Erlassung einer Berufungsvorentscheidung, wenn keine Berufung eingebracht wurde
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der unabhängige Finanzsenat hat über die als Vorlageantrag bezeichnete Berufung der verstorbenen H, zuletzt wohnhaft in W, und des D, B, vom gegen die Bescheide des Finanzamtes für den 4., 5. und 10. Bezirk vom (Berufungsvorentscheidung gemäß § 276 BAO) betreffend einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO für die Jahre 1998 bis 2000 entschieden:
Der als Vorlageantrag bezeichneten Berufung wird Folge gegeben.
Die Bescheide vom (Berufungsvorentscheidung gemäß § 276 BAO) betreffend einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO für die Jahre 1998 bis 2000 werden ersatzlos aufgehoben.
Entscheidungsgründe
Im Rahmen einer gemäß den § 147ff. BAO durchgeführten abgabenbehördlichen Prüfung bei der M-OHG wurde festgestellt, dass diese lediglich bis September 1963 einen Einzelhandel mit Textilwaren betrieben habe. Danach sei das Gewerbe stillgelegt und die Geschäftsräumlichkeiten untervermietet worden. Die laufende Verwaltung werde von Frau H besorgt, auf deren Konto auch der Mietzins eingehe. Laut Auskunft von Frau H würden die Gewinne auf einem Sparbuch angelegt und bei Bedarf an die beiden Gesellschafter ausbezahlt. Die Gewinne seien gemäß § 188 BAO einheitlich und gesondert festgestellt worden. Der Anteil an den Einkünften sei bis einschließlich der Veranlagung 1997 im Verhältnis der Gesellschaftsanteile festgestellt worden. Auf Grund einer mündlichen Gesellschaftervereinbarung vom Dezember 1998 sei der Gewinn des Jahres 1998 zu 100 % Herrn D zugerechnet worden. Auch für die Jahre 1999 und 2000 sei die Gewinnzurechnung entsprechend den abgegebenen Erklärungen in dieser Weise erfolgt.
Die Betriebsprüfung gehe davon aus, dass die Zurechnung an Herrn D ausschließlich deshalb gewählt worden sei, weil Frau H über Pensionsbezüge verfüge und der Ansatz der Gewinnbeteiligung aus Vermietung und Verpachtung steuerwirksam werde, während der Gesellschafter D in den einzelnen Jahren Verluste erzielt habe, weshalb sich aus der gänzlichen Gewinnzurechnung keine Einkommensteuerbelastung ergebe.
Da die OHG nur mehr vermögensverwaltend tätig sei, erziele sie Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Die abweichend vom Gesellschaftsvertrag vorgenommene Gewinnverteilung werde nicht anerkannt, da der dieser zugrunde liegende mündlich abgeschlossene Vertrag zwischen den beiden Gesellschaftern (Mutter und Sohn) auf familienhafter Veranlassung beruhe. Im Übrigen beziehe Frau H eine geringe Pension, die durch die Einnahmen aus der Vermietung aufgebessert würden, da sie über das Bankkonto frei verfügen könne. Eine Vereinbarung in dieser oder ähnlicher Weise wäre mit einem Fremden sicher nicht geschlossen worden. Die Gewinnverteilung werde daher entsprechend dem Gesellschaftsvertrag im Verhältnis 50 % zu 50 % vorgenommen.
In der Folge wurde das Verfahren hinsichtlich einheitlicher und gesonderter Feststellung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung gemäß § 303 Abs. 4 BAO für die Jahre 1998 bis 2000 wieder aufgenommen und in den gemäß § 307 Abs. 1 BAO gleichzeitig neu erlassenen Feststellungsbescheiden für die betreffenden Jahre die Gewinnverteilung im Sinne der Ausführungen des Betriebsprüfungsberichtes vorgenommen.
Aufgrund der genannten Feststellungsbescheide wurden gemäß § 295 Abs. 1 BAO die Einkommensteuerbescheide der Gesellschafterin H für die Jahre 1998 bis 2000 abgeändert.
Gegen diese geänderten Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1998 bis 2000 sowie gegen den daraus resultierenden Einkommensteuervorauszahlungsbescheid für das Jahr 2002 wurde von Herrn D als Vertreter der Gesellschafterin H Berufung erhoben und beantragt, die bekämpften Einkommensteuerbescheide aufzuheben. Begründend wurde hiezu ausgeführt, dass es sich bei der zwischen den Gesellschaftern getroffenen Vereinbarung um eine zivilrechtlich zulässige handle, die dadurch zustande gekommen sei, dass die Gesellschafterin seit 1998 durch ihre schwere Erkrankung kaum mehr im Stande sei, sich um die Firma zu kümmern. Von ihr würden lediglich die Vorschreibungen an den Untermieter verschickt sowie gebucht. Das verstehe sie unter laufender Verwaltung. Das Bankkonto lautete aus historischen Gründen auf sie, aber auch ihr Partner (Sohn) sei natürlich zeichnungs- und kontrollberechtigt. Alle Agenden, Verträge, Behördenangelegenheiten, Mahnungen, Prozesse, Schriftverkehr, Abrechnungen, Haftungen, Kontrollen, Ansuchen, Bauverfahren u.ä. seien von ihrem Partner erledigt worden. Es sei daher nur fair, dass diesem auch der gesamte Gewinn zustehe. Diesbezüglich sei es unerheblich, ob die Gesellschafterin mit ihrem Partner verwandt sei. Auch bei einem Nichtverwandten erfordere eine Partnerschaft in gleicher Weise Fairness.
