Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSG vom 26.01.2012, RV/0678-G/10

Einkommenserhöhender Ansatz des Nachversteuerungsbetrages gemäß § 11a Abs. 3 EStG 1988

Rechtssätze


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Folgerechtssätze
RV/0678-G/10-RS1
wie RV/2040-W/06-RS1
Der Nachversteuerungsbetrag gemäß § 11a Abs. 3 EStG 1988 ist gewinnerhöhend anzu­setzen; er stellt einen Bestandteil des für die Ermittlung des Hälftesteuersatzes maßgeblichen Einkommens dar. Bei der Nachversteuerung des § 11a Abs. 3 EStG 1988 handelt es sich nämlich nicht bloß um eine Rückgängigmachung einer Tarifbegünstigung, sondern um eine Vorschrift der Einkünfteermittlung.

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw., vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Graz-Stadt vom betreffend Einkommensteuer 2006 entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Entscheidungsgründe

Vor dem UFS ist strittig, ob ein Nachversteuerungsbetrag nach § 11a EStG 1988 (in der bis einschließlich des Veranlagungsjahres 2006 geltenden Fassung vor Inkrafttreten des BudBG 2007, BGBl. I 2007/24) als Teil des Gesamtbetrages der Einkünfte und sohin des Einkommens zu berücksichtigen ist oder nicht.

Der Berufungswerber (Bw.) nahm in den Jahren 2004 und 2005 jeweils die begünstigte Besteuerung für nicht entnommene Gewinne (iHv. € 12.476,06 bzw. € 9.153,56) gemäß § 11a EStG 1988 in Anspruch.

Im Streitjahr 2006 erklärte bzw. erzielte er Einkünfte aus Gewerbebetrieb iHv. € 11.925,54 sowie einen Verlust aus Vermietung und Verpachtung iHv. € -1.733,01. In seiner Einkommensteuererklärung wies er zudem unter Kennzahl 794 einen Nachversteuerungsbetrag iHv. € 21.629,62 aus.

Im angefochtenen Bescheid ermittelte das Finanzamt das Einkommen wie folgt:


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Einkünfte aus Gewerbebetrieb
11.925,54 €
Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung
-1.733,01 €
Nachversteuerung gemäß § 11a EStG 1988
21.629,62 €
Gesamtbetrag der Einkünfte
31.822,15 €

Nach Abzug von Sonderausgaben und außergewöhnlichen Belastungen legte das Finanzamt der Abgabenberechnung ein Einkommen von insgesamt € 26.002,90 zugrunde.

Der Bw. wendet sich nun gegen eine Erfassung des Nachversteuerungsbetrages in den Einkünften bzw. im Einkommen für das Jahr 2006 und führt dazu in der Berufung im Wesentlichen wie folgt aus: Der Nachversteuerungsbetrag sei nicht als Bestandteil des Einkommens, sondern lediglich bei Berechnung der Einkommensteuerbemessungsgrundlage als außerbücherliche Vorjahresgewinnzurechnung zu berücksichtigen. Dieser "Formalismus" habe zwar im berufungsgegenständlichen Bescheid keine direkte Auswirkung auf die Einkommensteuerberechnung, welche sich dadurch betragsmäßig nicht ändern würde. Wohl aber bilde das solcherarts ausgewiesene Einkommen Grundlage für die Berechnung verschiedener anderer Abgaben oder Zuschüsse (zB den Mehrkindzuschlag). In den Jahren der Inanspruchnahme der steuerlichen Begünstigung des § 11a EStG seien die nunmehr nachzuversteuernden Beträge jeweils bereits zur Gänze erfasst und ausgewiesen worden. Lediglich die Steuerberechnung sei für einen gewissen Betrag begünstigt gewesen. Würde man daher nun den Nachversteuerungsbetrag dem "regulär ermittelten Jahresgewinn/Einkommen 2006" zuschlagen, so wäre dies eine doppelte Gewinnerfassung. Eine Berücksichtigung des Nachversteuerungsbetrages hätte daher in der Weise zu erfolgen, dass dieser dem regulär ermittelten Jahresgewinn lediglich für Zwecke der Steuerberechnung (nicht aber der Einkommensermittlung) zugeschlagen werden dürfe. Bekämpft werde sohin lediglich "die Zurechnung der Nachversteuerung aus Vorjahren zum Jahresgewinn 2006 und der gemeinsame Ausweis der Nachversteuerung und des tatsächlichen Jahresgewinnes 2006 zusammen als Gewinn 2006." Begehrt werde daher, das "reine Einkommen" in der richtigen Höhe von € 4.373,28 bzw. die Berechnungsbasis für die Einkommensteuer mit € 26.002,90 auszuweisen.

In der Berufungsvorentscheidung hielt das Finanzamt dem Bw. entgegen, dass der Nachversteuerungsbetrag nicht dem erklärten Gewinn aus Gewerbebetrieb hinzugerechnet, sondern bei der Einkommensermittlung berücksichtigt und gesondert ausgewiesen worden sei.

