Wiedereinsetzung in den vorigen Stand infolge Fehlleistung eines Kanzleiangestellten
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw, gegen den Bescheid des Finanzamtes X vom betreffend Abweisung des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 308 BAO (betreffend die Berufungsfristen gegen die Einkommensteuerbescheide 2002 und 2003) entschieden:
Der Berufung wird Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid wird wie folgt abgeändert:
Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Versäumung der Berufungsfristen gegen die Einkommensteuerbescheide 2002 und 2003 vom wird bewilligt.
Entscheidungsgründe
Der Berufungswerber ist Pensionist. Er bezog in den Berufungsjahren 2002 und 2003 neben seinen Pensionseinkünften Einkünfte aus Gewerbebetrieb aus der Tätigkeit als Bausparkassenvertreter und Versicherungsvertreter.
Mit Bescheiden vom setzte das Finanzamt die Einkommensteuer für 2002 und 2003 fest. Da der Berufungswerber für die Jahre 2002 und 2003 äußerst mangelhafte Einnahmen-Ausgaben-Rechnungen vorgelegt und einen Vorhalt des Finanzamtes nicht beantwortet hatte, wurden vom Finanzamt bei der Ermittlung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb lediglich das 12 %-ige Betriebsausgabenpauschale gemäß § 17 Abs. 1 EStG 1988 sowie die vom Berufungswerber als Betriebsausgabe beantragten Kammerbeiträge einkunftsmindernd berücksichtigt. Die Einkünfte aus Gewerbebetrieb wurden im Einkommensteuerbescheid 2002 mit 19.329,74 € (Einnahmen aus den freien Dienstverträgen insgesamt 22.371,86 € abzüglich 12 % Betriebsausgabenpauschale in Höhe von 2.684,62 € und abzüglich Kammerbeiträge in Höhe von 357,50 €) und im Einkommensteuerbescheid 2003 mit 26.544,86 € (Einnahmen aus den freien Dienstverträgen 30.164,61 € abzüglich 12 % Betriebsausgabenpauschale in Höhe von 3.619,75 €) angesetzt.
Mit Schriftsatz vom stellte die den Berufungswerber steuerlich vertretende Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft den Antrag auf Verlängerung der Berufungsfrist gegen die Einkommensteuerbescheide 2002 und 2003 vom bis zum . In dem Schreiben vom ist unter anderem ausgeführt: "Unser Klient konnte uns die notwendigen Unterlagen zur Erstellung der Einnahmen-Ausgaben-Rechnung aus privaten Gründen bis jetzt nicht übermitteln, wird dies aber innerhalb der nächsten Woche veranlassen. Sobald die Unterlagen von uns verarbeitet sind, werden wir Berufung gegen die oben genannten Bescheide erheben."
Über diesen Antrag wurde vom Finanzamt nicht bescheidmäßig abgesprochen.
Am brachte die steuerliche Vertreterin einen neuerlichen Antrag auf Verlängerung der Berufungsfrist gegen die Einkommensteuerbescheide 2002 und 2003 bis zum beim Finanzamt ein.
Mit Bescheid vom wies das Finanzamt den Fristverlängerungsantrag vom als verspätet zurück.
Mit Schriftsatz vom stellte die steuerliche Vertreterin hinsichtlich der versäumten Rechtsmittelfristen einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 308 BAO sowie einen Antrag auf Wiederaufnahme der Verfahren gemäß § 303 Abs. 1 lit. b BAO, in eventu § 303 Abs. 4 BAO.
Im Schriftsatz vom wird Folgendes ausgeführt:
Die Einkommensteuerbescheide 2002 und 2003 vom seien ihrem Mandanten ordnungsgemäß zugestellt worden. Am seien die Bescheide von ihrem Mandanten an Wirtschaftsprüfer A in ihren Kanzleiräumlichkeiten mit dem Hinweis, dass er die zur Erstellung der Steuererklärungen nötigen Belege umgehend nachbringen werde, übergeben worden. Da sich der üblicherweise mit Rechtsmittelverfahren befasste Mitarbeiter B zu diesem Zeitpunkt in Bildungskarenz befunden habe, sei die Angelegenheit an Mitarbeiter C übergeben worden. Letzterer habe vor Eintritt in die Kanzlei (im Juli 2005) bereits über eine einjährige Erfahrung im Bereich der steuerlichen Beratung verfügt. Seine bis dato gezeigte Leistung sei intern positiv beurteilt worden. Da der Mitarbeiter C der Ansicht gewesen sei, dass die im Schreiben vom beantragte Verlängerung der Berufungsfrist bescheidmäßig zu ergehen hätte, sei diese von ihm, entgegen den Anweisungen und Gepflogenheiten, nicht im kanzleiweit implementierten Kontrollsystem als "offene Frist" vermerkt worden. Weiters habe er auf Grund des von ihm verfassten Wortlautes der Fristverlängerung ("werden wir Berufung gegen die oben genannten Bescheide erheben") diese, da der Klient keine Unterlagen rechtzeitig beigebracht hatte, als nicht verfristet erachtet.