Darüber hinaus sei für die Gewinnaufteilung auch maßgeblich, ob und in welchem Maße Rücklagen bzw. Risken für offene Forderungen übernommen werden. In den Jahre 1998 bis 2000 habe ihr Partner erhebliche Risken durch Rücklagen absichern müssen.
Laut Firmenbuch seien die Besitz-, Leistungs- und Haftungsanteile beider Gesellschafter 50%. Durch jeweils temporäre Gesellschafter-Vereinbarungen müssten daher jährlich je nach Situation entsprechende Ergänzungen vereinbart werden. Dies sei auch für die Jahre 1998 bis 2000 geschehen. Hieraus ergebe sich die jährlich entsprechende Gewinnaufteilung. Es wäre natürlich unsinnig deshalb jährlich die Eintragung im Firmenbuch zu ändern, außerdem sollten die Besitzverhältnisse pro futuro ja gleich bleiben.
Da keinerlei Beanstandungen der Buchführung, der Umsatzsteuer oder Einkommensteuer festgestellt worden seien, könnten die bekämpften Bescheide auch ohne sonstige Konsequenzen aufgehoben werden, da nur eine Verschiebung zwischen zwei Steuernummer vorgenommen werden müsste, wobei die anfallende Einkommensteuer bereits unter der Steuernummer ihres Sohnes gültig verrechnet worden sei. Es wäre sinnloser Verwaltungsaufwand, die bereits hinsichtlich dieser Steuernummer abgeschlossene Betriebsprüfung deshalb neuerlich aufzunehmen, wobei dann sicherlich auf Seiten dieses Gesellschafters entsprechende Rechtsschritte gegen den unzulässigen Verwaltungseingriff in legitime privatrechtliche Vereinbarungen unternommen würden.
Darüber hinaus wurde ebenfalls bemängelt, dass frühere Vereinbarungen, mit welchem die Gewinnaufteilung abgeändert worden sei, durchaus akzeptiert worden seien. Hinsichtlich der Höhe der festgesetzten Einkommensteuervorauszahlungen für das Jahr 2002 wurde erklärt, das Gewinnergebnis des Jahres 2000 sei atypisch gewesen, weshalb die Vorauszahlungen jedenfalls herabzusetzen seien.
Es werde daher beantragt, die temporäre Gesellschaftervereinbarung betreffend die Gewinnausschüttungen 1998 bis 2000 rechtsgültig zur Kenntnis zu nehmen und die bekämpften Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1998 bis 2000 sowie den daraus resultierenden Vorauszahlungsbescheid für das Jahr 2002 aufzuheben.
Das Finanzamt erließ in der Folge am Bescheide über die Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO für die Jahre 1998 bis 2000, welche als Berufungsvorentscheidung gemäß § 276 BAO über Berufungen vom gegen Bescheide vom ergehen sollten, und mit welchen die Berufung als unbegründet abgewiesen wurde. In der diesbezüglich gesondert übermittelten Bescheidbegründung, datiert mit , wird darauf hingewiesen, dass die mündliche Vereinbarung zwischen den beiden Gesellschaftern über die Gewinnverteilung mangels Fremdüblichkeit nicht anerkannt werden könne.
In der Folge wurde von den beiden Gesellschaftern unter Berufung auf die ihnen zugegangene Berufungsvorentscheidung eine Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz beantragt. Begründet wurde dies im Wesentlichen damit, dass in der Berufungsvorentscheidung auf das Vorbringen der Gesellschafter teilweise nicht eingegangen worden sei. Im Übrigen habe kein ausreichendes Ermittlungsverfahren gemäß AVG stattgefunden. Da die vorgenommene Gewinnaufteilung begründet und nachvollziehbar sei, beharrten die beiden Gesellschafter weiterhin auf der von ihnen vorgenommenen Gewinnaufteilung.
Über die als Vorlageantrag bezeichnete Berufung wurde erwogen:
Es wird von folgendem Sachverhalt ausgegangen:
Am wurden die in Entsprechung der Feststellungen der Betriebsprüfung erstellten Bescheide betreffend einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO für die Jahre 1998 bis 2000 vom der Gesellschaft nach bürgerlichem Recht z.H. der verstorbenen Gesellschafterin H zugestellt. In der Folge ergingen an die verstorbene Gesellschafterin gemäß § 295 BAO geänderte Einkommensteuerbescheide für die betreffenden Jahre. Gegen diese Einkommensteuerbescheide wurde von der verstorbenen Gesellschafterin, vertreten durch ihren Sohn, den Gesellschafter D, Berufung erhoben.
