Vororganschaftliche Verluste aus einem in die Organgesellschaft eingebrachten Teilbetrieb des Organträgers
VwGH-Beschwerde zur Zl. 2010/13/0087 eingebracht. Mit Erk. v. als unbegründet abgewiesen.
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Rechtssätze | |
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Stammrechtssätze | |
RV/1473-W/07-RS1 | Verluste eines Organträgers aus einem Teilbetrieb, der vor Beginn der Organschaft im Zuge einer Einbringung in die spätere Organgesellschaft eingebracht wurde, gelten als vororganschafltiche Verluste der Organgesellschaft. |
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der AB-GmbH (vormals AC-GmbH), Adresse vertreten durch V-TreuhandgmbH, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 1/23 vom betreffend Körperschaftsteuer 2002 entschieden:
Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.
Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert
Entscheidungsgründe
Im Jahr 2005 fand bei der AB-GmbH (künftig als Bw. bezeichnet), eine Betriebsprüfung statt. Im Bericht über das Ergebnis der die Jahre 2001-2003 umfassenden abgabenbehördlichen Prüfung stellte der Prüfer hinsichtlich der Körperschaftsteuer Folgendes fest:
Bis 1998 bestand der Betrieb Einzelhandel und Reparaturwerkstätte "A-Wien" als Teilbetrieb innerhalb der Bw. In den Jahren 1997 und1998 entstanden Gesamtverluste bei der Bw., die teilweise aus dem Teilbetrieb Einzelhandel und Reparaturwerkstätte "A-Wien " stammen. Diese gesamten Verluste wurden zur Gänze der Bw. als Verlustvortrag zugeordnet, und in den Jahren 2000 bis 2002 als Verlustabzug geltend gemacht.
Per wurde der Teilbetrieb Einzelhandel und Reparaturwerkstätte "A-Wien " von der Bw. gem. Art III UmgrStG in die neu gegründete 100%ige Tochtergesellschaft AB-TochterGmbH eingebracht. Mit gleichem Stichtag, per wurde durch Abschluss eines Ergebnisabführungsvertrages eine Vollorganschaft zwischen der Bw. und der AB-TochterGmbH gegründet, die bis Ende 2003 bestand.
Da die Verluste aus den Jahren 1997 und 1998 vor Beginn der Organschaft entstanden sind, handle es sich daher um vor- bzw. außerorganschaftliche Verluste. Daher können die vororganschaftlichen Verluste aus den Jahren 1997 und 1998, die dem Betrieb Einzelhandel und Reparaturwerkstätte "A-Wien " zuzuordnen sind, während des Bestehens der Organschaft gemäß § 9 Abs. 1 KStG 1988 nicht abgezogen werden.
Das Finanzamt folgte den Feststellungen der Betriebsprüfung und erließ in weiterer Folge am Bescheide betreffend die Wiederaufnahme des Verfahrens Körperschaftsteuer 2002 sowie Körperschaftsteuer 2002..
Am erhob die Bw. das Rechtsmittel der Berufung gegen den Körperschaftsteuerbescheid 2002 und beantragte einen Verlustvortrag von € 1.840.400 (€ 1.140.963,49 von der Betriebsprüfung nicht anerkannter Verlustvortrag und € 699.437,19 anerkannter Verlustvortrag) als Sonderausgabe abzuziehen.
Zusammengefasst wurde die Berufung wie folgt begründet:
Die Bw. teile die Ansicht des Finanzamtes, dass es sich bei den Verlusten um zeitlich vor der Begründung der Organschaft liegende Verluste handle, dh um vororganschaftliche Verluste. Nach der Gesetzeslage seien Sonderausgaben der Organschaft beim Organträger abzuziehen. Lediglich vororganschaftliche Verluste der Organgesellschaft unterliegen nach dem Wortlaut einer Einschränkung.
Unstrittig sei nach Ansicht der Bw , dass es im ersten Jahr der Organschaft (dh. 1999) ausschließlich vororganschaftliche Verluste des Organträgers gebe, die im Jahr 1999 keiner Kürzung unterliegen. Auch wenn diese Verluste im Rahmen der Einbringung auf die Organgesellschaft untergingen, könnten sie ihres Erachtens diesen einmal erlangten Status als im Organkreis verrechenbaren Verluste nicht verlieren, da unter den vortragsfähigen vororganschaftlichen Verlusten der Organgesellschaft lediglich originäre eigene Verluste der Organschaft verstanden werden könnten und (allenfalls) Verluste Dritter (dh. Gesellschaften außerhalb des Organkreises), die auf die Organgesellschaft durch Umgründungen übertragen werden.
