Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSW vom 28.06.2006, RV/2301-W/05

Die Unterbrechung der unternehmerischen Tätigkeit führt nicht zum Wegfall der Bindung an die Kleinunternehmerregelung.

Rechtssätze


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Stammrechtssätze
RV/2301-W/05-RS1
Ist ein und dieselbe Person mit einer zeitlichen Unterbrechung unternehmerisch tätig, so führt diese Unterbrechung nicht zu einem Wegfall der Bindung an die einmal abgegebene Verzichtserklärung; ebenso wenig wird dadurch die Bindungsfrist verlängert. Dass die Berufungswerberin allenfalls im Zeitpunkt der Beendigung der ersten unternehmerischen Tätigkeit nicht daran gedacht hat, später wieder unternehmerisch tätig zu werden, ändert nichts an dieser Interpretation.

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw., vertreten durch Inter-Treuhand Prachner Wirtschaftstreuhand GmbH, gegen den Bescheid des Finanzamtes für den 12., 13., 14. Bezirk und Purkersdorf betreffend Umsatzsteuer 2003, entschieden:

Die Berufung wird abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Rechtsbelehrung

Gegen diese Entscheidung ist gemäß § 291 der Bundesabgabenordnung (BAO) ein ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig. Es steht Ihnen jedoch das Recht zu, innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung dieser Entscheidung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder den Verfassungsgerichtshof zu erheben. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlich bestimmten Ausnahmen - von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlich bestimmten Ausnahmen - von einem Rechtsanwalt oder einem Wirtschaftsprüfer unterschrieben sein.

Gemäß § 292 BAO steht der Amtspartei (§ 276 Abs. 7 BAO) das Recht zu, gegen diese Entscheidung innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung (Kenntnisnahme) Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben.

Entscheidungsgründe

Die Bw. betrieb eine Forschungsagentur. Strittig ist, ob im Berufungsjahr die Regelbesteuerung gem. UStG 1994 anzuwenden ist. Die Bw. brachte anlässlich eines diesbezüglichen Vorhalts Folgendes vor:

Der Regelbesteuerungsantrag aus den Vorjahren sei aufgrund einer Betriebsaufgabe per hinfällig geworden. Dies sei dem FA auch durch Abgabe des Fragebogens anlässlich Betriebsaufgabe sowie auf den Steuererklärungen E1 und U1 2001 kommuniziert worden. Weiters sei diesbezüglich mit dem FA X am kommuniziert und der Sachverhalt dargestellt worden. Die Bw. übte ab bis keine (aktive) gewerbliche Tätigkeit aus. In 2002 sei es zu nachträglichen (passiven) Einkünften aus Tantiemen aus in den Vorjahren publizierten Forschungen sowie zu nachträglichen Betriebsausgaben gekommen. Dies sei auch alles in den Beilagen zu E1 2002 offen gelegt und kommuniziert worden. Bei einem Teil der Tantiemen in 2002 sei es zu einer USt-Schuld kraft Rechnungslegung gekommen, da L die Gutschriftabrechnung mit USt gelegt habe. Das U1 2002 sei auch diesbezüglich so ausgefüllt und eingereicht worden. Die Bw. habe durch den zufälligen und nicht geplanten Verkauf einer Studie ihrerseits an das Bundesministerium für Y, die sie im Rahmen ihres Dienstverhältnisses in 2003 erstellt habe, in 2003 (Zahlung erster Abschlagsbetrag für diese Studie) und 2004 (Eingang zweiter Abschlagsbetrag für diese Studie) wieder selbständige Einkünfte, allerdings sei dies eine vollkommen neue Tätigkeit/Betrieb, die bei Aufgabe der "alten" Tätigkeit/Betrieb weder geplant noch vorhersehbar gewesen sei. Deshalb sei am auch ein neuerlicher Fragebogen Verf 24 über Beginn/Eröffnung der gewerblichen Tätigkeit eingereicht worden. Auf diesem Formular sei ausdrücklich auf die Anwendung der Kleinunternehmerregelung hingewiesen worden. Daher sei 2003 auch weder Umsatzsteuer in Rechnung gestellt noch auf die Anwendung der Kleinunternehmerregelung mit dem neuen Betrieb verzichtet worden. Die Bw. ersuche daher um Anwendung der Kleinunternehmerregelung ab 2003 für den neuen Betrieb, und begründete dies wie folgt: Als Bescheidbegründung betreffend die Abweichung gegenüber der eingereichten Erklärung 2003 sei der Regelbesteuerungsantrag 1991 mit 5jähriger Bindungswirkung und ohne Widerruf angeführt worden. Hiergegen wende sich die Berufung: Der Regelbesteuerungsantrag aus den Vorjahren sei aufgrund einer Betriebsaufgabe per hinfällig geworden. Dies sei dem FA auch durch Abgabe des Fragebogens anlässlich Betriebsaufgabe sowie auf den Steuererklärungen E1 und U1 2001 kommuniziert worden. Weiters sei diesbezüglich mit dem Finanzamt X kommuniziert und der Sachverhalt dargestellt worden sowie schriftlich dem nunmehr zuständigen Finanzamt dargelegt worden (Schreiben vom ). Die Bw. habe mit dauerhaft und geplant ihre selbständige Tätigkeit eingestellt und auch keine Betriebsunterbrechung vorgehabt, weiters sei auch keine neuerliche unternehmerische Tätigkeit geplant gewesen. 2002 sei es zu nachträglichen (passiven) Einkünften aus Tantiemen aus in den Vorjahren publizierten Forschungen sowie zu nachträglichen Betriebsausgaben gekommen. Dies sei auch alles in den Beilagen zu E1 2002 offen gelegt und kommuniziert worden. Bei einem Teil der Tantiemen im Jahr 2002 sei es zu einer USt-Schuld kraft Rechnungslegung gekommen, da L die Gutschriftabrechnung mit USt gelegt habe. Das U1 2002 sei auch diesbezüglich so ausgefüllt und eingereicht worden. 2003 sei es zu einer neuen und mit der vorherigen Tätigkeit nicht zusammenhängenden neuen selbständigen Tätigkeit gekommen, und zwar durch den zufälligen und nicht geplanten Verkauf einer neuen und thematisch anderen Studie ihrerseits an das Bundesministerium für Y, die sie im Rahmen ihres Dienstverhältnisses gemeinsam mit einem Arbeitskollegen im Jahr 2003 erstellt habe (Zahlungsfluss: in 2003 (Zahlung erster Abschlagsbetrag für diese Studie) und 2004 (Eingang zweiter Abschlagsbetrag für diese Studie). Diese Tätigkeit stellte allerdings eine vollkommen neue Tätigkeit/Betrieb, die bei Aufgabe der "alten" Tätigkeit/Betrieb weder geplant noch vorhersehbar war, noch mit dieser zusammenhängt, dar. Deshalb sei am auch ein neuerlicher Fragebogen, nämlich das Formular Verf 24 über Beginn/Eröffnung der selbständigen Tätigkeit, eingereicht worden. Auf diesem Formular sei ausdrücklich auf die Anwendung der Kleinunternehmerregelung hingewiesen worden.

Daher sei 2003 auch weder Umsatzsteuer in Rechnung gestellt, noch auf die Anwendung der Kleinunternehmerregelung mit dem neuen Betrieb verzichtet worden.

Die Bw. ersuche daher um Anwendung der Kleinunternehmerregelung ab 2003 für den neuen Betrieb. Der Einfachheit halber (wegen der elektronischen Einreichung) seien die Steuererklärungen 2003 mit der "alten" Steuernummer eingreicht worden, weil eine Neue noch nicht zugeteilt worden sei, aber ansonsten eine fristgerechte elektronische Einreichung nicht möglich gewesen wäre. In dervon der Bw. beigelegten Berichtigung der U1 2003 auf Steuernummer NEU sei "Neue Steuernummer" ersichtlich, womit auch aus diesem Tatbestand eine vollkommene Loslösung zum alten und aufgegebenen Betrieb sichtbar werde.

Das Finanzamt erließ eine abweisende Berufungsvorentscheidung mit folgender Begründung:

Nach der einschlägigen Bestimmung des § 6 Abs. 3 UStG 1994 kann der Unternehmer, dessen Umsätze nach § 6 Abs. 1 Z 27 befreit sind, bis zur Rechtskraft des Bescheides erklären, dass er auf diese Anwendung verzichtet. Der Widerruf ist spätestens bis zum Ablauf des ersten Kalendermonates nach Beginn des Kalenderjahres zu erklären (Mindestbindungsfrist jedoch 5 Jahre).

