Umsatzsteuerjahresbescheid und vom Leistungsempfänger einbehaltene Umsatzsteuer (§ 27 Abs. 4 UStG): Alle Umsätze sind erklärungspflichtig
Rechtssätze
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Stammrechtssätze | |
RV/0335-G/05-RS1 | Das Aufstellen, Abbauen und Überlassen von Messeständen während einer inländischen Messe ist eine Leistung im Sinne des § 3a Abs. 8 lit a UStG 1994, die umsatzsteuerbar ist. |
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw, vertreten durch A-B-T Treuhand Mag. Grubhofer & Partner Wirtschaftsprüfung und Steuerberatung GmbH, 5020 Salzburg, Mauracherstr. 9, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Graz-Stadt, vertreten durch Dr. Erwin Ganglbauer, vom betreffend Umsatzsteuer 2001 entschieden:
Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.
Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.
Entscheidungsgründe
Die Bw ist eine in Deutschland ansässige Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit dem Betriebsgegenstand "Messebau". Im Jahr 2001 hat die Bw für andere ausländische Unternehmer, nämlich die M-GmbH sowie die Firmen A und M, Messestände zur Verfügung gestellt. Die Arbeiten umfassten den Transport der Bauteile von Deutschland nach Österreich und zurück sowie den Aufbau und Abbau des Standes (laut Schreiben vom ).
Strittig ist, ob jene Umsätze, für die Umsatzsteuer von der M-GmbH gemäß § 27 Abs. 4 UStG einzubehalten war (und von der die Bw annimmt, dass sie an das Finanzamt abgeführt wurde), bei der Festsetzung der Umsatzsteuer im Jahresbescheid zu erfassen sind und ob die Abgabennachforderung um diese Umsatzsteuer zu kürzen ist.
Für den Voranmeldungszeitraum März 2001 meldete die M-GmbH im Namen der Bw beim Finanzamt Umsatzsteuer im Betrag von 42.410 S an. Dieser Betrag wurde am am Abgabenkonto der Bw als Lastschrift verbucht.
Mit Faxschreiben vom teilte die Bw durch Ihren in Deutschland ansässigen steuerlichen Vertreter mit, dass die Bw keine Voranmeldung eingereicht habe, weshalb auch keine Umsatzsteuerschuld bestehe (ebenso im "Einspruch" vom ).
Mit Schreiben vom erbrachte die Bw gegenüber dem Finanzamt einen Nachweis über ihre Eintragung als Steuerpflichtiger (Unternehmer) bei einem deutschen Finanzamt und legte eine Kopie des Gesellschaftsvertrages vor.
Kurz danach brachte die Bw durch ihren deutschen steuerlichen Vertreter eine Umsatzsteuererklärung für 2000 beim Finanzamt ein und meldete gleichzeitig für das erste Kalendervierteljahr 2001 Umsatzsteuer im Betrag von 4.687,68 € an. Für das zweite Kalendervierteljahr erstattete sie eine "Leermeldung".
Das Finanzamt verbuchte darauf hin am eine Gutschrift im Betrag von -42.410 S am Abgabenkonto der Bw. Die vorangemeldete Umsatzsteuer im Betrag von 4.687,68 € blieb hingegen unverbucht.
Im März 2003 brachte die Bw die Umsatzsteuererklärung für 2001 beim Finanzamt ein. Darin weist sie - wie zuvor in der Voranmeldung für das erste Kalendervierteljahr - Umsatzsteuer im Betrag von 4.684,68 € aus.
Mit dem hier angefochtenen Bescheid vom setzte das Finanzamt die Umsatzsteuer erklärungsgemäß und eine Abgabennachforderung im Betrag von 4.684,71 € fest. Dieser Betrag wurde am Abgabenkonto der Bw als Zahllast verbucht.
Dagegen wendete sich die Bw durch ihren deutschen steuerlichen Vertreter mit "Einspruch" vom und begründet dies im Wesentlichen damit, dass der Leistungsempfänger gemäß § 27 Abs. 4 UStG für die Umsatzsteuer hafte. Die Umsatzsteuer sei bereits im Zuge der Umsatzsteuervoranmeldungen gemeldet und entrichtet worden. Es werde die Änderung des Umsatzsteuerbescheids auf "Steuerschuld 0" beantragt.
