Overheaddisplay, Laptop, Leihgebühr für Rollstuhl, Fachliteratur, Software als außergewöhnliche Belastung
Rechtssätze
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Stammrechtssätze | |
RV/1540-W/07-RS1 | Für rollstuhlabhängige Personen ist ein Rollstuhl auch dann ein Hilfsmittel im Sinne des § 154 Abs 1 ASVG, wenn dieser Rollstuhl gemietet wird. |
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw., vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Neunkirchen Wr. Neustadt, vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2006 entschieden:
Der Berufung wird teilweise stattgegeben.
Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.
Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der Einkommensteuer sind dem Ende der folgenden Entscheidungsgründe zu entnehmen und bilden einen Bestandteil dieses Bescheidspruches.
Entscheidungsgründe
In seiner Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2006 hat der Berufungswerber (Bw.) durch Eintragung in der Rubrik "nicht regelmäßige Ausgaben für Hilfsmittel", Kennzahl 471, folgende Ausgaben als außergewöhnliche Belastung geltend gemacht:
Diese Ausgaben sind im Einkommensteuerbescheid (Arbeitnehmerveranlagung) 2006 nicht als außergewöhnliche Belastung anerkannt worden.
Der Bw. hat deshalb den Einkommensteuerbescheid (Arbeitnehmerveranlagung) angefochten und hat in seiner Berufung ausgeführt:
Die als außergewöhnliche Belastung geltend gemachten Ausgaben habe er für seinen schwer behinderten Sohn getätigt, der ohne diese notwendigen Hilfsmittel nicht studieren könne.
Sein Sohn könne weder auf den Papier noch auf der Tafel seine Übungen darstellen, sondern benötige dazu ein Display für den Overhead-Projektor und einen Laptop.
Zur optimalen Ausführung von komplizierten Rechenvorgängen sei ein spezielles Programm für den Laptop und auch ein kleines Programmierprogramm zur Erstellung notwendiger Programme erforderlich.
Aus gesundheitlichen Gründen könne sein Sohn nur zweimal pro Woche die Uni besuchen und müsse sich das fehlende Vorpraxiswissen durch gekaufte Fachbücher und Skripten an den übrigen Wochentagen aneignen.
Seiner Berufung hat der Bw. die Ablichtung eines, eine Seite langen, mathematische Formeln und Gleichungen enthaltenden, Textes beigelegt und Ablichtungen von Rechnungen über folgende Ausgaben:
Die Berufung hat das Finanzamt mit Berufungsvorentscheidung () abgewiesen und hat im Begründungsteil ausgeführt:
"Die geltend gemachten Aufwendungen im Zusammenhang mit dem Studium stellen Ausbildungskosten dar, welche durch die Familienbeihilfe abgegolten sind, bzw. im Rahmen der Unterhaltspflicht zu bestreiten sind. Ein Fernstudium ist grundsätzlich für jeden möglich und damit verbundene Ausgaben können dafür durch Einsparung von Fahrtkosten und auswärtigen Verpflegungskosten ausgeglichen werden. Außerdem fallen durch die Verwendung von Overheadfolien die Kosten für Papier und andere Schreibutensilien weg, somit kommt es lediglich zu einer Kostenverschiebung."
Die Berufungsvorentscheidung hat der Bw mit Vorlageantrag () angefochten und hat das bisherige Vorbringen zT ergänzend, zT wiederholend ausgeführt:
Die Behinderung seines Sohnes sei so weit fortgeschritten, dass er mit der Hand nicht schreiben könne und daher einen Laptop benötige. Für die Arbeiten an der Uni habe ein neuer Laptop angeschafft werden müssen, da der während der Gymnasialzeit verwendete Laptop nicht mehr repariert werden konnte.
Der Sohn benötige ein Lesegerät für seinen Taschenrechner, damit die Professoren seine Übungen am Overheadprojektor ablesen können.
Sein Sohn leide an schwerer Herzschwäche und könne die Uni deshalb nur an zwei Wochentagen besuchen. Er versuche, sich das für das Studium notwendige Wissen durch die vom Bw. gekauften Fachbücher anzueignen.