Aus dieser Vorschrift kann nicht abgeleitet werden, dass eine zwischenzeitliche Einstellung des Betriebes zum Erlöschen dieser Erklärung führt. Die Formulierung "bindet den Unternehmer" setzt lediglich voraus, dass eine Identität im Subjekt des Unternehmers vorliegt. Ist also, wie im gegenständlichen Fall, ein und dieselbe Person mit einer zeitlichen Unterbrechung tätig, so führt diese Unterbrechung nicht zu einem Wegfall der Bindung an die einmal abgegebene Verzichtserklärung. Dass die Berufungswerberin im Zeitpunkt der Beendigung der unternehmerischen Tätigkeit per nicht daran gedacht hat, später wieder unternehmerisch tätig zu sein, ändert nichts an dieser Interpretation.

Im Vorlageantrag führte die Bw. Folgendes aus: Als Bescheidbegründung betreffend die Abweichung gegenüber der eingereichten Erklärung 2003 sei der Regelbesteuerungsantrag 1991 mit 5jähriger Bindungswirkung und ohne Widerruf angeführt worden.

Es möge zwar nicht eine direkte als "Widerruf betreffend Option zur Regelbesteuerung" bezeichnete Erklärung eingereicht worden sein, aber aus mehreren Stellungnahmen und Eingaben beim Finanzamt ergäbe sich deutlich der Widerruf.

Es sei wie bereits erwähnt mit dem Finanzamt X diesbezüglich kommuniziert worden.

2. In den Beilagen zur Umsatzsteuererklärung 2002 sei eine USt-Schuld kraft Rechnungslegung angeführt worden, da L die Gutschriftabrechnung mit USt gelegt habe. Das U1 2002 sei auch diesbezüglich so ausgefüllt und eingereicht worden, daher ergebe sich hieraus ein eindeutiger Widerruf der USt-Pflicht, da sonst nicht von einer USt-Schuld kraft Rechnungslegung gesprochen worden wäre. Das Finanzamt habe diese Steuererklärungen erklärungsgemäß veranlagt.

3. Am sei ein neuerlicher Fragebogen Verf 24 über Beginn/Eröffnung der selbständigen Tätigkeit eingereicht worden. Auf diesem Formular sei ausdrücklich auf die Anwendung der Kleinunternehmerregelung hingewiesen worden. Daraus ergebe sich auch eindeutig ein Widerruf der USt-Pflicht.

Die Bw. ersuche daher um Anwendung der Kleinunternehmerregelung ab 2003 für den neuen Betrieb.

Über die Berufung wurde erwogen:

Ad Verzicht auf die Steuerbefreiung für Kleinunternehmer wird Folgendes ausgeführt:

Die Vorschrift entspricht Art 24 Abs 6 der RL.

Der Unternehmer kann durch eine schriftlich, beim Finanzamt einzureichende Erklärung auf die Anwendung des § 6 Abs 1 Z 27 UStG 1994 verzichten und damit zu der Besteuerung nach den allgemeinen Vorschriften des UStG 1994 optieren. Die Erklärung kann bis zur Rechtskraft des Jahresbescheides eingereicht werden. Die Erklärung bindet das Unternehmen für das Jahr, für das er die Verzichtserklärung abgegeben hat, und für noch vier darauffolgende Jahre (insgesamt somit für mindestens fünf Jahre).Sie kann nur mit Wirkung vom Beginn eines Kalenderjahres an widerrufen werden. Der Widerruf ist spätestens bis zum Ablauf des ersten Kaldendermonats nach Beginn dieses Kalenderjahres zu erklären (Umatzsteuergesetz, Kurzkommentar, Manz, 3. Aufl., § 6 Tz 81, S 364).

Im vorliegenden Fall ist strittig, ob die von der Berufungswerberin im Jahre 1991 abgegebene Verzichtserklärung gem. § 6 Abs. 3 UStG 1994 durch die Einstellung der damaligen Tätigkeit bzw. durch die Betriebsaufgabe im selben Jahr ihre bindende Wirkung verloren hat oder nicht. Diese Frage ist nach Meinung des unabhängigen Finanzsenates zu verneinen. Nach der einschlägigen Bestimmung des § 6 Abs. 3 UStG 1994 "kann der Unternehmer, dessen Umsätze nach § 6 Abs. 1 Z 27 leg. cit. befreit sind, bis zur Rechtskraft des Bescheides gegenüber dem Finanzamt schriftlich erklären, dass er auf die Anwendung des § 6 Abs. 1 Z 27 leg. cit. verzichtet. Die Erklärung bindet den Unternehmer mindestens für fünf Kalenderjahre. Sie kann nur mit Wirkung vom Beginn eines Kalenderjahres an widerrufen werden. Der Widerruf ist spätestens bis zum Ablauf des ersten Kalendermonates nach Beginn dieses Kalenderjahres, im gegenständlichen Fall somit des Jahres 2003, zu erklären." In berufungsgegenständlichem Fall wurde jedoch von der Bw. keine derartige Verzichtserklärung mit Ablauf des ersten Kalendermonates des Jahres 2003 abgegeben.