Die entschuldbare Fehlleistung des Kanzleimitarbeiters stelle ein im Sinne des § 308 BAO unabwendbares Ereignis dar.
Die Wirtschaftstreuhandkanzlei verfüge über ein internes Kontrollsystem für die Fristenevidenz. Dieses sei solcherart ausgestaltet, dass jeder Bescheid bzw. jedes sonstige einlangende Schriftstück vom Sekretariat auf Fristen kontrolliert werde. Diese würden in weiterer Folge im EDV-System erfasst. Spätestens eine Woche vor dem jeweiligen Termin werde eine Erinnerung unter Vorlage einer Kopie des fristenrelevanten Schriftstückes an den jeweiligen Teamleiter ausgegeben. Dieser kontrolliere die Fristenevidenz, gebe sie zur weiteren Bearbeitung an den zuständigen Sachbearbeiter weiter und überwache die Einhaltung. Da über die Fristverlängerung im konkreten Fall nicht bescheidmäßig abgesprochen wurde, habe diese Frist auch nicht im EDV-System erfasst werden können.
Für alle jene Fristen, welche nicht über das Sekretariat erfasst würden, sei der jeweilige Sachbearbeiter verpflichtet, eine Notiz im Korrespondenzprogramm anzulegen, damit auch diese Fristen im Zuge der Fristenbenachrichtigung sowohl für die Teamleiter als auch für die jeweiligen Sachbearbeiter evident gehalten würden. Diese Eintragung sei jedoch durch den Mitarbeiter C - entgegen den kanzleiinternen Anweisungen - unterlassen worden.
In eventu werde der Antrag auf Wiederaufnahme der Verfahren gemäß § 303 Abs. 1 lit. b bzw. § 303 Abs. 4 BAO gestellt, da Tatsachen neu hervorgekommen seien, welche im abgeschlossenen Verfahren ohne grobes Verschulden der Partei nicht haben geltend gemacht werden können bzw. im Verfahren nicht geltend gemacht wurden. Anstelle des in den Bescheiden berücksichtigten allgemeinen Betriebsausgabenpauschale in Höhe von 12 % gemäß § 17 EStG 1988 hätte das Handelsvertreterpauschale gemäß Verordnung BGBl II 2000/95 angesetzt werden müssen. Somit sei die Abgabenschätzung in der vorgenommenen Form jedenfalls verfehlt gewesen, da neben den pauschalierten Ausgaben auch noch tatsächliche (bzw. zumindest geschätzte) Ausgaben anzusetzen gewesen wären. Im Übrigen sei in der vom Finanzamt vorgenommenen Schätzung keinerlei Rücksicht auf angefallene Sozialversicherungsbeiträge genommen worden. Weiters sei aber auch der Ansatz des Pauschales gemäß § 17 EStG 1988 in Höhe von 12 % verfehlt gewesen, da für Einkünfte aus kaufmännischer Beratung an sich nur ein 6 %-iges Betriebsausgabenpauschale anzusetzen gewesen wäre. Es sei daher zweifelhaft, ob die Behörde jene Schätzungsmethode gewählt habe, welche für die Besonderheiten des gegebenen Falles die größtmögliche Richtigkeitsgewähr geboten habe. Jedenfalls aber ergäbe sich aus der (dem Schreiben vom ) beiliegenden Einnahmen-Ausgaben-Rechnung, dass die Kenntnis der neu hervorgekommenen Beweismittel zu einem gänzlich anderen, für den Steuerpflichtigen günstigeren Ergebnis und zu einem im Spruch anders lautenden Bescheid geführt hätte.
