1. Selbstanzeige 2. Täternennung 3. faktische Wahrnehmung 4. Wiederholungstäter
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der Finanzstrafsenat Wien 3 als Organ des Unabhängigen Finanzsenates als Finanzstrafbehörde zweiter Instanz hat durch den Vorsitzenden HR Dr. Karl Kittinger, das sonstige hauptberufliche Mitglied HR Dr. Michaela Schmutzer sowie die Laienbeisitzer Dr. Jörg Krainhöfner und Mag. Ingrid Schöberl als weitere Mitglieder des Senates in der Finanzstrafsache gegen B.L., (Bw.) vertreten durch ECA Schreiner und Schreiner Steuerberatungs GmbH, 3500 Krems, Wiener Str. 74, wegen der Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 2 lit. a und der Finanzordnungswidrigkeit gemäß § 49 Abs. 1 lit. a des Finanzstrafgesetzes (FinStrG) über die Berufung der Beschuldigten vom gegen das Erkenntnis des Spruchsenates beim Finanzamt Wien 1/23 als Organ des Finanzamtes Baden Mödling als Finanzstrafbehörde erster Instanz vom , SpS y, StrNr. 1,nach der am in entschuldigter Abwesenheit der Beschuldigten, in Anwesenheit ihres Verteidigers, der Amtsbeauftragten Ursula Eigner sowie der Schriftführerin Andrea Moravec durchgeführten mündlichen Verhandlung
zu Recht erkannt:
I) Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.
II) Die Kosten des erst- und zweitinstanzlichen Verfahrens werden gemäß § 185 Abs. 1 lit. a FinStrG mit € 500,00 bestimmt.
Entscheidungsgründe
Mit Erkenntnis vom , StrNr. 1, hat das Finanzamt Baden Mödling als Finanzstrafbehörde erster Instanz die Bw. nach § 33 Abs. 2 lit. a und § 49 Abs. 1 lit. a FinStrG für schuldig erkannt, weil sie vorsätzlich
1) bei Wahrnehmung der abgabenrechtlichen Obliegenheiten der Firma R.L. Vorauszahlungen an Umsatzsteuer für 1 bis 12/2009 in der Höhe von € 36.295,99 nicht spätestens am fünften Tag nach Fälligkeit entrichtet habe,
2) im Rahmen ihres eigenen Unternehmens Vorauszahlungen an Umsatzsteuer für 2/2011 in der Höhe von € 6.547,08 und Lohnsteuer für 2-4/2011 in der Höhe von € 5.821,38, sowie Dienstgeberbeiträge und Zuschläge zu den Dienstgeberbeiträgen für 2-4/2011 in der Höhe von € 6.6519,14 nicht spätestens am fünften Tag nach Fälligkeit entrichtet bzw. die Höhe der geschuldeten Beträge bekannt gegeben habe,
3) unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von dem § 21 des Umsatzsteuergesetzes entsprechenden Voranmeldungen eine Verkürzung von Vorauszahlungen an Umsatzsteuer für 4-6/2011 in Höhe von € 42.845,71 bewirkt, wobei sie den Eintritt der Verkürzungen nicht nur für möglich sondern für gewiss gehalten habe.
Aus diesem Grund wurde über sie gemäß § 33 Abs. 5 iVm. § 21 Abs. 1 und 2 FinStrG eine Geldstrafe in der Höhe von € 24.000,00 verhängt und für den Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe gemäß § 20 FinStrG eine Ersatzfreiheitsstrafe von 60 Tagen ausgesprochen.
Die Kosten des Strafverfahrens wurden gemäß § 185 Abs. 1 lit. a FinStrG pauschal mit € 500,00 bestimmt.
Zur Begründung wird im Erkenntnis ausgeführt, dass die Bw. bereits mehrfach finanzstrafrechtlich in Erscheinung getreten sei, ein monatliches Einkommen von € 1.000,00 und Sorgepflichten für ein Kind habe.
Mit der am eingereichten Umsatzsteuerjahreserklärung sei eine Restschuld von € 36.295,99 einbekannt, jedoch nicht entrichtet worden, weswegen keine strafbefreiende Selbstanzeige vorliege. Als Grund dafür seien finanzielle Schwierigkeiten angegeben worden.
Die unter Punkt 2) angeführten Abgaben seien verspätet gemeldet und ebenfalls nicht in Einem entrichtet worden.
