OGH vom 28.07.1998, 1Ob13/98p
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr.Schlosser als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr.Schiemer, Dr.Gerstenecker, Dr.Rohrer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Martin B*****, vertreten durch Dr.Rainer Kinz, Rechtsanwalt in Bregenz als Verfahrenshelfer, wider die beklagten Parteien 1.) Christian I*****, und 2.) Richard F*****, beide vertreten durch Dr.Heinz Klocker, Rechtsanwalt in Dornbirn, wegen Unterlassung (Streitwert 500.000 S), infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom , GZ 4 R 226/97k-116, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1. Strittig ist, ob dem Kläger an näher bezeichneten Seeflächen des Bodensees die Dienstbarkeit des ausschließlichen Fischereirechts zusteht und er deshalb die beiden beklagten deutschen Fischer durch Unterlassungsklage an der Fischerei auf diesen Seeflächen hindern kann. Zu einem vergleichbaren Rechtsfall hat der erkennende Senat mit Teilurteil und Aufhebungsbeschluß von , AZ 1 Ob 26/91 = SZ 64/137 Stellung genommen.
Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren ab. Die außerordentliche Revision des Klägers ist mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.
Das Fischereirecht kann Ausfluß des Eigentumsrechts an einem gutseigenen (künstlichen) Gewässer oder ein selbständiges dingliches Recht an einem fremden Gewässer sein; ist es in letzterem Fall mit dem Eigentum an einer Liegenschaft verbunden, so ist es eine Grunddienstbarkeit iS des § 473 und des § 477 Z 5 ABGB, tritt es vom Eigentum an einer Liegenschaft abgesondert in Erscheinung, hingegen eine unregelmäßige, persönliche, aber veräußerliche und unbeschränkt vererbliche Dienstbarkeit iSd § 479 ABGB (1 Ob 2003/96g mwN), somit ein selbständiges dingliches Recht (stRspr: SZ 68/41 mwN ua, zuletzt 1 Ob 102/97z). Im vorliegenden Fall ist das Fischereirecht des Klägers an zwei als öffentliches Gut verbücherten Seeliegenschaften verbüchert. Dem Fischereiberechtigten steht wie jedem anderen Dienstbarkeitsberechtigten neben dem possessorischen Rechtsschutz auch die Servitutenklage nach § 523 ABGB offen. Das Klagebegehren der Servitutenklage kann daher auch gegen dritte Störer erhoben werden und geht, je nach den Verhältnissen des Falles, ua auf Unterlassung künftiger Störungen gegen jeden Störer (1 Ob 2003/96g mwN). Beweispflichtig für den genauen räumlichen Umfang der gestörten Servitut (hier des Fischereirechts) ist nach der Beweislastregel des § 523 ABGB der Kläger; entsprechende Beweisdefizite müssen daher zu seinen Lasten gehen.
2. Zur Begründung des Klägers für den von ihm behaupteten räumlichen Umfang des Fischereirechts mit dem "Kaufs-Contract" vom 22.April 1825 ist auszuführen: Im "Kaufs-Contract" war vereinbart, daß die "verkaufte Gerechtsame so, wie sie das allerhöchste Aerar dermahl besitzt und genießt, dem Käufer abgetretten wird"; die seewärtige Grenze, bis zu der das Fischereirecht dem Rechtsvorgänger des Klägers abgetreten wurde, ist aber dort weder näher bezeichnet noch ist sie sonst feststellbar. Die damalige hoheitsrechtliche Grenze des Kaisertums Österreich - unter der im Rechtsmittel mangels Hinweises auf einen abweichenden Willen der Vertragspartner gar nicht in Zweifel gezogenen Annahme, daß die damalige Staatsgrenze mit der seewärtigen Grenze des abgetretenen Fischereirechts übereinstimmt - ist nach den den Obersten Gerichtshof bindenden Feststellungen der Tatsacheninstanzen, die weitgehend auf dem umfangreichen Gutachten des Rechtshistorikers Univ.Prof. Dr.Gerhard Köbler basieren, nicht feststellbar, weil dazu vor allem unterschiedliche und auch wechselnde Rechtsstandpunkte der Uferstaaten vorlagen und vorliegen. Nach Völkerrecht sind Seen zwischen den Uferstaaten meist real geteilt, obwohl insbesondere vom Standpunkt des Umweltschutzes aus jeder See eine Einheit bildet. Insoweit wird die Ansicht, der Bodensee sei Gemeingut (Condominium) der Uferstaaten, von Umweltschutzüberlegungen unterstützt. Vielfach und namentlich von der Schweiz wird aber heute die Ansicht vertreten, der Bodensee sei real zwischen den Uferstaaten geteilt. Österreich hat die vermittelnde Halden-Theorie ins Spiel gebracht, die den flacheren Teil vor dem Ufer jedes Staats (Halde) analog zum