Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSG vom 19.07.2006, RV/0431-G/04

Eine auf Grund des Erkenntnisses des VfGH vom 11. Dezember 2002, B 1609/01 einzustellende Abfertigungsrückstellung für einen Gesellschafter-Geschäftsführer unterliegt dem steuerlichen Nachholverbot

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/0431-G/04-RS1
Eine Abfertigungsrückstellung für den Gesellschaftergeschäftsführer einer GmbH, der Anteile von mehr als 50% an der Gesellschaft hält, ist auf Grund des Erkenntnisses des für § 5 Abs. 1- Ermittler zwingend nach § 9 Abs. 1 Z 3 EStG 1988 zu bilden. Allerdings besteht ein steuerliches Nachholverbot für jene Veranlagungsperioden, die bereits rechtskräftig veranlagt sind und für die auch keine Berichtigungsmöglichkeit mehr gegeben ist. Eine außerbilanzielle Berichtigung der handelsrechtlich aus den Vorperioden angesammelten Rückstellung im Jahr 2002 ist nicht zulässig. Ab 2004 kommt § 14 EStG 1988 zum Tragen.

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw., Graz, vertreten durch die Steuerberatungsgesellschaft, vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Graz-Stadt vom betreffend Körperschaftsteuer 2000 bis 2002 entschieden:

a) Der Berufung gegen den Körperschaftssteuerbescheid 2001 wird teilweise stattgegeben. Die Einkünfte aus Gewerbebetrieb 2000 werden mit 1,232.617,00 S festgesetzt. Die Körperschaftsteuer 2000 beträgt 24.080,00 S, das sind 1.750,00 €. Die Fälligkeit bleibt unberührt. b) Der Berufung gegen den Körperschaftsteuerbescheid 2001 wird teilweise stattgegeben. Die Einkünfte aus Gewerbebetrieb 2001 werden mit -5,032.965,00 S festgesetzt. Die Körperschafsteuer 2001 beträgt 24.080,00 S, das sind 1.750,00 €. Die Fälligkeit bleibt unberührt. c) Der Berufung gegen den Körperschaftsteuerbescheid 2002 wird teilweise stattgegeben. Die Einkünfte aus Gewerbebetrieb 2002 werden mit 176.936,65 € festgesetzt. Die Körperschaftsteuer 2002 beträgt 6.701,14 €. Die anrechenbare Mindestkörperschaftsteuer beträgt 8.338,47 €. Gegenüber dem angefochtenen Bescheid ergibt sich eine Gutschrift in Höhe von 959,47 €. Die Fälligkeit bleibt unberührt. Hinsichtlich der Berechnung a) bis c) wird auf die beiliegenden Berechnungsblätter verwiesen, welche Bestandteil dieses Bescheidspruches sind.

Entscheidungsgründe

Die Berufungswerberin (=Bw.), eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung hat auf Grund des Erkenntnisses des , mit welchem der Gerichtshof die steuerliche Zulässigkeit der Bildung einer Abfertigungsrückstellung auf der Grundlage des § 9 Abs. 1 Z 3 EStG 1988 auch für Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft für zulässig erachtet hat, im Jahr 2002 für ihren Gesellschafter-Geschäftsführer J.M. einen Betrag in Höhe von insgesamt 809.452 S erstmals steuerwirksam als Rückstellung eingestellt. Dieser Betrag setzt sich aus der laufenden handelsrechtlichen Dotation in Höhe von 10.444 S und aus der handelsrechtlich angesammelten Rückstellung zum in Höhe von 799.008 S, in Summe also 809.452 S zusammen. Die nachgeholte Rückstellung in Höhe von 799.008 S (58.066,18 €) wurde außerbilanziell in Abzug gebracht. Im Zuge einer Betriebsprüfung für die Jahre 2000 bis 2002 wurde die Ansicht vertreten, dass ein steuerliches Nachholverbot für rechtskräftig veranlagte Steuerperioden bestehe und wurde, ausgehend von der Bestimmung des § 9 Abs. 1 Z 3 EStG 1988, die für die Eröffnungsbilanz zum maßgebliche steuerliche Rückstellung mit 1.260.000 S (das sind 100% der zum Stichtag geschuldeten Beträge) angesetzt. Weiters wurde die laufende Rückstellung 2000 mit 35.280 S dotiert. Auf Grund des dem § 9 EStG 1988 hinzugefügten Absatz 5, welcher ab dem Veranlagungsjahr 2001 zur Anwendung kam, wurde der Wert der zum bestehenden steuerlichen Rückstellung in Höhe von 1,295.280 S im Jahr 2001 um 20%, das sind 259.056 S, gekürzt. Davon wurde die laufende Dotation 2001 in Höhe von 29.120 S (36.400,00 S abzüglich 20% -7.280,00 S) in Abzug gebracht. Die außerbilanzielle Hinzurechnung betrug daher insgesamt 229.936 S. Die um 20% gekürzte Dotation für 2002 betrug laut Betriebsprüfung 13.925,87 S. Nach Ansicht der Betriebsprüfung war daher die von der Bw. abgezogene Dotation für 2002 in Höhe von 809.452 S um einen Betrag von 795.526,13 S (809.452 S - 13.925,87 S) zu kürzen, was gegenüber der Erklärung zu einer Erhöhung des Einkommens für 2002 um 795.526,13 S, das sind 57.813,14 € führte.