Im Zuge der am abgeschlossenen Umsatzsteuerprüfung sei festgestellt worden, dass ab April 2011 weder Vorauszahlungen geleistet noch Meldungen erstattet worden seien. Auch in diesem Fall seien die Meldungen zwar vor Prüfungsbeginn erstattet worden, die Zahlungen jedoch unterblieben.
In der mündlichen Verhandlung habe sich die Bw. im Wesentlichen schuldig bekannt und auf finanzielle Schwierigkeiten verwiesen.
Mildernd sei das Geständnis gewertet worden, erschwerend die Vorstrafen und das Zusammentreffen mehrerer Finanzvergehen.
Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die fristgerechte Berufung der Beschuldigten vom , in der zugestanden wird, dass die Umsatzsteuerjahreserklärung 2009 einen zuvor nicht entrichteten Umsatzsteuerbetrag von € 36.295,99 ergeben habe. Dazu sei ein Stundungsansuchen eingebracht worden, dem in dieser Form kein Erfolg beschieden gewesen sei, da die Abgabenbehörde nur freiwillige Barzahlungen akzeptiert habe.
Bei Studieren des Erkenntnisses des , sei der Vertretung klar geworden, dass ein entsprechender Vorsatz von Seiten der für die steuerlichen Belange verantwortlichen Person vorliegen müsse, dieser Umstand sei vor dem Spruchsenat nicht bewiesen worden.
Dieser Einwand gelte auch für die unter Punkt 2) des Erkenntnisses angeführten verspätet gemeldeten und nicht entrichteten Abgaben.
Vollkommen unverständlich sei der Bw. der Schuldvorwurf der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG.
Die Bw. habe sich im Zuge des Untersuchungsverfahrens dazu nicht rechtfertigen könne, da ihr von Seiten des Finanzamtes Mödling am lediglich der Bescheid über die Einleitung des Strafverfahrens zugegangen sei. Ein Vergehen im Zuge der Umsatzsteuerüberprüfung vom und der daraus resultierenden Nachforderung sei der Bw. bei der Einleitung mehrere Wochen nach Feststellung dieses Umsatzsteuerprüfungsberichtes nicht mitgeteilt worden.
Dies sei ein gravierender Verfahrensmangel, daher werde angeregt, den materiellen Teil des Erkenntnisses als nicht angeschuldet zu werten, da die Bw. keine Möglichkeit einer Rechtfertigung gehabt habe.
Die Abgabenverkürzungen seien durch die finanziellen Schwierigkeiten des Unternehmens entstanden. Das Geständnis beziehe sich auf die angeschuldigten Punkte im Rahmen einer Finanzordnungswidrigkeit des gegenständlichen Erkenntnisses.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Unabhängigen Finanzsenat wurde ergänzend ausgeführt, dass laut Umsatzsteuererklärung für das Jahr 2009 für das Unternehmen der Mutter der Bw. eine Restschuld und somit nicht entrichtete Umsatzsteuervorauszahlungen 1-12/2009 in Höhe von € 36.295,99 offen gelegt worden sei. Seitens der steuerlichen Beratung sei der Bw. empfohlen worden, diese Restschuld entweder umgehend an das Finanzamt zu entrichten oder Ratenzahlung dafür zu beantragen. Es sei in der Folge ein Zahlungserleichterungsansuchen eingebracht, welches von der Finanzamtsbeamtin mit der Begründung abgewiesen worden sei, dass die Einbringlichkeit der Abgaben gefährdet wäre. Gleichzeitig sei der Bw. seitens dieser Beamtin der Vorschlag gemacht worden, wie bisher Teilzahlungen auf den Abgabenrückstand zu leisten. Die Bw. habe sich daher auf diese Vereinbarung mit dem Finanzamt verlassen und sei in der Folge in der mündlichen Verhandlung vor dem Spruchsenat überrascht gewesen, dass die Nichtentrichtung von Umsatzsteuervorauszahlungen 1-12/2009 im Rahmen der Firma ihrer Mutter Gegenstand des Verfahrens sei. Dies umso mehr, weil sie eine zugrundeliegende Anschuldigung offensichtlich wegen eines Zustellfehlers nie erhalten habe, die Firmenadresse sei nunmehr auch Wohnadresse.
Die Bw. gestehe zu, die Buchhaltung für die Firma der Mutter erstellt und in der Folge dann nach Maßgabe der finanziellen Möglichkeiten und der Ausschöpfung des Kreditrahmens bei den Banken gemeinsam mit ihrer Mutter entschieden zu haben, welche Zahlungen zu welchem Zeitpunkt geleistet werden.
