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Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSG vom 06.02.2012, RV/0384-G/11

Umsätze aus der Tätigkeit als Heilmasseur iSd Medizinischer Masseur- und Heilmasseurgesetzes (MMHmG)

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/0384-G/11-RS1
Die ausschließlich nach ärztlicher Anordnung von einem freiberuflich tätigen Heilmasseur, der die Berufsbefugnis nach dem MMHmG, BGBl. I Nr. 169/2002, besitzt, als Heilbehandlung erbrachten Massageleistungen sind im Sinne einer unionsrechtskonformen Interpretation des § 6 Abs. 1 Z 19 UStG 1994 steuerfrei, da auf Grund der beruflichen Qualifikationen von einer qualitativen Gleichwertigkeit der Behandlungen im Vergleich mit jenen eines Physiotherapeuten im Sinne des MTD-Gesetzes auszugehen ist.

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw., Heilmasseurin, F., vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Graz-Umgebung vom betreffend Umsatzsteuer für die Jahre 2004 und 2005 entschieden:

Der Berufung wird Folge gegeben.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der Abgaben sind den als Beilage angeschlossenen Berechnungsblättern zu entnehmen und bilden einen Bestandteil dieses Bescheidspruches.

Entscheidungsgründe

Der Unabhängige Finanzsenat hat die in den Jahren 2004 und 2005 erzielten Umsätze der Berufungswerberin (Bw.) aus ihrer Tätigkeit als freiberufliche Heilmasseurin - Berufsbefugnis nach dem Bundesgesetz über die Berufe und die Ausbildungen zum medizinischen Masseur und zum Heilmasseur (Medizinischer Masseur- und Heilmasseurgesetz - MMHmG), BGBl. I Nr. 169/2002 liegt vor - in der Berufungsentscheidung vom , RV/0312-G/07 steuerpflichtig behandelt, da in der taxativen Aufzählung des § 6 Abs. 1 Z 19 UStG 1994 ua. nur freiberuflich Tätige im Sinne des § 7 Abs. 3 des Bundesgesetzes über die Regelung der gehobenen medizinisch-technischen Dienste (MTD-Gesetz), BGBl. Nr. 460/1992 - ua. der physiotherapeutische Dienst - aufgezählt seien. Unter anderem ist in der Begründung festgestellt worden, dass der berufsrechtlich zulässige Tätigkeitsbereich des Heilmasseurs (vgl. § 29 Abs. 1 MMHmG) nur einen Teilbereich des Berufsbildes des physiotherapeutischen Dienstes (vgl. § 2 Abs. 1 MTD-Gesetz) abdecke. Da es sich demnach um zwei verschiedene Berufsgruppen mit unterschiedlichem Tätigkeitsumfang handle, könnten die Heilbehandlungen eines Heilmasseurs auch nicht im Wege der Interpretation der gegenständlichen Befreiungsbestimmung als Umsätze aus der Tätigkeit des physiotherapeutischen Dienstes steuerfrei behandelt werden. Nur dann, wenn der freiberuflich tätige Heilmasseur die Berechtigung zur Ausübung des physiotherapeutischen Dienstes besitze, die den nach dem MMHmG vorgeschriebenen speziellen Qualifikationsnachweis ersetzen könne (vgl. § 36 Z 5 MMHmG), was aber im gegenständlichen Fall nicht vorliege, seien seine Heilbehandlungen steuerfrei.

Der Verwaltungsgerichtshof hat die Berufungsentscheidung mit Erkenntnis vom , 2008/15/0224 wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben und in den Entscheidungserwägungen nach Darstellung der Unionsrechtslage zur Steuerbefreiung von Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin, insbesondere unter auszugsweiser Wiedergabe der Ausführungen des Europäischen Gerichtshofes im Urteil vom , C-443/04, Solleveld, Nachstehendes ausgeführt:

"In Umsetzung von Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchstabe c 6. RL sind gemäß § 6 Abs. 1 Z 19 erster Satz UStG 1994 von den unter § 1 Abs. 1 Z 1 fallenden Umsätzen die Umsätze aus der Tätigkeit als Arzt, Dentist, Psychotherapeut, Hebamme sowie als freiberuflich Tätiger im Sinne des § 52 Abs. 4 des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 102/1961 in der Fassung BGBl. Nr. 872/1992 und des § 7 Abs. 3 des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 460/1992 steuerfrei.