Ein spezielles Mathematikprogramm habe angeschafft werden müssen, um die komplizierten Gleichungen richtig darstellen zu können.
Alle Kosten seien durch die schwere körperliche Behinderung seines Sohnes entstanden und sollen bei gesunden Studenten nicht anfallen.
Dem Vorlageantrag hat der Bw. ein medizinisches Sachverständigengutachten beigelegt. Die darin für den Sohn gestellte Diagnose lautet: Hypertrophe Kardiomyopathie und Friedreich-Ataxie. Der Gesamtgrad der Behinderung wird mit 100% erhöht um 2 Stufen festgestellt. Der Sohn ist rollstuhlabhängig; die Behinderung ist ein Dauerzustand.
Aus dem Einkommensteuerbescheid 2006:
Der Sohn des Bw. ist "Kind" im Sinne des § 106 Abs 1 EStG 1988.
Vorhalteverfahren/Unabhängiger Finanzsenat (Telefonat, ; Vorhaltsbeantwortung, ):
Lt. Rechnung vom ist die Software Mathematica Student Version durch Überweisung des Rechnungsbetrages € 130,00 zu bezahlen. Lt. Überweisungsbeleg ist die Zahlung am erfolgt.
Über die Berufung wurde erwogen:
Strittig ist, ob die Ausgaben für ein Overheaddisplay (€ 249,00), einen Laptop (€ 1.800,00), die Leihgebühr für einen Rollstuhl (€ 13,59), die vom Bw. als Ausgaben für Fachliteratur bezeichneten Ausgaben für "Fachbücher Physik" (€ 97,60), "Fachbuch" (€ 30,40), "Große Formelsammlung-Superpaket CD-ROM" (€ 20,00), "Abonnement Sterne und Weltraum" (€ 87,60), "Quanten sind anders" (€ 15,50), "Elemente" (€ 13,40) und "QED" (€ 13,30), die vom Bw. als Ausgaben für CD zum Programmieren und Anwendung bezeichneten Ausgaben für "Software für Schüler, Studenten und Lehrer" (€ 89,95) und "Builder" (€ 69,95) sowie die Ausgaben für die Software "Mathematica Student Version" (€ 130,00) "nicht regelmäßig anfallende Ausgaben für Hilfsmittel" und damit als außergewöhnliche Belastung abziehbare Ausgaben sind oder ob sie mit der Familienbeihilfe abgegoltene Ausbildungskosten und/oder mit dem Unterhaltsanspruch abgegoltene Ausgaben und damit nicht als außergewöhnliche Belastung abziehbare Ausgaben sind.
Entscheidungsgrundlage im ggstl. Berufungsverfahren ist folgende - nicht strittige - Sachlage:
Die als außergewöhnliche Belastung geltend gemachten Ausgaben hat der Bw. für seinen an der Universität Wien studierenden Sohn getätigt, der lt. ärztlichem Attest dauernd zu 100% (erhöht um 2 Stufen) behindert und rollstuhlabhängig ist.
Der Sohn des Bw. ist "Kind" im Sinne des § 106 Abs 1 EStG 1988; d.h. dem Bw. steht für den Sohn ein Kinderabsetzbetrag nach § 33 Abs 4 Z 3 lit a EStG 1988 zu.
Die auf die v.a. Sach- und Entscheidungsgrundlage anzuwendende Rechtslage ist:
Für behinderte Kinder getätigte Ausgaben sind außergewöhnliche Belastungen im Sinne des § 34 Abs 6 EStG 1988. Diese Ausgaben können ohne Berücksichtung eines Selbstbehaltes vom Einkommen im Sinne des § 2 Abs 2 EStG 1988 abgezogen werden, wenn sie:
Mehraufwendungen des Steuerpflichtigen für Personen sind, für die gemäß § 8 Abs 4 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 erhöhte Familienbeihilfe gewährt wird, soweit sie die Summe der pflegebedingten Geldleistungen (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindengeld oder Blindenzulage) übersteigen oder
Aufwendungen im Sinne des § 35 sind, die an Stelle der Pauschbeträge geltend gemacht werden (§ 35 Abs 5 EStG 1988) oder wenn sie
Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung sind und der Steuerpflichtige selbst oder bei Anspruch auf den Alleinverdienerabsetzbetrag der (Ehe)Partner (§ 106 Abs 3) oder bei Anspruch auf den Kinderabsetzbetrag oder den Unterhaltsabsetzbetrag das Kind (§ 106 Abs 1 und 2) pflegebedingte Geldleistungen (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindengeld oder Blindenzulage) erhält, soweit sie die Summe dieser pflegebedingten Geldleistungen übersteigen.