Festlandsockel im Meer dessen Hoheit unterstellt und nur die tieferen Seeteile als Gemeingut auffaßt (vgl Neuhold/Hummer/Schreuer, Österreichisches Handbuch des Völkerechts, I Rz 729 f). Daß das k.k. Ärar auf dem "Hohen See" - somit außerhalb der Halde - von den anderen Uferstaaten anerkannte, ausschließliche Fischereirechte besessen hätte oder später eine räumliche Ausdehnung des Fischereirechts erfolgt und somit ein entsprechender Rechtsgewinn eingetreten wäre, steht gleichfalls nicht fest. Dem "Kaufs-Contract" nachfolgende, bloß einseitige öffentlich-rechtliche Akte (etwa 1856 die Katastrierung, also die Anlegung des Steuerkatasters [in dem auch jene Liegenschaften eingetragen wurden, auf die sich die nun vom Kläger beanspruchten Rechte beziehen], und die Grundbuchsanlegung 1906) geschahen nach den Feststellungen nicht im Einvernehmen mit den anderen Uferstaaten des Bodensees und konnten für sich daher völkerrechtlich die Staatsgrenzen im See - und ebenso auch privatrechtlich die Flächen, auf die sich das veräußerte Fischereirecht erstreckte - nicht wirksam bestimmen oder ändern. Die nun strittige "Außengrenze" im See wurde bei der Grundbuchsanlegung 1890 und in der Folge ohne weitere Prüfung ihrer Richtigkeit in andere amtliche österreichische Spezialkarten als Staatsgrenze übernommen. Dem Staatsvertrag von St.Germain-en-Laye vom , der soweit es nur die Grenzziehung zwischen der Republik Deutsch-Österreich, dem Deutschen Reich und der Schweiz ging, bloß auf die bestehende Rechtslage, demnach auf den status quo dieser internationalen Grenzen vom verwies, kann also insoweit nicht konstitutive, sondern nur deklarative Bedeutung zu, sollten in diesem Bereich - anders als an sonstigen Grenzen keine Neuregelungen eintreten.
3. Soweit sich der Kläger zur Begründung seines Fischereirechts im behaupteten Umfang auf Ersitzung beruft, ist festzuhalten, daß die Ersitzungszeit gemäß § 1472 ABGB jedenfalls 40 Jahre beträgt und vor dem , somit am 1.November 1894 hätte beginnen müssen, weil die Ersitzung von dinglichen Rechten an öffentlichem Wassergut zufolge § 4 Abs 5 des mit in Kraft getretenen WRG (idgF) danach ausgeschlossen war und somit nur die vor dem durch Ersitzung bereits erworbenen Rechte daran Bestand hätten.
4. Gegen die von der zweiten Instanz dargestellte kollisionsrechtliche Rechtslage (Ersitzung außerhalb österreichischen Hoheitsgebiets nach deutschem Recht bzw bayerischem Landesrecht) wird im Rechtsmittel ebensowenig ins Treffen geführt wie dagegen, daß das Erstgericht keine Akte der fischereiberechigten Rechtsvorgänger des Klägers festgestellt habe, die zur Ersitzung eines ausschließlichen Fischereirechts auch im Bereich des "Hohen Sees" hätte führen können. Auch dazu wären jedenfalls Feststellungen über die seewärtige Grenze des Fischereirechts (Staatsgrenze) erforderlich gewesen. Daß Beweisdefizite auch insoweit zu Lasten des beweispflichtigen Klägers gehen, wird im Rechtsmittel nicht in Frage gestellt.
5. Das Berufungsgericht hat nach teilweiser Beweiswiederholung den Inhalt des Urteils des Bezirksgerichts Bregenz vom 20.Juli 1876 festgestellt: Danach wurde der dortige Beklagte dazu verurteilt, anzuerkennen, daß dem Rechtsvorgänger des Klägers das Recht zustehe, wie es im "Kaufs-Contract" umschrieben ist. Aus diesem Urteil ergibt sich aber schon nicht, wo der Eingriff des dortigen Beklagten erfolgte; dieser konnte auch im Ufer- und Haldenbereich geschehen sein. Dem Urteil konnte auch keine Bindungswirkung für den hier abgeführten Rechtsstreit zugebilligt werden. Abgesehen davon, daß eine bloße Berühmung des dortigen Beklagten, wie das Berufungsgericht meint, wenig wahrscheinlich ist, weil im Urteil ausdrücklich auf das Betreiben der Fischerei mit Schwebeschnüren hingewiesen wird, ist es daher unangreifbare Beweiswürdigung der zweiten Instanz, soweit diese aufgrund aller Beweisergebnisse zur negativen Feststellung kam, es könne nicht festgestellt werden, daß das Fischereirecht spätestens seit 1876 von den Rechtsvorgängern des Klägers mit Ausschließlichkeitsanspruch betrieben worden und die Ersitzung des ausschließlichen Fischereirechts somit spätestens 1916 vollendet gewesen sei.
Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluß nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).