Berufungsentscheidung - Zoll (Referent), UFSZ1W vom 07.02.2012, ZRV/0226-Z1W/08

Mineralölsteuerbefreiung für Luftfahrtbetriebsstoff

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Beschwerde der Bf., vom gegen die Berufungsvorentscheidung des Zollamtes Wien vom , Zl. zzz, betreffend Rückerstattung der Mineralölsteuer entschieden:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Entscheidungsgründe

Mit der an das Zollamt Wien gerichteten Eingabe vom beantragte die nunmehrige Beschwerdeführerin (Bf.), die Bf., die Rückerstattung von Mineralölsteuer für eine Menge von 27.769 Liter 15 Grad Celsius versteuerten Luftfahrtbetriebsstoff für den Zeitraum von Jänner bis Dezember 2006.

Das Zollamt Wien wies diesen Antrag mit Bescheid vom , Zl. ZZZ, ab.

Gegen diesen Bescheid erhob die Bf. mit Schreiben vom fristgerecht den Rechtsbehelf der Berufung.

Diese Berufung wies das Zollamt Wien mit Bescheid vom , Zl. zzz, als unbegründet ab.

Gegen diese Berufungsvorentscheidung richtet sich die vorliegende am beim Unabhängigen Finanzsenat persönlich eingebrachte, mit datierte Beschwerde.

Mit Bescheid vom , GZ. ZRV/0226-Z1W/08, setzte der Unabhängige Finanzsenat die Entscheidung über diese Beschwerde bis zur Beendigung des beim Europäischen Gerichtshof schwebenden Verfahrens in der Rechtssache C-79/10 im Grunde des § 281 BAO aus.

Der Gerichtshof der Europäischen Union hat mit Urteil vom in der Rechtssache C-79/10 für Recht erkannt:

"1. Art. 14 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2003/96/EG des Rates vom zur Restrukturierung der gemeinschaftlichen Rahmenvorschriften zur Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom ist dahin auszulegen, dass die in dieser Vorschrift vorgesehene Steuerbefreiung für Kraftstoff, der für die Luftfahrt verwendet wird, einem Unternehmen wie dem im Ausgangsverfahren in Rede stehenden, das zur Anbahnung von Geschäften ein ihm gehörendes Flugzeug nutzt, um Mitarbeiter zu Kunden oder Messen zu befördern, nicht zugutekommt, da diese Beförderung nicht unmittelbar der entgeltlichen Erbringung von Luftfahrt-Dienstleistungen durch dieses Unternehmen dient.

2. Art. 15 Abs. 1 Buchst. j der Richtlinie 2003/96 ist dahin auszulegen, dass Kraftstoffe, die für Flüge zu einer Flugzeugwerft und wieder zurück verwendet werden, nicht in den Anwendungsbereich dieser Vorschrift fallen."

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Die wichtigsten Bestimmungen in der entscheidungsmaßgeblichen Fassung lauten:

Art. 14 Abs. 1 Buchstabe b der Richtlinie 2003/96/EG des Rates vom zur Restrukturierung der gemeinschaftlichen Rahmenvorschriften zur Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom (ABl. L 283, S. 51):

"Über die allgemeinen Vorschriften für die steuerbefreite Verwendung steuerpflichtiger Erzeugnisse gemäß der Richtlinie 92/12/EWG hinaus und unbeschadet anderer Gemeinschaftsvorschriften befreien die Mitgliedstaaten unter den Voraussetzungen, die sie zur Sicherstellung der korrekten und einfachen Anwendung solcher Befreiungen und zur Verhinderung von Steuerhinterziehung und -vermeidung oder Missbrauch festlegen, die nachstehenden Erzeugnisse von der Steuer:

...

b) Lieferungen von Energieerzeugnissen zur Verwendung als Kraftstoff für die Luftfahrt mit Ausnahme der privaten nichtgewerblichen Luftfahrt.

