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Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSW vom 21.12.2012, RV/1924-W/10

Versäumte Mängelbehebungsfrist - keine telefonische Fristverlängerung möglich


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Miterledigte GZ:
RV/1923-W/10

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des P.****, Adr.Bw, gegen die Bescheide des Finanzamtes XY betreffend die Zurücknahmeerklärung der Berufung (§§ 85, 275 BAO) hinsichtlich Umsatz- und Einkommensteuer für die Jahre 2007 und 2008 entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Die angefochtenen Bescheide bleiben unverändert.

Entscheidungsgründe

Mit Datum vom erließ das Finanzamt an "U**** als Masseverwalter im Konkurs P****" gerichtete Umsatz- und Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2007 und 2008, wobei es die Besteuerungsgrundlagen gemäß § 184 BAO im Schätzungsweg ermittelte.

Gegen diese Bescheide erhob P.**** (in der Folge: Berufungswerber bzw kurz: Bw) selbst fristgerecht am Berufung, wobei er zusammengefasst ausführte, er betreibe seit kein Gewerbe mehr und sei auch schon einige Zeit davor nicht mehr gewerblich aktiv gewesen. Er habe an seinen Betriebsstandort nachweislich weder eine Vorschreibung noch eine sonstige Zahlungsaufforderung erhalten. Er sei zahlungswillig, doch bitte er aufgrund der gegebenen Umstände und Fakten um Neuaufrollung seines Falles, um eine beidseitig akzeptable Lösung herbeizuführen. Er habe vorgehabt, seine Außenstände durch die zukünftige Gewerbetätigkeit auszugleichen, dies werde jedoch aufgrund des Konkursantrages nicht mehr möglich sein.

Das Finanzamt erließ mit Datum vom einen an die Masseverwalterin (im Konkurs des Bw) gerichteten Mängelbehebungsauftrag, in welchem es ausführte, die Berufung weise folgende Mängel auf: Es fehlten ".) konkrete Punkte, in denen die Bescheide angefochten würden .) die beantragten Änderungen .) sowie die darauf gerichtete Begründung"

Die Mängel seien bis zum zu beheben, bei Versäumung der Frist gelte die Berufung als zurückgenommen.

In Beantwortung dieses Auftrages erklärte die Masseverwalterin mit Schreiben vom , sie kenne die Berufung nicht, da diese vom Bw selbst eingebracht worden sei und ihr noch nicht vorliege. Sie ersuche daher um Übermittlung der Berufung sowie um Erstreckung der Frist zur Mängelbehebung bis .

Mit Bescheiden vom (ebenfalls gerichtet an die Masseverwalterin im Konkurs des Bw) erklärte das Finanzamt die Berufung als zurückgenommen, da die Mängel nicht behoben worden seien.

Gegen diese Bescheide richtet sich die streitgegenständliche, von der Masseverwalterin eingebrachte Berufung vom . In dieser Berufung wird vorgebracht, auf Antrag der Masseverwalterin sei laut Telefonat mit Herrn K. am die Frist zur Mängelbehebung bis verlängert worden.

Das Finanzamt erließ eine (nur das Jahr 2007 betreffende) abweisende Berufungsvorentscheidung, in welcher es ausführte, entsprechend einer Aktennotiz vom sei die Frist laut Telefonat mit der Masseverwalterin bis verlängert worden. Über ein schriftliches Ersuchen der Masseverwalterin vom sei mittels Bescheid vom abweislich hinsichtlich des Ansuchens um Fristverlängerung bis entschieden worden, da bereits eine Fristverlängerung bis erfolgt sei. Da die Mängelbehebung nicht bis zum erfolgt sei, sei die ursprüngliche Berufung als zurückgenommen zu erklären gewesen. Die in der streitgegenständlichen Berufung angeführte telefonische Zusicherung einer Fristverlängerung durch Herrn K. bis lasse sich einerseits mangels entsprechender Dokumentation im Finanzamtsakt nicht nachvollziehen, andererseits wäre eine solche Verlängerung auch deshalb nicht zulässig gewesen, weil hierüber bereits mit dem Abweisungsbescheid vom abgesprochen worden sei. Die telefonische Anfragebeantwortung sei daher rechtsunverbindlich gewesen.

Die Masseverwalterin stellte einen Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz.

Über die Berufung wurde erwogen:

Mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom wurde über das Vermögen des Bw der Konkurs eröffnet. Zur Masseverwalterin wurde Rechtsanwältin Mag. Dr. U.**** bestellt.