Das Finanzamt wies die Berufung mit Bescheid vom unter Hinweis auf § 273 Abs. 1 BAO als unzulässig zurück (aufgehoben durch Berufungsentscheidung vom , RV/0285-G/05).
Mit Ergänzungsschreiben vom vertritt die Bw die Rechtsansicht, die Festsetzung der Umsatzsteuer hänge davon ab, ob die Leistungsempfänger die Umsatzsteuer an das Finanzamt abgeführt hätten. Da sich die Firmen A und M weigerten, die Umsatzsteuer "an die Bw zu bezahlen", werde sie "diese beiden Umsatzsteuerbeträge" an das Finanzamt überweisen. Die M-GmbH habe ihr jedoch mitgeteilt, dass sie eine Umsatzsteuervoranmeldung für den März 2001 (Umsatzsteuer 3.082,05 €) beim Finanzamt eingereicht und einen Antrag auf Umbuchung dieses Betrages auf das Abgabenkonto der Bw gestellt habe.
Gleichzeitig mit dem genannten Schreiben legte die Bw eine berichtigte Umsatzsteuererklärung für 2001 vor, in der sie die Umsatzsteuer gekürzt um die von der M-GmbH einzubehaltenden Umsatzsteuer erklärte.
Am 21. und folgten weitere Schreiben (per Fax) an das Finanzamt, in denen die Bw durch ihren steuerlichen Vertreter weitere Ausführungen zur Umsatzsteuer im Zusammenhang mit der M-GmbH tätigte.
Im ergänzenden Schreiben ihres steuerlichen Vertreters vom bringt die Bw nochmals zur Begründung der Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides vor, die M-GmbH habe die Umsatzsteuer für März 2001 bezahlt und es sei nicht im Sinn des Gesetzes, würde die Bw die Umsatzsteuer für denselben Umsatz nochmals bezahlen.
Über die Berufung wurde erwogen:
Voraussetzung für die Festsetzung von Umsatzsteuer ist (abgesehen vom Fall der Umsatzsteuer kraft Rechnungslegung), dass der Unternehmer überhaupt eine in Österreich umsatzsteuerbare und umsatzsteuerpflichtige Leistung erbracht hat.
Nach dem (unbestrittenen) Vorbringen der Bw umfasste ihre Arbeiten den Transport der Bauteile von Messeständen von Deutschland nach Österreich und zurück sowie deren Aufbau und Abbau. Die Leistung der Bw liegt also wirtschaftlich betrachtet in der Überlassung von Messeständen zur Nutzung an den Leistungsempfänger.
§ 3a UStG 1994 lautet:
(8) Die folgenden sonstigen Leistungen werden dort ausgeführt, wo der Unternehmer ausschließlich oder zum wesentlichen Teil tätig wird: a) künstlerische, wissenschaftliche, unterrichtende, sportliche, unterhaltende oder ähnliche Leistungen einschließlich der Leistungen der jeweiligen Veranstalter,
Zum Ort der Dienstleistung sieht Art. 9 der 6. MwSt-Rl vor:
(2) Es gilt jedoch c) als Ort der folgenden Dienstleistungen der Ort, an dem diese Dienstleistungen tatsächlich erbracht werden: - Tätigkeiten auf dem Gebiet der Kultur, der Künste, des Sports, der Wissenschaften, des Unterrichts, der Unterhaltung oder ähnliche Tätigkeiten, einschließlich derjenigen der Veranstalter solcher Tätigkeiten sowie gegebenenfalls der damit zusammenhängenden Tätigkeiten,
Der unabhängige Finanzsenat hat mit Berufungsentscheidung vom , RV/0407-G/02, die Organisation von Händlertreffen und mit Berufungsentscheidung vom , RV/0361-G/04, die Organisation von Kongressen als Leistungen im Sinne des § 3a Abs. 8 lit. a UStG 1994 beurteilt. Händlertreffen und Kongresse gelten danach als "ähnliche Leistungen" im Sinne dieser Bestimmung. Messen sind umsatzsteuerlich Kongressen und Händlertreffen gleichzuhalten.
