Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSL vom 30.01.2012, RV/1443-L/11

Nichtabzugsfähige Vorsteuer aus unecht befreiten Umsätzen als Vorleistung beim Nettoproduktionswert

Beachte

VwGH-Beschwerde zur Zl. 2012/17/0056 eingebracht. Mit Erk. v. als unbegründet abgewiesen.


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Rechtssätze
Stammrechtssätze
RV/1443-L/11-RS1
§ 4 Abs. 10 UStG ist auch im Falle unecht befreiter Umsätze anzuwenden. Können Vorsteuern nicht abgezogen werden, weil der Unternehmer unecht befreite Umsätze tätigt (Krankenanstalt), so sind diese Umsätze dennoch als Nettoumsatz bei den Vorleistungen im Rahmen der Ermittlung der Energieabgabenvergütung zu erfassen.

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der AK, vertreten durch PTG, vom gegen die Bescheide des Finanzamtes L vom betreffend Festsetzung des Vergütungsbetrages nach dem Energieabgabenvergütungsgesetz für 2006 bis 2009 entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Die angefochtenen Bescheide bleiben unverändert.

Entscheidungsgründe

1. Die Bw. betreibt ein Krankenhaus der Stadt. Anlässlich einer bei ihr im Jahr 2011 durchgeführten Betriebsprüfung (BP) wurde in Punkt 5 des Besprechungsprogrammes vom folgendes festgehalten:

a. Nicht abzugsfähige Vorsteuer: Die als Aufwand verbuchte nichtabzugsfähige Vorsteuer wurde als Vorleistung berücksichtigt.

b. Rechtliche Würdigung:

Gemäß § 1 Abs 1 Z 2 Energieabgabenvergütungsgesetz (EAVG) sind als Vorleistungen Umsätze iSd § 1 Abs 1 Z 1 und 2 UStG, die an das Unternehmen erbracht werden, zur Berechnung des Nettoproduktionswertes (NPW) heranzuziehen. Gemäß § 4 UStG wird der Umsatz nach dem Entgelt bemessen. Die Umsatzsteuer gehört gemäß § 4 Abs 10 UStG nicht zur Bemessungsgrundlage. Eine Berücksichtigung als Vorleistung ist daher laut BP nicht möglich.


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Jahr 2005
Jahr 2006
Jahr 2007
Jahr 2008
Jahr 2009
Minderung Vorleistung
/
11.916.577,60
12.892.931,99
14.546.398,94
14.082.731,49

2. Mit Schreiben vom erhob die Bw. Berufung gegen die aufgrund der BP ergangenen Bescheide über die Festsetzung des Vergütungsbetrages nach dem EAVG für 2006, 2007, 2008 und 2009 vom (Auszug).

a. Man stelle den Antrag, die nicht abzugsfähige Vorsteuer antragsgemäß als Vorleistung iSd EAVG anzusetzen und dementsprechend den Vergütungsbetrag wie folgt festzusetzen (in €):


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NPW aufgrund der BP
nicht abzugsfähige Vorsteuer
ENAV laut den angefochtenen Bescheiden
ENAV inklusive nichtabzugs-fähige Vorsteuer
Differenz ENAV
2006
48.865.077,62
11.916.577,60
150.111,12
209.694,01
59.582,89
2007
48.597.598,29
12.892.931,99
164.529,72
228.994,38
64.464,66
2008
53.572.561,12
14.546.398,94
152.478.93
225.210,93
72.732,00
2009
49.882.936,89
14.082.731,49
189.188,04
259.601,69
70.413,65
200.918.173,92
53.438.640,02
656.307,81
923.501,01
267.193,20

b. Der NPW werde definiert als Unterschiedsbetrag zwischen den Umsätzen iSd § 1 Abs 1 Z 1 und 2 UStG des Unternehmers und den Umsätzen iSd § 1 Abs 1 Z 1 und 2 UStG, die an das Unternehmen erbracht würden (Vorleistungen). § 1 Abs 1 Z 1 und 2 UStG erfasse Lieferungen und sonstige Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführe sowie den Eigenverbrauch im Inland.