Hinsichtlich der anderen Fakten zu Schuldspruch 2) und 3) des erstinstanzlichen Erkenntnisses werde die vor der ersten Instanz an den Tag gelegte geständige Rechtfertigung weiterhin aufrecht erhalten, jedoch mit der Maßgabe, dass statt des Schuldspruches wegen § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG betreffend die Umsatzsteuer für 4-6/2011 ein Schuldspruch wegen einer Finanzordnungswidrigkeit gemäß § 49 Abs. 1 lit. a FinStrG beantragt werde.
Das Unternehmen der Bw. befinde sich derzeit in einer Reorganisations- und Sanierungsphase durch Weglassen von unproduktiven Unternehmensteilen. 2011 habe einen geringen Jahresgewinn ergeben. Die Bw. decke ihre monatlichen Lebenshaltungskosten von ca. € 1.000,00 durch Entnahmen aus dem Betrieb. Es bestehe weder nennenswertes persönliches Vermögen, noch habe die Bw. Schulden zumal der Betrieb von der Mutter gepachtet sei. Es bestehe Sorgepflicht für eine Tochter, die eine Oberstufenschule besuche.
Zur Entscheidung wurde erwogen:
Gemäß § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG macht sich einer Abgabenhinterziehung schuldig, wer vorsätzlich unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von dem § 21 des Umsatzsteuergesetzes 1994 entsprechenden Voranmeldungen eine Verkürzung von Umsatzsteuer (Vorauszahlungen oder Gutschriften) bewirkt und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiss hält.
Gemäß § 49 Abs. 1 lit. a FinStrG macht sich einer Finanzordnungswidrigkeit schuldig, wer vorsätzlich Abgaben, die selbst zu berechnen sind, Vorauszahlungen an Umsatzsteuer oder Vorauszahlungen an Abgabe von alkoholischen Getränken nicht spätestens am fünften Tag nach Fälligkeit entrichtet oder abführt, es sei denn, dass der zuständigen Abgabenbehörde bis zu diesem Zeitpunkt die Höhe des geschuldeten Betrages bekannt gegeben wird, im Übrigen ist die Versäumung eines Zahlungstermines für sich allein nicht strafbar.
Gemäß § 8 Abs. 1 FinStrG handelt vorsätzlich, wer einen Sachverhalt verwirklichen will, der einem gesetzlichen Tatbild entspricht; dazu genügt es, dass der Täter diese Verwirklichung ernstlich für möglich hält und sich mit ihr abfindet.
Gemäß § 29 Abs. 1 FinStrG wird, wer sich eines Finanzvergehens schuldig gemacht hat, insoweit straffrei, als er seine Verfehlung darlegt (Selbstanzeige). Die Darlegung hat, wenn die Handhabung der verletzten Abgaben- oder Monopolvorschriften den Zollämtern obliegt, gegenüber einem Zollamt, sonst gegenüber einem Finanzamt zu erfolgen. Sie ist bei Betretung auf frischer Tat ausgeschlossen.
Abs. 2 War mit einer Verfehlung eine Abgabenverkürzung oder ein sonstiger Einnahmenausfall verbunden, so tritt die Straffreiheit nur insoweit ein, als der Behörde ohne Verzug die für die Feststellung der Verkürzung oder des Ausfalls bedeutsamen Umstände offen gelegt werden, und binnen einer Frist von einem Monat die sich daraus ergebenden Beträge, die vom Anzeiger geschuldet werden, oder für die er zur Haftung herangezogen werden kann, tatsächlich mit schuldbefreiender Wirkung entrichtet werden. Die Monatsfrist beginnt bei selbst zu berechnenden Abgaben ( §§ 201 und 202 BAO ) mit der Selbstanzeige, in allen übrigen Fällen mit der Bekanntgabe des geschuldeten Betrages an den Anzeiger zu laufen und kann durch Gewährung von Zahlungserleichterungen ( § 212 BAO ) auf höchstens zwei Jahre verlängert werden. Lebt die Schuld nach Entrichtung ganz oder teilweise wieder auf, so bewirkt dies unbeschadet der Bestimmungen des § 31 insoweit auch das Wiederaufleben der Strafbarkeit.