Insbesondere auch auf Grund des fortgeschrittenen Alters des Steuerpflichtigen sei es nicht möglich gewesen, innerhalb der vorgesehenen Fristen die für die Veranlagung notwendigen Unterlagen in aufbereiteter Form zu erhalten.
Dem Schriftsatz vom waren Berufungen gegen die Einkommensteuerbescheide 2002 und 2003 sowie Einkommensteuererklärungen für 2002 und 2003, einschließlich Einnahmen-Ausgaben-Rechnungen, angeschlossen. In den Berufungen wird beantragt, die Einkünfte aus Gewerbebetrieb gemäß den beiliegenden Einnahmen-Ausgaben-Rechnungen in Höhe von 4.670,41 € für das Jahr 2002 und in Höhe von 6.817,54 € für das Jahr 2003 zu berücksichtigen.
Mit Bescheid vom wies das Finanzamt die Anträge vom auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bzw. auf Wiederaufnahme der Einkommensteuerverfahren für 2002 und 2003 mit folgender Begründung ab:
Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand setze voraus, dass die Partei glaubhaft mache, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten. Bei Verschulden von Kanzleiangestellten berufsmäßiger Parteienvertreter sei maßgebend, ob den Vertreter ein leichte Fahrlässigkeit übersteigendes Verschulden (Auswahl- und Überwachungsverschulden) treffe (vgl. zB , 0039; ).
Nach ständiger Rechtsprechung könne die Wiederaufnahme des Verfahrens nicht erreicht werden, wenn der Abgabepflichtige schon im abgeschlossenen Verfahren die Möglichkeit hatte, jene Beweismittel bzw. neuen Tatsachen zeitgerecht geltend zu machen, die nunmehr als Wiederaufnahmsgründe vorgebracht würden. Das Versäumnis der Einbringung von Berufungen könne nicht im Wege der Wiederaufnahme gemäß § 303 BAO saniert werden.
Bei Steuerpflichtigen, die steuerlich vertreten sind, sei hinsichtlich der Wahrung von Fristen ein strengerer Maßstab anzulegen, als bei steuerlich Unvertretenen. Jeder Vertreter sei verpflichtet, das mit der Erfüllung abgabenrechtlicher Rechte und Pflichten betraute Personal in solchen Abständen zu überwachen, welche es ausschlössen, dass ihm die Verletzung abgabenrechtlicher Rechte und Pflichten, wie zB die nicht rechtzeitige Wahrnehmung von offenen Rechtsmittelfristen, verborgen bleibe.
Gegen den Abweisungsbescheid vom wurde Berufung erhoben, in welcher, ergänzend zu dem bisher Vorgebrachten, gegen das Vorliegen eines Auswahl- oder Überwachungsverschuldens der steuerlichen Vertretung Folgendes ausgeführt wird: Es seien seit Bestehen der Kanzlei keinerlei Haftungsfälle aufgetreten. Der gegenständliche Sachverhalt stelle sich eher als Zusammenspiel unvorhersehbarer Unglücksfälle dar, als ein Mangel am Kontrollsystem. Das eingerichtete kanzleiinterne Kontrollsystem sei geeignet und - mit Ausnahme des gegenständlichen Falles - auch bisher geeignet gewesen, Fristversäumnisse auszuschließen.
Mit Berufungsvorentscheidung vom wies das Finanzamt die gegen den Abweisungsbescheid vom eingebrachte Berufung als unbegründet ab.
Gegen die Berufungsvorentscheidung stellte der Berufungswerber den Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz.
Mit Schreiben vom ersuchte der unabhängige Finanzsenat die steuerliche Vertreterin des Berufungswerbers um folgende Auskünfte:
"Nach Ihren Ausführungen in der Berufung gegen die Abweisung des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 308 BAO war mit dem die Einkommensteuerbescheide 2002 und 2003 betreffenden Rechtsmittelverfahren ein Mitarbeiter Ihrer Kanzlei befasst, der vor Eintritt in die Kanzlei (im Juli 2005) bereits über eine einjährige Erfahrung im Bereich der steuerlichen Beratung verfügte.
Welche Ausbildung (zB einschlägiges Hochschulstudium) hatte dieser Mitarbeiter?
Wo war der betreffende Mitarbeiter vor dem Eintritt in Ihre Kanzlei beruflich tätig? Nach Möglichkeit wird um Vorlage eines entsprechenden Nachweises (zB Dienstzeugnis, Kopie genügt) ersucht.
