Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSI vom 28.06.2007, RV/0446-I/06

Kosten der doppelten Haushaltsführung eines slowakischen Staatsbürgers bei zeitlich befristeter Arbeitsbewilligung in Österreich

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw., gegen den Bescheid des Finanzamtes Kitzbühel Lienz betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2003 entschieden:

Der Berufung wird Folge gegeben. Die Bemessungsgrundlage und die festgesetzte Abgabe betragen: Einkommen 2003: 9.341,66 €, Einkommensteuergutschrift (nach Abzug der anrechenbaren Lohnsteuer): -1.924,01 €.

Entscheidungsgründe

Der Berufungswerber ist slowakischer Staatsbürger. Er ist verheiratet und hat zwei Kinder (geboren am und am ). Der Familienwohnsitz befindet sich in der Slowakei in A. Der Berufungswerber ist seit 1992 bei einem Tiroler Handwerksbetrieb (Fa. X. in B) beschäftigt, wobei sein Dienstverhältnis regelmäßig einige Wochen von ca. Mitte Dezember jeden Jahres bis Ende Jänner des Folgejahres unterbrochen ist, weil in dieser Zeit der Betrieb regelmäßig geschlossen hat. An seinem Arbeitsort hatte der Berufungswerber im Streitjahr eine ca. 45 bis 50 m2 große Wohnung (bestehend aus einem Zimmer, Küche und Bad) inne, die er von seinem Arbeitgeber gemietet hatte. Die Ehefrau und die beiden minderjährigen Kinder des Berufungswerbers wohnten in A, Slowakei, wo die Familie ein Haus besitzt.

Die Bruttobezüge des Berufungswerbers beliefen sich im Jahr 2003 auf rund 17.000 €. Für die Monate Jänner bis März 2003 wurden ihm Krankengelder von rund 3.500 € ausbezahlt, für die 13 Tage vom 19. bis bezog er Arbeitslosengeld (343,17 €). In der Erklärung zur Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung 2003 machte der Berufungswerber die Kosten der Mietwohnung an seinem Arbeitsort (2.856,24 €) sowie die Kosten für sieben Familienheimfahrten in die Slowakei (1.925 €) als Werbungskosten geltend. Im Einkommensteuerbescheid 2003 ließ das Finanzamt den beantragten Werbungskostenabzug nicht zu. Begründend führte es aus, die Ausgaben für die Familienheimfahrten und die doppelte Haushaltsführung stellten nicht abzugsfähige Kosten der privaten Lebensführung dar, zumal die Ehegattin des Berufungswerbers erst seit eigene Einkünfte in der Slowakei in Höhe von ca. 210 € monatlich erziele.

Dagegen wurde mit Berufung eingewendet, die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Arbeitsort des Berufungswerbers sei aus mehreren Gründen unzumutbar gewesen. So habe der Berufungswerber als Ausländer jeweils nur eine auf fünf Jahre befristete Arbeitsbewilligung in Österreich erhalten und alle fünf Jahre mit der ernsthaft und latent drohenden Möglichkeit rechnen müssen, dass ihm keine Arbeitsbewilligung (und damit auch keine Aufenthaltsbewilligung) mehr gewährt werde. Auf eine Verlängerung, um die immer wieder angesucht werden musste, habe der Berufungswerber keinen Rechtsanspruch gehabt. In solch unsicheren Umständen wäre ein Wohnsitzwechsel mit zwei minderjährigen Kindern unverantwortlich gewesen. Weiters verfüge der Berufungswerber an seinem Arbeitsort nur über eine einfache Unterkunft, die für die Familie viel zu klein wäre. Dazu kämen wirtschaftliche Gründe: Eine Verlegung des Wohnsitzes nach Österreich würde das Familienbudget durch die erhöhten Wohnkosten so herabsetzen, dass es wirtschaftlich besser wäre, wenn der Berufungswerber seinen derzeitigen Arbeitsplatz aufgeben und sich (bei niedrigerem Lohn) eine Arbeitsstelle in der Slowakei suchen würde. Der Mittelpunkt der Lebensinteressen des Berufungswerbers befinde sich in der Slowakei, wo er zusammen mit seiner Ehegattin auf einem geerbten Grundstück ein Haus errichtet habe. Seine Kinder gingen am Wohnort in der Slowakei zur Schule. Die Ehegattin habe beabsichtigt, am Wohnort beruflich tätig zu werden, sobald die Kinder älter geworden seien; inzwischen habe seine Ehegattin in der Slowakei eine Berufstätigkeit aufgenommen.