Die steuerlichen Dotationen zur Abfertigungsrückstellung des J.M. in den Jahren 2000 bis 2002 laut Betriebsprüfung stellen sich wie folgt dar:


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2000
2001
2002
Laut Erklärung
0,00 S
0,00 S
-809.452,00 S
Laut Betriebsprüfung
-35.280,00 S
-29.120,00 S
-13.925,87 S
Auflösung der Rückstellung um 20%
+259.056,00 S
Hinzurechnungen bzw. Kürzungen laut Betriebsprüfung
-35.280,00 S
+229.936,00 S
+795.526,13 S(+57.813,14 €)

Im Zuge der abgabenbehördlichen Prüfung wurden weitere nichtstrittige Feststellungen getroffen, die sich auf das Bescheidergebnis auswirkten. Laut Betriebsprüfungsbericht vom wurden die Einkünfte aus Gewerbebetrieb, das steuerpflichtige Einkommen und die zu zahlende Steuer in den Streitjahren wie folgt ermittelt:


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2000Schilling
2001Schilling
2002Euro
Einkünfte aus Gewerbebetrieb
1,218.505,00
-4,781.189,00
176.683,6
Einkommen
0,00
0,00
44.170,91
Steuer
24.080,00 Mindestkörperschaftsteuer (=Mikö)
24.080,00 Mikö
15.018,11-7.357,50 anrechenbare Mikö ergibt: 7.660,61

In den Jahren 2000 und 2001 betrug das Einkommen auf Grund von verrechenbaren Verlustvorträgen Null, es wurde daher lediglich die Mindestkörperschaftsteuer festgesetzt. Im Jahr 2002 konnten auf Grund der Verlustverwertungsbeschränkung lediglich 75% der positiven Einkünfte aus Gewerbebetrieb mit vortragsfähigen Verlusten verrechnet werden, was zu einem Einkommen von 44.170,91 € und einer Steuerfestsetzung von 7.660,61 € führte. Für 2002 kam es dadurch nach Abzug der bereits entrichteten Mindestkörperschaftsteuer in Höhe von 1.750 € zu einer Steuernachforderung in Höhe von 5.910,61 €. Im Betriebsprüfungsverfahren brachte die Bw. zur Frage der Einstellung der Abfertigungsrückstellung mit Eingabe vom vor: a) Durch das VfGH-Erkenntnis vom , B 1609/01 sei die schon bisher handelsrechtlich gebotene Bildung einer Abfertigungsrückstellung für Vorstandsmitglieder (diese gelte in gleicher Weise für beherrschend beteiligte Geschäftsführer), steuerlich im Sinne des § 9 Abs. 1 Z § EStG im Jahre 2002 nachzuholen. In diesem Sinne habe Univ. Prof. Dr. Ruppe, Richter des Verfassungsgerichtshofes, dieses Erkenntnis im Rahmen einer Seminarveranstaltung an der Universität Graz erläutert. b) Bis zum Ergehen des zitierten Erkenntnisses sei die Bildung einer Rückstellung für Vorstandsmitglieder nicht zulässig gewesen (siehe hiezu EStR 2000, Rz. 3334, die mit Änderungserlass vom für den Prüfungszeitraum keine abweichende Anordnung erfahren habe). Die steuerneutrale Einbuchung einer Abfertigungsrückstellung in Höhe von 100% des Anspruches mit steuerwirksamer Auflösung im Prüfungszeitraum verwandle ein begünstigendes Erkenntnis des VfGH in eine für den Abgabepflichtigen nachteilige Rechtsanwendung. Diese Rechtsanwendung sei allein gemäß § 117 BAO unzulässig. c) Die handelsrechtliche Abfertigungsrückstellung gebe den tatsächlichen Verpflichtungsstand wieder, also den Teilwert der Verpflichtung. Der Bilanzansatz habe nicht nur zu berücksichtigen, dass die Fälligkeit erst bei Eintritt des vertraglich vereinbarten Ereignisses eintritt, sondern auch, dass bei Selbstkündigung oder Tod eine Abfertigung gar nicht oder nur in verringertem Ausmaß zu zahlen ist. Die von der Betriebsprüfung vermeintlich zu Recht ab 2001 angewendete Rechtsgrundlage des § 9 Abs. 5 EStG sei im gegebenen Fall überschießend und sachlich nicht gerechtfertigt. Es liege demnach eine verfassungswidrige Verletzung der Gleichmäßigkeit der Besteuerung vor.