Mit welcher Art von Tätigkeiten war er in dem Jahr vor dem Eintritt in Ihre Kanzlei befasst?"
Mit Schreiben vom übermittelte die steuerliche Vertreterin dem unabhängigen Finanzsenat das Dienstzeugnis des betreffenden Mitarbeiters für seine Tätigkeit vor dem Eintritt in die Wirtschaftstreuhandkanzlei. In dem Schreiben wird ausgeführt, der betreffende Mitarbeiter habe vor seinem Eintritt in die Wirtschaftstreuhandkanzlei sein BWL-Studium an der WU Wien mit den Schwerpunkten Steuerrecht und Unternehmensrechnung/Revision abgeschlossen. Bei dem Mitarbeiter handle es sich um einen entsprechend fachlich qualifizierten Mitarbeiter, der sowohl vor als auch nach dem gegenständlichen Fall fehlerfrei und äußerst zufrieden stellend gearbeitet habe.
Nach dem vorgelegten Dienstzeugnis (vom ) war der betreffende Mitarbeiter im Zeitraum bis bei einem Selbständigen Buchhalter und Unternehmensberater als geringfügig beschäftigter Dienstnehmer mit zehn Wochenstunden tätig.
Über die Berufung wurde erwogen:
Gemäß § 308 Abs. 1 BAO ist gegen die Versäumung einer Frist (§§ 108 bis 110) auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
Nach § 308 Abs. 3 BAO muss der Antrag auf Wiedereinsetzung binnen einer Frist von drei Monaten nach Aufhören des Hindernisses bei der Abgabenbehörde eingebracht werden. Spätestens gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag hat der Antragsteller die versäumte Handlung nachzuholen.
Entscheidend für die Rechtzeitigkeit des Wiedereinsetzungsantrages ist, wann erstmals die Fristversäumung erkennbar wird (vgl. zB ). Dies kann zB aus einem wegen Verspätung des Anbringens zurückweisenden Bescheid der Fall sein (vgl. , ZfVB 1991/2/778).
Im gegenständlichen Fall begann die dreimonatige Frist des § 308 Abs. 3 BAO mit der Zustellung des Zurückweisungsbescheides vom zu laufen. Der (im Finanzamt am eingelangte) Wiedereinsetzungsantrag vom wurde daher rechtzeitig eingebracht. Da dem Wiedereinsetzungsantrag die Berufungen gegen die Einkommensteuerbescheide 2002 und 2003, einschließlich Steuererklärungen samt Beilagen, angeschlossen waren, sind die Formalvoraussetzungen des § 308 Abs. 3 BAO erfüllt.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist ein Verschulden des Parteienvertreters einem Verschulden der Partei selbst gleichzuhalten. Die Bewilligung der Wiedereinsetzung kommt somit nur in Betracht, wenn auch dem Vertreter kein Versehen oder nur ein minderer Grad des Versehens angelastet werden kann. Der Begriff des minderen Grades des Versehens wird als leichte Fahrlässigkeit im Sinne des § 1332 ABGB verstanden. Der Wiedereinsetzungswerber bzw. sein Vertreter darf nicht auffallend sorglos gehandelt, somit nicht die im Verkehr mit Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer acht gelassen haben (vgl. zb ; ).
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist zwar das Verschulden des Vertreters einer Partei an der Fristversäumung dem Verschulden der Partei selbst gleichzuhalten, nicht jedoch ein Verschulden anderer Personen. Führt das Fehlverhalten anderer Personen, etwa das von Angestellten, zu einer Fristversäumung, so ist zu prüfen, ob der Parteienvertreter selbst dadurch ein schuldhaftes Verhalten gesetzt hat, dass er eine ihm auferlegte Sorgfaltspflicht außer acht gelassen hat, ob ihm somit Auswahlverschulden, mangelnde Überwachungstätigkeit oder sonstiges Organisationsverschulden anzulasten ist (vgl. zB ). Ein Parteienvertreter verstößt dann gegen seine Sorgfaltspflicht, wenn er weder im Allgemeinen noch im Besonderen wirksame Kontrollsysteme vorgesehen hat, die im Falle des Versagens eines Mitarbeiters Fristversäumungen auszuschließen geeignet sind. Ein Verschulden trifft den Parteienvertreter in einem solchen Fall jedoch dann nicht, wenn dargetan wird, dass die Fristversäumung auf einem ausgesprochen weisungswidrigen Verhalten des entsprechenden Kanzleiangestellten beruht (vgl. ). Ein Vertreter mit einem ordnungsmäßigen Kanzleibetrieb darf sich im Allgemeinen, solange er nicht durch Fälle von Unzuverlässigkeit zu persönlicher Aufsicht und zu Kontrollmaßnahmen genötigt wird, darauf verlassen, dass sein Kanzleipersonal eine ihm aufgetragene Weisung auch befolgt (vgl. ). Bei Fristeintragungen ist nicht eine Kontrolle jeder erforderlichen Eintragung im Fristenbuch, somit nicht eine Überwachung "auf Schritt und Tritt" erforderlich, zumal nicht zu verlangen ist, dass der Vertreter den Fristenvormerk selbst führt (vgl. ; ).