In welchen Fällen und in welcher Höhe Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen sind, ist mit Verordnung des Bundesministers für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen (BGBl. 1996/303 in der im Streitjahr geltenden Fassung BGBl II 1998/91) festgelegt worden.
Beträgt der Grad der Behinderung mindestens 25%, sind nicht regelmäßig anfallende Aufwendungen für Hilfsmittel (zB Rollstuhl, Hörgerät, Blindenhilfsmittel) im nachgewiesenen Ausmaß als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen, wenn der Steuerpflichtige Aufwendungen hat
durch eine eigene körperliche oder geistige Behinderung,
bei Anspruch auf den Alleinverdienerabsetzbetrag durch eine Behinderung des (Ehe)Partners (§ 106 Abs. 3 EStG 1988) oder
bei Anspruch des Steuerpflichtigen selbst oder seines (Ehe)Partners auf den Kinderabsetzbetrag oder den Unterhaltsabsetzbetrag, durch eine Behinderung des Kindes (§ 106 Abs. 1 und 2 EStG 1988), für das keine erhöhte Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 4 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 gewährt wird (§ 1 iVm § 4 der Verordnung über außergewöhnliche Belastungen).
In der vorzit. Verordnung über außergewöhnliche Belastungen wird der Begriff "Hilfsmittel" nicht definiert; es werden darin nur Rollstuhl, Hörgerät und Blindenhilfsmittel als Beispiele für derartige Hilfsmittel aufgezählt.
Der Begriff "Hilfsmittel" wird in § 154 Abs 1 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG) definiert und nach ständiger Rechtsprechung des Unabhängigen Finanzsenates ist § 154 Abs 1 ASVG zur Definition von Hilfsmitteln im Sinne des § 4 der Verordnung über außergewöhnliche Belastungen heranzuziehen (UFS-Entscheidung, , RV/2505-W/02).
Als Hilfsmittel im Sinne des § 154 Abs 1 ASVG sind Gegenstände oder Vorrichtungen anzusehen, die geeignet sind, die Funktion fehlender oder unzulänglicher Körperteile zu übernehmen oder die mit einer Verstümmelung, Verunstaltung oder einem Gebrechen verbundene körperliche oder psychische Beeinträchtigung zu mildern oder zu beseitigen.
Sollen Hilfsmittel im Sinne des § 154 Abs 1 ASVG die Funktion fehlender oder unzulänglicher Körperteile übernehmen oder Beeinträchtigung mildern oder beseitigen, ist die Frage, welche Gegenstände oder Vorrichtungen derartige Hilfsmittel sind, nach der jeweils vorliegenden Behinderung zu beantworten.
Nach dem im Berufungsverfahren vorgelegten ärztlichen Attest sind beim Sohn des Bw. hypertrophische Kardiomyopathie und Friedreich-Ataxie diagnostiziert worden. Lt. Roche Lexikon Medizin5 (Website, gesundheit.de/roche) sind die bei einer hypertrophischen Kardiomyopathie auftretenden Symptome u.a. die vom Bw. beschriebene Herzschwäche; bei einer Friedreich-Ataxie können die Bewegungsabläufe an den Händen gestört sein.
Auf die v.a. Krankheitsbilder bezogen sind Hilfsmittel im Sinne des § 154 Abs 1 ASVG Gegenstände und Vorrichtungen, die dazu geeignet sind, die mit einer Herzschwäche und/oder den gestörten Bewegungsabläufen an den Händen verbundenen Beeinträchtigungen zu beseitigen.