Fraglich sei, ob es sich bei den nicht abzugsfähigen Vorsteuern um Umsätze iSd § 1 Abs 1 Z 1 handle, die an den Bw. erbracht würden. Mit anderen Worten, ob sonstige Leistungen vorliegen würden, die ein Unternehmer im Rahmen seines Unternehmens ausführe und die an das Unternehmen des Bw. erbracht würden.

c. In den erläuternden Bemerkungen zum EAVG (Art 62 der Beilagen zum StruktAnpG 1996) werde der NPW auf folgende Art definiert: "Differenz zwischen den vom Unternehmen erbrachten umsatzsteuerbaren Leistungen, wobei die Umsätze aus der Veräußerung von Anlagegütern abzuziehen seien und dem Einsatz von Waren im Sinne von § 127 BAO. Beide Werte seien für den Unternehmer ohne größeren Aufwand festzustellen." Für den Einsatz von Waren würden die Erläuternden Bemerkungen auf § 127 BAO Bezug nehmen. Der Preis sei bei Vorleistungen in das Wareneingangsbuch einzutragen. Unter "Preis" sei der zivilrechtliche Preis der Waren zu verstehen. Der zivilrechtliche Preis schließe, sofern nichts anderes vereinbart sei, immer die Umsatzsteuer mit ein (vgl Kanduth-Kristen in Berger/Bürgler/Kanduth-Kristen/Wakounig, UStG-Kommentar, § 4, Rz 21; Ritz, BAO, § 128, Rz 10; Ellinger/Iro/Kramer/Sutter/Urtz, BAO, § 128 Anm 6).

Daraus ergebe sich, dass bei unecht steuerbefreiten Unternehmern - wie bei Letztverbrauchern - die Umsatzsteuer zu den Aufwendungen für Vorleistungen (nämlich dem Preis) zähle. Bei Berechnung des NPW iSd § 1 Abs 1 EAVG dürften die Vorleistungen (Umsätze iSd § 1 Abs 1 Z 1 und 2 UStG, die an das Unternehmen erbracht würden) samt anteiliger Vorsteuer angesetzt werden. Da Krankenanstalten keine Vorsteuern geltend machen könnten, stellten die Vorsteuern einen Kostenfaktor dar. Die bisherige Vorgangsweise, wonach bei Berechnung der Energieabgabenvergütung bei Krankenanstalten die nicht abziehbaren Vorsteuern als Vorleistungen behandelt würden, sei daher korrekt und finde im Gesetz Deckung.

d. Die Anwendbarkeit des § 4 Abs 10 UStG sei auf Unternehmen mit Vorsteuerabzug beschränkt:

§ 4 Abs 10 UStG bestimme, dass die Umsatzsteuer selbst nicht zur Bemessungsgrundlage zähle. Dies ergebe sich aus dem Nettoprinzip der Umsatzsteuer, wonach im Allphasen-Netto-System mit Vorsteuerabzug lediglich der Mehrwert bzw die Wertschöpfung der jeweiligen Unternehmensstufe erfasst werde und innerhalb der Unternehmerkette Kostenneutralität gegeben sein solle (Kanduth-Kristen in Berger/Bürgler/Kanduth-Kristen/Wakounig, UStG-Kommentar, § 4, Rz 21). Die Umsatzsteuer selbst gehöre nicht zum Entgelt iSd § 4 Abs 1 UStG (UStR 2000, Rz 643).

Krankenanstalten seien gemäß § 6 Abs 1 Z 18 UStG unecht steuerbefreit. Die Befreiung eines Umsatzes nach § 1 Abs 1 Z 1 UStG führe dazu, dass das Entgelt für eine steuerbare Leistung nicht der Umsatzsteuer unterworfen sei. Der leistende Unternehmer habe idR keine Umsatzsteuer abzuführen. Bei Umsätzen, die typischerweise an den Letztverbraucher erfolgten, bewirke die Steuerbefreiung, wenn sie durch Preisminderung weitergegeben werde, eine Verbilligung der befreiten Leistung.

