Haftung für den Quotenschaden
Rechtssätze
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RV/0789-G/09-RS1 | Der Vertreter einer Kapitalgesellschaft haftet bei entsprechendem Nachweis nur bis zur Höhe des prozentuellen Anteils (der Quote) von Abgabenschulden der Primärschuldnerin, der bei gleichmäßiger Beteiligung aller Gläubiger an die Abgabengläubigerin zu entrichten gewesen wäre. |
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw., vertreten durch Steuerberatung-GmbH vom gegen den Bescheid des Finanzamtes vom betreffend Haftung gemäß § 9 iVm § 80 BAO entschieden:
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Der Berufung wird teilweise Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.
Das Ausmaß der Haftung und die betroffenen Abgaben sind dem Ende der folgenden Entscheidungsgründe zu entnehmen und bilden einen Bestandteil dieses Bescheidspruches.
Entscheidungsgründe
Über die GmbH in xxx, wurde am der Konkurs eröffnet. Mit Beschluss des Landesgerichtes Leoben Gz vom wurde der Konkurs aufgehoben und die Gesellschaft mit Eintragung vom wegen Vermögenslosigkeit gemäß
§ 40 Firmenbuchgesetz gelöscht.
Die Konkursquote betrug 5,78 %. Der Abgabenausfall nach Schlussverteilung betrug 91.588,40 Euro.
Der Berufungswerber (Bw.) war in der Zeit vom bis zur Löschung der GmbH deren alleiniger Geschäftsführer.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom wurde der Bw. zur Haftung der aushaftenden Umsatzsteuer 11/2005, fällig am , in Höhe von 24.120,97 Euro, Lohnsteuer in Höhe von 1.642,45 Euro und Dienstgeberbeitrag in Höhe von 1.025,43 Euro jeweils für Jänner 2006 und jeweils fällig am gemäß § 9 iVm 80 BAO zur Haftung herangezogen.
Gegen diesen Bescheid brachte der Bw. mit Eingabe vom Berufung ein.
Er bekämpfte die Heranziehung zur Haftung, da seines Erachtens der für die Inanspruchnahme zur Haftung bedingte Tatbestand der schuldhaften Pflichtverletzung nicht vorliege. Die GmbH habe zu den maßgeblichen Zeitpunkten über keine Einnahmen und liquiden Mittel verfügt, weshalb den Bw. als deren Vertreter an der Nichtentrichtung der haftungsgegenständlichen Abgaben keine Schuld treffe.
Mit Vorhalt vom forderte das Finanzamt den Bw. auf, eine Aufstellung der Zahlungsein- und -ausgänge (bar und unbar) in der Zeit vom bis und eine Darstellung der (anteiligen) Gläubigerbefriedigung zum jeweiligen Fälligkeitstag vorzulegen.
In der Vorhaltbeantwortung, dem Finanzamt am vorgelegt, führte der Bw. aus, dass die Bank ihm im Jahr 2005 vorgeschrieben habe, einen Unternehmensberater zu beauftragen, um den Betrieb der GmbH umzustrukturieren.
Im Auftrag der Bank und des beauftragten Unternehmensberaters sei in der Folge die bisher beauftragte steuerliche Beratung gekündigt und die Buchhaltung einer Mitarbeiterin des Unternehmensberaters übertragen worden. Der Unternehmensberater habe ein monatliches Controlling durchgeführt und habe dem Unternehmen bestätigt, im Plansoll zu liegen.
Erst Ende Jänner 2006 habe der Unternehmensberater sich beim Bw. gemeldet und mitgeteilt, dass es Probleme gebe. Cirka eine Woche später habe der Unternehmensberater ihm mitgeteilt, dass er vergessen habe, die Weihnachtsgehälter in seine Planung miteinzubeziehen, weshalb das Plansoll nicht erfüllt worden sei. Daraufhin habe der Bw. sich an die ehemalige steuerliche Vertretung zwecks Unterstützung gewandt. Anfang Februar 2006 habe der Bw. der ehemaligen steuerlichen Vertretung die notwendigen Unterlagen vorgelegt. Dieser habe am einen Termin bei Rechtsanwalt Rechtsanwalt (=Rechtsanwalt) erwirkt. Der Steuerberater RR (=Steuerberater) und der Rechtsanwalt hätten sich am beraten. Am habe nochmals eine Beratung zwischen dem Steuerberater, dem Rechtsanwalt und dem Unternehmensberater stattgefunden. Bei diesem Gespräch sei das "Ausmaß" (ho. Anm.: offenbar der Verbindlichkeiten) bekannt geworden, was zur Anmeldung des Konkurses und zur Schließung des Unternehmens am geführt habe.
Die haftungsgegenständlichen Lohnabgaben resultieren unbestritten aus ausbezahlten Löhnen.
Der Bw. legte dem Finanzamt die Kontoauszüge, das Kassabuch und das Buchungsjournal der GmbH für den Zeitraum Jänner 2006 bis zur Konkurseröffnung vor.
