Familienbeihilfenanspruch für subsidiär Schutzberechtigte
Rechtssätze
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Folgerechtssätze | |
RV/0093-W/12-RS1 | wie RV/0568-G/07-RS1 Wenn eine Familie Leistungen aus dem Grundversorgungsgesetz erhält, besteht gemäß § 3 Abs. 4 FLAG 1967 (BGBl. 168/2006) kein Anspruch auf Familienbeihilfe (). |
RV/0093-W/12-RS2 | wie RV/1446-W/08-RS1 Ergeht ein Bescheid, mit dem Familienbeihilfe ohne Aussage über den Ablauf des Zeitraumes nicht gewährt wird, steht die materielle Rechtskraft einer neuerlichen Entscheidung solange entgegegen, bis eine wesentliche Änderung des Sachverhaltes oder eine Änderung der Rechtvorschriften, die für die frühere Entscheidung tragend waren, eingetreten ist. |
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des A Bw., W, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 4/5/10 vom betreffend Abweisung eines Antrages auf Gewährung der Familienbeihilfe für seinen Sohn S1 Bw. für den Zeitraum Juni 2006 bis Mai 2010 entschieden:
Die Berufung wird - soweit mit dem angefochtenen Bescheid über die Gewährung von Familienbeihilfe für den Zeitraum Juni 2006 bis Februar 2007 abgesprochen wird - als unbegründet abgewiesen.
Der angefochtene Bescheid bleibt insofern unverändert.
Der Bescheid wird - soweit über die Gewährung von Familienbeihilfe für den Zeitraum März 2007 bis Mai 2010 abgesprochen wird - abgeändert:
Der Antrag auf Gewährung von Familienbeihilfe für den Zeitraum März 2007 bis Mai 2010 wird als unzulässig zurückgewiesen.
Entscheidungsgründe
Der Berufungswerber (Bw.) beantragte am unter Berufung auf eine Nachricht der "Asylkoordination" die Gewährung von Familienbeihilfe für seine beiden Söhne, S1, geboren am 1996, und S2, geboren am 2010, rückwirkend für 5 Jahre "wegen des neuen Gesetzes".
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde der Antrag auf Gewährung von Familienbeihilfe für den Sohn S1 für den Zeitraum Juli 2006 bis Februar 2007 zurückgewiesen, weil über diesen Zeitraum bereits rechtskräftig abgesprochen worden sei. Für den Monat Juni 2006 und den Zeitraum März 2007 bis Mai 2010 wurde der Antrag abgewiesen. Diesbezüglich wurde in der Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass dem Bw. der Status des subsidiär Schutzberechtigten nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG) zuerkannt worden sei, weshalb er nur dann einen Anspruch auf Familienbeihilfe hätte, wenn er oder ein anderes Familienmitglied keinen Anspruch auf eine Leistung aus der Grundversorgung hätte und er unselbständig oder selbständig erwerbstätig wäre.
In der dagegen fristgerecht eingebrachten Berufung beantragte der Bw. neuerlich die Gewährung von Familienbeihilfe mit der Begründung, eine Bekannte, die mit ihm gemeinsam 2003 nach Österreich gekommen sei, habe Familienbeihilfe erhalten.
Die Berufung wurde mit Berufungsvorentscheidung als unbegründet abgewiesen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) in der Fassung des Pensionsharmonisierungsgesetzes deshalb nicht anwendbar sei, weil der Bw. zum kein offenes Asylverfahren anhängig hatte. Sein Asylgesuch sei bereits mit Bescheid des Bundesasylamtes vom abgewiesen worden und ihm der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden. Ein subsidiär Schutzberechtigter habe aber nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn er oder ein anderes Familienmitglied keinen Anspruch auf eine Leistung aus der Grundversorgung habe und er selbständig oder unselbständig erwerbstätig sei.
Dagegen brachte der Bw. einen Vorlageantrag ein, in dem er auf die Verknüpfung des "§ 55 FLAG 1967 mit § 3 FLAG 1967 in der Fassung des Fremdenrechtspaketes 2005 mit den Übergangsbestimmungen des NAG und jenen des Asylgesetzes" verwies.