Das Finanzamt folgte in den angefochtenen Körperschaftsteuerbescheiden vom den Feststellungen der Betriebsprüfung. Allerdings wurden die positiven Einkünfte aus Gewerbetrieb 2001 abweichend vom Betriebsprüfungsbericht mit 2,360.991 S statt mit 1,218.505 S festgesetzt. Gegen diese Bescheide wurde Berufung eingebracht und wurden nachstehende Punkte angefochten:

1) Im Berufungsjahr 2000 bekämpft die Bw. den vom Prüfungsergebnis abweichenden Ansatz der Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Laut Betriebsprüfungsbericht betrugen die Einkünfte aus Gewerbebetrieb im Jahr 2000 1,218.505 S. Im angefochtenen Körperschaftsteuerbescheid 2000 wurden diese aber davon abweichend mit 2,360.991 S festgesetzt. Die Bw. begehrt die Festsetzung der Einkünfte laut Betriebsprüfungsbericht. 2) Weiters bekämpft die Bw. den Hinweis im Körperschaftsteuerbescheid 2001, wonach die verrechenbare Mindestkörperschaftssteuer 24.080 S betrage. Nach Ansicht der Bw. betrage die verrechenbare Mindestkörperschaftsteuer richtigerweise 114.740 S (= 8.336,48 €). 3)

Auf die Körperschaftsteuer 2002 sei ein Betrag von 114.740 S (=8.336,47 €) statt von 101.261 S (=7.357,50 €) verrechenbare Mindestkörperschaftsteuer anzurechnen gewesen. 4) Die Bw. begehrte des Weiteren die Abfertigungsrückstellung nach § 9 Abs. 1 Z 3 EStG 1988 für den Gesellschaftergeschäftsführer erklärungsgemäß in der handelsrechtlich gebildeten Höhe im Jahr 2002 einzustellen.

Im Übrigen verwies die Bw. auf ihre Eingabe vom im Prüfungsverfahren. 5) Darin vertrat die Bw. die Ansicht, dass die Rückstellung grundsätzlich in der handelsrechtlichen Höhe zu bilden sei. Darüber hinaus sei die 20%-ige Auflösung des von der Betriebsprüfung steuerrechtlich gewählten Ansatzes einer zuvor nicht steuerlich wirksamen Rückstellung überschießend und widerspreche dem Gleichheitsgrundsatz. Außerdem sei § 117 BAO zu beachten, wonach die Bw. durch ein höchstgerichtliches Erkenntnis, das von einer günstigeren Verwaltungspraxis abweiche, nicht schlechter gestellt werden dürfe. In einer Stellungnahme der Betriebsprüfung zur Berufung wurde die Ansicht vertreten, dass dem Berufungsbegehren hinsichtlich der Höhe der Einkünfte aus Gewerbebetrieb 2000 zu folgen sei und die im angefochtenen Bescheid festgesetzten Einkünfte auf einen Verarbeitungsfehler zurückzuführen seien. Hinsichtlich der verrechenbaren Körperschaftsteuer 2001 und der Höhe der zu verrechnenden Mindestkörperschaftssteuer im Jahr 2002 sei der Berufung ebenfalls stattzugeben. Im Übrigen werde hinsichtlich der strittigen Einstellung der Abfertigungsrückstellung im Jahr 2002 für J.M. am Nachholverbot festgehalten. Der Körperschaftsteuerbescheid 1999 ist derzeit noch nicht in Rechtskraft erwachsen und wird über diesen Bescheid gleichzeitig mit Berufungsentscheidung vom heutigen Tage entschieden.