Über die Berufung wurde erwogen:

Die für den vorliegenden Fall maßgeblichen Bestimmungen des § 11a EStG 1988 (in der für das Streitjahr maßgeblichen Fassung vor Geltung der Bestimmungen des BudBG 2007) lauten im Wesentlichen wie folgt:

(1) Natürliche Personen, die den Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft oder aus Gewerbebetrieb durch Betriebsvermögensvergleich ermitteln, können den Gewinn, ausgenommen Übergangsgewinne (§ 4 Abs. 10) und Veräußerungsgewinne (§ 24), bis zu dem in einem Wirtschaftsjahr eingetretenen Anstieg des Eigenkapitals, höchstens jedoch € 100 000,-- , mit dem ermäßigten Steuersatz nach § 37 Abs. 1 versteuern (begünstigte Besteuerung).

(3) Sinkt in einem folgenden Wirtschaftsjahr in sinngemäßer Anwendung des Abs. 1 unter Außerachtlassung eines Verlustes das Eigenkapital, ist insoweit eine Nachversteuerung unter Anwendung des Steuersatzes nach § 37 Abs. 1 vorzunehmen. Nachzuversteuern ist höchstens jener Betrag, der in den vorangegangenen sieben Wirtschaftsjahren nach Abs. 1 begünstigt besteuert worden ist. Die Nachversteuerung ist zunächst für den begünstigten Betrag des zeitlich am weitest zurückliegenden Wirtschaftsjahres vorzunehmen.

(4) Sind in einem Wirtschaftsjahr, in dem aus diesem Betrieb ein Verlust entsteht, die Voraussetzungen für eine Nachversteuerung gegeben, kann der nachzuversteuernde Betrag wahlweise mit dem Verlust ausgeglichen oder nachversteuert werden. Im Falle einer Nachversteuerung ist der Nachversteuerungsbetrag gleichmäßig auf das laufende und das folgende Wirtschaftsjahr zu verteilen.

Aus dem Wortlaut von § 11a Abs. 3 EStG 1988 geht lediglich hervor, dass die "Nachversteuerung unter Anwendung des Steuersatzes des § 37 Abs. 1 EStG 1988 vorzunehmen ist".

Nach vorherrschender Ansicht (s. zB , -I/06, sowie ; weiters zB Hofmann in SWK 2003, S 839), die insbesondere auf die Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage des Budgetbegleitgesetzes 2003 (ErlRV BudBG 2003) verweist, ist jedoch ein allfälliger Nachversteuerungsbetrag gemäß § 11a Abs. 3 EStG 1988 nach der für das Streitjahr geltenden Rechtslage jedenfalls gewinnerhöhend anzusetzen. Der Nachversteuerungsbetrag stellt sohin einen Bestandteil des für die Ermittlung des Hälftesteuersatzes maßgeblichen Einkommens dar (s. dazu zB die in der bereits zitierten Entscheidung des , umfangreich angeführten Literaturnachweise).

Die ErlRV BudBG 2003 halten zur Nachversteuerung ua. Folgendes fest: "Der Förderung des Eigenkapitalzuwachses wird eine "Entförderung" bei späterem Eigenkapitalabbau zur Seite gestellt. Dies soll in der Weise bewerkstelligt werden, dass im Falle des Abbaus der seinerzeit geförderten Eigenkapitalbildung eine Nachversteuerung einsetzt. Diese besteht darin, dass der Betrag der Eigenkapitalminderung gewinnerhöhend anzusetzen ist und mit dem ermäßigten Steuersatz des § 37 Abs. 1 EStG 1988 erfasst wird."

Zur streitgegenständlichen Problematik führen etwa Doralt/Heinrich, EStG, 9. Auflage, § 11a Tz 45, überzeugend aus, dass es andernfalls (dh. bei nicht gewinnerhöhendem Ansatz des Betrages der Eigenkapitalminderung) möglich wäre, in Jahren ohne "Resteinkommen" die thesaurierten Gewinne ohne Steuerbelastung zu entnehmen; dass es sich bei der Nachversteuerung nicht bloß um eine Rückgängigmachung einer Tarifbegünstigung, sondern um eine Vorschrift der Einkünfteermittlung handle, zeige sich vor allem an § 11a Abs. 4 EStG 1988, der für den Fall des Auftretens eines Eigenkapitalabfalls in einem Verlustjahr die Möglichkeit einräume, den Nachversteuerungsbetrag gegen den Verlust aufzurechnen (unter Verweis auf Hofmann, SWK 2003, S 839).

