OGH vom 27.02.2018, 1Ob20/18z

OGH vom 27.02.2018, 1Ob20/18z

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj T***** V***** sowie mj F***** V***** und L***** V*****, wegen Unterhalts, über den Revisionsrekurs der Kinder, vertreten durch Dr. Martin Holzer, Rechtsanwalt in Bruck an der Mur, gegen den Beschluss des Landesgerichts Leoben vom , GZ 2 R 271/17b-70, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Judenburg vom , GZ 6 Pu 138/12z-65, teilweise bestätigt und teilweise aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Das Erstgericht erkannte einen Vater von drei Kindern schuldig, dem älteren Sohn ab insgesamt monatlich 450 EUR und den beiden jüngeren Kindern jeweils monatlich 400 EUR an Unterhalt zu zahlen, wogegen es das Mehrbegehren auf Zahlung von insgesamt 626,05 EUR je Kind ab , „zurück bzw ab“ wies. Darüber hinaus wies es den Antrag des älteren Sohnes auf Zahlung weiterer 320 EUR zur Deckung eines einmaligen Sonderbedarfs zurück (dieses Teilbegehren ist nicht Gegenstand des Revisionsrekurses).

Das Rekursgericht bestätigte den erstgerichtlichen Beschluss im Umfang der Abweisung des Mehrbegehrens an monatlichem Unterhalt für die Zeit ab dem und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs gegen den bestätigenden Ausspruch nicht zulässig sei. Hingegen hob es die (antragsabweisende) Entscheidung für die Zeit vom bis auf und verwies die Pflegschaftssache insoweit zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück. Über Zulassungsvorstellung der Kinder änderte das Rekursgericht den Ausspruch über die mangelnde Zulässigkeit des ordentlichen Revisionsrekurses dahin ab, dass dieser doch zulässig sei. Die Frage der unterhaltsrechtlichen Berücksichtigung nicht entnommener Gewinne erfordere eine Überprüfung der Rekursentscheidung durch den Obersten Gerichtshof, weil es dem Vater im vorliegenden Einzelfall möglicherweise im Sinne der Anspannungstheorie vorwerfbar sei, als Minderheitsgesellschafter nicht auf eine Gewinnausschüttung hingewirkt zu haben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Kinder erweist sich entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (nachträglichen) Zulässigkeitsausspruch als nicht zulässig, weil darin keine iSd § 62 Abs 1 AußStrG erhebliche Rechtsfrage erörtert wird.

Vorerst ist zur Vermeidung möglicherweise bestehender Missverständnisse klarzustellen, dass der angefochtene Beschluss aus zwei Teilen besteht, nämlich einem aufhebenden und einem bestätigenden. Gemäß § 64 Abs 1 AußStrG ist ein rekursgerichtlicher Beschluss, mit dem ein solcher des Erstgerichts aufgehoben und diesem eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen wird, nur dann anfechtbar, wenn das Rekursgericht ausgesprochen hat, dass der Revisionsrekurs zulässig ist. Einen solchen Ausspruch enthält der angefochtene Beschluss des Rekursgerichts zu seinem aufhebenden Teil nicht. Ein Revisionsrekurs ist daher insoweit jedenfalls unzulässig (RISJustiz RS0109580). Anders als bei bestätigenden oder abändernden Entscheidungen kann ein nachträglicher Zulassungsausspruch auch nicht durch eine Zulassungsvorstellung iSd § 63 AußStrG erreicht werden, stellt doch § 64 Abs 2 AußStrG unmissverständlich klar, dass diese Norm auf Aufhebungsbeschlüsse nicht anwendbar ist.

Soweit die Revisionsrekurswerber in ihrer Zulassungsvorstellung auch die aufhebende Entscheidung des Rekursgerichts erfassen wollten, muss dies von vornherein ins Leere gehen. Auch die nachträgliche Zulassungserklärung des Rekursgerichts kann sich notwendigerweise nur auf die übrigen Teile seiner Entscheidung beziehen (vgl auch RISJustiz RS0109580 [T10] = 6 Ob 34/12m). Soweit im Revisionsrekurs auch die (teilweise) Antragsabweisung für die Zeit vom bis bekämpft wird, ist der Revisionsrekurs jedenfalls absolut unzulässig; über dieses Teilbegehren hat das Erstgericht nach Verfahrensergänzung neuerlich abzusprechen. Als zulässiger Gegenstand des Revisionsrekurses verbleibt damit allein jene Teilentscheidung, mit der das Rekursgericht die Abweisung der Mehrbegehren an Unterhalt für die Zeit ab dem bestätigt hat. Insoweit vermögen die Revisionsrekurswerber aber die unrichtige Lösung einer erheblichen Rechtsfrage nicht aufzuzeigen.

