € 23.138,32) die FA-Verbindlichkeiten € 75.702,73 (€ 74.977,30 lt. Forderungsanmeldung + € 725,43).
Damit ergibt sich hinsichtlich des haftungsgegenständlichen Dienstgeberbeitrages 12/2003 und der Umsatzsteuer 1/2004 und 2/2004 ein Quotenschaden in Höhe von € 739,16.
Die Haftung war daher auf den Betrag in Höhe von € 2.413,77 (1.674,61 Lohnsteuer + € 739,16 Quotenschaden) einzuschränken.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at