Über die Berufung wurde erwogen:
Folgender Sachverhalt wird der Entscheidung zu Grunde gelegt:
Der Bw., ein Staatsangehöriger der X, stellte am beim Bundesasylamt einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs.1 Z. 13 AsylG. Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom , Zl. AZ1 - BAG, gemäß § 7 AsylG 1997 abgewiesen. Es wurde ihm jedoch gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 1997 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und ihm gleichzeitig eine befristete Aufenthaltsbewilligung erteilt, die jeweils jährlich - letztmalig bis zum (vgl. Bescheid des Bundesasylamtes vom , Zl. AZ2 - BAG) - verlängert wurde. Seit verfügen er und seine Familienangehörigen über eine ROT- WEISS-ROT-KARTE PLUS. Vorher hatten weder der Bw. noch seine Familienangehörigen einen Aufenthaltstitel gemäß den §§ 8 und 9 NAG.
Der Bw. hat laut Auskunft der Servicestelle der Caritas Wien in der Zeit vom bis zum , vom bis zum sowie vom bis zum Leistungen aus der Grundversorgung erhalten. Er war im Streitzeitraum in der Zeit vom bis zum sowie vom bis zum nichtselbständig erwerbstätig (vgl. Sozialversicherungsdatenauszug sowie übermittelte Lohnzettel). Darüber hinaus erhielt er Förderungen durch das Arbeitsmarktservice sowie Krankengeld (vgl. übermittelte Bestätigungen des AMS und der Krankenversicherung).
Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus den oben genannten Unterlagen und ist auch nicht strittig. Er ist folgendermaßen rechtlich zu würdigen:
Gemäß § 3 FLAG 1967 in der Fassung des Fremdenrechtspaketes 2005, BGBl. I Nr. 100, wird der Anspruch auf Gewährung von Familienbeihilfe für Personen, die nicht österreichische Staatsbürger sind, in folgender Weise geregelt:
"(1) Personen, die nicht österreichische Staatsbürger sind, haben nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie sich nach §§ 8 und 9 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005, rechtmäßig in Österreich aufhalten.
(2) Anspruch auf Familienbeihilfe besteht für Kinder, die nicht österreichische Staatsbürger sind, sofern sie sich nach §§ 8 und 9 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtmäßig in Österreich aufhalten.
(3) Abweichend von Abs. 1 haben Personen, denen Asyl nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100, gewährt wurde, Anspruch auf Familienbeihilfe. Anspruch besteht auch für Kinder, denen nach dem Asylgesetz 2005 Asyl gewährt wurde."
Mit Art. 1 Z 1 des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 168/2006, wurden dem § 3 FLAG in der Fassung des BGBl. I Nr. 3/2006 mit Geltung ab die Absätze 4 und 5 angefügt:
"(4) Abweichend von Abs. 1 haben Personen, denen der Status des subsidiär Schutzberechtigten nach dem Asylgesetz 2005 zuerkannt wurde, Anspruch auf Familienbeihilfe, sofern sie keine Leistungen aus der Grundversorgung erhalten und unselbständig oder selbständig erwerbstätig sind. Anspruch besteht auch für Kinder, denen der Status des subsidiär Schutzberechtigten nach dem Asylgesetz 2005 zuerkannt wurde.
(5) In den Fällen des Abs. 2, Abs. 3 letzter Satz und Abs. 4 letzter Satz wird für nachgeborene Kinder die Familienbeihilfe rückwirkend gewährt. Gleiches gilt für Adoptiv- und Pflegekinder, rückwirkend bis zur Begründung des Mittelpunktes der Lebensinteressen im Bundesgebiet (§ 2 Abs. 8) durch den Elternteil und das Kind. Als nachgeborene Kinder gelten jene Kinder, die nach dem Zeitpunkt der Erteilung des Aufenthaltstitels oder der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder subsidiär Schutzberechtigten an den zusammenführenden Fremden geboren werden."