Über die Berufung wurde erwogen:

Strittig ist im vorliegenden Fall 1) die Höhe der Einkünfte aus Gewerbebetrieb 2000 2) die Höhe der verrechenbaren Mindestkörperschaftsteuer laut Hinweis im Körperschaftsteuerbescheid 2001 3) die Höhe der mit der Körperschaftsteuer 2002 zu verrechnenden Mindestkörperschaftsteuer 4) die Frage, ob eine Abfertigungsrückstellung für J.M., deren Bildung durch ein Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes aus dem Jahr 2002 legitimiert wurde, im Jahr 2002 mit Nachholwirkung steuerlich zur Gänze eingestellt werden darf 5) die Auflösung der durch Bilanzberichtigung eingestellten Abfertigungsrückstellung für J.M. im Ausmaß von 20 % des Nominalbetrages im Jahr 2001 nach den Bestimmungen des § 9 Abs. 5 EStG 1988 und die grundsätzliche Höhe der Rückstellung ad 1) Im Betriebsprüfungsbericht wurden die Einkünfte aus Gewerbebetrieb für 2000 mit 1,218.505 S festgestellt. Die Bw. begehrt die Festsetzung in Anlehnung an die Feststellung der Höhe der Einkünfte im Betriebsprüfungsbericht. Seitens des Finanzamtes wird der Stattgabe in diesem Punkt zugestimmt, da die Abweichung im angefochtenen Bescheid auf Grund von Fehlern im Zusammenhang mit der elektronischen Datenverarbeitung entstanden sei. Der Berufung war daher in diesem Punkt stattzugeben. Allerdings beinhalten die von der Betriebsprüfung ermittelten Einkünfte aus Gewerbebetrieb 2000 in Höhe von 1,218.505 S eine Rückstellungsdotation zum Nominalansatz. Wie unten näher dargestellt, wird auch für die steuerliche Ausmessung der Rückstellung der von der Bw. gewählte und in der Berufung ausdrücklich begehrte handelsrechtliche Ansatz herangezogen. Danach ist die von der Betriebsprüfung gewählte Rückstellungsdotation 2000 von 35.280 S um 40% (das sind 14.112 S) zu kürzen und erhöhen sich die Einkünfte aus Gewerbebetrieb 2000 auf 1,232.617 S). Auf Grund verrechenbarer Verlustvorträge ergibt sich ein Einkommen von Null und kommt die Mindestkörperschaftsteuer zur Vorschreibung. Eine Abweichung zum angefochtenen Bescheid entsteht dadurch nicht und bleibt die Körperschaftsteuervorschreibung in Höhe von 24.080 S (1.749,96 €) unverändert aufrecht. Gegenüber dem angefochtenen Bescheid ergibt sich dadurch weder eine Gutschrift noch eine Nachforderung. Die Berechnung stellt sich daher wie folgt dar: Einkommen laut Tz. 26 des Betriebsprüfungsberichtes.........1.218.505.00 S zuzüglich Berichtigung Dotierung Rückstellung .....................+14.112,00 S Einkommen laut Berufungsentscheidung............................1,232.617,00 S