In der abweislichen Berufungsvorentscheidung führte das Finanzamt - offensichtlich auf Grund von aktenkundigen Meldezetteln der Gemeinde B, denen zufolge die Ehegattin und das jüngere Kind am von B nach A, Slowakei "verzogen" seien - aus, bis August 2000 habe sich der Familienwohnsitz am Arbeitsort des Berufungswerbers in Österreich befunden. "Ab diesem Zeitpunkt" könnten Familienheimfahrten für eine Übergangsfrist von zwei Jahren (bis September 2002) abgezogen werden. Da die Ehegattin des Berufungswerbers erst ab Jänner 2004 über steuerlich relevante eigene Einkünfte verfüge, würden die Familienheimfahrten erst wieder ab 2004 anerkannt.

Im Vorlageantrag brachte der Berufungswerber vor, die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Arbeitsort des Steuerpflichtigen könne nicht nur wegen der Erwerbstätigkeit der Ehegattin, sondern auch aus anderen Gründen unzumutbar sein. Solche Gründe seien in der Berufung genannt worden.

Im Verfahren vor der Abgabenbehörde zweiter Instanz erteilte der Berufungswerber über diesbezüglichen Vorhalt folgende Auskünfte:

Vom bis zum habe der Berufungswerber an seinem Arbeitsort in Österreich eine größere Mietwohnung zur Verfügung gehabt, die in dieser Zeit auch von seiner Ehegattin und den Kindern (vorübergehend als Nebenwohnsitz) benützt worden sei. Damals habe die Familie in regelmäßigen Abständen (einmal monatlich) das Haus in der Slowakei aufgesucht. Als das ältere Kind schulpflichtig geworden sei, sei die Ehegattin des Berufungswerbers mit den beiden Kindern am Hauptwohnsitz in der Slowakei geblieben. Dies sei so geplant gewesen. Eine Auswanderung aus der Slowakei sei nie in Erwägung gezogen worden. Der Hauptwohnsitz bzw. der Mittelpunkt der Lebensinteressen sei stets in der Slowakei gelegen. Ab September 1998 habe der Berufungswerber an seinem Arbeitsort eine kleinere Wohnung gemietet. Die Kosten des Hauses in der Slowakei, A (mit ca. 290 m2 Wohnfläche) würden umgerechnet rund 4.000 € im Jahr ausmachen, wovon ca. 2.400 € auf Wasser, Strom, Gas, Heizung, Rundfunk und TV und ca. 1.600 € auf Mullabfuhr, Steuern und Reparaturkosten entfielen. Insgesamt beliefen sich die jährlichen Lebenshaltungskosten der Familie in der Slowakei (einschließlich der Kosten des Hauses) auf umgerechnet ca. 12.000 €. Dazu kämen die Ausgaben für "Familienheimfahrten" von ca. 4.000 €. Nach Einschätzung des Berufungswerbers wären die Lebenshaltungskosten der Familie im Falle eines Umzuges nach Österreich - bei geringerer Wohnqualität (kalkulierte Miete für eine 65 m2 große Mietwohnung ca. 6.000 € pro Jahr) - "doppelt so hoch".

Der Berufungswerber legte weiters den für das Streitjahr gültigen (bis befristeten) Befreiungsschein gemäß § 15a des Ausländerbeschäftigungsgesetzes vor. Weiters wies er darauf hin, dass für slowakische Staatsbürger auch nach dem (mit wirksam gewordenen) EU-Beitritt der Slowakei durch die Übergangsregelungen im Beitrittsvertrag noch Beschränkungen des freien Zuganges zum Arbeitsmarkt bestünden. Für die Beurteilung der Arbeitsmarksituation im Streitjahr 2003 habe der Beitrittsvertrag an der bestehenden Unsicherheit noch nichts geändert.