Die Berufung wurde mit Berufungsvorentscheidung vom abgewiesen. Das Finanzamt führte darin aus, dass aus den vorgelegten Kontoauszügen, dem Kassabuch und dem Buchungsjournal hervorgehe, dass in der Zeit vom bis (Zeitpunkt der Konkurseröffnung) regelmäßig Forderungseingänge zu verzeichnen waren und Verbindlichkeiten beglichen worden seien. Daraus sei die Benachteiligung der Abgabenbehörde als Gläubigerin und die Pflichtverletzung des Bw. als Geschäftsführer eindeutig erwiesen, sodass dessen Inanspruchnahme zur Haftung zu Recht bestehe.
Mit Eingabe vom stellte der Bw. den Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz.
Über die Berufung wurde erwogen:
Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in § 80 BAO und folgende bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.
Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.
Die haftungsgegenständlichen Abgabenforderungen sind unbestritten. Es handelt sich dabei um Selbstbemessungsabgaben, die von der Primärschuldnerin dem Finanzamt bekannt gegeben worden waren.
Der Berufungswerber war im haftungsrelevanten Zeitraum alleiniger Geschäftsführer der Gesellschaft und daher für die Entrichtung der Abgaben verantwortlich.
Die Ausführungen, dass die Nichtentrichtung der haftungsgegenständlichen Abgaben auf einen Fehler eines ihm von der Bank beigestellten Unternehmensberaters zurückzuführen sei, können ihn nicht aus dieser Verantwortung entlassen. Überdies hat der Bw. laut seinen eigenen erst Ende Jänner 2006 vom Fehler des Unternehmensberaters Kenntnis erlangte, die Umsatzsteuer 11/2005 war hingegen bereits am fällig. Laut den dem Finanzamt vorgelegten Belegen betrug die Neuverschuldung der GmbH im Jänner 2006 rund 168.000,00 Euro und beliefen sich die Zahlungen auf rund 137.000,00 Euro.
Die Neuverschuldung im Februar betrug rund 75.000,00 Euro, die Zahlungen rund 44.000,00 Euro.
Die Eingänge entsprachen ungefähr den geleisteten Zahlungen.
Die Bankverbindlichkeiten für Jänner und Februar 2006 lagen in etwa konstant bei rund 1.170.000,00 Euro.
Auf die haftungsgegenständlichen Abgabenschulden der GmbH erfolgten zu den Fälligkeitszeitpunkten keine, auch keine anteiligen Einzahlungen.
Das Konkursverfahren über das Vermögen der Primärschuldnerin wurde nach Schlussverteilung aufgehoben, und die Firma der GmbH im Firmenbuch bereits gelöscht. Die haftungsgegenständlichen Abgaben sind daher bei der GmbH offenkundig und unbestritten uneinbringlich.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es Aufgabe des Geschäftsführers einer Kapitalgesellschaft darzutun, weshalb er nicht für die Entrichtung der Abgaben der Gesellschaft Sorge tragen habe können. Kann der Geschäftsführer diesen Nachweis nicht erbringen, darf die Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung annehmen. Hat der Geschäftsführer schuldhaft seine Pflicht verletzt, für die Abgabenentrichtung aus den Mitteln der Gesellschaft zu sorgen, so darf die Abgabenbehörde auch davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung Ursache für die Uneinbringlichkeit war.
Die haftungsgegenständlichen Selbstbemessungsabgaben waren am und und wurden dem Finanzamt nur mehr bekannt gegeben, aber nicht (auch nicht anteilig) entrichtet.
Der Bw. führt nun aus, dass er nicht über die Mittel zur Entrichtung verfügt habe.
Dem ist allerdings entgegenzuhalten, dass im Jänner und Februar 2006 sowohl laufende Einnahmen- als auch Ausgaben verzeichnet wurden.
Allerdings haftet der Vertreter nicht für sämtliche Abgabenschulden des Vertretenen in voller Höhe, sondern - was aus dem Wort "insoweit" in § 9 BAO eindeutig hervorgeht - nur in dem Umfang, in dem eine Kausalität zwischen der (schuldhaften) Pflichtverletzung des Vertreters und dem Entgang von Abgaben besteht. Reichten somit die liquiden Mittel nicht zur Begleichung sämtlicher Schulden und haftet der Vertreter nur deswegen, weil er die Abgabenforderungen nicht wenigstens anteilig befriedigt und somit den Abgabengläubiger benachteiligt hat, so erstreckt sich die Haftung des Vertreters auch nur auf jenen Betrag, um den bei gleichmäßiger Behandlung sämtlicher Gläubiger die Abgabenbehörde mehr erlangt hätte als sie infolge des pflichtwidrigen Verhaltens des Vertreters tatsächlich bekommen hat. Der Geschäftsführer haftet dann nur für die Differenz zwischen dem tatsächlich entrichteten Betrag und dem Betrag, der bei anteilsmäßiger Befriedigung der Forderungen an die Abgabenbehörde abzuführen gewesen (siehe VwGH 2005/13/0124 und VwGH 2008/15/0263 sowie UFS RV/0005-L/04, UFS RV/0539-L/07 und RV/0922-G/07).