Abs. 3 Straffreiheit tritt nicht ein, a) wenn zum Zeitpunkt der Selbstanzeige Verfolgungshandlungen (§ 14 Abs. 3) gegen den Anzeiger, gegen andere an der Tat Beteiligte oder gegen Hehler gesetzt waren, b) wenn zum Zeitpunkt der Selbstanzeige die Tat hinsichtlich ihrer objektiven Tatbestandsmerkmale bereits ganz oder zum Teil entdeckt und dies dem Anzeiger bekannt war oder die Entdeckung der Verletzung einer zollrechtlichen Verpflichtung hinsichtlich ihrer objektiven Tatbestandsmerkmale unmittelbar bevorstand und dies dem Anzeiger bekannt war, oder c) wenn bei einem vorsätzlich begangenen Finanzvergehen die Selbstanzeige anlässlich einer finanzbehördlichen Nachschau, Beschau, Abfertigung oder Prüfung von Büchern oder Aufzeichnungen nicht schon bei Beginn der Amtshandlung erstattet wird.
Abs. 5 Die Selbstanzeige wirkt nur für den Anzeiger und für die Personen, für die sie erstattet wird.
Gemäß § 21 Abs. 1 UStG hat der Unternehmer spätestens am 15. Tag (Fälligkeitstag) des auf einen Kalendermonat (Voranmeldungszeitraum) zweit folgenden Kalendermonates eine Voranmeldung bei dem für die Einhebung der Umsatzsteuer zuständigen Finanzamt einzureichen, in der er die für den Voranmeldungszeitraum zu entrichtende Steuer (Vorauszahlung) oder den auf den Voranmeldungszeitraum entfallenden Überschuss unter entsprechender Anwendung des § 20 Abs. 1 und 2 und des § 16 selbst zu berechnen hat. Die Voranmeldung gilt als Steuererklärung. Als Voranmeldung gilt auch eine berichtigte Voranmeldung, sofern sie bis zu dem im ersten Satz angegebenen Tag eingereicht wird. Der Unternehmer hat eine sich ergebende Vorauszahlung spätestens am Fälligkeitstag zu entrichten.
Gemäß § 79 Abs. 1 EStG hat der Arbeitgeber die gesamte Lohnsteuer, die in einem Kalendermonat einzubehalten war, spätestens am 15. Tag nach Ablauf des Kalendermonates in einem Betrag an das Finanzamt der Betriebsstätte abzuführen.
Voraussetzung für einen Schuldspruch ist, dass die objektive und subjektive Tatseite eines Tatbestandes erfüllt ist.
Zum objektiven Tatbestand ist aus den Datenbanken der Finanzverwaltung und den vorgelegten Akten festzustellen:
Zum Schuldspruch Punkt 1) des Erkenntnisses ist auszuführen, dass die Umsatzsteuerjahreserklärung des Unternehmens R.L. für das Jahr 2009 eine Umsatzsteuerdifferenz von € 36.295,99 ausweist, die mit Bescheid vom festgesetzt wurde.
Mittels Voranmeldungen für 1-7 und 9-12/2009 wurde lediglich eine Zahllast von € 107.971,70 einbekannt, die Voranmeldungen waren demnach unrichtig, bzw. wurde laut Konto für August 2009 gar keine Meldung eingereicht.
Nach Bescheidbuchung bestand auf dem Abgabenkonto ein Rückstand von € 122.986,41. Ein Zahlungserleichterungsansuchen wurde mit Bescheid vom abgewiesen.
Zum Schuldspruch Punkt 2) des Erkenntnisses ist festzustellen, dass für das Unternehmen der Bw. die Umsatzsteuervorauszahlung für Februar 2011 mit einer Zahllast von € 6.547,08 erst am eingereicht und die Vorauszahlung nicht entrichtet wurde.
Die lohnabhängigen Abgaben für die Monate Februar, März und April 2011 wurden erst am gemeldet und ebenfalls nicht entrichtet.
Zum Schuldspruch Punkt 3) des Erkenntnisses ist auf die Feststellungen einer Umsatzsteuersonderprüfung zu verweisen, die mit Bericht vom abgeschlossen wurde. Bei Prüfungsbeginn wurden die Umsatzsteuervoranmeldungen für April bis Juni 2011 nachgereicht und damit eine bisher nicht gemeldete und entrichtete Gesamtzahllast für diese Monate in der Höhe von € 42.845,71 bekannt gegeben. Auf dem Prüfungsauftrag ist angekreuzt, dass keine Selbstanzeige erstattet werde. Den Prüfungsauftrag und die Niederschrift hat der steuerliche Vertreter der Bw. unterfertigt.
