OGH vom 18.09.1991, 1Ob20/91
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann, Dr.Schlosser, Dr.Graf und Dr.Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache des Antragstellers Reinhaltungsverband Raum L*****, vertreten durch Dr.Gerhard Hoyer, Rechtsanwalt in Wels, wider die Antragsgegner Robert und Luise H*****, vertreten durch Dr.Walter Breitwieser und Dr.Walter Breitwieser jun., Rechtsanwälte in Wels, wegen Festsetzung einer Entschädigung, infolge Revisionsrekurses der Antragsgegner gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Wels als Rekursgerichtes vom , GZ R 394, 395/91-28, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Lambach vom , GZ 1 Nc 16/89-91, teilweise abgeändert wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Der Antrag des Antragstellers auf Zuerkennung von Kosten für die Revisionsrekursbeantwortung wird abgewiesen.
Text
Begründung:
In teilweiser Stattgebung des Rekurses des Antragstellers setzt das Gericht zweiter Instanz den von diesem zu leistenden Entschädigungsbetrag auf S 34.280 herab; dem auf Anhebung des Entschädigungsbetrages auf S 84.078 sA gerichteten Rekurs der Antragsgegner gab es dagegen nicht Folge. Es sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Diesen Ausspruch begründete das Rekursgericht damit, daß zur Frage der Bemessung der Entschädigung für die Einräumung einer Dienstbarkeit - abgesehen von der zitierten
Rechtsprechung - Judikatur fehle; die genannten Entscheidungen
beträfen jedoch keine Kanaldienstbarkeit.
Der von den Antragsgegnern ergriffene Revisionsrekurs ist nicht zulässig.
Gemäß § 14 Abs 1 AußStrG ist der Revisionsrekurs gegen den Beschluß des Rekursgerichtes zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer dort näher bezeichneten Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt. Das ist im vorliegenden Fall jedoch zu verneinen:
Rechtliche Beurteilung
Das Gericht zweiter Instanz führte in Erledigung des Rekurses der Antragsgegner aus, werde bloß ein Teil des Grundbesitzes enteignet, sei bei der Ermittlung der Entschädigung auf die Verminderung des Werts des zurückbleibenden Grundes Rücksicht zu nehmen. Auszugehen sei vom Verkehrswert. Der Vermögensstand des Enteigneten müsse vor und nach der Enteignung gleich bleiben. In SZ 43/143 sei ausgesprochen worden, daß der Verkehrswert eines mit einer Hochspannungsleitung überspannten Grundstücks nicht jenem einer nicht überspannten Grundfläche gleichgehalten werden könne. Das gelte auch für die im Wege der Enteignung zwangsläufig eingeräumten Kanalservitut. Für die Bemessung der Entschädigung sei der Wert der Dienstbarkeit als Last zu ermitteln. Gegen die Berechnung der Wertminderung als Differenz zwischen dem Wert des Grundstücks bei aufrechtem Bestand der Servitut und jenem ohne diese Servitut bestünden keine Bedenken. Da sich die Auswirkungen der mit der Dienstbarkeit verbundenen Beschränkungen in der Verfügungsfreiheit der Eigentümer auf den Verkehrswert der Liegenschaft nicht genau ermitteln ließen, bedürfe es der "ausgiebigen Anwendung" des § 273 ZPO. Im übrigen trat das Rekursgericht den auf das Sachverständigengutachten gestützten Wertermittlungen des Erstgerichtes bei und begründete auch eingehend, weshalb es dagegen keine Bedenken hege.