Begründet wurde dies in dem am eingebrachten Initiativantrag hinsichtlich der im gegenständlichen Fall relevanten Regelung des § 3 Abs. 4 FLAG folgendermaßen:
"Weiters soll künftig auch für Personen, denen der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, ein Anspruch auf Familienbeihilfe und Kinderbetreuungsgeld eingeräumt werden, sofern diese auf Grund ihrer Hilfsbedürftigkeit nicht bereits Leistungen im Rahmen der Grundversorgung nach Maßgabe der Grundversorgungsvereinbarung nach Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und den Ländern erhalten und durch eigene Erwerbstätigkeit zu ihrem Lebensunterhalt beitragen. Bereits nach der Rechtslage vor dem war als Voraussetzung für den Bezug der Familienbeihilfe das Vorliegen einer mindestens drei Monate dauernden legalen unselbständigen Erwerbstätigkeit vorgesehen. Diese Voraussetzung soll nunmehr durch die selbstständige Erwerbstätigkeit erweitert werden.
Durch die Bezugnahme auf einen Rechtsstatus nach dem Asylgesetz 2005 sind auch Personen miterfasst, denen bereits nach vorigen asylgesetzlichen Bestimmungen (zB AsylG 1997) ein entsprechender Status eingeräumt wurde (siehe die Übergangsbestimmungen nach § 75 Abs. 5 und 6 AsylG 2005)."
Daraus ist ersichtlich, dass erst ab Juli 2006 auch für subsidiär Schutzberechtigte ein Anspruch auf Gewährung von Familienbeihilfe unter den im Gesetz genannten Voraussetzungen besteht, nämlich dass
der Antrag stellende subsidiär Schutzberechtigte unselbständig oder selbständig erwerbstätig ist und
vom Antragsteller keine Grundversorgung wegen Hilfsbedürftigkeit bezogen wird
(vgl. Aigner/Wanke in Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG, § 3 Rz 272).
Es muss eine tatsächliche Erwerbstätigkeit vorliegen. Dass etwa durch Zuwendungen außerhalb der Grundversorgung anderweitig die Existenz gesichert wird, reicht nicht aus. Zeiten von Kranken- oder Arbeitslosenversicherung stellen soweit in dieser Zeit ein aufrechtes Dienstverhältnis nicht mehr besteht, keine tatsächliche Erwerbstätigkeit dar (vgl. Aigner/Wanke aaO Rzen 275 und 276).
Da der Bw. im Streitzeitraum lediglich im Juni 2006 und im Mai 2010 einer Erwerbstätigkeit nachging und mit Ausnahme des Monats November 2009 stets Leistungen aus der Grundversorgung erhielt, erfüllte der Bw. im gesamten Streitzeitraum nicht die für die Gewährung von Familienbeihilfe erforderlichen Voraussetzungen.
Die Meinung des Bw., für ihn sei noch § 3 FLAG in der Fassung des Pensionsharmonisierungsgesetzes, BGBl. I Nr. 142/2004, maßgeblich, ist aus folgenden Gründen unzutreffend:
Gemäß § 55 Abs. 1 FLAG treten die §§ 2 Abs. 8 erster Satz und 3 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 100/2005 mit , nach Maßgabe der Übergangsbestimmungen des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005, sowie des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100, in Kraft.
Wie der Verwaltungsgerichthof in seinem Erkenntnis vom , 2007/15/0170, erkannte ist § 55 Abs. 1 FLAG dahingehend zu verstehen, dass § 3 FLAG in der Fassung des Fremdenrechtspaketes 2005 für Personen, deren Asylverfahren am noch anhängig war, auch für Zeiträume ab nicht anzuwenden ist. Für diesen Personenkreis kommt daher § 3 FLAG - unbeschadet der durch BGBl. I Nr. 168/2006, mit Wirkung ab vorgenommenen Änderungen - zunächst noch in der Fassung des Pensionsharmonisierungsgesetzes, BGBl. I Nr. 142/2004, zur Anwendung.