Weiters führt die Bw aus, dass die Auslegung eines Gesetzes nicht beim Wortlaut der Bestimmung stehen bleiben könne. Der Sinn der Bestimmung spreche zweifellos für eine vollständige Verrechenbarkeit: durch die Bestimmung solle vermieden werden, dass durch die schlichte Begründung einer Organschaft der Organträger in den Besitz von "fremden" Verlusten kommen solle, indem vororganschaftliche Verluste in den Organkreis gelangten. Da im vorliegenden Fall die Verluste aber von einem Teilbetrieb des Organträgers stammten, liege ein schädlicher Einkauf in "fremde" Verluste durch Organschaftsbildung ganz sicher nicht vor. Gehe man - entgegen der Ansicht der Bw. - von einer weiten Wortinterpretation aus, so müsse nach Ansicht der Bw. eine teleologische Reduktion des Gesetzestextes erfolgen (siehe zur teleologischen Reduktion allgemein Bydlinski in Rummel, Kommentar zum ABGB, Wien 2000, § 7 ABGB, RZ 7).
Über die Berufung wurde erwogen:
Gemäß § 9 Abs1 KStG 1988 ist der steuerlich ermittelte Gewinn (Verlust) der Organgesellschaft dem Organträger zuzurechnen wenn zwischen einer Organgesellschaft (Abs. 2) und dem Organträger (Abs. 3) ein Ergebnisabführungsvertrag (Abs. 4) besteht. Sonderausgaben der Organgesellschaft sind beim Organträger abzuziehen, wobei vortragsfähige vororganschaftliche Verluste der Organgesellschaft nur bis zur Höhe ihres steuerlichen Gewinnes verrechnet werden können.
Gemäß § 12 Abs. 1 UmgrStG liegt eine Einbringung im Sinne dieses Bundesgesetzes vor, wenn Vermögen (Abs. 2) auf Grundlage eines Einbringungsvertrages (Sacheinlagevertrages) nach Maßgabe des § 19 einer übernehmenden Körperschaft tatsächlich übertragen wird. Voraussetzung ist, dass das Vermögen am Einbringungsstichtag, jedenfalls aber am Tag des Abschlusses des Einbringungsvertrages, einen positiven Verkehrswert besitzt. Der Einbringende hat den positiven Verkehrswert im Zweifel durch ein Gutachten eines Sachverständigen nachzuweisen.
Gemäß § 12 Abs. 4 UmgrStG sind auf die Einbringung die §§ 13 bis 22 UmgrStG anzuwenden.
Gemäß § 21 UmgrStG sind § 18 Abs. 6 und 7 des Einkommensteuergesetzes 1988 und § 8 Abs. 4 Z 2 des Körperschaftsteuergesetzes 1988 nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen anzuwenden:
Gemäß Ziffer 1 gelten Verluste des Einbringenden, die bis zum Einbringungsstichtag entstanden und bis zum Veranlagungszeitraum, in den der Einbringungsstichtag fällt, nicht verrechnet sind, im Rahmen einer Buchwerteinbringung (§ 16 Abs. 1) ab dem dem Einbringungsstichtag folgenden Veranlagungszeitraum der übernehmenden Körperschaft insoweit als abzugsfähige Verluste dieser Körperschaft, als sie dem übertragenen Vermögen im Sinne des § 12 Abs. 2 zugerechnet werden können. Voraussetzung ist weiters, dass das übertragene Vermögen am Einbringungsstichtag tatsächlich vorhanden ist. § 4 Z 1 lit. c und d ist anzuwenden. Im Falle der Einbringung durch eine Gesellschaft, bei der die Gesellschafter als Mitunternehmer anzusehen sind, gelten auch die Mitunternehmer als Einbringende.
Gemäß Ziffer 2 ist für eigene Verluste der übernehmenden Körperschaft § 4 Z 1 lit. b und c anzuwenden.
Gemäß Ziffer 3 ist die Bestimmung des § 4 Z 2 über den Mantelkauf zu beachten.
Der Unabhängige Finanzsenat legt seiner Entscheidung den am Beginn der Entscheidungsgründe dargelegten Sachverhalt zu Grunde, der sich aus den Angaben und vorgelegten Unterlagen der Bw. ergibt. Die im vorliegenden Fall strittige Frage ist, ob die Verluste die einst, vor Beginn der Organschaft dem späteren Organträger zuzurechnen waren und im Zuge einer Einbringung vor Beginn der Organschaft in die spätere Organgesellschaft eingebracht wurden, als Verluste des Organträgers zu qualifizieren sind.
Um die Berechtigung zur Verwertbarkeit des Verlustvortrages beurteilen zu können, muss in einem ersten Schritt dessen Zurechenbarkeit im Zeitablauf überprüft werden.
