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Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSL vom 29.03.2010, RV/0412-L/09

Keine Haftung für bestimmte Abgaben, wenn der mit einer Aussetzung der Einhebung verbundene Zahlungsaufschub erst nach dem Ausscheiden als Geschäftsführer endet

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/0412-L/09-RS1
Im Unterschied zu Selbstbemessungsabgaben kann bei Abgaben, die gemäß § 210 Abs. 1 BAO erst mit Ablauf eines Monats nach Bekanntgabe des Abgabenbescheides fällig werden, der mit der Bewilligung einer Aussetzung der Einhebung gemäß § 212a Abs. 5 erster Satz BAO verbundene Zahlungsaufschub der Heranziehung eines Vertreters im Sinne des § 80 BAO zur Haftung gemäß § 9 BAO entgegen stehen, wenn der Zahlungsaufschub erst nach seinem Ausscheiden als Vertreter endet.

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der X, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Linz vom zu StNr. 000/0000 betreffend Haftung gemäß § 9 iVm § 80 BAO für Abgabenschuldigkeiten der Firma Y-GmbH entschieden:

Der Berufung wird Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.

Entscheidungsgründe

Die Berufungswerberin war seit Alleingesellschafterin und Geschäftsführerin der primärschuldnerischen Gesellschaft. Die Gesellschaftsanteile wurden in weiterer Folge zur Gänze an die Fa. M-GmbH abgetreten. Mit Gesellschafterbeschluss vom wurde die Berufungswerberin als Geschäftsführerin abberufen, und H zum neuen Geschäftsführer der Gesellschaft mit selbständigem Vertretungsrecht ab Beschlussfassung bestellt. Am wurde die Firma von Amts wegen im Firmenbuch gelöscht.

Ein Vorhalt des Finanzamtes vom hatte erstmalig der Prüfung einer allfälligen Heranziehung der Berufungswerberin zur Haftung für aushaftende Abgabenschuldigkeiten der Gesellschaft gedient. Zu diesem Vorhalt wurde mit Schriftsatz des Rechtsvertreters und Ehegatten der Berufungswerberin vom eingehend Stellung genommen. Wie einem Aktenvermerk vom zu entnehmen ist, sah das Finanzamt zu diesem Zeitpunkt von einer Geltendmachung der Haftung gemäß § 9 BAO ab, da die damals offenen wesentlichen Abgabenforderungen (Umsatz- und Körperschaftsteuern 1996) berufungsverfangen waren und von der Gesellschaft im Zusammenhang mit diesen Berufungen Aussetzungsanträge gemäß § 212a BAO gestellt worden waren.

Mit Bescheid vom wurde im Veranlagungsverfahren der Primärschuldnerin die Körperschaftsteuer 2001 mit 18.120,24 € festgesetzt. Aufgrund der bis dahin vorgeschriebenen Vorauszahlungen ergab sich eine Nachforderung von 16.370,28 €, die am fällig war.

Mit weiteren Bescheiden vom wurden ebenfalls am fällige Anspruchszinsen 2001 in Höhe von 439,16 € sowie ein Verspätungszuschlag betreffend Körperschaftsteuer 2001 in Höhe von 1.630,78 € festgesetzt.

Gegen diese Bescheide vom wurde mit Schriftsatz vom , zur Post gegeben am selben Tag, beim Finanzamt eingelangt am , Berufung erhoben. Ferner wurde gemäß § 212a BAO die Aussetzung der Einhebung dieser Abgaben beantragt.

Das Finanzamt wies diese Berufung mit Berufungsvorentscheidungen vom als unbegründet ab.

Daraufhin wurde fristgerecht mit Eingabe vom die Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz und neuerlich die Aussetzung der Einhebung der Körperschaftsteuer, der Anspruchszinsen und des Verspätungszuschlages beantragt.

Mit Bescheid vom wies das Finanzamt zwar den Aussetzungsantrag vom ab, da die dem Antrag zugrunde liegende Berufung bereits erledigt worden sei (durch die Berufungsvorentscheidungen vom ), bewilligte aber mit weiterem Bescheid vom aufgrund des im Vorlageantrag gestellten neuerlichen Aussetzungsantrages die Aussetzung der Einhebung der genannten Abgaben.

Mit Berufungsentscheidung vom , GZ. RV/0034-L/04, RV/0058-L/04, wies der Unabhängige Finanzsenat die Berufung vom als unbegründet ab.