Der Gesetzgeber gewähre das Recht auf Vorsteuerabzug nicht, wenn der Unternehmer Gegenstände oder sonstige Leistungen zur Ausführung steuerfreier Umsätze verwende. Gewähre man unechte Befreiungen innerhalb der Unternehmerkette, führe dies dazu, dass die nichtabzugsfähigen Vorsteuern in den Preis der Leistungen der Unternehmer eingingen und damit auf der nächsten Stufe zum Kostenfaktor würden. Steuerbefreiungen innerhalb der Unternehmerkette führten daher idR im Vergleich zur Steuerpflicht nicht zu einer Entlastung, sondern - soweit man die nicht abziehbaren Vorsteuern im Preis weitergebe - zu einer Mehrbelastung, die sich für den Letztverbraucher in einem höheren Preis niederschlage (Ruppe, UStG, § 6, Rz 19). Unechte Steuerbefreiungen versetzten die betroffenen Unternehmen letztlich in die Position von Nichtunternehmern, die mit ihren Leistungen einerseits nicht der Umsatzsteuer unterworfen seien und andererseits keinen Vorsteuerabzug geltend machen könnten (Ruppe, UStG, § 6, Rz 19).

Da Krankenanstalten dem Unternehmer, der eine Leistung an die Krankenanstalt erbringe, den zivilrechtlichen Preis für den Bezug der Leistung zu bezahlen hätten, stelle die Umsatzsteuer in Form der nichtabzugsfähigen Vorsteuer einen Aufwand bei den Krankenanstalten dar. Das umsatzsteuerliche Entgelt sei nicht identisch mit dem zivilrechtlich vereinbarten Preis (Ruppe, UStG, § 4, Rz 20), den die Krankenanstalten für Vorleistungen aufzuwenden hätten. Letzterer umfasse auch die Umsatzsteuer, wenngleich diese gemäß § 4 Abs 10 UStG nicht zum Entgelt gerechnet werde. Die nichtabzugsfähigen Vorsteuern seien daher - wie bei Letztverbrauchern - Teil der Aufwendungen für Vorleistungen bei unecht steuerbefreiten Unternehmern (wie etwa nach § 6 Z 18 UStG steuerbefreiten Krankenanstalten) und könnten als steuerbare Vorleistungen bei Berechnung des NPW nach § 1 Abs 1 EAVG zur Gänze in Abzug gebracht werden.

e. Zielsetzung des Gesundheits- und Sozialbereich-Beihilfegesetzes:

Österreich habe sich im Beitrittsvertrag zur EU verpflichtet, sein Mehrwertsteuersystem im Gesundheits- und Sozialbereich dem der anderen Mitgliedstaaten der EU anzupassen. Diese Auswirkungen der EU-bedingten Umsatzsteueranpassung in diesem Bereich, sollten derart neutralisiert werden, dass die aus der Umstellung auf eine unechte Befreiung resultierenden Mehreinnahmen den betroffenen Institutionen wiederum in vollem Umfang zuführbar waren. Nach den Materialien des Gesundheits- und Sozialbereich-Beihilfegesetzes (GSBG) sei daher erklärtes Ziel der Einführung dieses Gesetzes die Neutralisierung der Auswirkungen der EU-bedingten Umsatzsteueranpassung im Gesundheits- und Sozialbereich sowie die Rückführung der aus der Umstellung auf die unechte Befreiung entstehenden Mehreinnahmen an die betroffenen Institutionen.

Es sollten entsprechende pauschalierte Beihilfenregelungen und pauschalierte Ausgleichszahlungen für die jeweils betroffenen Gruppen zur Neutralisierung geschaffen werden. Das GSBG sehe demgemäß in § 2 Abs 1 vor, dass Kranken- und Kuranstalten, die nach § 6 Abs 1 Z 18 UStG befreite Umsätze bewirkten, einen Anspruch auf Beihilfe hätten. Die Höhe der Beihilfe sei gleichzusetzen mit den nach § 12 Abs 3 UStG nicht abziehbaren Vorsteuern (die im Zusammenhang mit den befreiten Umsätzen stünden), abzüglich 10% der Entgelte für nach § 6 Abs 1 Z 18 UStG befreite Umsätze, soweit sie nicht aus öffentlichen Mitteln stammten (Klassegelder, Entgelte für Privatpatienten). Eine Kürzung der Beihilfe im Ausmaß von 10% der nicht aus öffentlichen Mitteln stammenden Entgelte sei auch bei anderen befreiten Umsätzen vorzunehmen, für die zuvor nicht abzugsfähige Vorsteuern als Beihilfe in Anspruch genommen worden seien.