Über Aufforderung des Finanzamtes, den Quotenschaden nachzuweisen, hat der Bw. im vorliegenden Fall sämtliche Bankbelege, das Kassabuch und das Buchungsjournal für den fraglichen Zeitraum vorgelegt. Laut Finanzamt habe der Bw. auf diese Weise den Beweis für den Quotenschaden gar nicht angetreten.
Im Falle der mangelhaften Darstellung des Quotenschadens, obliegt es jedoch der Abgabenbehörde den Vertreter zu den notwendigen Präzisierungen aufzufordern (vgl. etwa die VwGH 2004/13/0067, VwGH 2008/15/0263 und VwGH 2005/13/0124, jeweils mit weiteren Nachweisen).
Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass Sorgfalts- und Mitwirkungspflichten nicht über das Maß des Möglichen und Zumutbaren hinaus überspannt werden dürfen. Unter Umständen ist auch eine überschlägige Ermittlung der Quote erforderlich. Die Differenzquote ist auch dann der Berechnung des Ausmaßes der Haftung zugrunde zu legen ist, wenn in einem Monat überhaupt keine Zahlungen an das Finanzamt erfolgt sind. Aus den vorgelegten Unterlagen konnte die zu entrichtende Quote ohne großen Aufwand abgeleitet werden. Es ist daher das Ausmaß der Haftung auf den Quotenschaden einzuschränken.
Hinsichtlich der haftungsgegenständliche Lohnsteuer wird auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen, wonach aufgrund der Bestimmung des § 78 Abs. 3 EStG 1988 die Verpflichtung eines Vertreters nach § 80 BAO hinsichtlich der Lohnsteuer über das Gebot der gleichmäßigen Behandlung aller Schulden (bzw. aller Gläubiger) hinausgeht (z.B. VwGH 97/14/0164). Reichen die einem Vertreter zur Verfügung stehenden Mittel nicht auch für die Entrichtung der auf die ausbezahlten Löhne entfallende Lohnsteuer aus, darf der Geschäftsführer gemäß
§ 78 Abs. 3 EStG 1988 nur einen entsprechend niedrigeren Betrag zur Auszahlung bringen, sodass die davon einbehaltene Lohnsteuer auch abgeführt werden kann. Wird dagegen die auf ausbezahlte Löhne entfallende Lohnsteuer nicht einbehalten und an das Finanzamt abgeführt, ist - ungeachtet der wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Primärschuldnerin - von einer schuldhaften Pflichtverletzung des Geschäftsführers auszugehen. Die haftungsgegenständliche Lohnsteuer war daher nicht im Ausmaß der ermittelten Differenzquote, sondern ungekürzt in Ansatz zu bringen.
Aus den im Abgabenverfahren vorgelegten Unterlagen ergibt sich im Berufungsfall nachstehende Berechnung des Quotenschadens:
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Jänner 2006 | Haftung Jänner 2006 | Februar 2006 | Haftung Februar 2006 | Summe | |
---|---|---|---|---|---|
Altschulden | 1.167,850,00 | 1.198.969,00 | |||
Neuverschuldung | 168.119,00 | 75.000,00 | |||
Schulden gesamt | 1.335.969,00 | 1.242.850,00 | |||
Zahlungen | 137.000,00 | 44.000,00 | |||
Quote | 10,66% | 3,54% | |||
Quotenschaden | USt 11/2005 31.119 x 10,665% | 3.317,28 | DB 1/2006 1.025,43 x 3,54% | 36,30 | 3.353,58 |
Lohnsteuer | 1.642,45 | 1.642,45 | 1.642,45 | ||
Haftungssumme gesamt | 4.996,03 |
Insgesamt gesehen war daher wie oben dargestellt vom Vorliegen schuldhafter Pflichtverletzungen im Sinne des § 9 BAO im Ausmaß der oben dargelegten Quoten auszugehen. In diesem Fall spricht nach der ständigen Rechtsprechung eine Vermutung für die Verursachung der Uneinbringlichkeit der Abgaben durch die Pflichtverletzung (Ritz, BAO³, § 9 Tz 24 mit Judikaturnachweisen). Es wurden keinerlei Gründe vorgebracht, die Anhaltspunkte für einen Ausschluss des Kausal- bzw. des Rechtswidrigkeitszusammenhanges bieten würden; solche sind auch nicht aktenkundig.
Der Bw. war demnach im Ausmaß des oa. dargestellten Quotenschadens für USt 11/2005, DB 1/2006 und in voller Höhe für LSt 1/2006 zur Haftung heranzuziehen.
Der Berufung war daher spruchgemäß teilweise stattzugeben.
Graz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | § 80 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 40 FBG, Firmenbuchgesetz, BGBl. Nr. 10/1991 § 9 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 80 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 9 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 78 Abs. 3 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Verweise | |
Zitiert/besprochen in | Hojas in ÖStZ 2014/507 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at