Befreite Heilberufe sind demnach Ärzte, Dentisten, Psychotherapeuten, Hebammen sowie diverse freiberuflich Tätige im Bereich medizinischer Spezialdienste. Eine generelle Einbeziehung arztähnlicher Berufe, was nach der zitierten 6. RL möglich wäre, erfolgte nicht (vgl. Ruppe, UStG3, § 6 Tz 417/1). Die Aufzählung ist in diesem Sinne abschließend (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2008/15/0291).

Wie der EuGH in dem auszugsweise wiedergegebenen Urteil ausgeführt hat, ist es zwar Sache jedes einzelnen Mitgliedstaates, in seinem innerstaatlichen Recht die arztähnlichen Berufe zu bestimmen, in deren Rahmen die Durchführung von Heilbehandlungen nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchstabe c der 6. RL von der Mehrwertsteuer befreit ist. Doch ist - wie der EuGH in der Rn. 31 der Rs. Solleveld ua. betont hat - dieses Ermessen nicht unbegrenzt. Liegen keine sachlichen Gründe für den Ausschluss einzelner Berufsgruppen oder Tätigkeiten vor bzw. wird aufgrund gleichwertiger Qualifikationen und Qualität der Tätigkeiten gegen den Grundsatz der steuerlichen Neutralität verstoßen, so überschreiten die in Rede stehenden nationalen Rechtsvorschriften jenes Ermessen, welches den Mitgliedstaaten bei Umsetzung der gegenständlichen Richtlinienbestimmung eingeräumt wurde (vgl. Rn. 45 des Urteils Solleveld ua.).

Die Beschwerdeführerin hat im Verwaltungsverfahren vorgebracht, dass der Ausschluss von Heilmasseuren von der in Rede stehenden Steuerbefreiung unsachlich sei, weil Heilmasseure in Bezug auf die streitgegenständlichen Heilbehandlungen über eine gleichwertige berufliche Qualifikation verfügen wie die mit der Beschwerdeführerin im Wettbewerb stehenden und in den Genuss der Steuerbefreiung gelangenden Physiotherapeuten.

Auf dieses Vorbringen ist die belangte Behörde - indem sie sich damit begnügt hat, auf die unterschiedlichen Berufsbilder des Physiotherapeuten einerseits und des Heilmasseurs andererseits zu verweisen - nur unzureichend eingegangen. Nach der wiedergegebenen Rechtsprechung des EuGH bedarf es Feststellungen zur Frage, ob die Beschwerdeführerin als Heilmasseurin iSd MMHmG über berufliche Qualifikationen für die Durchführung von Heilmassagen verfügt, die gewährleisten können, dass diese Behandlungen denjenigen qualitativ gleichwertig sind, die von Personen erbracht werden, die nach § 6 Abs. 1 Z 19 UStG 1994 in den Genuss der Befreiung kommen. Bei der Prüfung der Gleichwertigkeit ist auch der von der Beschwerde aufgezeigte Aspekt zu berücksichtigen, dass die Angehörigen beider Berufsgruppen Heilbehandlungen (ausschließlich) nach ärztlichen Anordnungen vornehmen. Schließlich wird auch dem Umstand Bedeutung zukommen, ob und inwieweit die Ausbildung zum Heilmasseur gemäß § 26 MTD-G von dem Besuch der entsprechenden Praktika und Prüfungen im Rahmen der Ausbildung zum Physiotherapeuten befreit. Sollte bei der Ausbildung eines Heilmasseurs zum Physiotherapeuten die theoretische und praktische Ausbildung auf dem Gebiet der Heilmassagen nicht zur Gänze entfallen, könnte dies ein Hinweis auf die fehlende Gleichwertigkeit der von ihr auf dem Gebiet der Heilmassagen erbrachten Leistungen sein.

Unter den aufgezeigten - engen - Voraussetzungen wäre die Tätigkeit von Heilmasseuren der in § 6 Abs. 1 Z 19 UStG 1994 angesprochenen Berufsgruppe "freiberuflich Tätiger im Sinne ... § 7 Abs. 3 des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 460/1992" subsumierbar. Dies hat die belangte Behörde verkannt."