Die Deckung der Kosten der Beihilfe sei durch das aus dem Wegfall des Vorsteuerabzuges resultierende Umsatzsteuermehraufkommen weitgehend gegeben. Als Alternativlösung führten die Materialien des GSBG die Beitragserhöhung im Gesundheitsbereich und Kostensteigerungen im Sozialbereich an.

Ab dem Inkrafttreten der Umstellung des Mehrwertsteuersystems hätten aufgrund der unechten Steuerbefreiung Unternehmer im Gesundheits- und Sozialbereich, wie insbesondere Krankenanstalten, keine Vorsteuern mehr geltend machen können. Durch den Wegfall des Vorsteuerabzuges sei die Vorsteuer auf Ebene der Unternehmer zum Kostenfaktor geworden. Die nichtabzugsfähige Vorsteuer sei Teil der Aufwendungen für die Vorleistungen. Dies ergebe sich ganz klar aus der Intention des Gesetzgebers, mit Einführung der Beihilfe nach dem GSBG die Kostensteigerung im Gesundheits- und Sozialbereich abzufedern, um eine Beitragserhöhung zu vermeiden. Die Einführung der Beihilfe hätte nicht erfolgen müssen, wenn die nichtabzugsfähigen Vorsteuern keinen Mehraufwand für Vorleistungen bei Unternehmern im Gesundheits- und Sozialbereich darstellten.

Folglich seien die nichtabzugsfähigen Vorsteuern auch nicht von den aufzuwendenden Beträgen für Vorleistungen auszuscheiden, weil sie aufgrund der unechten Steuerbefreiung und des damit zusammenhängenden Wegfalls des Vorsteuerabzuges auf Ebene der Unternehmer im Gesundheits- und Sozialbereich zweifelsohne einen Kostenfaktor darstellten.

3. Die Berufung gegen die Bescheide über die Festsetzung des Vergütungsbetrages nach dem EAVG für 2006, 2007, 2008 und 2009 wurde am dem Unabhängigen Finanzsenat zur Entscheidung vorgelegt.

Über die Berufung wurde erwogen:

1. Strittig ist ausschließlich, ob nichtabziehbare Vorsteuern aufgrund einer unechten Steuerbefreiung als zusätzliche Vorleistungen bei der Berechnung des NPW anzusetzen sind.

2. § 1 des Energieabgabenvergütungsgesetzes (EAVG) zum idF BGBl I Nr. 92/2004 lautete: Die entrichteten Energieabgaben auf die in Abs 3 genannten Energieträger sind für ein Kalenderjahr (Wirtschaftsjahr) auf Antrag insoweit zu vergüten, als sie (insgesamt) 0,5% des Unterschiedsbetrages zwischen

- Umsätzen im Sinne des § 1 Abs 1 Z 1 und 2 UStG 1994 und

- Umsätzen im Sinne des § 1 Abs 1 Z 1 und 2 UStG 1994, die an das Unternehmen erbracht werden, übersteigen (Nettoproduktionswert).

In § 4 Abs 10 UStG ist geregelt: Die Umsatzsteuer gehört nicht zur Bemessungsgrundlage.

3. Die Steuerpflichtige bringt im Wesentlichen nur zwei Argumente für ihre Rechtsansicht vor, dass die nicht abzugsfähigen Vorsteuern als Vorleistungen anzusehen sind: Einerseits seien die Vorsteuern als Kostenfaktor Teil der Aufwendungen für die Vorleistungen, andererseits ergebe sich aus der Einführung der Beihilfe nach dem GSBG, dass die Vorsteuern einen Mehraufwand für Vorleistungen im Gesundheitsbereich darstellten.

4. Anwendung von § 4 Abs 10 UStG:

Die Vorsteuer ist ein Kostenfaktor, sodass nach Ansicht der Bw. § 4 Abs 10 UStG nicht anwendbar sein soll, weil der Unternehmer einem Verbraucher gleichgestellt ist.