Als Leistungen im Sinne des § 3a Abs. 8 lit. a UStG 1994 gelten auch die Leistungen der jeweiligen Veranstalter und - wie Art 9 der 6. MwSt-Rl vorgibt - auch die damit zusammenhängenden Tätigkeiten, soweit es solche im Einzelfall gibt (arg. "gegebenenfalls").
Die Überlassung von Messeständen zur Nutzung (samt Aufbau und Abbau sowie An- und Abtransport der Bauteile) ist eine solche mit der Messe "zusammenhängende Tätigkeit".
Diese Leistung wird gemäß § 3a Abs. 8 dort ausgeführt, wo der Unternehmer ausschließlich oder zum wesentlichen Teil tätig wird, das ist der Ort der Nutzungsüberlassung, im Berufungsfall somit Österreich. Die Leistung der Bw ist deshalb in Österreich umsatzsteuerbar.
Gemäß § 1 Abs. 1 der Verordnung über die umsatzsteuerliche Behandlung von Leistungen ausländischer Unternehmer, BGBl. Nr. 800/1974, sind ua. sonstige Leistungen durch einen Unternehmer, der im Inland weder einen Wohnsitz (Sitz) noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt oder eine Betriebsstätte hat, von der Umsatzsteuer befreit, wenn ua. über die sonstigen Leistungen keine Rechnungen ausgestellt wurden, in denen die Umsatzsteuer gesondert ausgewiesen wird und die sonstigen Leistungen an einen Unternehmer für dessen Unternehmen bewirkt wurden und nicht im Zusammenhang mit steuerfreien Umsätzen des Leistungsempfängers (ausgenommen echte befreite) stehen.
Die Bw hat es trotz Aufforderungen durch das Finanzamt und durch den unabhängigen Finanzsenat im gesamten abgabenbehördlichen Verfahren unterlassen, die Rechnungen über die von ihr in Österreich erbrachten Leistungen vorzulegen. Dem Ersuchen um diesbezügliche Fristverlängerung war im Hinblick auf das wiederholte Unterbleiben der Vorlage (einiger weniger) Rechnungskopien keine Folge zu geben.
Aus dem Akteninhalt und dem Berufungsvorbringen (Abfuhr von Umsatzsteuer durch den Leistungsempfänger) ist zu schließen, dass die Bw über ihre Leistungen Rechnungen ausgestellt hat, in denen sie die Umsatzsteuer gesondert ausgewiesen hat, weshalb keine Umsatzsteuerbefreiung nach der genannten Verordnung besteht.
§ 27 Abs. 4 UStG 1994 lautet:
Erbringt ein Unternehmer, der im Inland weder einen Wohnsitz (Sitz) noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt oder eine Betriebsstätte hat, im Inland eine steuerpflichtige Leistung, hat der Leistungsempfänger, wenn er eine Körperschaft des öffentlichen Rechts ist oder ein Unternehmer, für dessen Unternehmen die Leistung ausgeführt wird, die auf diese Leistung entfallende Umsatzsteuer einzubehalten und im Namen und für Rechnung des leistenden Unternehmers an das für diesen zuständige Finanzamt abzuführen. ... .