Daraufhin verfügte das Finanzamt mit Bescheid vom den Ablauf der bewilligten Aussetzung der Einhebung der angeführten Abgaben, zu deren Entrichtung der Gesellschaft gemäß § 212a Abs. 7 erster Satz BAO eine Zahlungsfrist bis zustand.

Am erging einer neuerlicher Vorhalt des Finanzamtes zur Prüfung einer allfälligen Haftungsinanspruchnahme der Berufungswerberin hinsichtlich darin angeführter offener Abgabenschulden der Gesellschaft in Höhe von 194.320,06 €.

Zu diesem Vorhalt wurde mit Schriftsatz vom ausführlich Stellung genommen, und darin zunächst auf die Stellungnahme vom verwiesen. Ferner wurden zusammengefasst die Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes sowie die Richtigkeit der Abgabenvorschreibung und das Bestehen eines Abgabenrückstandes bestritten, da ein "bislang nicht berücksichtigtes erhebliches Steuerguthaben" bestünde. Schließlich wurde darauf hingewiesen, dass die Berufungswerberin amtsbekannt seit nicht mehr Geschäftsführerin der Primärschuldnerin sei.

Mit Haftungsbescheid vom nach das Finanzamt die Berufungswerberin für folgende Abgabenschuldigkeiten gemäß §§ 9, 80 BAO in Anspruch:


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Abgabenart
Zeitraum
Fälligkeit
Betrag
Körperschaftsteuer
2001
18.120,24
Verspätungszuschlag
2001
1.630,78
Anspruchszinsen
2001
439,16
Summe
20.190,18

In der Begründung wurden die allgemeinen Haftungsvoraussetzungen dargestellt, und die Uneinbringlichkeit der angeführten Abgaben bei der Primärschuldnerin festgestellt. Weiters wurde die Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes unterstellt. In der Stellungnahme vom sei das Fehlen einer schuldhaften Pflichtverletzung nicht ausreichend dargestellt worden.

Gegen diesen Bescheid wurde mit Schriftsatz vom Berufung erhoben. In der Begründung wurde unter anderem darauf hingewiesen, dass die im Haftungsbescheid ausgewiesenen Fälligkeitstermine unzutreffend wären, da die Einhebung dieser Abgaben ausgesetzt gewesen sei. Der Ablauf der Aussetzung sei mit Bescheid vom verfügt worden und danach "die Fälligkeit mit festgesetzt" worden. Die Berufungswerberin sei amtsbekannt seit nicht mehr Geschäftsführerin der Gesellschaft gewesen.

Über die Berufung wurde erwogen:

Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Gemäß § 80 Abs. 1 leg. cit. haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Der Zeitpunkt, für den zu beurteilen ist, ob den Vertreter diese Pflicht zur Abgabenentrichtung getroffen hat, bestimmt sich danach, wann die Abgaben nach den abgabenrechtlichen Vorschriften zu entrichten gewesen wären.

Die Berufungswerberin war von bis Geschäftsführerin der Primärschuldnerin. Die Haftung erstreckt sich vor allem auf Abgaben, deren Zahlungstermin (z.B. Fälligkeitstermin) in die Zeit der Vertretungstätigkeit fällt (Ritz, BAO³, § 9 Tz 26). Die Berufung wurde sinngemäß damit begründet, dass aufgrund der oben dargestellten Bewilligung der Aussetzung der Einhebung der haftungsgegenständlichen Abgaben diese tatsächlich erst geraume Zeit nach der Abberufung der Berufungswerberin zur Zahlung fällig gewesen wären, und ihr daher keine Verletzung der Zahlungspflicht vorgeworfen werden könne.