Wie sich aus den Darstellungen im gegenständlichen Wiedereinsetzungsantrag ergibt, ist im vorliegenden Fall in der Wirtschaftstreuhandkanzlei ein Kontrollsystem zur Vermeidung von Fristversäumungen eingerichtet. Dieses Kontrollsystem ist jedoch aus Verschulden des Mitarbeiters Mag. C.S. nicht wirksam geworden. Das Verschulden des Kanzleimitarbeiters stünde der beantragten Wiedereinsetzung insbesondere dann entgegen, wenn der steuerlichen Vertreterin ein Auswahlverschulden hinsichtlich dieses Mitarbeiters anzulasten wäre. Da es sich bei dem betreffenden Kanzleimitarbeiter jedoch um einen (auf Grund des abgeschlossenen einschlägigen Hochschulstudiums) fachlich qualifizierten und (auf Grund der insgesamt fast dreijährigen - wenn auch überwiegend als geringfügig Beschäftigter erworbenen - Berufspraxis) keineswegs unerfahrenen Mitarbeiter gehandelt hat, kann nicht von einem Auswahlverschulden der steuerlichen Vertreterin ausgegangen werden.
Der Umstand, dass der betreffende Mitarbeiter im Zeitraum bis nicht in einer Wirtschaftstreuhandkanzlei, sondern bei einem Selbständigen Buchhalter beschäftigt war, steht dem nicht entgegen. Selbständige Buchhalter sind zwar grundsätzlich im Abgabenverfahren nicht vertretungsbefugt, jedoch nach § 2 Abs. 1 Z 4 WTBG zur Vertretung und Abgabe von Erklärungen in Angelegenheiten der unterjährigen Umsatzsteuervoranmeldungen befugt. Zur Wahrung der Umsatzsteuervoranmeldungen betreffenden Parteirechte sind Selbständige Buchhalter unter anderem zur Einbringung von Berufungen gegen Umsatzsteuerfestsetzungsbescheide, von Wiedereinsetzungsanträgen wegen Versäumung der Voranmeldungsfrist oder der Fälligkeitsfrist des § 21 Abs. 1 UStG 1994 und von Berufungen gegen Bescheide betreffend Nebenansprüche zu Umsatzsteuervorauszahlungen, wie Säumniszuschläge, Stundungszinsen, Aussetzungs zinsen und Verspätungszuschläge befugt (vgl. Ritz, BAO3, § 84 Tz 13 - 16). Es ist somit von einer einschlägigen Berufspraxis des betreffenden Mitarbeiters auszugehen.
Da, wie oben angeführt, bei Fristeintragungen nicht eine Kontrolle jeder erforderlichen Eintragung zu verlangen ist und es sich bei dem betreffenden Kanzleimitarbeiter um einen fachlich qualifizierten und zuvor fehlerfrei arbeitenden Mitarbeiter gehandelt hat, ist aber auch das Vorliegen eines Überwachungsverschuldens der steuerlichen Vertreterin, welches über einen minderen Grad des Versehens hinausginge, zu verneinen.
Da nur ein grob fahrlässiges Verhalten der steuerlichen Vertreterin gegen die Bewilligung der beantragten Wiedereinsetzung sprechen würde, welches im vorliegenden Fall nicht gegeben ist, sind die Voraussetzungen des § 308 Abs. 1 BAO für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand als erfüllt anzusehen.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | § 308 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at