Der Unabhängige Finanzsenat hat im fortgesetzten Verfahren das Bundesministerium für Gesundheit um Rechtsauskunft zu folgenden Fragen ersucht:

1) Ob und inwieweit die Ausbildung zum Heilmasseur gemäß § 26 MTD-Gesetz (Anrechnungsbestimmung) vom Besuch der entsprechenden Praktika und Prüfungen im Rahmen der Ausbildung zum Physiotherapeuten befreit.

2) Ob aus anderen Bestimmungen des MTD-Gesetzes und des MMHmG und/oder entsprechender Verordnungen auf die qualitative Gleichwertigkeit oder fehlende Gleichwertigkeit der auf dem Gebiet der Heilmassagen von Physiotherapeuten und Heilmasseuren erbrachten Leistungen geschlossen werden kann.

Das Bundesministerium für Gesundheit hat in Beantwortung der Anfrage im Schreiben vom , GZ BMG-92268/0009-II/A/2/2011, Nachstehendes mitgeteilt:

"Zu Punkt 1)

Die Anrechnung von Prüfungen und Praktika erfolgt im Einzelfall durch den jeweiligen Direktor der medizinisch-technischen Akademie, sofern sie nach Inhalt und Umfang gleichwertig sind (vgl. § 26 MTD-Gesetz, BGBl. Nr. 460/1992, idgF).

Im Informationsschreiben des (damaligen) Bundesministeriums für Gesundheit und Frauen vom , GZ 92254/0018-I/B/2005, betreffend § 26 MTD-Gesetz wurde den Ländern mitgeteilt, dass die Ausbildungen gemäß Hebammengesetz, Sanitätergesetz, Kardiotechnikergesetz und Medizinischer Masseur- und Heilmasseurgesetz im § 26 MTD-Gesetz (noch) nicht berücksichtigt wurden. Die Schaffung einer entsprechenden Rechtsgrundlage wurde in Aussicht genommen. Es wurde daher ersucht, die Anrechnung von Prüfungen und Praktika zu ermöglichen, sofern die Voraussetzungen des § 26 MTD-Gesetz erfüllt sind.

Da im Jahr 2005 die Überführung der MTD-Ausbildungen an die Fachhochschulen begann und diese heute nunmehr in allen Bundesländern abgeschlossen ist - derzeit gibt es lediglich zwei private MTD-Akademien, wobei eine davon ihren Betrieb demnächst einstellen wird - wurde auch davon abgesehen, eine entsprechende Rechtsgrundlage zu schaffen. Es ist auch beabsichtigt, in einer künftigen MTD-Gesetz-Novelle sämtliche die Ausbildung an den MTD-Akademien betreffenden Bestimmungen im MTD-Gesetz aufzuheben.

Auf Grund der Überführung der MTD-Ausbildungen an die Fachhochschulen obliegt diesen nunmehr die Anrechnung allfälliger Ausbildungsinhalte (vgl. § 16 Abs. 4 FHStG).

Entsprechend diesen Ausführungen kann die Frage der Anrechnung nicht für die Feststellung der Gleichwertigkeit der Ausbildungen im Bereich der Massage herangezogen werden.

Zu Punkt 2)

Sowohl das Berufsbild des/der Heilmasseurs/-in (§ 29 MMHmG, BGBl. I Nr. 169/2002, idgF) als auch das Berufsbild des/der Physiotherapeuten/-in (§ 2 Abs. 1 MTD-Gesetz) beinhalten "Heilmassagen, Reflexzonentherapien, Lymphdrainagen, Ultraschalltherapie, Packungsanwendungen und Thermotherapie und - sofern der/die Heilmasseur/-in über die Spezialqualifikationsausbildungen Elektro- und/oder Hydro- und Balneotherapie verfügt - elektro- und/oder hydro- und balneotherapeutische Maßnahmen.

Darüber hinaus sind gemäß § 36 Z 5 MMHmG zur Ausübung des Berufs des/der Heilmasseurs/-in Personen berechtigt, die zur Ausübung des physiotherapeutischen Dienstes berechtigt sind.

Weiters werden gemäß § 135 ASVG Abs. 1 Z 1 und 4 sowohl die auf Grund ärztlicher Verschreibung erforderliche physiotherapeutische Behandlung durch Physiotherapeuten/-innen als auch eine auf Grund ärztlicher Verschreibung erforderliche Leistung eines/einer Heilmasseurs/-in der ärztlichen Hilfe gleichgestellt.