ad 2) Der Hinweis auf die Höhe der verrechenbaren Mindestkörperschaftsteuer für die nächsten Veranlagungsjahre im Körperschaftssteuerbescheid 2001 bildet keinen Spruchbestandteil dieses Bescheides, hat also keine normative Wirkung und ist daher nicht anfechtbar. Dieser Hinweis hat lediglich einen Service- bzw. Informationscharakter, ist aber weder Rechts gestaltend oder begründend noch in irgendeiner Weise bindend. Es bestehen auch keine Vorschriften, wonach die Höhe der verrechenbaren Mindestkörperschaftsteuer gleich einem Grundlagenbescheid festzustellen ist. Die Höhe der verrechenbaren Mindestkörperschaftsteuer wird erst im Jahr der tatsächlichen Verrechnung Spruchbestandteil und damit anfechtbar. Eine Berichtigung des Hinweises über die Höhe der künftig verrechenbaren Mindestkörperschaftsteuer erfolgt nicht, da dieser Hinweis keine normative Kraft entfaltet. Der Berufung kann daher in diesem Punkt nicht entsprochen werden. ad 3) Der Berufung wird hinsichtlich Höhe der verrechenbaren Mindestkörperschaftsteuer für 2002 Folge gegeben. Auf die Körperschaftsteuer 2002 wird ein Betrag von 8.338,47 € (114.739,84 S) angerechnet. ad 4) Nach der Auffassung der Finanzverwaltung waren Rückstellungen für Anwartschaften auf Abfertigung für Personen, die nicht in den Anwendungsbereich des § 14 Abs. 1 Z 1 und 2 EStG 1988 fielen, also auch für Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH, die zu mehr als 50% an der GmbH beteiligt sind, aus dem Kontext der Bestimmungen auch nicht nach § 9 Abs. 1 Z 3 EStG 1988 zu bilden. Demnach war die Bildung einer Abfertigungsrückstellung für den Gesellschafter- Geschäftsführer J.M. nach Ansicht der Finanzverwaltung ausgeschlossen. Im Erkenntnis vom , B 1609/01, hatte sich der Verfassungsgerichtshof mit der Frage zu befassen, ob für ein Vorstandsmitglied einer Aktiengesellschaft die Bildung einer Abfertigungsrückstellung zulässig ist. Der VfGH bezog sich in diesem Erkenntnis vor allem auf seine Entscheidung vom (G 403/97) betreffend Jubiläumsgeldrückstellungen. Im Erkenntnis G 403/97 hatte sich der VfGH mit dem Ausschluss einer steuerlichen Rückstellungsbildung für einen ähnlichen Sachverhalt, nämlich der Rückstellungen für Jubiläumsgelder befasst. Der VfGH hat schließlich das Rückstellungsverbot für kollektivvertraglich vereinbarte Jubiläumsgelder (um die es im Anlassfall ging) aber auch das Rückstellungsverbot für einzelvertraglich zugesicherte Jubiläumsgelder aufgehoben. In der Frage der freiwilligen Abfertigungsverpflichtungen betreffend Vorstände einer AG ist der VfGH im Erkenntnis B 1609/01, ausgehend von einem den Jubiläumsgeldzusagen vergleichbaren Sachlage, zur Ansicht gekommen, dass eine sachliche Rechtfertigung der Nichtgewährung der Rückstellung nicht gerechtfertigt sei, da auch hier die Abfertigung als Belohnung für langjährige Tätigkeiten anzusehen sei und insoweit die in den Vorperioden erbrachten Arbeitsleistungen belohnt werden sollen. Der VfGH sah somit keine sachliche Rechtfertigung, warum steuerwirksame Rückstellungen von deren Rechtsgrundlage abhängen sollten. Resümierend müsse daher in verfassungskonformer Auslegung des § 9 EStG 1988 die Rückstellungsfähigkeit der vertraglichen Abfertigungsverpflichtung bejaht werden. Nach diesem Erkenntnis können folglich auch Abfertigungsrückstellungen für Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH mit einer Beteiligung von mehr als 50% nach der Bestimmung des § 9 Abs. 1 Z 3 EStG 1988 gebildet werden (allerdings nur bis zur gesetzlichen Neuregelung ab dem Jahr 2004. Ab 2004 sind derartige Abfertigungsrückstellungen nach § 14 EStG 1988 zu bilden). Unbestritten ist im Berufungsfall auf der Grundlage des zitierten Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes die Zulässigkeit der Bildung einer Abfertigungsrückstellung gemäß § 9 Abs. Z 3 EStG 1988 für Anwartschaft auf eine Abfertigung des J.M. . Die Bw. stellte nun im Jahr 2002 (also in dem Kalenderjahr, in dem das zitierte Erkenntnis des VfGH erging), die gesamte bisher angefallene, handelsrechtlich zu bildende Rückstellung ein, wodurch eine Nachholung der Dotationen vergangener Perioden eingetreten ist. Das Finanzamt verweigerte diese Nachholung und ging davon aus, dass eine solche Rückstellung im weitest zurückliegenden noch offenen Veranlagungsjahr durch Berichtigung der Eröffnungsbilanz einzustellen sei. Die Betriebsprüfung nahm daher eine Anpassung nur in den offenen Prüfungsjahren 2000 bis 2001 im Ausmaß der jährlichen Dotation vor. Allerdings ist nach der Aktenlage das letzte offene Veranlagungsjahr, für welches eine Dotation zur Abfertigungsrückstellung des J.M. eingestellt werden kann, das Jahr 1999. Am erging nämlich auf der Grundlage einer von der Bw. selbst eingereichten berichtigten Körperschaftsteuererklärung 1999 ein berichtigter Körperschaftsteuerbescheid 1999. Dieser Bescheid ist wegen eines gleichzeitig anhängigen Berufungsverfahrens bislang noch nicht in Rechtskraft erwachsen. Der Körperschaftssteuerbescheid 1998 erging am und wurde in der Folge nach Ablauf der Monatsfrist rechtskräftig. Die Bw. vertritt nun die Ansicht, dass die handelsrechtlich gebildete Rückstellung zum in Höhe von 799.008 S (58.066,18 €) im Jahr 2002 im Wege der Mehr/Wenigerrechnung steuerwirksam als Abzugspost zu berücksichtigen sei. Die Bw. bringt dazu vor, dass ein Richter des Verfassungsgerichtshofes, der an dem zitierten VfGH-Erkenntnis mitgewirkt hatte, anlässlich eines Seminares die Ansicht vertreten habe, dass eine gänzliche Nachholung der steuerlich zulässigen Rückstellung im Jahr 2002 möglich sei. Darüber hinaus widerspreche es dem ordentlichen Rechtsempfinden, wenn eine auf Grund einer unrichtigen Rechtsanschauung der Finanzverwaltung bislang untersagte Rückstellungsbildung nicht nachgeholt werden dürfe.