Für die Rechtsauffassung der herrschenden Lehre führt Hofmann, aaO, Folgendes ins Treffen: § 11a EStG 1988 sei im Interesse der Förderung der Eigenkapitalbildung so konzipiert worden, dass der Förderung des Eigenkapitalzuwachses eine "Entförderung" bei späterem Eigenkapitalabbau zur Seite gestellt worden sei (wobei auch er auf die ErlRV BudBG 2003 verweist); die Rechtsansicht, dass der Betrag der Eigenkapitalminderung nicht gewinnerhöhend anzusetzen sei, würde dem völlig widersprechen, da es in diesem Fall relativ einfach wäre, den steuerlich geförderten Eigenkapitalzuwachs später steuerfrei zu entnehmen (vgl. dazu auch Doralt/Heinrich, siehe oben). § 11a EStG 1988 sei im 2. Teil, 3. Abschnitt des EStG 1988 angesiedelt und daher Teil der Gewinnermittlung, was der Gesetzgeber bei der Konzeption des § 11a leg. cit. auch beabsichtigt haben dürfte (wobei Hofmann erneut auf die Ausführungen in den ErlRV BudBG 2003 verweist).

Hofmann kommt zu dem Schluss, dass der Gesetzgeber den Nachversteuerungsbetrag gemäß § 11a Abs. 3 bzw. Abs. 4 EStG 1988 offenbar als Teil des Gewinnes bzw. des Einkommens sehe und nicht als eine Art Sondergewinn. Sowohl § 11a Abs. 3 als auch § 11a Abs. 4 EStG 1988 stellten daher eine Einkünfteermittlungsvorschrift dar.

Der Bw. wendet ein, dass es zu einer Art Doppelbesteuerung des ursprünglich begünstigt besteuerten Gewinnanteils komme, wenn man gemäß der dargestellten (überwiegenden) Rechtsauffassung den nachzuversteuernden Betrag dem Jahreseinkommen hinzurechne (der Gewinnanteil werde zwei Mal im steuerpflichtigen Einkommen erfasst: ein Mal im Jahr, in dem die begünstigte Besteuerung erfolgt sei, und ein zweites Mal im Jahr der Nachversteuerung), was im Übrigen auch Hofmann, aaO, einräumt (Letzterer spricht vom "Nachteil der zweifachen Progressionserhöhung"). Diesem Einwand steht jedoch, wie bereits oben ausführlich dargelegt, der diesbezüglich eindeutige Wortlaut der ErlRV BudBG 2003 ("...dass der Betrag der Eigenkapitalminderung gewinnerhöhend anzusetzen ist"; siehe nochmals Hofmann, aaO, Fußnote 15) entgegen; bei der Nachversteuerung des § 11a Abs. 3 EStG 1988 handelt es sich eben nicht bloß um eine Rückgängigmachung einer Tarifbegünstigung, sondern um eine Vorschrift der Einkünfteermittlung (Doralt/Heinrich, EStG, 9. Auflage, § 11a Tz 45; siehe oben), was mitunter durchaus sogar - für den Steuerpflichtigen nachteilige - Auswirkungen auf andere, im EStG geregelte einkommensabhängige Begünstigungen (wie zB den Veranlagungsfreibetrag gemäß § 41 Abs. 3 EStG oder die Berücksichtigung des Sonderausgabenviertels oä.) haben kann (s. dazu insbesondere die oben genannten UFS-Entscheidungen).

Der Bw. gesteht zu, dass sich - würde man seiner Auffassung folgen und den Nachversteuerungsbetrag lediglich als Sonderposten bei der Abgabenberechnung berücksichtigen, nicht aber als Einkommensbestandteil erfassen - die mit angefochtenem Bescheid festgesetzte Einkommensteuer der Höhe nach nicht ändern würde. Er meint jedoch, dass das solcherart ermittelte und im Einkommensteuerbescheid entsprechend ausgewiesene Einkommen auf in anderen Rechtsvorschriften geregelte Abgaben, Beihilfen etc. wie etwa die Beiträge nach dem GSVG oder die Gewährung des Mehrkindzuschlages (für ihn negative) Auswirkungen haben würde (bzw. könnte). Eine Beurteilung, ob und inwieweit dies tatsächlich der Fall ist, steht dem UFS im gegenständlichen Verfahren jedoch nicht zu.

Auf Grund der dargestellten Rechtslage hat das Finanzamt im vorliegenden Fall den Nachversteuerungsbetrag iSd. § 11a EStG zu Recht als (fiktiven) Einkommensbestandteil ausgewiesen. Dieser wurde vom Finanzamt im Rahmen der Einkommensermittlung als gesonderter Posten in Ansatz gebracht und nicht etwa - wie die Berufung ihrem Wortlaut nach mitunter vermuten lässt - dem im Jahr 2006 erzielten Gewinn aus Gewerbebetrieb hinzugeschlagen.

Aus den dargelegten Gründen war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
Schlagworte
Nachversteuerungsbetrag
Einkünfteermittlung
Einkommensbestandteil
Tarifbegünstigung.
Verweise

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at