Der Gemeinschuldner ist nicht berechtigt, ohne Zustimmung des Masseverwalters oder neben diesem Berufung gegen einen das zur Konkursmasse gehörige Vermögen betreffenden Bescheid zu erheben. Dies ändert aber nichts daran, dass die Abgabenbehörde zur Zurückweisung einer vom Gemeinschuldner selbst erhobenen Berufung erst dann berechtigt ist, wenn sie geklärt hat, dass eine Zustimmung des Masseverwalters zu der vom Gemeinschuldner gesetzten Prozesshandlung nicht vorliegt (vgl Ellinger/Iro/Kramer/Sutter/Urtz, BAO3 § 273 E 34 f)

Eine solche Genehmigung durch die Masseverwalterin lag im Streitfall offensichtlich vor, da die Masseverwalterin der Berufungserhebung durch den Bw nicht widersprochen und sich am Berufungsverfahren beteiligt hat.

Mittlerweile ist das den Bw betreffende Insolvenzverfahren beendet.

Das Finanzamt hat mit Mängelbehebungsauftrag vom eine Frist bis zum gesetzt und darauf hingewiesen, dass bei Versäumung dieser Frist die Berufung als zurückgenommen gilt.

In der Folge ersuchte die Masseverwalterin mit Datum vom schriftlich um Verlängerung der Mängelbehebungsfrist bis zum . Das Finanzamt sagte am telefonisch eine Verlängerung der Mängelbehebungsfrist bis zum zu. Mit Bescheid vom wies das Finanzamt den "Antrag vom , eingebracht am betreffend Fristverlängerung der Mängelbehebungsfrist zu der Berufung gegen Abgabenbescheide 2007 und 2008" ab. In der Begründung führte es aus, die Mängelbehebungsfrist sei laut Telefonat vom auf den verlängert worden, einer weiteren Fristverlängerung könne nicht zugestimmt werden.

In der Berufung wird vorgebracht, die Masseverwalterin habe am telefonisch neuerlich um eine Fristverlängerung bis ersucht und sei ihr eine solche auch telefonisch zugesagt worden.

Mit Bescheiden vom wurde die Berufung vom vom Finanzamt als zurückgenommen erklärt. Gegen diese Bescheide richtet sich die streitgegenständliche Berufung vom .

§ 250 Abs 1 BAO lautet:

"Die Berufung muss enthalten: a) die Bezeichnung des Bescheides, gegen den sie sich richtet; b) die Erklärung, in welchen Punkten der Bescheid angefochten wird; c) die Erklärung, welche Änderungen beantragt werden; d) eine Begründung."

§ 85 Abs 2 BAO in der hier maßgeblichen Fassung des AbgVRefG (BGBl I 20/2009) lautet:

"Mängel von Eingaben (Formgebrechen, inhaltliche Mängel, Fehlen einer Unterschrift) berechtigen die Abgabenbehörde nicht zur Zurückweisung; inhaltliche Mängel liegen nur dann vor, wenn in einer Eingabe gesetzlich geforderte inhaltliche Angaben fehlen. Sie hat dem Einschreiter die Behebung dieser Mängel mit dem Hinweis aufzutragen, daß die Eingabe nach fruchtlosem Ablauf einer gleichzeitig zu bestimmenden angemessenen Frist als zurückgenommen gilt; werden die Mängel rechtzeitig behoben, gilt die Eingabe als ursprünglich richtig eingebracht."

Dass die Berufung vom mangelhaft war und daher der Mängelbehebungsauftrag zu Recht erteilt wurde, wird nicht bestritten.

Eine Mängelbehebungsfrist ist als behördliche Frist gemäß § 110 Abs 2 BAO auf Antrag verlängerbar (zB ). Nach ständiger Rechtsprechung und Lehre kommt allerdings einem solchen Antrag - mangels ausdrücklicher gesetzlicher Grundlage - keine fristhemmende Wirkung zu (zB ; ).

Gemäß § 85 Abs 1 BAO sind Anbringen zur Geltendmachung von Rechten oder zur Erfüllung von Verpflichtungen (insbesondere Erklärungen, Anträge, Beantwortungen von Bedenkenvorhalten, Rechtsmittel) vorbehaltlich der Bestimmungen des Abs 3 schriftlich einzureichen (Eingaben).

Gemäß § 85 Abs 3 BAO hat die Abgabenbehörde mündliche Anbringen der im Abs 1 bezeichneten Art entgegenzunehmen, wenn dies die Abgabenvorschriften vorsehen (lit a), oder wenn dies für die Abwicklung des Abgabenverfahrens zweckmäßig ist (lit b), oder wenn die Schriftform dem Einschreiter nach seinen persönlichen Verhältnissen nicht zugemutet werden kann (lit c).