Im Zusammenhang mit der Frage der Bildung von Jubiläumsrückstellungen hat der Verwaltungsgerichtshof allerdings im Erkenntnis vom , 98/13/0013 deutlich zum Ausdruck gebracht, dass eine bislang steuerlich nicht berücksichtigte Rückstellung nicht in einer späteren Periode im gesamten Ausmaß nachgeholt werden darf. Auch eine Berufung auf den Vertrauensgrundsatz sei unbeachtlich (siehe auch , , 97/14/0015).

Der Gerichtshof teilte in diesem Erkenntnis nicht die Ansicht der Beschwerdeführerin, wonach durch die Anwendung des Nachholverbotes der Rückstellung gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstoßen worden wäre: Nach herrschender Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes schütze der genannte Grundsatz nicht ganz allgemein das Vertrauen des Abgabepflichtigen auf die Rechtsbeständigkeit einer unrichtigen Rechtsanwendung. Die Beschwerdeführerin habe in Übereinstimmung mit "Verwaltungspraxis" und Literatur in Verkennung der Rechtslage eine Rückstellung für Jubiläumsgelder erst in der Bilanz zum gebildet. Der Umstand, dass der Verwaltungsgerichtshof erstmalig in dem oben zitierten Erkenntnis vom zu Recht erkannt hat, dass nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung eine Verpflichtung zur Bildung entsprechender Rückstellungen bestehe, könne nicht bewirken, dass die Beschwerdeführerin in einem Vertrauen auf eine rechtlich verfehlte "Verwaltungspraxis" geschützt werden müsste. Auch der unabhängige Finanzsenat hat in seiner Entscheidung vom , RV/3053-W/02 die Ansicht vertreten, dass bei der Gewinnermittlung nach § 5 Abs. 1 EStG Rückstellungen zwingend zu bilden seien (Doralt, EStG Kommentar, § 9, Tz 11).

Eine Rückstellung könne aber nur im Jahr des Entstehens des Schuldgrundes oder der Aufwandsursache gebildet werden; eine unterlassene Rückstellung könne in einem späteren Jahr nicht nachgeholt werden. Wenn die Bildung einer Rückstellung unterblieben sei, müsse bei der Gewinnermittlung nach § 5 Abs. 1 EStG eine Bilanzberichtigung durchgeführt werden (Doralt, EStG Kommentar, § 9, Tz 14; Wiesner/Atzmüller/Grabner/Leitner/Wanke 1988, EStG, § 9, Anm. 3, 4). Steuerlich kann eine Rückstellung nur im Jahr ihrer Entstehung gewinnmindernd geltend gemacht werden (siehe , , 94/15/0089, , 98/13/0013). Das gilt auch entsprechend für das in das jeweilige Jahr entfallende Ansteigen des Rückstellungsausmaßes. Musste der Steuerpflichtige eine Rückstellung bilden, sind die Bilanzen, in denen die Rückstellungsbildung unterblieben ist, zu berichtigen. Auch wenn sich die Bilanzberichtung infolge rechtskräftiger Veranlagung steuerlich nicht mehr auswirken sollte, ist das steuerliche Ergebnis der dem Berichtigungsjahr folgenden Jahre ausgehend von der korrigierten Bilanz zu ermitteln (Eröffnungsbilanzberichtigung; siehe Zorn in Hofstätter/Reichel, Die Einkommensteuer, Kommentar, § 9 Tz. 24ff). Auch in der Literatur wird zu diesem Thema die Ansicht vertreten, dass in rechtskräftig veranlagten Jahren, die keiner Berichtigung mehr zugänglich sind, eine gewinnmindernde Nachholung der jeweiligen Dotationen nicht möglich ist (siehe Helmut Mayer in AStN 2003/82, Bruckner/Keppert in ÖSTZ 2003/406, Bertl/Fraberger in RWZ 2003/25, Keppert in SWK 2003, T 44). Diese Auffassung entspricht auch der periodengerechten Erfassung von Aufwendungen. Daran kann daher auch der Umstand nichts ändern, dass in den Vorjahren die Dotationen zur Rückstellung handelsrechtlich zwar geboten waren, steuerlich aber nicht anerkannt wurden. Es würde die volle Einstellung der Rückstellung im weitest zurückliegenden offenen bzw. aufrollbaren Veranlagungsjahr auch nicht dem Prinzip der periodengerechten Erfassung von Aufwendungen entsprechen und würde in seinen Auswirkungen völlig willkürlich sein. Dass die Bw. gerade die volle Einstellung der Rückstellung im Jahr 2002 begehrt, ist durch nichts begründet, zumal die Veranlagung des Jahres 1999 noch nicht rechtskräftig ist. Die Bw. irrt, wenn sie vermeint, dass aus dem Umstand, dass das Erkenntnis des VfGH B 1609/01 am erging, die Einstellung der Rückstellung auch im Jahr 2002 zu erfolgen habe. Die Wirkungen dieses Erkenntnisses treten nicht erst im Veranlagungsjahr 2002 ein, sondern sind - wie bereits dargestellt - auf alle offenen Veranlagungen anzuwenden und kann auch mit Bescheidberichtigung vorgegangen werden, soferne dies verfahrensrechtlich noch möglich ist. Im Berufungsfall kann daher erstmals im Jahr 1999 die in diesem Jahr anfallende Zuweisung zur Rückstellung steuerlich als Aufwand berücksichtigt werden. Es ist lediglich die handelsrechtliche Zuweisung (wie unter Punkt 5 näher ausgeführt) zu berücksichtigen. Das Einkommen 2002 stellt sich daher in Euro wie folgt dar: Einkommen laut Tz.: 26 des Betriebsprüfungsberichtes .............176.683,62 € zuzüglich Dotierung laut Betriebsprüfung (13.925,87 S)...............+1.012,03 € abzüglich Dotierung laut Antrag der Bw. (10.444,00 S) =handelsrechtlicher Ansatz........................................................-759,00 € Einkommen laut Berufungsentscheidung.................................176.936,65 €