Die Praxis zeigt, dass bei der ärztlichen Verschreibung seitens der Ärzte/-innen regelmäßig nicht festgehalten wird, von welcher Berufsgruppe beispielsweise die angeordnete Heilmassage durchgeführt werden soll.

Seitens des ho. Ressorts wird jedenfalls davon ausgegangen, dass die im Berufsbild des/der Heilmasseurs/-in festgehaltenen Tätigkeiten jenen des/der Physiotherapeuten/-in in diesem Bereich entsprechen.

Abschließend wird mitgeteilt, dass das Bundesministerium für Gesundheit in Aussicht nimmt, an das Bundesministerium für Finanzen zwecks Aktualisierung der Bestimmung im Umsatzsteuergesetz heranzutreten."

Über die Berufung wurde erwogen:

Für die Lösung der Streitfrage, ob die von der Bw., die die Berufsbefugnis als Heilmasseurin nach dem MMHmG einschließlich der Spezialqualifikation Elektrotherapie gemäß § 81 MMHmG und die Berechtigung zur Ausübung der manuellen Lymphdrainage besitzt, erbrachten Heilbehandlungen unter § 6 Abs. 1 Z 19 UStG 1994 - "freiberuflich Tätiger im Sinne ... § 7 Abs. 3 des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 460/1992" - subsumierbar sind, ist nach der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofes im aufhebenden Erkenntnis unter Bedachtnahme auf die Rechtsprechung des EuGH entscheidungswesentlich, ob die Bw. als Heilmasseurin iSd MMHmG über berufliche Qualifikationen für die Durchführung von Heilmassagen verfügt, die gewährleisten können, dass diese Behandlungen denjenigen qualitativ gleichwertig sind, die von Physiotherapeuten erbracht werden.

Bei der Prüfung der Gleichwertigkeit ist nach der Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofes auch der von der Beschwerde aufgezeigte Aspekt zu berücksichtigen, dass die Angehörigen beider Berufsgruppen Heilbehandlungen (ausschließlich) nach ärztlichen Anordnungen vornehmen. Nach der Bestimmung des § 2 Abs. 1 MTD-Gesetz umfasst der physiotherapeutische Dienst die eigenverantwortliche Anwendung von ua. aller Arten von Heilmassagen nach ärztlicher Anordnung. Nach der Bestimmung des § 29 Abs. 1 MMHmG umfasst der Beruf des Heilmasseurs die eigenverantwortliche Durchführung von klassischer Massage, Packungsanwendungen, Thermotherapie, Ultraschalltherapie und Spezialmassagen zu Heilzwecken nach ärztlicher Anordnung, wobei nach Abs. 3 leg. cit. der anordnende Arzt die Verantwortung für die Anordnung (Anordnungsverantwortung) und der Heilmasseur die Verantwortung für die Durchführung der angeordneten Tätigkeit (Durchführungsverantwortung) trägt. Die Tatsache, dass demnach sowohl Physiotherapeuten als auch Heilmasseure ausschließlich medizinisch indizierte Massageleistungen erbringen spricht für die qualitative Gleichwertigkeit der von Angehörigen beider Berufsgruppen erbrachten Heilbehandlungen.

Auch der Umstand, dass gemäß § 135 Abs. 1 Z 1 und 4 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955 idF BGBl. I Nr. 71/2005, sowohl die auf Grund ärztlicher Verschreibung erforderliche physiotherapeutische Behandlung durch Personen, die gemäß § 7 des Bundesgesetzes über die Regelung der gehobenen medizinisch-technischen Dienste, BGBl. Nr. 460/1992, zur freiberuflichen Ausübung des physiotherapeutischen Dienstes berechtigt sind als auch die auf Grund ärztlicher Verschreibung erforderliche Leistung eines Heilmasseurs, der nach § 46 des Medizinischer Masseur- und Heilmasseurgesetzes, BGBl. I Nr. 169/2002, zur freiberuflichen Berufsausübung berechtigt ist, im Rahmen der Krankenbehandlung (§ 133 Abs. 2) der ärztlichen Hilfe gleichgestellt sind, spricht nach Ansicht des Unabhängigen Finanzsenates für die qualitative Gleichwertigkeit der von Physiotherapeuten und Heilmasseuren erbrachten Heilmassagen.