Die geschuldeten Beträge wurden nach Bekanntgabe auch nicht entrichtet.
Der Einleitungsbescheid vom enthält die Anschuldigung wissentlich Vorauszahlungen an Umsatzsteuer für 4-6/2011 in der Höhe von € 42.845,71 verkürzt zu haben, jedoch keine nähere Begründung, worauf sich diese Verdachtslage stützt.
In der Stellungnahme der Amtsbeauftragten an den Spruchsenat vom wurde auf Seite 3 jedoch zur Überschrift "Zu Punkt 2) der Anschuldigung" sehr wohl auf den Prüfungsbericht vom und die im Zuge der Prüfungsanmeldung erfolgte Nachreichung der fehlenden Voranmeldungen verwiesen. Diese Stellungnahme wurde auch der Bw. zugestellt und von ihr am persönlich behoben.
Gemäß § 161 Abs. 1 FinStrG hat die Finanzstrafbehörde zweiter Instanz grundsätzlich in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung der Rechtsmittelentscheidung ihre Anschauung an die Stelle jener der Finanzstrafbehörde erster Instanz zu setzen.
Entsprechend den Vorschriften nach den §§ 114 und 115 FinStrG über das Untersuchungsverfahren ist die Finanzstrafbehörde verpflichtet, den wahren Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln und dem Beschuldigten sowie den Nebenbeteiligten Gelegenheit zu geben, ihre Rechte und rechtlichen Interessen geltend zu machen.
Zum objektiven Tatbestand ist die Finanzstrafbehörde zu dem Schluss gekommen, dass durch die Einreichung von unrichtigen Voranmeldungen, die verspätete Einreichung von Voranmeldungen und die Unterlassung der Einreichung von Voranmeldungen unter jeweiliger gleichzeitiger Unterlassung der Entrichtung der geschuldeten Beträge der Bestimmung des § 21 UStG zuwidergehandelt wurde und durch die unterlassene Entrichtung der lohnabhängigen Abgaben der Bestimmung des § 79 EStG.
Die Bw. hat vor dem Spruchsenat zugestanden, das Unternehmen ihrer Mutter, R.L., ab 2010 gepachtet und bereits im Jahr 2009 die Voranmeldungen für das Unternehmen erstellt und die steuerlichen Verpflichtungen demnach faktisch wahrgenommen zu haben.
Die Einreichung der Umsatzsteuerjahreserklärung 2009 stellt keine wirksame Selbstanzeige dar, da weder eine Täternennung im Sinne des § 29 Abs. 5 FinStrG hinsichtlich einer faktischen Wahrnehmung der steuerlichen Belange durch die Bw. erfolgte, noch die geschuldeten Beträge im Sinne der Vorschrift des § 29 Abs. 2 FinStrG entrichtet wurden.
Die Bw. hat es in Kenntnis der geschuldeten Beträge unterlassen, die selbst zu berechnenden Umsatzsteuervorauszahlungen bei deren Fälligkeit zu entrichten. Als Motiv sind die wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Unternehmens zu sehen. Saldowirksame Zahlungen können lediglich als Milderungsgrund der teilweisen Schadensgutmachung bei der Strafbemessung Berücksichtigung finden.
Zu den weiteren Anschuldigungen nach Punkt 2) und 3) des Erkenntnisses hat die Bw. expressis verbis zugestanden, diese Versäumnisse wegen finanzieller Schwierigkeiten begangen zu haben und sich grundsätzlich schuldeinsichtig verantwortet.
Aus der Berufungsschrift ist nicht ersichtlich, aus welchen Erwägungen der steuerliche Vertreter das von ihm zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom , 98/13/0120, auf den gegenständlichen Fall für anwendbar hält. In diesem Verfahren ging es um eine Beschwerde gegen einen Einleitungsbescheid gegen eine faktische Machthaberin einer Gesellschaft, die vorbrachte, die Grundaufzeichnungen der Gesellschaft und deren Voranmeldungen nicht selbst erstellt zu haben, und einen vom VwGH dazu erkannten Mangel in der Bescheidbegründung hinsichtlich der subjektiven Tatseite dieser Machthaberin.