Das Rekursgericht hat bei der Ausmessung der Wertminderung den Wert der betroffenen Liegenschaft unter Belastung mit den Zwangsrechten dem Wert gegenübergestellt, der ihr beizumessen wäre, wenn diese Dienstbarkeit dem Antragsteller nicht eingeräumt worden wäre. Diese Grundsätze stimmen mit der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes auch durchaus überein (vgl NZ 1990, 153; SZ 56/14; vgl auch Müllner in NJW 1967, 1352); daß diese Grundsätze nicht gerade im Zusammenhang mit einer Kanalservitut entwickelt wurden, ändert nichts an deren Anwendbarkeit auch im vorliegenden Fall, weil die Art der Servitut zwar im Einzelfall die Höhe der Entschädigung, nicht aber die Bewertungsgrundsätze schlechthin beeinflussen kann. Diese Grundsätze werden im übrigen auch von den Rechtsmittelwerbern gar nicht in Zweifel gezogen. Sie bekämpfen vielmehr in Wahrheit nur die durch den vom Erstgericht beigezogenen Sachverständigen ermittelten Schätzwerte und behaupten, es hätte nicht bloß der Wert der von der Kanalservitut unmittelbar berührten Grundfläche, sondern der Gesamtwert der Liegenschaft einschließlich der darauf errichteten Baulichkeiten einem einheitlichen prozentuellen Abschlag unterzogen werden müssen. Die Vorinstanzen haben der Ausmittlung der Wertminderung die Ergebnisse der Sachverständigenschätzung zugrunde gelegt; das Rekursgericht hat eingehend begründet, weshalb es das Gutachten des Sachverständigen billigt. Soweit die Antragsgegnerin in Wahrheit die tatsächlichen Schlußfolgerungen des Sachverständigen und deren Übernahme in die Feststellungen der Vorinstanzen bekämpfen, wenden sie sich unzulässigerweise gegen die in dritter Instanz nicht mehr überprüfbaren Tatsachenfeststellungen (EFSlg 52.242 ua). Auf die Ergebnisse des vorgelagerten Verwaltungsverfahrens, insbesondere die dort erfolgte Schätzung, können sich die Antragsgegner schon deshalb nicht mit Erfolg berufen, weil das Gericht die Höhe der Entschädigung ohne Rücksicht auf die Ergebnisse des Verwaltungsverfahrens und auch ohne Bezugnahme auf diese festzusetzen hat (JBl 1983, 432; SZ 46/74; Pimmer in Schwimann, ABGB § 365 Rz 48). Soweit die Vorinstanzen bei der Ausmessung der Wertminderung zu Recht § 273 ZPO angewendet haben, ist zwar das Ergebnis der Festsetzung nach dieser Bestimmung rechtliche Beurteilung (NZ 1990, 153 ua), doch zeigen die Antragsgegner auch damit keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 14 Abs 1 AußStrG auf.
Zuletzt behaupten sie noch ohne weitere Begründung, die vom Antragsteller bereits unter dem Titel des von der Enteignungsbehörde festgesetzten Entschädigungsbetrages von S 2.340 für die Belastung (der Liegenschaft) durch einen Kontrollschacht sei keine auf die Wertminderung entfallende Leistung und damit auch nicht auf den festgesetzten Betrag anzurechnen: Dementgegen kann es aber - wie das Rekursgericht zutreffend erkannt hat - im Hinblick auf die Begründung des (nicht rechtskräftig gewordenen) Bescheides der Enteignungsbehörde nicht zweifelhaft sein, daß auch damit die Wertminderung in Form eines "Anerkennungszinses" abgegolten werden sollte. Auch in diesem Umfang wird keine erhebliche Rechtsfrage aufgezeigt, weil es sich dabei um eine im konkreten Einzelfall erforderlich gewordene Auslegung eines verwaltungsbehördlichen Bescheides handelt und die Deutung durch das Gericht zweiter Instanz nicht bloß vertretbar, sondern auch richtig ist.
Der Revisionsrekurs ist deshalb zurückzuweisen.
Der Antragsteller, der auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels der Antragsgegner ausdürcklich hingewiesen hat, hat zwar - im Gegensatz zum zweitinstanzlichen Verfahren - für seine Rechtsmittelbeantwortung Kosten verzeichnet, doch wird der Enteignete auch bei Erfolglosigkeit und damit auch bei Unzulässigkeit seines Rechtsmittels dem Enteigner nicht kostenersatzpflichtig (vgl SZ 60/17 und 269 ua). Der Antrag auf Zuerkennung von Kosten für die Revisionsrekursbeantwortung ist daher abzuweisen.