Im gegenständlichen Fall steht aber fest, dass der Bw. im Jahr 2003 einen Asylantrag gestellt hat, der mit rechtskräftigem Bescheid des Bundesasylamtes vom abgewiesen wurde, und das Asylverfahren damit zum bereits abgeschlossen war. Damit gibt es keine rechtliche Grundlage für die Anwendbarkeit des § 3 FLAG in der Fassung des Pensionsharmonisierungsgesetzes. Für die Beurteilung eines Anspruchs auf Gewährung von Familienbeihilfe sind vielmehr die oben angeführten Regelungen des § 3 FLAG in der Fassung der mit Wirkung ab bzw. vorgenommenen Änderungen heranzuziehen. Diesen zufolge besteht aber für den Bw. im Streitzeitraum kein Anspruch auf Gewährung von Familienbeihilfe.
Die Entscheidung über die Gewährung von monatlich wiederkehrenden Leistungen ist ein zeitraumbezogener Abspruch. Ein derartiger Ausspruch gilt mangels eines im Bescheid festgelegten Endzeitpunktes für den Zeitraum, in dem die rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse keine Änderung erfahren, jedenfalls aber bis zum Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides (vgl. und die dort angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs).
Ergeht ein Bescheid, mit dem der Antrag auf Gewährung von Familienbeihilfe abgewiesen wird, ohne dass ein Endzeitpunkt festgelegt wird, steht dessen materielle Rechtskraft einer neuerlichen Entscheidung solange entgegen, bis eine wesentliche Änderung des Sachverhaltes oder eine Änderung der Rechtsvorschriften, die für die frühere Entscheidung tragend waren, eingetreten ist (vgl. GZ RV/1446-W/08).
Im gegenständlichen Fall hat das Finanzamt mit Bescheid vom den Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe ab Juli 2006 abgewiesen. Mit diesem unangefochten in Rechtskraft erwachsenen Bescheid wurde somit über den Anspruch des Bw. auf Familienbeihilfe bis zu einer Änderung der Sach- oder Rechtslage entschieden. Wie oben dargestellt erhielt der Bw. bis Juni 2010 Leistungen aus der Grundversorgung und war im Zeitraum Juli 2006 bis April 2010 nicht erwerbstätig. Da der Bw. ab Juli 2010 keine Leistungen aus der Grundversorgung erhielt und auch nichtselbständig erwerbstätig war, hat sich die Sachlage ab Juli 2010 geändert, blieb jedoch im Streitzeitraum unverändert. Eine Änderung der Rechtslage trat nicht ein. Somit wurde mit dem Bescheid vom über den Zeitraum Juli 2006 bis Juni 2010 rechtskräftig abgesprochen.
Mit dem am beim Finanzamt eingebrachten Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe für fünf Jahre zurück ab Antragstellung (somit ab Juni 2006) hat der Bw. diesen bereits rechtskräftigen Abspruch ignoriert. Das Finanzamt hat den Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe für den Zeitraum Juli 2006 bis Februar 2007 zurückgewiesen, für den Zeitraum März 2007 bis Mai 2010 jedoch wiederum abgewiesen.
Da sich die Sach- und Rechtslage im Zeitraum Juli 2006 bis Juni 2010 nicht geändert hat, war die Zurückweisung des Antrages auf Gewährung von Familienbeihilfe für den Zeitraum Juli 2006 bis Februar 2007 zutreffend. Mit der Abweisung des Antrages auf Gewährung von Familienbeihilfe für März 2007 bis Mai 2010 wurde jedoch über den Anspruch auf Familienbeihilfe für diesen Zeitraum zweifach abschlägig entschieden. Der bekämpfte Bescheid ist daher dahingehend abzuändern, dass der Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe für den Zeitraum März 2007 bis Mai 2010 ebenfalls zurückgewiesen wird.
Da über den Monat Juni 2006 erstmals mit dem bekämpften Bescheid entschieden wurde, erfolgte die Abweisung des Antrages aus den oben dargestellten Gründen für diesen Monat zu Recht.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | |
betroffene Normen | § 3 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 |
Verweise |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at