Mit diesem Einwand ist die Berufungswerberin aus folgenden Gründen im Recht: Anders als Selbstbemessungsabgaben, deren Festsetzung nichts am (im Zeitpunkt der Bescheiderlassung im Regelfall bereits abgelaufenen) gesetzlichen Fälligkeitstermin ändert, waren die gegenständlichen Abgaben gemäß § 210 Abs. 1 BAO erst mit Ablauf eines Monates nach Bekanntgabe der Abgabenbescheide fällig (vgl. Ritz, BAO³, § 210 Tz 1 letzter Absatz), im gegenständlichen Fall am . Noch vor Eintritt der Fälligkeit wurde im Zuge der Berufung vom die Aussetzung der Einhebung der haftungsgegenständlichen Abgaben beantragt. Dieser Antrag wurde zwar mit Bescheid vom abgewiesen, da die Berufung vom zwischenzeitlich mit Berufungsvorentscheidung vom erledigt worden war. Aufgrund dieses Abweisungsbescheides vom wäre der Primärschuldnerin für die Entrichtung der Abgaben gemäß § 212a Abs. 7 zweiter Satz BAO aber eine Nachfrist von einem Monat ab Bekanntgabe dieses Bescheides offen gestanden. Tatsächlich bewilligte das Finanzamt vor Ablauf dieser Frist mit Bescheid vom aufgrund des im Vorlageantrag vom neuerlich gestellten Aussetzungsantrages die Aussetzung der Einhebung der haftungsgegenständlichen Abgaben. Die Wirkung dieser Aussetzung der Einhebung bestand gemäß § 212a Abs. 5 erster Satz in einem Zahlungsaufschub. Der Ablauf der Aussetzung der Einhebung wurde erst mit Bescheid vom verfügt, die gemäß § 212a Abs. 7 erster Satz BAO zustehende Zahlungsfrist endete am . Bei dieser Sachlage kann der Berufungswerberin hinsichtlich der haftungsgegenständlichen Abgaben keine unter der Sanktion des § 9 BAO stehende Verletzung der Zahlungspflicht vorgeworfen werden, da die Abgaben tatsächlich erst lange nach ihrer Abberufung als Geschäftsführerin am zu entrichten gewesen wären.

Der Vollständigkeit halber sei noch darauf hingewiesen, dass sich die Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes, in denen der Einwand einer nach Eintritt der Fälligkeit vom Finanzamt bewilligten Aussetzung der Einhebung der Haftungsinanspruchnahme nicht entgegenstand, stets auf Selbstbemessungsabgaben bezogen haben. So wurde etwa schon in einem Erkenntnis vom ausgeführt, dass bei Selbstbemessungsabgaben maßgebend sei, wann diese bei ordnungsgemäßer Selbstberechnung abzuführen gewesen wären. Solcherart habe der Beschwerdeführer mit seinem Vorbringen, gegen die Bescheide, die nach abgabenbehördlichen Prüfungen erlassen worden seien und aus denen sich Nachforderungen an Lohnsteuer, Dienstgeberbeitrag, Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag sowie Umsatzsteuer ergeben hätten, habe die KG berufen sowie Aussetzung der Einhebung beantragt und bewilligt erhalten, keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufgezeigt. Die Verpflichtung zur Entrichtung der genannten Abgaben sei nämlich bereits vor Bescheiderlassung ex lege eingetreten (). In einem jüngst ergangenen Erkenntnis vom betonte der Verwaltungsgerichtshof neuerlich, dass es sich bei der Umsatzsteuer um eine Selbstbemessungsabgabe handele, bei der es für die Frage der ordnungsgemäßen Entrichtung maßgeblich sei, wann die Abgabe bei ordnungsgemäßer Selbstberechung abzuführen gewesen wäre, weshalb es auch nicht als rechtswidrig erkannt werden könne, wenn die belangte Behörde das vom Beschwerdeführer zum "haftungsbegründenden schuldhaften Verhalten" ins Treffen geführte Argument der Aussetzung der Einhebung der Abgabe bis zum Ende des abgabenrechtlichen Berufungsverfahrens oder der nach Ansicht des Beschwerdeführers für die Abgabenentrichtung noch ausreichenden Vermögenswerte bei seinem Ausscheiden aus der Geschäftsführung der Gesellschaft als nicht von der Haftung befreiend gewertet hat. Die maßgeblichen Aussetzungsanträge waren erst lange nach Eintritt der gesetzlichen Fälligkeit der Umsatzsteuer gestellt und nachfolgend bewilligt worden ().

Da es im gegenständlichen Fall aus den angeführten Gründen an einer Verletzung der abgabenrechtlichen Zahlungspflicht durch die Berufungswerberin fehlte, erfolgte ihre Heranziehung zur Haftung für die gegenständlichen Abgaben nicht zu Recht.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
§ 80 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 9 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 212a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 210 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
Zitiert/besprochen in
UFS Newsletter 2010/03

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at