Im Sinne dieser Richtlinie ist unter der ,privaten nichtgewerblichen Luftfahrt' zu verstehen, dass das Luftfahrzeug von seinem Eigentümer oder der durch Anmietung oder aus sonstigen Gründen nutzungsberechtigten natürlichen oder juristischen Person für andere als kommerzielle Zwecke und insbesondere nicht für die entgeltliche Beförderung von Passagieren oder Waren oder für die entgeltliche Erbringung von Dienstleistungen oder für behördliche Zwecke genutzt wird.

Die Mitgliedstaaten können die Steuerbefreiung auf Lieferungen von Flugturbinenkraftstoff (KN-Code 2710 19 21) beschränken".

§ 5 Abs. 3 und Abs. 6 Mineralölsteuergesetz:

(3) Wurde für Mineralöle, Kraftstoffe oder Heizstoffe, die nach § 4 Abs. 1 Z 1 bis 9 steuerfrei sind, die Mineralölsteuer entrichtet, so ist sie, außer in den Fällen des § 4 Abs. 1 Z 5, 6, 7 und 9 auf Antrag des Steuerschuldners zu erstatten.

6) Erstattungs- und Vergütungsanträge sind nur für volle Kalendermonate zulässig. Sie sind bei sonstigem Verlust des Anspruchs bis zum Ablauf des auf die Aufnahme oder die Verwendung des Mineralöls, Kraftstoffs oder Heizstoffs folgenden Kalenderjahres zu stellen.

§ 4 Abs. 1 Z 1 Mineralölsteuergesetz:

Von der Mineralölsteuer sind befreit:

1. Mineralöl, das als Luftfahrtbetriebsstoff an Luftfahrtunternehmen für die gewerbsmäßige Beförderung von Personen oder Sachen oder für sonstige gewerbsmäßige Dienstleistungen, die mittels eines Luftfahrzeuges erbracht werden, aus Steuerlagern oder Zollagern abgegeben wird;

...

Laut Vorbringen der Bf. wurde der gegenständliche Treibstoff für Betankungen eines Hubschraubers der Firma NNGmbH verwendet. Außer Streit steht, dass dieses Unternehmen den erwähnten Helikopter ausnahmslos für Werksflüge zum Zwecke von Personentransporten einsetzt, wobei es sich lt. Bf. um dienstliche Flüge der Mitglieder der Geschäftsführung handelt.

Strittig ist, ob hinsichtlich des dabei verbrauchten Luftfahrtbetriebsstoffes die Voraussetzung für eine Steuererstattung nach den oben zitierten Normen besteht.

Die Bf. argumentiert, die vom Zollamt zur Anwendung gebrachten Bestimmungen des § 4 Abs. 1 Z 1 seien enger gefasst als die Befreiungsbestimmungen des Art. 14 der oben erwähnten Richtlinie 2003/96/EG. Dies deshalb, weil sie die Befreiung auf jenes Mineralöl beschränken, das als Luftfahrtbetriebsstoff an Luftfahrtunternehmen für die gewerbsmäßige Beförderung von Personen oder Sachen oder für sonstige gewerbsmäßige Dienstleistungen, die mittels eines Luftfahrzeuges entgeltlich erbracht werden, aus Steuerlagern oder Zolllagern abgegeben wird. Die Abgabenbehörde erster Instanz habe durch die Nichtgewährung der begehrten Erstattung der Mineralölsteuer den Anwendungsvorrang der unionsrechtlichen Bestimmungen missachtet.

Sie räumt zwar ein, dass die zitierte Richtlinie von der Befreiung jene Energieerzeugnisse ausnimmt, die zur Verwendung als Kraftstoff für die "private nichtgewerbliche Luftfahrt" bestimmt sind. Im Sinne der Richtlinie sei aber unter der "privaten nichtgewerblichen Luftfahrt" zu verstehen, dass das Luftfahrzeug für andere als kommerzielle Zwecke genutzt werde.