Nach der v.a. Sach- und Rechtslage ist über die vom Bw. als außergewöhnliche Belastung geltend gemachten Ausgaben wie folgt zu entscheiden:
Overheaddisplay (€ 249,00) Laptop (€ 1.800,00):
Der Sohn des Bw. ist wegen gestörter Bewegungsabläufe an den Händen nicht in der Lage, sich handschriftlich zu äußern. Laptop und Overheaddisplay versetzen ihn in die Lage, schriftlich mit der Außenwelt zu kommunizieren und ersetzten damit die nicht mehr vorhandene Fertigkeit, mit der Hand zu schreiben:
Festzustellen ist, dass sich der Sohn des Bw. ohne Overheaddisplay und ohne Laptop nicht schriftlich äußern könnte: Laptop und Overheaddisplay sind daher Hilfsmittel im Sinne des § 154 Abs 1 ASVG.
Dem Berufungsantrag, die mit ihrer Anschaffung verbundenen Ausgaben als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen, ist stattzugeben.
Leihgebühr/Rollstuhl (€ 13,59):
Nach dem im Berufungsverfahren vorgelegten ärztlichen Attest ist der Sohn des Bw. rollstuhlabhängig: Für rollstuhlabhängige Personen ist ein Rollstuhl auch dann ein Hilfsmittel im Sinne des § 154 Abs 1 ASVG, wenn dieser Rollstuhl gemietet wird.
Dem Berufungsantrag, die Leihgebühr/Rollstuhl als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen, ist stattzugeben.
"Fachbücher Physik" (€ 97,60), "Fachbuch" (€ 30,40), "Große Formelsammlung-Superpaket CD-ROM" (€ 20,00), "Abonnement Sterne und Weltraum" (€ 87,60), "Quanten sind anders" (€ 15,50), "Elemente" (€ 13,40) und "QED" (€ 13,30):
Behinderte und nicht behinderte Studenten eignet sich ihr Fachwissen nicht ausschließlich durch Anwesenheit bei Vorlesungen, Seminaren, udgl. an sondern auch durch das Selbststudium von Skripten und Büchern.
Festzustellen ist, dass Skripten und Bücher nicht eine verloren gegangene Fertigkeit zum Selbststudium ersetzen: Skripten und Bücher sind daher keine Hilfsmittel im Sinne des § 154 Abs 1 ASVG.
Der Berufungsantrag, die mit ihrer Anschaffung verbundenen Ausgaben als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen, ist abzuweisen.
"Mathematica Student Version" (€ 130,00), Installations-Software: "Software für Schüler, Studenten und Lehrer" (€ 89,95) und "Builder" (€ 69,95):
Nach Aussage des Bw. versetzt die Software "Mathematica Student Version" den Sohn in die Lage, seine Lösung von mathematischen Aufgaben in Vorlesungen und bei Prüfungen, die er im Rahmen seines Studium an der Universität zu absolvieren hat, zu präsentieren.
Festzustellen ist, dass der Sohn des Bw. nicht an der Universität studieren und sein Studium nicht beenden könnte, wenn er die Software "Mathematica Student Version" nicht zur Kommunikation mit der - universitären - Außenwelt verwenden würde: Die Software "Mathematica Student Version" erfüllt damit die Voraussetzung, Hilfsmittel im Sinne des § 154 Abs 1 ASVG zu sein.
Dem Berufungsantrag, die mit ihrer Anschaffung verbundenen Ausgaben als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen, ist stattzugeben.
Stattzugeben ist auch dem Antrag, die Ausgaben für die Installationssoftware als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen:
Nach Aussage des Bw. ist die Installationssoftware verwendet worden, um die Software "Mathematica Student Version" zu installieren: Die Ausgaben für die Installationssoftware sind daher iVm der Software "Mathematica Student Version" stehende Ausgaben und sind als solche Ausgaben für Hilfsmittel im Sinne des § 154 Abs 1 ASVG.
Berechnung der Einkommensteuer:
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | § 34 Abs. 6 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 Außergewöhnliche Belastungen, BGBl. Nr. 303/1996 |
Schlagworte | außergewöhnliche Belastung Hilfsmittel |
Verweise | |
Zitiert/besprochen in | RdW 2009/396, 431 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at