a. Das EAVG bedient sich im Wesentlichen der Terminologie des UStG 1994, beispielsweise bei der Bestimmung des NPW in § 1 Abs 1 EAVG, wo ausdrücklich auf die Umsätze iSd § 1 Abs 1 Z 1 und 2 des UStG abgestellt wird; dementsprechend obliegt nach § 2 Abs 4 EAVG die Vergütung dem für die Erhebung der Umsatzsteuer zuständigen Finanzamt und nicht jenem, welches für die ertragsteuerliche Veranlagung zuständig ist (). Der VwGH hat unmissverständlich klargestellt, dass für den Bereich der ENAV weder nach dem EAVG, noch nach den gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen auf das Ergebnis der Tätigkeit des Vergütungsberechtigten abgestellt wird. Soweit daher die Bw. in verschiedenen Varianten auf den Umstand verweist, dass die Vorsteuer aufgrund der unechten Steuerbefreiung "zum Kostenfaktor" geworden sei, geht die Argumentation fehl, weil sich einerseits die Auswirkung der Aufwendung (als Kostenfaktor) erst auf der nächsten Stufe der Mehrwertsteuerkette ergibt und andererseits für die ENAV nicht der ertragsteuerliche, sondern der umsatzsteuerliche Betriebsbegriff maßgeblich ist. Alleine dadurch, dass die Vorsteuern zum Kostenfaktor geworden sind, werden die Aufwendungen noch nicht zu Umsätzen nach § 1 Abs 1 Z 1 UStG.

b. Bei umsatzsteuerpflichtigen Leistungen zählt die in Rechnung gestellte Umsatzsteuer zwar zu dem, was der Leistungsempfänger aufzuwenden hat, um die Lieferung oder sonstige Leistung zu erhalten. Nach Ruppe/Achatz, UStG, 4. Auflage, § 4, Rz 95, würde daher ohne ausdrückliche Ausnahme die Umsatzsteuer Teil ihrer eigenen Bemessungsgrundlage sein. Gerade das verhindere § 4 Abs 10 UStG in Übereinstimmung mit Art 78 der MWSt-Syst-RL. § 4 Abs 10 UStG bewirkt, dass der Unternehmer die Umsatzsteuer sogar aus dem Bruttobetrag herausrechnen muss, wenn sie nicht gesondert ausgewiesen wurde. Aus Art 78 MWSt-Syst-RL ergibt sich in diesem Zusammenhang, dass Steuern, Zölle, Abschöpfungen und Abgaben mit Ausnahme der Mehrwertsteuer selbst in die Steuerbemessungsgrundlage miteinzubeziehen sind. Dagegen umfasst der zivilrechtliche Preis, wenn nicht ausdrücklich oder schlüssig das Gegenteil vereinbart wurde, auch die Umsatzsteuer (Melhardt/Tumpel, UStG, § 4, Rz 50).

c. Nach Ansicht der Bw. gilt § 4 Abs 10 UStG nur bei Unternehmen mit steuerpflichtigen Umsätzen, während nach Ansicht der Finanzverwaltung diese Regelung generell gültig ist und dabei auf Art 78 MWSt-Syst-RL beruht.

Zunächst ist festzuhalten, dass unter einem Umsatz iSd Umsatzsteuergesetzes regelmäßig (aufgrund der Anwendung von § 4 Abs 10 UStG) der Nettoumsatz verstanden wird:

Nach wurde dem Bf. die gewährte Notstandshilfe eingestellt, weil der Umsatz aus selbständiger Tätigkeit die Geringfügigkeitsgrenze gemäß § 12 Abs 6 lit. c AlVG überstieg; in diesem Zusammenhang verwendet der Gesetzgeber den Begriff des Umsatzes als "Entgelt, das die Umsatzsteuer noch nicht enthält."

Das gilt beispielsweise auch dann, wenn eine Aufteilung der Vorsteuer bei steuerpflichtigen und unecht steuerbefreiten Umsätzen vorzunehmen ist: Liegen unecht steuerfreie Umsätze als Physiotherapeutin und steuerpflichtige Umsätze aus Vermietung vor, ist der Aufteilung das Verhältnis der unecht befreiten Umsätze zu den steuerpflichtigen Umsätzen zugrundezulegen. Da das Gesetz in § 12 Abs 4 UStG von Umsätzen (iSd § 1 Abs 1 Z 1 UStG) spricht, ist die Summe der Leistungsentgelte ohne Umsatzsteuer gemeint und es werden zu Recht die Nettoumsätze zur Ermittlung des Aufteilungsschlüssels heranzuziehen sein ( mit Verweis auf die gemeinschaftsrechtliche Grundlage des § 12 Abs 4 in Art 19 der Sechsten Mehrwertsteuerrichtlinie, in dessen Abs 1 von Nettoumsätzen gesprochen wird).

d. Der VwGH hat sich auch mit der Frage beschäftigt, ob im Rahmen eines unecht befreiten Umsatzes bei einem Verweis auf § 1 Abs 1 Z 1 UStG (für das Überschreiten der maßgeblichen Umsatzgrenze) vom Nettoumsatz oder vom Bruttoumsatz auszugehen ist ().