Eine Berufung gegen die Feststellungsbescheide wurde von keinem der Gesellschafter erhoben. In Verkennung dieses Umstandes, erließ das Finanzamt eine Berufungsvorentscheidung, datiert mit , mit welchem eine Berufung gegen die genannten Feststellungsbescheide als unbegründet abgewiesen wurde. Mit Schreiben vom , beim Finanzamt eingelangt am , beantragten beide Gesellschafter nunmehr die Entscheidung über ihre Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz.
Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus den im Akt erliegenden Bescheiden sowie den Eingaben der beiden Gesellschafter, dem Betriebsprüfungsbericht und aufgrund folgender Beweiswürdigung:
Der Eingabe des Gesellschafters D in Vertretung der Gesellschafterin H , richtet sich ausschließlich gegen die aufgrund der Betriebsprüfung erlassenen neuen Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1998 bis 2000 sowie gegen den Einkommensteuervorauszahlungsbescheid für das Jahr 2002. Nur diese werden als bekämpfte Bescheide angeführt.
In der Begründung wird zwar die Nichtanerkennung der von den beiden Gesellschaftern vereinbarten Gewinnaufteilung gerügt, dem gesamten Schriftsatz ist aber nicht entnehmbar, dass sich die Berufung auch gegen die Feststellungsbescheide richten soll. Die Anträge in diesem Schriftsatz beinhalten ausschließlich die Aufhebung der bekämpften Einkommensteuer- und des Einkommensteuervorauszahlungsbescheides. Eine Abänderung oder Aufhebung der Feststellungsbescheide wird nicht begehrt.
Daraus ist abzuleiten, dass in diesem Schriftsatz, welcher zur Steuernummer der Gesellschafterin eingebracht wurde und nur im Konnex die Steuernummer der Gesellschaft nach bürgerlichem Recht anführt, die Feststellungsbescheide nicht bekämpft wurden.
Ein weiterer Schriftsatz, in welchem auch die Feststellungsbescheide bekämpft werden, ist beim Finanzamt jedoch nicht eingelangt. Dass ein derartiger Schriftsatz auch nicht erstellt wurde, lässt sich auch daraus erschließen, dass in dem zu beiden Steuernummern eingebrachten Vorlageantrag nur von "unserer Berufung" die Rede ist.
Der festgestellte Sachverhalt ist folgender rechtlicher Würdigung zu unterziehen:
Gemäß § 276 Abs. 1 BAO kann die Abgabenbehörde erster Instanz eine Berufung nach Durchführung der etwa noch erforderlichen Ermittlungen durch Berufungsvorentscheidung erledigen und hierbei den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abändern, aufheben oder die Berufung als unbegründet abweisen.
Gegen einen solchen Bescheid, der wie eine Entscheidung über die Berufung wirkt, kann gemäß § 276 Abs. 2 BAO innerhalb eines Monats der Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz gestellt werden (Vorlageantrag). Zur Einbringung eines solchen Antrages ist der Berufungswerber und ferner jeder befugt, dem gegenüber die Berufungsvorentscheidung wirkt.
Entsprechend den zitierten gesetzlichen Bestimmungen darf eine Berufungsvorentscheidung nur dann ergehen, wenn ein Bescheid mit Berufung angefochten wird. Eine Berufungsvorentscheidung, die nicht im Rahmen eines Rechtsmittelverfahrens erlassen wird, ist zwar rechtswirksam aber rechtswidrig.
Im gegenständlichen Fall wurde gegen die Bescheide betreffend einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO für die Jahre 1998 bis 2000 kein Rechtsmittel eingebracht. Die Bescheide sind daher in Rechtskraft erwachsen. Dementsprechend hätte auch keine Berufungsvorentscheidung ergehen dürfen.
Dem nunmehr innerhalb der Berufungsfrist eingebrachten Vorlageantrag kann daher nur die Bedeutung einer Berufung gegen die vom Finanzamt als Berufungsvorentscheidung bezeichneten Bescheide vom beigemessen werden, da die Vorlage einer gar nicht eingebrachten Berufung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz schon rein begrifflich nicht möglich ist.
Da - wie bereits dargelegt - mangels eingebrachter Berufung die als Berufungsvorentscheidung bezeichneten Bescheide nicht zu erlassen gewesen wären, sind diese gemäß § 289 Abs. 2 BAO ersatzlos aufzuheben.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Ergänzend wird dazu festgehalten, dass die Bescheide betreffend einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO für die Jahre 1998 bis 2000 vom im Hinblick darauf, dass gegen diese keine Berufung eingebracht wurde, bereits in Rechtskraft erwachsen sind.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | § 276 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 276 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Schlagworte | Berufung Berufungsvorentscheidung Vorlageantrag |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at