Aus dieser Vorschrift kann nach Meinung des unabhängigen Finanzsenates nicht abgeleitet werden, dass die zwischenzeitige Einstellung der unternehmerischen Tätigkeit einer Person zum Erlöschen der Verzichtserklärung führt. Die Formulierung "bindet den Unternehmer" setzt seiner Ansicht lediglich voraus, dass zwischen den (zeitlich unterbrochenen) unternehmerischen Tätigkeiten eine Identität im Subjekt des Unternehmers vorliegt. Ist also, wie im streitgegenständlichen Fall, ein und dieselbe Person mit einer zeitlichen Unterbrechung unternehmerisch tätig, so führt diese Unterbrechung nicht zu einem Wegfall der Bindung an die einmal abgegebene Verzichtserklärung; ebenso wenig wird dadurch die Bindungsfrist verlängert. Dass die Berufungswerberin allenfalls im Zeitpunkt der Beendigung der ersten unternehmerischen Tätigkeit im Jahr 2001 nicht daran gedacht hat, später wieder unternehmerisch tätig zu werden, ändert nichts an dieser Interpretation. Dieser Fall ist nicht anders zu behandeln wie jener ohne Unterbrechung der Unternehmereigenschaft: auch hier bleibt der Unternehmer an die Verzichtserklärung innerhalb der Frist selbst dann gebunden, wenn der beabsichtigte spätere Wechsel in die Kleinunternehmerregelung auf Umstände zurückzuführen ist, die im Zeitpunkt der Verzichtserklärung nicht bekannt waren bzw. Missbrauchsabsicht auszuschließen ist.

Aus den angeführten Gründen kann auch aus den diesbezüglichen Einwendungen der Bw., dass diesbezüglich "durch Abgabe eines Fragebogens anlässlich der Betriebsaufgabe bzw. auf den Steuererklärungen für 2001 kommuniziert worden sei" sowie dass eine Loslösung zum alten und aufgegebenen Betrieb stattgefunden habe und auch eine neue Steuernummer vergeben worden sei, nichts gewonnen werden.

Angemerkt wird, dass auch auf der Umsatzsteuererklärung 2001 keine Erklärung hinsichtlich eines Verzichts auf die Steuerbefreiung für Kleinunternehmer abgegeben worden ist.

Es wurde lediglich angekreuzt "Regelbesteuerungsantrag wurde nicht beantragt", was jedoch nicht als Verzichtserklärung uminterpretiert werden kann. Vielmehr ist anzumerken, dass diese Angabe auf der Umsatzsteuererklärung 2001 nicht richtig bzw. unkorrekt war, zumal ja - wie unstrittig ist und was aktenkundig ist - sehr wohl eine Verzichtserklärung abgegeben worden ist, die bis jedenfalls nicht zurückgenommen worden ist. Auch aus einer allfällig anderen Interpretation bzw. allenfalls ohne Überprüfung zustande gekommenen antragsgemäßen Veranlagung im Vorjahr kann für das Berufungsbegehren der Bw. nichts gewonnen werden.

Sachverhalt in gegenständlichem Fall ist, dass kein Widerruf der Erklärung auf Verzicht auf die Steuerbefreiung für Kleinunternehmer bis zum Ablauf des Jänner 2003 erklärt worden ist.

Zu einem anderen Ergebnis würde man gelangen, wenn keine Unternehmeridentität vorliegt, wie zum Beispiel bei der Gesamtrechtsnachfolge: Hier muss sich der Erbe eines Unternehmers nicht dessen Verzichtserklärung zurechnen lassen, weil diese als persönliche Willenserklärung nur den bindet, der sie abgegeben hat. Ein solcher Fall liegt gegenständlichaber nicht vor.

Es ist daher spruchgemäß zu entscheiden.

Wien,

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
Schlagworte
Unterbrechung
Verzichtserklärung
Bindung

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at