Eine selbständige Keramikerin gab einen Umsatz von 364.850,00 S an und wies keine Zahllast aus, weil sie davon ausging, dass nach § 6 Abs 1 Z 27 UStG unecht befreite Umsätze eines Kleinunternehmers vorlägen. Das Finanzamt nahm dagegen die Überschreitung der Umsatzgrenze von 345.000,00 S (inklusive Toleranzwert 15%) an. In der Berufung wurde ausgeführt, die Umsatzfreigrenze werde mit dem erzielten Nettoumsatz von 304.041,47 S (= 364.850,00 S : 120%) nicht überschritten. Die belangte Behörde gab der Berufung Folge, weil es sich bei der Umsatzgrenze des § 6 Abs 1 Z 27 UStG infolge des Verweises auf § 1 Abs 1 Z 1 UStG um einen Betrag ohne Umsatzsteuer handle. Dies ergebe sich aus § 4 Abs 10 UStG und aus der Systematik und Terminologie des UStG. Die Beschwerde des Präsidenten der FLD gegen die stattgebende Berufungsentscheidung wurde abgewiesen.

Die Abweisung der Beschwerde durch den VwGH wurde wie folgt begründet:

- Systematische Überlegung: Die Steuerbefreiung stelle die in § 6 Abs 1 Z 27 UStG normierte Rechtsfolge dar. Die Voraussetzungen der Rechtsfolge seien zu prüfen, ohne die Rechtsfolge als Ergebnis vorwegzunehmen. Zu den Voraussetzungen gehöre die Umsatzgrenze. Für die Berechnung der Umsätze sei daher nicht von der Steuerbefreiung für Kleinunternehmer auszugehen, sondern von der Besteuerung nach den allgemeinen Regelungen.

- Hätte der Gesetzgeber mit der Vorschrift des § 6 Abs 1 Z 27 UStG die gesamten Einnahmen ansprechen wollen, wäre es naheliegend gewesen, dass er sich im Hinblick auf § 4 Abs 10 UStG eines anderen Begriffes als jenes der Umsätze bedient und damit eine bereits dem Wortlaut nach eindeutige Bestimmung geschaffen hätte. Auch dieser Umstand spreche für die Auslegung, dass die Umsatzgrenze des § 6 Abs 1 Z 27 UStG auf die Bemessungsgrundlage bei unterstellter Steuerpflicht abstelle.

- Für diese Auslegung spreche auch, dass die Regelung des österreichischen UStG aufgrund der Ermächtigung in der Beitrittsakte ergangen sei und eine Auslegung aus der Sicht dieser Ermächtigung angestellt werden könne. Die Ermächtigung verweise auf Art 24 Abs 4 der Sechsten Richtlinie. Diese lege aber den für die Umsatzgrenze maßgeblichen Umsatz dahingehend fest, dass aus dem Entgelt für steuerpflichtige Umsätze der Mehrwertsteuerbetrag in Abzug zu bringen sei. Es liege nahe, dass sich das UStG derselben Technik bedient habe.

- Zudem sei auch die Bagatellgrenze von 40.000,00 S in der Stammfassung als Nettobetrag anzusehen gewesen.

e. Schlussfolgerung: Aus der vorangeführten Judikatur kann der Schluss gezogen werden, dass grundsätzlich bei Verweisen auf den "Umsatz" (nach § 1 Abs 1 Z 1 UStG) gemäß § 4 Abs 10 UStG auf den jeweiligen Nettobetrag abzustellen ist. Es gibt in Judikatur und Literatur keinerlei Hinweise darauf, dass diese Regelung bei Vorliegen unecht befreiter Umsätze nicht anzuwenden wäre. Prinzipiell könnte der Gesetzgeber in einem Verweis auch ausnahmsweise auf den Bruttoumsatz abstellen (siehe dazu auch ). In diesem Fall wäre aber zu erwarten, dass er entweder dezidiert die Anwendung von § 4 Abs 10 UStG ausschließt oder nicht auf den Umsatzbegriff des § 1 Abs 1 Z 1 UStG und den damit verbundenen Nettoumsatz verweist. Wie der VwGH in der E vom , 87/14/0057 klargestellt hat, ist es naheliegend, dass der Gesetzgeber sich eines anderen Begriffes als jenem der Umsätze (nach § 1 Abs 1 Z 1 UStG) bedienen würde, wenn er ausnahmsweise auf den Bruttoumsatz abstellen wollte.