Dass es sich bei den Flügen der NNGmbH um dienstliche Flüge der Geschäftsführung handle, sei bereits bei der Antragstellung dokumentiert worden. Damit sei klar gelegt, dass es sich dabei um kommerziell veranlasste Flüge im Sinne der zitierten Richtlinie handle.

Diese Auslegung steht allerdings im Widerspruch mit den Feststellungen im o.a. Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union. Nach Tenor 1 dieses Urteils kommt die erwähnte Steuerbefreiung dann nicht in Betracht, wenn ein Unternehmen das Flugzeug dazu nutzt, um Mitarbeiter zu Kunden oder Messen zu befördern, da diese Beförderung nicht unmittelbar der entgeltlichen Erbringung von Luftfahrt-Dienstleistungen durch dieses Unternehmen dient.

Zur Klärung der Frage, ob kommerziell veranlasste Flüge vorliegen, ist demnach nicht darauf abzustellen, ob das betreffende Unternehmen das Flugzeug für geschäftliche Zwecke dazu benutzt, um Menschen oder Material zwischen einzelnen Niederlassungen, zur Wahrnehmung von Besprechungsterminen, Messen etc. zu befördern. Entscheidungsmaßgeblich ist vielmehr, ob mit dem betreffenden Flugzeug eine "entgeltliche Luftfahrt-Dienstleistung" erbracht wird, wovon im Anlassfall aber keine Rede ist.

Dazu kommt, dass der angesprochenen Bestimmung des Art. 14 Abs. 1 Buchstabe b der Richtlinie 2003/96, wie deren 23. Erwägungsgrund zu entnehmen ist, die Einhaltung internationaler Verpflichtungen und der Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen in der Gemeinschaft zugrunde liegt. Letztere bezieht sich in erster Linie auf diejenige der Luftfahrtgesellschaften der Gemeinschaft gegenüber derjenigen der Luftfahrtgesellschaften von Drittstaaten (EuGH C-79/10, Randnr. 26).

Aus all diesen Gründen ist die genannte Richtlinie daher entgegen der Ansicht der Bf. gemäß der Rechtsprechung des EuGH so auszulegen, dass die Steuerbefreiung nur für Luftfahrtunternehmen vorgesehen ist. Die Bestimmungen des § 4 Abs. 1 Z 1 MinStG 1995 enthalten daher zu Recht eine derartige Einschränkung. Dass es sich bei der Firma NNGmbH um kein solches Luftfahrtunternehmen handelt, steht unbestritten fest.

Der begehrten Abgabenbefreiung steht somit die Tatsache entgegen, dass der Helikopter nicht unmittelbar zur entgeltlichen Erbringung von Luftfahrt-Dienstleistungen durch ein Luftfahrtunternehmen zum Einsatz gebracht worden ist.

Den Urteilen und Beschlüssen des EuGH im Rahmen des Vorabentscheidungsverfahrens kommt grundsätzlich ex tunc Wirkung zu. Sie entfalten also rückwirkende Kraft, d.h. sie legen verbindlich den Inhalt bzw. die Reichweite oder den Bestand des jeweiligen Unionsrechts mit Wirkung vom Zeitpunkt seines Inkrafttretens an fest (EuGH, RS 24/86, Randnr. 27).

Daraus folgt, dass der Unabhängige Finanzsenat die erwähnte Richtlinie in der vorliegenden Auslegung auch auf Rechtsverhältnisse anzuwenden hat, die vor Ergehen des Urteils über das o.a. Vorabentscheidungsersuchen entstanden sind (EuGH RS C-61/79).

Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Zoll
betroffene Normen
§ 281 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Art. 14 Abs. 1 Buchstabe b RL 2003/96/EG, ABl. Nr. L 283 vom S. 51
§ 4 Abs. 1 Z 1 MinStG 1995, Mineralölsteuergesetz 1995, BGBl. Nr. 630/1994
Verweise
EuGH, C-79/10
EuGH, 24/86
EuGH, C-61/79

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at