In diesem Zusammenhang ist wohl auch bedeutsam, dass, wie das Bundesministerium für Gesundheit dem Unabhängigen Finanzsenat im Schreiben vom mitgeteilt hat, bei der ärztlichen Verschreibung von Massageleistungen regelmäßig nicht festgehalten wird, von welcher Berufsgruppe die angeordnete Heilmassage durchgeführt werden soll. Daraus erhellt, dass der anordnende Arzt von der qualitativen Gleichwertigkeit der Massageleistung beider Berufsgruppen zur Erreichung des angestrebten Therapieerfolges überzeugt ist.

Der vom Verwaltungsgerichtshof im aufhebenden Erkenntnis für die Beurteilung der Gleichwertigkeit der Heilmassagen ebenfalls relevierte Umstand, ob und inwieweit die Ausbildung zum Heilmasseur gemäß § 26 MTD-Gesetz von dem Besuch der entsprechenden Praktika und Prüfungen im Rahmen der Ausbildung zum Physiotherapeuten befreit, erweist sich aus nachstehenden Erwägungen als ungeeignetes Beurteilungskriterium:

Die Formulierung des § 26 MTD-Gesetzes, die die Anrechenbarkeit der im Einzelnen angeführten Ausbildungen unter der Voraussetzung der inhaltlichen und umfangmäßigen Gleichwertigkeit in die Entscheidungskompetenz des/der Direktors/-in überträgt, stammt aus dem Jahr 1996 und wurde bis heute nicht novelliert. Es ist daher die im MMHmG, das aus dem Jahr 2002 stammt, geregelte Ausbildung (noch) nicht berücksichtigt. Dazu hat das Bundesministerium für Gesundheit und Frauen in der Information vom an die Länder ua. Nachstehendes mitgeteilt:

"Es ist geplant, eine entsprechende gesetzliche Grundlage für Anrechnungsmöglichkeiten insbesondere für Prüfungen und Praktika, die im Rahmen von Ausbildungen in einem Gesundheitsberuf bzw. eines Universitäts- oder Fachholschulstudiums erfolgreich absolviert wurden, in der nächsten MTD-Gesetz-Novelle zu schaffen.

Bis zur legistischen Umsetzung wird ersucht, die Anrechnung von Prüfungen und Praktika von im Sanitätergesetz, Kardiotechnikergesetz, Medizinischer Masseur- und Heilmasseurgesetz und Hebammengesetz geregelten Ausbildungen zu ermöglichen, sofern die Voraussetzungen des § 26 MTD-Gesetz erfüllt sind."

Dementsprechend kann die Frage der Anrechnung der theoretischen und praktischen Ausbildung zum Heilmasseur im Rahmen der Ausbildung zum Physiotherapeuten nicht für die Feststellung der Gleichwertigkeit der Ausbildungen im Bereich der Massage herangezogen werden (vgl. auch Schreiben des Bundesministeriums für Gesundheit vom an den Unabhängigen Finanzsenat).

Das unterschiedliche Stundenausmaß für die theoretische und praktische Ausbildung zum Physiotherapeuten von 4525 Stunden (vgl. ) im Vergleich zur theoretischen und praktischen Ausbildung zum Heilmasseur im Umfang von 2490 Stunden (ohne Spezialqualifikationen) ist nach Ansicht des Unabhängigen Finanzsenates nicht geeignet, Zweifel an der beruflichen Qualifikation von Heilmasseuren zur Durchführung von Heilmassagen, die jenen von Physiotherapeuten qualitativ gleichwertig sind, aufkommen zu lassen. Denn der höhere Ausbildungsbedarf des Physiotherapeuten erklärt sich wohl auf Grund des umfassenderen Tätigkeitsbereiches. Während der Beruf des Heilmasseurs gemäß § 29 Abs. 1 MMHmG die eigenverantwortliche Durchführung von klassischer Massage, Packungsanwendungen, Thermotherapie, Ultraschalltherapie und Spezialmassagen zu Heilzwecken nach ärztlicher Anordnung umfasst, umfasst der physiotherapeutische Dienst gemäß § 2 Abs. 1 MTD-Gesetz die eigenverantwortliche Anwendung aller physiotherapeutischen Maßnahmen nach ärztlicher Anordnung im intra- und extramuralen Bereich, unter besonderer Berücksichtigung funktioneller Zusammenhänge auf den Gebieten der Gesundheitserziehung, Prophylaxe, Therapie und Rehabilitation. Hiezu gehören insbesondere mechanotherapeutische Maßnahmen, wie alle Arten von Bewegungstherapie, Perzeption, manuelle Therapie der Gelenke, Atemtherapie, alle Arten von Heilmassagen, Reflexzonentherapien, Lymphdrainagen, Ultraschalltherapie, weiters alle elektro-, thermo-, photo-, hydro- und balneotherapeutischen Maßnahmen sowie berufsspezifische Befundungsverfahren und die Mitwirkung bei elektrodiagnostischen Untersuchungen. Weiters umfasst er ohne ärztliche Anordnung die Beratung und Erziehung Gesunder in den genannten Gebieten.