Da im konkreten Fall des § 1 EAVG auf die Umsätze nach § 1 Abs 1 Z 1 UStG verwiesen und somit keine sich klar von der Regelung des § 4 Abs 10 UStG distanzierende Bestimmung geschaffen wurde, geht der Unabhängige Finanzsenat davon aus, dass dies auch nicht beabsichtigt war.

Ergänzend darf hinzugefügt werden, dass die von der Bw. gewählte Auslegung von § 1 EAVG zu einer nicht vorgesehenen Differenzierung zwischen Umsätzen und Vorleistungen führen würde. Denn die an die Krankenanstalt erbrachten Umsätze sind für den liefernden und leistenden Unternehmer jedenfalls Nettoumsätze, dagegen wären die bei der Bw. als Vorleistung einzustufenden Umsätze nach dieser Leseart als Bruttoumsätze anzusehen. Es besteht in systematischer Hinsicht aber keine Veranlassung dafür, dass derselbe Umsatz - je nachdem, ob er als Umsatz iSd § 1 Abs 1 Z 1 UStG oder als an das Unternehmen erbrachter Umsatz iSd § 1 Abs 1 Z 1 UStG auftritt - einmal ein Nettobetrag und ein anderes Mal ein Bruttobetrag sein sollte.

Da § 4 Abs 10 UStG nach Ansicht des Unabhängigen Finanzsenates auch im gegenständlichen Fall anwendbar ist, kann die Vorsteuer nicht als Vorleistung angesehen werden.

5. Regelung des GSBG:

Der aus Punkt vier abzuleitenden Schlussfolgerung steht das Gesundheits- und Sozialbereich-Beihilfegesetz nicht entgegen. Richtig ist, dass nach diesem Gesetz Ausgleichszahlungen für bestimmte Gruppen geschaffen wurden. Ohne auf die Frage näher einzugehen, inwieweit es überhaupt als gerechtfertigt bezeichnet werden kann, dass einzelne Berufszweige aus dem Gesundheitsbereich überproportional vor den Folgen EU-bedingter Gesetzesanpassungen geschützt werden, während der Großteil anderer Berufsgruppen diesen Schutz nicht erfährt, kann jedenfalls gesagt werden, dass die Intentionen dieses Gesetzes in keiner irgendwie gearteten Verbindung zur gegenständlich strittigen Rechtsfrage stehen. Diese Rechtsfrage ist vielmehr ausschließlich durch Auslegung der Bestimmungen des Energieabgabenvergütungsgesetzes und der damit zusammenhängenden Normen des Umsatzsteuergesetzes zu lösen. Die Vorstellung einer quasi systemübergreifenden und verpflichtenden Begünstigung von Krankenanstalten aus der Intention eines Gesetzes für Ausgleichszahlungen geht daher an der gegenständlich zu lösenden Rechtsproblematik vorbei, sodass ihr der Unabhängige Finanzsenat in keiner Weise nähertreten konnte. Im gegenständlichen Fall kommt noch der Umstand hinzu, dass die Bw., wie aus einem Schreiben vom hervorgeht, bei innergemeinschaftlichen Erwerben und Reverse-Charge-Umsätzen (auch der Jahre 2006 bis 2009) die vorzunehmende Aufteilung in abzugsfähige und beihilfenfähige Vorsteuer nicht vorgenommen hat und anstelle eines Antrages auf GSBG-Beihilfe der Einfachheit halber die gesamte Vorsteuer geltend machte, sodass insoweit schon nach ihrer eigenen Argumentation eine Vorleistung nicht infrage kommen könnte.

Die Berufung war aus den bezeichneten Gründen abzuweisen.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
Verweise

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at