(Auch) Anträge auf Fristverlängerungen sind daher grundsätzlich schriftlich einzubringen. Hinzu kommt, dass es weder die Abgabenvorschriften vorsehen, einen Antrag auf Verlängerung der Mängelbehebungsfrist mündlich einzubringen, noch ergibt sich aus den Akten, dass es dem Bw bzw der Masseverwalterin nicht zugemutet werden könne, einen Fristverlängerungsantrag schriftlich einzubringen. Ein mündliches Ansuchen auf Fristverlängerung wird regelmäßig auch nicht für die Abwicklung des Abgabenverfahrens zweckmäßig sein, da es nach § 87 Abs 1 BAO als zusätzlichen Verwaltungsschritt die Anfertigung einer Niederschrift erforderlich macht.

Die Masseverwalterin hat mit Datum vom einen schriftlichen Fristverlängerungsantrag gestellt. Das Finanzamt hat über diesen Antrag in der Form entschieden, dass es eine Fristverlängerung (laut Begründung über den hinaus) abgelehnt hat.

In der Folge habe die Masseverwalterin nach dem Berufungsvorbringen telefonisch neuerlich eine solche Fristverlängerung bis zum beantragt, welche ihr auch telefonisch zugesagt worden sei.

Zum telefonischen Ersuchen auf Verlängerung der Mängelbehebungsfrist der Masseverwalterin ist festzuhalten, dass nach ständiger Rechtsprechung und Lehre telefonische Ersuchen keine mündliche Anbringen iSd § 85 Abs 2 BAO darstellen (zB mwN; ; ; Ritz, BAO4, § 85 Tz 9 mwN).

Allein ein Fristverlängerungsbescheid hätte die festgesetzte Frist normativ zu verlängern vermocht bzw im Fall einer Abweisung den entsprechenden - wenn auch gemäß § 244 BAO nicht abgesonderten - Rechtsschutz ermöglicht. Eine telefonische Bekanntgabe sieht § 97 BAO jedoch nicht vor (; ; Ritz, BAO4, § 97 Tz 6 mwN; Stoll, BAO-Kommentar, 1016). Zudem kommt telefonischen Bekanntgaben auch dann keine Rechtswirkung zu, wenn sie in Aktenvermerken beurkundet werden ( mwN; vgl zum Ganzen auch Sutter, Telefonisch erreichte Fristerstreckung ungültig!, AnwBl 2006, 547 und Baldauf, Telefonate von und mit der Abgabenbehörde sind rechtlich unwirksam, SWK 2006, S 311).

Der behaupteten telefonischen Fristverlängerung bis kam somit keine Rechtswirkung zu. Die im Mängelbehebungsauftrag bis eingeräumte Frist wurde vom Finanzamt daher jedenfalls nicht über den hinaus wirksam verlängert. Bis zu diesem Zeitpunkt erfolgte unstrittig keine Mängelbehebung. Die Zurückgenommenerklärungen am erfolgten daher unzweifelhaft nach Ablauf der ungenutzt gebliebenen Mängelbehebungsfrist.

Ob tatsächlich wirksam eine Fristverlängerung bis zum gewährt worden war (was angesichts der Gestaltung des Spruches des Bescheides vom zweifelhaft sein könnte) oder ob die Frist bereits am abgelaufen war, kann damit dahinstehen.

Wird aber einem berechtigten behördlichen Auftrag zur Mängelbehebung überhaupt nicht, nicht zeitgerecht oder zwar innerhalb der gesetzten Frist aber - gemessen an dem sich an den Vorschriften des § 250 Abs 1 BAO orientierten Mängelbehebungsauftrag - unzureichend entsprochen, gilt die Berufung bereits kraft Gesetzes als zurückgenommen. Der Eintritt dieser Folge wird durch den auf diese Rechtstatsache Bezug nehmenden, von der Behörde iSd § 85 Abs 2 BAO zu erlassenden (verfahrensrechtlichen) Bescheid nicht begründet, sondern festgestellt, und kann somit durch nach Fristablauf vorgenommene (verspätete) Mängelbehebungen nicht mehr beseitigt werden (vgl ; Ritz, BAO4, § 85 Tz 18; Stoll, BAO-Kommentar, 2702).

Dementsprechend hat das Finanzamt mit den angefochtenen Bescheiden vom zu Recht die Berufung vom für zurückgenommen erklärt.

Die Berufung war daher gemäß § 289 Abs 2 BAO als unbegründet abzuweisen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
§ 85 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 275 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 250 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 85 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 110 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 85 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 85 Abs. 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 87 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 97 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at