Die tatsächliche Wahrnehmung der verfahrensgegenständlichen steuerlichen Agenden hinsichtlich der Umsatzsteuervorauszahlungen des Unternehmens ihrer Mutter hat die Bw. - wie oben festgehalten - zugestanden, der nach § 49 Abs. 1 lit. a FinStrG geforderte subjektive Tatbestand, dass sie die Vorauszahlungen in Kenntnis der gesetzlichen Fälligkeitstermine nicht spätestens am fünften Tag nach Fälligkeit geleistet und diese Versäumnis ernstlich für möglich gehalten und sich damit abgefunden hat, ist durch die einschlägigen Vorstrafen, seit 2003 wird die Bw. fast jährlich finanzstrafrechtlich verfolgt, dokumentiert.
Die Umsatzsteuerzahllasten für die Monate April bis Juni 2011 wurden erst anlässlich einer Prüfung offengelegt. Die Bw. hat damit in Kenntnis ihrer Zahlungsverpflichtung, durch wissentlicher Unterlassung der Zahlung der Abgabe bei deren Fälligkeit diese Vorauszahlungen verkürzt. Die Bw. hat es zudem ernstlich für möglich gehalten, dass eine Bekanntgabe der geschuldeten Beträge mittels Meldung zum Fälligkeitstag ebenfalls unterlassen wird - es wurde auch nie behauptet, dass sie davon ausgegangen sei, dass der Meldepflicht ordnungsgemäß nachgekommen werde - und hat sich damit abgefunden.
Eine - zumindest vorübergehende - Verkürzung liegt vor, wenn die selbst zu berechnende Umsatzsteuervorauszahlung dem Abgabengläubiger am Fälligkeitstag nicht zukommt.
Da die Nichtabgabe der Umsatzsteuervoranmeldungen für die Monate April bis Juni 2011 vor Ablauf der Frist zur Abgabe der entsprechenden Jahreserklärung für das Jahr 2011 bekannt wurde und die Zahllasten umgehend offengelegt wurden, kann ein Vergehen nach § 33 Abs.1 i.V. 13 FinStrG nicht vorliegen.
Gemäß § 33 Abs. 5 FinStrG wird die Abgabenhinterziehung mit einer Geldstrafe bis zum Zweifachen des Verkürzungsbetrages (der ungerechtfertigten Abgabengutschrift) geahndet. Neben der Geldstrafe ist nach Maßgabe des § 15 auf Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren zu erkennen.
Gemäß § 49 Abs. 2 FinStrG wird die Finanzordnungswidrigkeit mit einer Geldstrafe geahndet, deren Höchstmaß die Hälfte des nicht oder verspätet entrichteten oder abgeführten Abgabenbetrages oder der geltend gemachten Abgabengutschrift beträgt.
Der dem erstinstanzlichen Erkenntnis zu Grunde liegende strafbestimmende Wertbetrag zu § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG beträgt € 42.845,71,09, der strafbestimmende Wertbetrag nach § 49 Abs. 1 lit. a FinStrG € 48,664,45 die Höchststrafe daher € 110.022,41 und die ausgesprochene Geldstrafe nach dem erstinstanzlichen Erkenntnis ca. 21,81 % der Höchststrafe.
Grundlage für die Strafbemessung ist gemäß § 23 Abs.1 FinStrG die Schuld des Täters.
Gemäß § 23 Abs. 2 FinStrG sind die Erschwerungs- und Milderungsgründe gegeneinander abzuwägen, wobei im Übrigen die § 32 bis 35 des Strafgesetzbuches gelten.
Gemäß § 23 Abs. 3 FinStrG sind bei der Bemessung der Geldstrafe auch die persönlichen Verhältnisse und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zu berücksichtigen.
Der Spruchsenat wertete das Geständnis als mildernd, als erschwerend die Vorstrafen und das Zusammentreffen mehrerer Finanzvergehen.
Das Zusammentreffen mehrerer Finanzvergehen als besonderer Erschwerungsgrund hat zu entfallen hat, weil dieser Umstand bereits durch die Summierung der einzelnen Strafdrohungen die Höhe der einheitlichen Geldstrafdrohung bestimmt (§ 21 Abs. 2 FinStrG) und eine Doppeltverwertung strafverschärfender Umstände nicht zulässig ist. Der Erschwerungsgrund des Zusammentreffens mehrerer strafbarer Handlungen wurde somit vom Spruchsenat zu Unrecht als erschwerend angenommen.