Auf Grund der vorhin aufgezeigten Umstände verfügt die Bw. als Heilmasseurin nach Ansicht des Unabhängigen Finanzsenates über berufliche Qualifikationen für die Durchführung von Heilmassagen, die gewährleisten, dass diese Behandlungen den von Physiotherapeuten auf diesem Gebiet erbrachten Behandlungsleistungen qualitativ gleichwertig sind. Somit sind die strittigen Behandlungsleistungen auf Grund der gebotenen gemeinschaftsrechtskonformen Interpretation des § 6 Abs. 1 Z 19 UStG 1994 von der Umsatzsteuer befreit.

Damit stellen sich die Bemessungsgrundlagen wie folgt dar:


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2004
2005
Gesamtbetrag der Bemessungsgrundlagen für Lieferungen und sonstige Leistungen (lt. Berufungsantrag)
31.372,28
39.237,05
Umsätze 20 % (unbestritten)
9.406,83
14.301,60
Umsätze 10 % (unbestritten)
6.545,45
6.545,45
Umsätze gemäß § 6 Abs. 1 Z 19 UStG 1994 lt. BE
15.420,00
18.390,00
Abzugsfähige Vorsteuern lt. Berufungsantrag
621,79
375,92

Kleinunternehmer gemäß § 6 Abs. 1 Z 27 UStG 1994 in der für die Streitjahre maßgebenden Fassung BGBl. I Nr. 59/2002 ist ein Unternehmer, der im Inland einen Wohnsitz oder Sitz hat und dessen Umsätze nach § 1 Abs. 1 Z 1 und 2 im Veranlagungszeitraum 22.000 Euro nicht übersteigen. Bei dieser Umsatzgrenze bleiben die Umsätze aus Hilfsgeschäften einschließlich der Geschäftsveräußerungen außer Ansatz. Das einmalige Überschreiten der Umsatzgrenze um nicht mehr als 15% innerhalb eines Zeitraumes von fünf Kalenderjahren ist unbeachtlich. Nicht unter die Steuerbefreiung fallen die Umsätze, die nach § 20 Abs. 4 und 5 besteuert werden.

Übersteigen die steuerpflichtigen und steuerfreien Umsätze die Grenze von € 22.000 kann Z 27 nicht angewendet werden (vgl. Ruppe/Achatz, Umsatzsteuergesetz, Kommentar, Wien 2011, § 6, Tz 450 und das dort angeführte Beispiel sowie Scheiner/Kolacny/Caganek, Kommentar zur Mehrwertsteuer, UStG 1994, Band IV, § 6 Abs. 1 Z 27, Anm. 21).

Da die Bw. im Streitjahr 2004 steuerbare Umsätze in Höhe von € 31.372,28 und im Streitjahr 2005 solche in Höhe von € 39.237,05 erzielt und damit die für die Anwendung der Kleinunternehmerregelung maßgebliche Umsatzgrenze von € 22.000 bei weitem überschritten hat, waren die nach Abzug der unecht steuerbefreiten Umsätze aus den Massageleistungen als Heilmasseurin verbleibenden, unbestrittenen steuerpflichtigen Umsätze in Höhe von € 15.952,28 (2004) und € 20.847,05 (2005) der Umsatzsteuer zu unterwerfen.

Es war daher wie im Spruch ersichtlich zu entscheiden.

Beilage: 2 Berechnungsblätter

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
Schlagworte
Massageleistung
Heilbehandlung
Heilmasseur
Physiotherapeut
Krankenbehandlung
Heilmassage
Verweise
Anmerkung
Abweichend zum Salzburger Steuerdialog 2011, BMF-010219/0225-VI/4/2011 vom
Zitiert/besprochen in
UFSjournal 4/2012, 151
UFS Newsletter 2012/02
Neues Volksblatt v.

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at