Alleiniges Thema der Revisionsrekursausführungen – und des nachträglichen Zulassungsbeschlusses des Rekursgerichts – ist die Frage, ob zu Lasten des unterhaltsberechtigten Vaters, der zu 25 % an einer GmbH beteiligt ist, bei Ermittlung der Unterhaltsbemessungsgrundlage jene möglichen Gesellschaftsgewinne zu berücksichtigen sind, die im Fall eines entsprechenden Gesellschafterbeschlusses zur Ausschüttung gelangen hätten können.

Die Kinder haben dazu in der ersten Instanz vorgebracht, die GmbH habe in den Geschäftsjahren 2013/2014 und 2014/2015 ihre Verlustvorträge verringert, wobei der Vater seine Gewinne stehen gelassen habe. Derartige Verringerungen des Verlustvortrags stellten Gewinnausschüttungen dar und seien bei der Unterhaltsbemessung zu berücksichtigen.

Der Vater wandte dagegen im Wesentlichen ein, er könne als Minderheitsgesellschafter über die Frage einer Gewinnausschüttung gar nicht entscheiden und es wäre auch unzumutbar, ihm die Abdeckung des im Unternehmen vorhandenen Verlusts zu verbieten.

Das Erstgericht stellte dazu fest, dass in den letzten Jahren Gewinnausschüttungen an die Gesellschafter nicht stattgefunden haben. In den Geschäftsjahren 2013/2014 und 2014/2015 [die jeweils Ende März endeten] verringerte die Gesellschaft ihren Verlustvortrag um je rund 45.000 EUR.

Das Rekursgericht vertrat dazu die Auffassung, es seien zwar solche möglichen Erträge in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen, deren Erzielung der Unterhaltspflichtige sorgfaltswidrig versäumt habe, was auch für nicht entnommene Unternehmensgewinne gelte. Ein Vorwurf sei dem allerdings nicht zu machen, der aufgrund der gesellschaftsrechtlichen Verhältnisse keine Ausschüttung erwirken kann. Hier sei die Gewinnthesaurierung kaufmännisch zweifellos geboten gewesen, um den erheblichen Verlustvortrag von ursprünglich rund 130.000 EUR zu reduzieren. Außerdem halte der Vater lediglich ein Viertel der Stammeinlage, sodass ihm kein überwiegender Einfluss auf die Geschäftsgebarung der Gesellschaft zukomme. Beides zusammen stehe der Annahme entgegen, er habe die Auszahlung von Gewinnen sorgfaltswidrig versäumt.

Die Revisionsrekurswerber vertreten die Auffassung, es wäre im Sinne der Anspannungstheorie zu prüfen gewesen, ob der Vater unter den gegebenen Verhältnissen eine Gewinnausschüttung erreichen hätte können. Werde dies bejaht, müsse in einem weiteren Schritt geprüft werden, ob eine Eigenkapitalbildung bzw Verringerung des Verlustvortrags der Gesellschaft wirtschaftlich notwendig gewesen sei. Dabei übersehen sie offenbar, dass es im Revisionsrekursverfahren ausschließlich um ihre Unterhaltsansprüche ab geht. Sowohl ihre Tatsachenbehauptungen im Verfahren erster Instanz als auch die entsprechenden Feststellungen des Erstgerichts über die Verringerung der Verlustvorträge beziehen sich allein auf die Geschäftsjahre 2013/2014 und 2014/2015, also auf die Zeit bis . Dass die GmbH (auch) im Jahr 2016 Gewinne hätte ausschütten können und dem Vater der Vorwurf einer Verletzung seiner Anspannungspflicht gemacht werden könnte, weil er nicht versucht hätte, einen Ausschüttungsbeschluss zu erwirken, wurde aber gar nicht behauptet, nicht einmal im Rechtsmittelverfahren. Im Übrigen käme eine Ausschüttung von Gesellschaftsvermögen nur bei Vorliegen eines sich aus dem Jahresabschluss ergebenden Bilanzgewinns in Betracht (§ 82 Abs 1 GmbHG).

Schwer verständlich ist schließlich der Vorwurf, (auch) das Rekursverfahren leide an einem „unheilbaren Verfahrensmangel“, weil das vom Höchstgericht in seiner Entscheidung zu 1 Ob 22/17t in dieser Unterhaltssache aufgetragene Verbesserungsverfahren nicht berücksichtigt worden sei. In der zitierten Entscheidung des erkennenden Senats ging es um die Frage, ob eine Eingabe des Vaters in einem früheren Unterhaltfestsetzungsverfahren als mit einem ordentlichen Revisionsrekurs verbundene Zulassungsvorstellung an das Rekursgericht oder aber als verbesserungsbedürftig anzusehen ist, wobei die Beurteilung dem Erstgericht überlassen wurde. Von einem „aufgetragenen Verbesserungsverfahren“ kann damit keine Rede sein. Es ist auch nicht zu erkennen, inwieweit dem Rekursgericht ein Verfahrensverstoß vorgeworfen werden könnte, weil das Erstgericht damals von einem Verbesserungsverfahren Abstand genommen hat, und inwieweit dies für das nunmehrige Verfahren von Bedeutung sein sollte.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2018:0010OB00020.18Z.0227.000

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