ad 5) Die Bw. bekämpft die gewinnerhöhende Auflösung von 20% der Nominalrückstellung im Jahr 2001 nach der Bestimmung des § 9 Abs. 5 EStG 1988 zu Recht. Nach Ansicht der Bw. können nicht Beträge, die vorher steuerlich nicht als Aufwand berücksichtigt werden durften, in der Folge ertragswirksam aufgelöst werden. Auch der unabhängige Finanzsenat geht davon aus, dass nur jene Beträge über die 20%ige Auflösung steuerwirksam aufgelöst werden dürfen, die in vorhergehenden offenen Veranlagungsperioden auf Grund des gegenständlichen VfGH-Erkenntnisses aufwandwirksam dotiert worden waren. Dazu kommt noch, dass die Bw. handelsrechtlich eine Abzinsung vorgenommen und lediglich 60% des Nominalwertes des Abfertigungsanspruches angesetzt hat. Dies auch deswegen, da im Fall von Selbstkündigung oder Tod der Anspruch entweder wegfiele oder sich vermindere. Dem Finanzamt ist prinzipiell beizupflichten, dass diese Rückstellung in Höhe des fiktiven Anspruches anzusetzen ist (siehe auch Keppert, SWK 2003, T 44), weil der § 9 EStG 1988 Rückstellungen für das Einkommensteuergesetz eigenständig regelt und der handelsrechtliche Rückstellungsbegriff für das Steuerrecht von vorneherein nicht maßgeblich ist (siehe Zorn in Hofstätter/Reichel, Die Einkommensteuer, Kommentar, § 9 Tz. 27ff). Die Bw. geht davon aus, dass die handelsrechtlich eingestellten Zuführungen zur Abfertigungsrückstellung für den Gesellschafter-Geschäftsführer auch steuerlich maßgeblich seien und den Empfehlungen eines Fachgutachtens der Kammer der Wirtschaftstreuhänder entsprechen. Die Bw. hat handelsrechtlich 60% des fiktiven Anspruches eingestellt und die jährlichen Dotationen auch in dieser Höhe zugeführt. Auch die im Jahr 2002 begehrte Nachholung in Höhe von 809.452 S (Stand zum = 799.008 S plus Neudotierung = 10.444 S) entsprach diesem Ansatz. Das Finanzamt hat dieser Bewertung nicht dezidiert widersprochen und sich nicht damit auseinandergesetzt bzw. nicht näher dargelegt, warum der Wertansatz laut Betriebsprüfung bezogen auf die Umstände des Einzelfalles den Anspruch der Richtigkeit für sich habe. Es wird daher der plausiblen Darlegung der Bw. gefolgt und der von ihr begehrte handelsrechtliche Ansatz auch steuerlich eingestellt. Auch im Hinblick auf die von der Bw. vorgenommenen Übertragung der Abfertigungsrückstellungen auf das Kapitalkonto im Jahr 2003 gemäß § 124b Z 68 EStG 1988 kann dem von der Bw. gewählten Ansatz gefolgt werden. Auch nach Rz. 3309e der Einkommensteuerrichtlinien (=EStR), welche durchaus als Auslegungsbehelf gleich der steuerlichen Literatur herangezogen werden können, ist dieser Standpunkt vertretbar. Danach ist, soweit handelsrechtlich die Abzinsung einer Rückstellung zulässig ist, diese Abzinsung auch steuerrechtlich anzuerkennen. Solange die Abzinsung zu einem Rückstellungsansatz führt, der unter dem Ansatz liegt, der sich nach Kürzung des nicht abgezinsten Teilwertes um 20% ergibt, ist der (niedrigere) abgezinste Betrag