Dem Finanzamt als Amtspartei wurde das ergänzende Vorbringen des Berufungswerbers zur Kenntnis gebracht. In seiner Stellungnahme führte das Finanzamt aus, auf Grund der geschilderten wirtschaftlichen Bedeutung der Wohnkosten und unter der Annahme, dass der Berufungswerber im Jahr 2003 nicht mit absoluter Sicherheit mit einer Verlängerung des befristeten Befreiungsscheines habe rechnen können, werde eine Zumutbarkeit der Verlegung des Familienwohnsitzes von der Slowakei nach Österreich wohl zu verneinen sein.

Über die Berufung wurde erwogen:

Gemäß § 16 Abs. 1 erster Satz EStG 1988 sind Werbungskosten die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen. Wenn dem Arbeitnehmer Mehraufwendungen erwachsen, weil er am Beschäftigungsort wohnen muss und die Verlegung des (Familien-)Wohnsitzes in eine übliche Entfernung zum Ort der Erwerbstätigkeit nicht zugemutet werden kann, sind diese Mehraufwendungen Werbungskosten iSd § 16 Abs. 1 EStG 1988.

Die Beibehaltung des Familienwohnsitzes ist aus der Sicht einer Erwerbstätigkeit, die in unüblicher Entfernung von diesem Wohnsitz ausgeübt wird, niemals durch die Erwerbstätigkeit, sondern immer durch Umstände veranlasst, die außerhalb dieser Erwerbstätigkeit liegen. Der Grund, warum Aufwendungen für die doppelte Haushaltsführung dennoch als Werbungskosten bei den aus der Erwerbstätigkeit erzielten Einkünften Berücksichtigung finden, liegt darin, dass derartige Aufwendungen so lange als durch die Erwerbstätigkeit veranlasst gelten, als dem Erwerbstätigen eine Wohnsitzverlegung in übliche Entfernung vom Ort der Erwerbstätigkeit nicht zugemutet werden kann. Dies bedeutet aber nicht, dass zwischen den für eine solche Unzumutbarkeit sprechenden Gründen und der Erwerbstätigkeit ein ursächlicher Zusammenhang bestehen muss. Die Unzumutbarkeit kann ihre Ursachen sowohl in der privaten Lebensführung, als auch in einer weiteren Erwerbstätigkeit des Steuerpflichtigen oder in einer Erwerbstätigkeit seines (Ehe-)Partners haben (; ; ; ).

Sachverhaltsmäßig ist davon auszugehen, dass der Berufungswerber seit 1992 - jeweils mit mehrwöchiger Unterbrechung im Dezember/Jänner eines jeden Jahres - bei einem österreichischen Arbeitgeber beschäftigt ist. Von Oktober 1994 bis zum Eintritt der Schulpflicht des älteren Kindes im Herbst 1998 hatte die Familie des Berufungswerbers, ohne den Wohnsitz in der Slowakei aufzugeben, mit ihm eine (damals größere) Wohnung an seinem Arbeitsort B geteilt. Die polizeiliche Abmeldung der Ehegattin und des jüngeren Kindes des Berufungswerbers ist nach den im Beihilfenakt des Finanzamtes vorhandenen Meldezetteln offensichtlich erst verspätet (im August 2000) erfolgt. Seit Oktober 1998 bewohnt der Berufungswerber an seinem Arbeitsort in B eine Kleinwohnung. Die Ehegattin und die beiden Kinder des Berufungswerbers leben seither in der Slowakei.

Gegen die Zumutbarkeit einer (dauerhaften) Verlegung des Familienwohnsitzes nach Österreich hat der Berufungswerber einerseits die Befristung der Arbeitsbewilligung in Österreich und andererseits wirtschaftliche Gründe ins Treffen geführt:

Der Berufungswerber war im Streitjahr 2003 im Besitz eines nach § 15 Abs. 1 Z 1 und § 15a Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) ausgestellten Befreiungsscheines mit Gültigkeitsdauer vom bis , der ihn ohne Einschränkung im gesamten Bundesgebiet zur Ausübung einer Beschäftigung berechtigte. Der Befreiungsschein vermittelte den Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt aber nur befristet auf die Dauer von fünf Jahren. Gemäß § 15a AuslBG in der für das Streitjahr maßgeblichen Fassung ist der (jeweils für fünf Jahre ausgestellte) Befreiungsschein zu verlängern, wenn der Ausländer während der letzten fünf Jahre mindestens zweieinhalb Jahre im Bundesgebiet gemäß dem AuslBG beschäftigt war. Im Hinblick auf die nach § 15a AuslBG erforderliche Mindestbeschäftigungsdauer - in die zB Krankheitszeiten nicht eingerechnet würden (telefonische Auskunft des Arbeitsmarktservice Kitzbühel vom ) - war für den Berufungswerber im Jahr 2003 eine (weitere) Verlängerung der Arbeitsbewilligung in Österreich nach mehr als zehnjähriger, jeweils nur kurz unterbrochener Beschäftigungsdauer beim selben Arbeitgeber zwar wahrscheinlich, aber noch nicht gänzlich gesichert. Mit Wirksamwerden des Beitrittes der Slowakei zur Europäischen Union am hat sich die Rechtslage geändert: Nach § 32a Abs. 2 AuslBG in der Fassung des EU-Erweiterungs-Anpassungsgesetzes (Bundesgesetz vom , BGBl. I Nr. 28/2004) ist den Bürgern der "neuen" Beitrittsländer vom Arbeitsmarktservice das Recht auf Zugang zum Arbeitsmarkt unter anderem dann schriftlich zu bestätigen, wenn sie am Tag des Beitrittes oder nach dem Beitritt rechtmäßig im Bundesgebiet beschäftigt sind und ununterbrochen mindestens zwölf Monate zum Arbeitsmarkt zugelassen waren (Z 1) bzw. wenn sie die Voraussetzungen für einen Befreiungsschein erfüllen (Z 2). Eine " Freizügigkeitsbestätigung" nach § 32a Abs. 2 AuslBG ist im Gegensatz zum "Befreiungsschein" nach § 15 AuslBG unbefristet gültig. Hinsichtlich des Streitjahres 2003 ist dem Berufungswerber jedoch darin beizupflichten, dass er sich in Bezug auf die Arbeitserlaubnis in Österreich in keiner (gänzlich) gesicherten Rechtsposition befand.

Darüber hinaus konnte der Berufungswerber glaubhaft machen, dass der Umzug der Familie nach Österreich infolge der insgesamt höheren Lebenshaltungskosten wirtschaftlich nachteilig gewesen wäre. Den höheren Mietkosten einer "Familienwohnung" am Arbeitsplatz des Berufungswerbers stünde zwar die Einsparung der derzeitigen Wohnkosten der Familie (jährlich ca. 4.000 € für das Haus in der Slowakei; ca. 2.800 € für die Kleinwohnung des Berufungswerbers an seinem Arbeitsplatz) sowie der Kosten der Familienheimfahrten gegenüber. Ob allein schon die mit einem solchen Umzug verbundenen Einschränkungen, was zB die Größe einer "leistbaren" Wohnung am Arbeitsplatz angeht, oder der Schulbesuch der Kinder im Heimatstaat eine Wohnsitzverlegung nach Österreich unzumutbar machten, braucht nicht näher untersucht zu werden. Solange der Berufungswerber zudem noch keinen unbeschränkten Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt hatte, ist sein Vorbringen, dass eine Aufgabe des Familienwohnsitzes in der Slowakei und ein Umzug der Familie nach Österreich unzumutbar gewesen wäre, nicht von der Hand zu weisen.

Die Kosten der doppelten Haushaltsführung waren daher als Werbungskosten anzuerkennen. Hinsichtlich der Familienheimfahrten liegt zwar kein Nachweis (etwa in Form eines fortlaufend geführten Fahrtenbuches) vor, doch erscheinen die vom Berufungswerber geltend gemachten Kosten (für sieben Fahrten in die Slowakei mit dem in Österreich zugelassenen Pkw) glaubhaft.

Die Neuberechnung der Abgabe ist dem beiliegenden Berechnungsblatt zu entnehmen.

Beilage : 1 Berechnungsblatt

Innsbruck, am

Ergeht auch an: Finanzamt als Amtspartei

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
Schlagworte
Familienwohnsitz
Familienheimfahrten
Wohnkosten
Ausländerbeschäftigungsgesetz
Befreiungsschein
Freizügigkeitsbestätigung

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at