Der in Frage stehende Verlustvortrag entstand in den Jahren 1997 und 1998. Zu diesem Zeitpunkt resultierte der Verlustvortrag aus einem Teilbereich der Bw. Im Jahr 1999 brachte die Bw. den Teilbetrieb Einzelhandel und Reparaturwerkstätte "A-Wien " als Einlage in die AB-TochterGmbH ein. Bei der Einbringung handelt es sich um einen Umgründungsvorgang im Sinne des Umgründungssteuergesetz (UmgrStG). Vortragsfähige Verluste, die einem Umgründungsvorgang betroffenen Vermögen zuzurechnen sind und noch nicht verwertet werden konnten, gehen mit dem übertragenen Vermögen auf den Übernehmer über. Dies gilt auch dann, wenn der Rechtsträger des übertragenden Unternehmens weiter bestehen bleibt und an sich den Verlustvortrag selbst verwerten könnte. Insofern kommt es zu einem zwingenden objektbezogenen Verlustvortragsübergang, der Grundsatz der höchstpersönlichen Wirkung des Verlustabzuges wird aufgegeben. Mit der Einbringung änderte sich die Zugehörigkeit des Verlustvortrages. Dieser ist ab nun nicht mehr der Bw. zuzurechnen.
In weiterer Folge gründeten die Bw. und die AB-TochterGmbH eine Organschaft. Konsequenz dieser Organschaft ist, dass Gewinne und Verluste zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft ausgeglichen werden können. An der Steuersubjetivität des Organs ändert sich nichts, die Organschaft führt nur zu einer Änderung der persönlichen Zurechnung. Eine gegenteilige Vorgehensweise würde de facto einer rückwirkenden Organschaft gleich kommen. Dies widerspricht aber der konstitutiven Natur der Organschaft, deren Rechtsfolgen eben erst ab Gründung derselben eintreten kann (). An der Zugehörigkeit des strittigen Verlustvortrages ändert sich damit nichts.
Der Ansicht der Bw., dass es sich bei den Verlusten der Organgesellschaft nicht um "fremde" Verluste handelt, da diese Verluste aus der Zugehörigkeit des Teilbetriebes zum Organträger resultierten kann der Unabhängige Finanzsenat nicht folgen. Auch wenn es sich bei den beiden ursprünglich um eine Gesellschaft gehandelt hat, hat die Bw. durch die Einbringung die rechtlichen Folgen des Umgründungssteuergesetzes ausgelöst. Bei den beiden Gesellschaften handelt es sich nun um zwei verschiedene zivilrechtliche und wirtschaftlich selbständige Gesellschaften. Der Verlustvortrag, der an dem Teilbetrieb haftet wurde entfernt und war ab diesem Zeitpunkt steuerlich, rechtlich und auch wirtschaftlich der Organgesellschaft zuzurechnen, und somit fremder Verlust der Bw.
Hinsichtlich der Ausführungen der Bw. zur teleologischen Reduktion vertritt der Unabhängige Finanzsenat folgende Ansicht: Die teleologische Reduktion besteht im Fehlen einer nach der Ratio notwendigen Ausnahme. Vorausgesetzt ist stets der Nachweis, dass eine umschreibbare Fallgruppe von den Grundwertungen oder Zwecken des Gesetzes entgegen seinem Wortlaut gar nicht getroffen wird und dass sie sich von den "eigentlich gemeinten" Fallgruppen soweit unterscheidet, dass die Gleichbehandlung sachlich ungerechtfertigt und willkürlich wäre (Bydlinski in Rummel3, § 7 Rz 7). In diesem Fall kann jedoch nicht von einer willkürlichen Gleichbehandlung gesprochen werden, da sich die rechtlichen Konsequenzen an eine von der Bw selbst gewählte Vorgehensweise knüpfen. Auch ist der Schutzzweck der teleologischen Reduktion nicht gegeben, da es sich immerhin nicht um einen Fall handelt, in dem die Bw. zwangsläufig hineingeraten ist. Vielmehr ergibt sich die Konsequenz der Nichtabzugsfähigkeit des Verlustes, der ursprünglich bei der Bw. entstanden ist, durch ein bewusstes Gestalten und nicht aufgrund einer unausweichlichen Folge der Anwendung der Bestimmung des § 9 Abs. 1 KStG 1988.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | § 9 Abs. 1 KStG 1988, Körperschaftsteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 401/1988 § 12 UmgrStG, Umgründungssteuergesetz, BGBl. Nr. 699/1991 § 18 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 21 UmgrStG, Umgründungssteuergesetz, BGBl. Nr. 699/1991 |
Schlagworte | Einbringung teleologische Reduktion vororganschaftliche Verluste |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at