anzusetzen. Übersteigt der abgezinste Betrag den um 20% gekürzten, nicht abgezinsten Teilwert, ist die Rückstellung in Höhe des um 20% gekürzten, nicht abgezinsten Teilwertes zu bilden. Da sich § 9 Abs. 5 EStG 1988 ausschließlich auf einen gekürzten Ansatz eines ohne Abzinsung ermittelten Teilwertes bezieht, kommt eine Kürzung des abgezinsten Betrages nicht in Betracht. Nach § 9 Abs. 5 EStG 1988 sind Rückstellungen im Sinne des Abs. 1 Z 3 und 4 mit 80% des Teilwertes anzusetzen. Der maßgebliche Teilwert ist ohne Vornahme von Abzinsungen zu ermitteln. Rückstellungen, deren Laufzeit am Bilanzstichtag weniger als zwölf Monate beträgt, sind ohne Kürzung des maßgeblichen Teilwertes anzusetzen. Dh eine Kürzung hat prinzipiell nur dann zu erfolgen, wenn der eingestellte Betrag größer ist als der um 20% gekürzte Nominalwert. Durch die Einführung des § 9 Abs. 5 EStG 1988 wollte der Gesetzgeber offenkundig selbst ein Regulativ einführen um Überwertungen von Verbindlichkeiten hintanzuhalten. Wenn nun die Bw. in Anlehnung an ein Fachgutachten lediglich 60% des Nominalwertes in der Handelsbilanz eingestellt hat, kann dieser Wertansatz auch abgabenrechtlich im Sinne der zitierten Richtlinienbestimmung anerkannt werden, zumal die Bw. diesen Ansatz selbst begehrt und letztendlich die gesetzlichen Regelungen des § 14 EStG 1988 ab dem Jahr 2004, auch nur einen maximalen steuerlichen Ansatz von 60% der zum Bilanzstichtag bestehenden fiktiven Abfertigungsansprüche auch für Abfertigungsrückstellungen für Gesellschafter-Geschäftsführer zulassen. Angesichts der Höhe der vortragsfähigen Verluste der Bw. sind die steuerlichen Auswirkungen im Übrigen ohnehin unbeachtlich. Eine Auflösung im Sinne des § 9 Abs. 5 EStG 1988 hat demnach im Jahr 2001 zu unterbleiben. Der Berufung wird in diesem Punkt dahingehend stattgegeben, dass die steuerliche Auflösung der Rückstellung in Höhe von 20% des fiktiven Anspruches im Jahr 2001 entfällt. Der steuerliche Ansatz der Dotation zur Rückstellung im Jahr 2001 wird dem von der Bw. gewählten handelsrechtlichen Ansatz gleichgestellt. Das negative Einkommen 2001 stellt sich wie folgt dar: Einkommen laut Tz. 26 des Betriebsprüfungsberichtes: -4.781.189,00 S abzüglich Auflösung der Rückstellung in Höhe von .........-259.056,00 S zuzüglich Dotation laut Betriebsprüfung.........................+29.120,00 S abzüglich Dotation laut Handelsbilanz ............................-21.840,00 S Einkommen laut Berufungsentscheidung.....................-5.032.965,00 S Durch die Stattgabe in diesem Punkt erübrigt sich auch eine Auseinandersetzung mit dem von der Bw. vorgebrachten Hinweis auf § 119 BAO.

Beilage : 5 Berechnungsblätter

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
Schlagworte
Abfertigungsrückstellung
Gesellschafter-Geschäftsführer
Nachholverbot
Dotation
Bilanzberichtigung
Rückstellungsauflösung
Auflösung der Rückstellung nach § 9 Abs. 5 EStG.
Verweise

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at