Wie der unabhängige Finanzsenat bereits mit Berufungsentscheidung vom , RV/0585-G/02, entschieden hat, werden die Pflichten des ausländischen Unternehmers (hier: der Bw), die sich aus dem UStG ergeben, durch eine Haftungsbestimmung für den Leistungsempfänger grundsätzlich nicht berührt (Kolacny/Mayer, UStG (1997)², § 27 Anm 10 [vgl ]). Der ausländische Unternehmer bleibt Steuerschuldner (nicht: "Haftender") in den Fällen des § 27 Abs. 4 UStG (vgl K-S-W, § 25 Anm. 26; Haunold, Mehrwertsteuer bei sonstigen Leistungen, Linde 1997, S. 299, Fn 78). Die Verpflichtung des Leistungsempfängers zur Einbehaltung und Abführung der USt im Namen und für Rechnung des leistenden Unternehmers lässt die Steuerschuld des ausländischen Unternehmers für die (seine) im Inland ausgeführten Lieferungen und sonstigen Leistungen unberührt. Die Einbehaltungs- und Abfuhrpflicht des Leistungsempfängers gemäß § 27 Abs. 4 UStG 1994 dient vielmehr - kumulativ - der Sicherung des Steueraufkommens durch Etablierung einer verschuldensunabhängigen Haftung (cf. Arnold, Schuld und Haftung im Steuerrecht, Orac 2000, Rz 12, Schriften zum österreichischen Abgabenrecht, Bd 41). Die eigene - daher keine Haftung, letztere in der Regel für fremde Schuld, Ritz, BAO², § 7 Tz 1 - Steuerschuld des ausländischen Unternehmers erlischt grundsätzlich erst mit der Zahlung durch den Steuerschuldner (hier: den ausländischen Unternehmer = die Bw) oder den Haftungspflichtigen (Abfuhrpflichtigen nach § 27 Abs. 4 UStG).
Hat der Leistungsempfänger die Umsatzsteuer einzubehalten und im Namen und für Rechnung des leistenden Unternehmers an das für diesen zuständige Finanzamt abzuführen, so sind für die Berechnung der Jahresumsatzsteuerschuld des leistenden Unternehmers auch jene Umsätze zu erklären, bei denen die Umsatzsteuer gemäß § 27 Abs. 4 UStG vom Leistungsempfänger einzubehalten und an das Finanzamt (auf das Abgabenkonto des leistenden Unternehmers) abzuführen waren. Dabei ist es nicht von Bedeutung, ob einbehaltene Umsatzsteuer vom Leistungsempfänger tatsächlich an das Finanzamt abgeführt wurde (M-GmbH) oder nicht (Firmen A und M). Insofern entspricht die zusammen mit dem Schreiben vom einbrachte berichtigte Umsatzsteuererklärung, die die Umsätze der Bw an die M-GmbH außer Acht lässt, somit nicht dem Gesetz.
Die Abgabennachforderung errechnet sich allein aus dem Saldo der Jahresumsatzsteuerschuld und der Summe der vorangemeldeten (bzw. anstelle einer Voranmeldung für den Voranmeldungszeitraum vorausgezahlten) Umsatzsteuer. Die Entrichtung von Umsatzsteuer (also der bloße Zahlungsvorgang) hat keine Auswirkungen auf die Berechnung der Abgabennachforderung laut Umsatzsteuerjahresbescheid. Auch bei der Festsetzung der Abgabennachforderung ist es nicht von Bedeutung, ob die ob einbehaltene Umsatzsteuer vom Leistungsempfänger tatsächlich an das Finanzamt abgeführt wurde.
Die Festsetzung der Abgabennachforderung im Betrag von 4.971,55 € im Umsatzsteuerbescheid 2001 ist auch sonst nicht zu beanstanden. Die im September 2001 eingereichte Umsatzsteuervoranmeldung für das erste Kalendervierteljahr 2001 (vorangemeldete Zahllast: 4.971,55 €) wurde vom Finanzamt am Abgabenkonto (als Lastschrift) nicht verbucht. Deshalb war die strittige Abgabennachforderung von 4.971,55 € mit dem (erklärungsgemäß erlassenen) Umsatzsteuersteuerbescheid festzusetzen. Diese Abgabennachforderung wurde als Lastschrift am Abgabenkonto verbucht. Die Verbuchung der Lastschrift im Betrag von 4.971,55 € am Abgabenkonto ist somit nur zeitlich verspätet erfolgt.
Die Berufung war daher als unbegründet abzuweisen.
Graz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | § 20 Abs. 1 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 § 1 Abs. 1 Leistungen ausländischer Unternehmer (Umsatzsteuer), BGBl. Nr. 800/1974 § 27 Abs. 4 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 § 3a Abs. 8 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 |
Schlagworte | Umsatzsteuerjahresbescheid Jahresbescheid Einbehaltung Abfuhr Umsatzsteuer |
Zitiert/besprochen in |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at