Nach Ansicht der Finanzstrafbehörde zweiter Instanz kommen als weitere Milderungsgründe das Handeln aus einer wirtschaftlichen Notlage heraus und eine Schadensgutmachung im Ausmaß von ca. € 2.000,00 bei dem Unternehmen R.L. und € 35.658,37 beim Unternehmen der Bw. hinzu. Unberücksichtigt blieb als erschwerend der oftmalige Tatentschluss, das in Anbetracht der einschlägigen Vorstrafen gravierende Verschulden und der rasche Rückfall.
Gemäß § 41 Abs. 1 FinStrG gilt: Ist der Täter schon zweimal wegen eines in den §§ 33, 35 oder 37 Abs. 1 bezeichneten Finanzvergehens bestraft worden und wurden die Strafen wenigstens zum Teil, wenn auch nur durch Anrechnung einer Vorhaft, vollzogen, so kann, wenn er nach Vollendung des "neunzehnten Lebensjahres" neuerlich ein solches Finanzvergehen begeht, das Höchstausmaß der angedrohten Freiheitsstrafe "bei Finanzvergehen, für deren Verfolgung die Finanzstrafbehörde zuständig ist, das der angedrohten Geldstrafe" um die Hälfte überschritten werden.
Abs. 2 Eine frühere Strafe bleibt außer Betracht, wenn seit ihrem Vollzug bis zur folgenden Tat mehr als fünf Jahre vergangen sind. In diese Frist werden Zeiten, in denen der Bestrafte auf behördliche Anordnung angehalten worden ist, nicht eingerechnet. Ist die Strafe nur durch Anrechnung einer Vorhaft vollzogen worden, so beginnt die Frist erst mit Rechtskraft der Entscheidung.
Die Bw. weist u.a. bereits eine Verurteilung nach § 33 Abs. 2 FinStrG vom und eine weitere vom aus. Die erste Geldstrafe wurde am bezahlt, die zweite Geldstrafe am . Demnach ist sie als Rückfallstäterin zu sehen. Die Finanzstrafbehörde erster Instanz hätte demzufolge bei Ausmessung der Geldstrafe von der Strafverschärfung wegen Rückfalls Gebrauch machen können.
Die Bw. wurde zuletzt mit Berufungsentscheidung zu FSRV/0053-W710 vom wiederum rechtskräftig wegen Abgabenhinterziehung bestraft, wobei im zweitinstanzlichen Verfahren die schwierigen familiären Verhältnisse der Bw. mit ihrer Übernahme des Betriebes der Mutter wegen Erkrankung des Vaters und die Sorgepflichten für ein Kind Ausschlag zu einer Strafreduktion trotz der zahlreichen einschlägigen Vorstrafen gaben.
Dennoch hat sie die Unrichtigkeit der in ihrem Verantwortungsbereich liegenden Umsatzsteuervoranmeldungen für das gepachtete Unternehmen ihrer Mutter für 2009 erst Ende April 2011 mit Einreichung der Jahressteuererklärung aufgedeckt und sich damit erneut widerrechtlich einen mindestens einjährigen Zeitraum zum Wirtschaften mit fremdem Geld verschafft und die Abgabe der Voranmeldungen für ihr eigenes Unternehmen für April bis Juni 2011 bis zur Prüfung durch die Abgabenbehörde unterlassen.
Da es die Bw. somit beharrlich unterlässt wenigstens den Offenlegungs- und Meldeverpflichtungen nachzukommen und damit immer wieder straffällig wird (neuerliche Einleitung eines Strafverfahrens nach § 49 FinStrG am ) und sie daher die bisherigen Strafen nicht von weiteren Vergehen abhalten konnten, war aus spezialpräventiven Gründen mit Berufungsabweisung vorzugehen.
Auch die gemäß § 20 Abs. 1 FinStrG für den Fall der Uneinbringlichkeit ausgesprochene Ersatzfreiheitsstrafe entspricht nach Dafürhalten des erkennenden Berufungssenates dem festgestellten Verschulden der Bw. unter Berücksichtigung der genannten Milderungs- und Erschwerungsgründe.
Die Verfahrenskosten gründen sich auf § 185 Abs. 1 lit. a FinStrG, wonach pauschal ein Kostenersatz im Ausmaß von 10 % der Geldstrafe, maximal von € 500,00 festzusetzen ist.
Die Berufung war daher spruchgemäß abzuweisen.
Wien, am
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