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Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSW vom 19.06.2007, RV/1053-W/07

Erhöhte Familienbeihilfe - ist die dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, vor Vollendung des 21. Lebensjahres eingetreten?

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des K. G., P, gegen den Bescheid des Finanzamtes Bruck Eisenstadt Oberwart betreffend erhöhte Familienbeihilfe ab entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Entscheidungsgründe

Der Berufungswerber (Bw.), geb. 1968, beantragte die (erhöhte) Familienbeihilfe rückwirkend ab .

Über Ersuchen des Finanzamtes wurde der Bw. am im Bundessozialamt untersucht und folgendes fachärztliche Sachverständigengutachten erstellt:

Fach/Ärztliches Sachverständigengutachten

Untersuchung am: 2006-06-23 12:22 im Bundessozialamt Burgenland

Anamnese:

Name des AW lt.: G.K.; psychotische Episode mit erstem stat. Aufenthalt

1/1991, mehrere stat. Aufenthalte, zuletzt 1999; Z.n. jahrelangem Drogenabusus (Marihuana, LSD); Hauptschulabschluss, anschl. frustrane Arbeitsversuche

Behandlung/Therapie (Medikamente, Therapien - Frequenz):

Quilonorm, Risperdal, Effectin

Untersuchungsbefund: unauff. Status

Status psychicus / Entwicklungsstand: orientiert, dzt. betreutes Wohnen, psychisch stabil, benötigt Begleitung bei Behördenwegen, etc., geringe Belastbarkeit, befristete Invaliditätsrente, geringe Affektlabilität; durchschnittliche Begabung

Relevante vorgelegte Befunde:

1991-01-17 LKH GUGGING/ PSYCHIATRIE UND NEUROLOGIE/ PRIM. LORENZ

psychotische Episode

1999-04-22 LANDESNERVENKLINIK GUGGING

ängstlich depressives ZB bei bekannter schizoaffektiver Psychose

Diagnose(n):

schizoaffektive Psychose

Richtsatzposition: 585 Gdb: 050% ICD: F20.9

Rahmensatzbegründung:

MRS, da chron. psychische Beeinträchtigung

Gesamtgrad der Behinderung: 50 vH voraussichtlich mehr als 3 Jahre anhaltend.

Eine Nachuntersuchung ist nicht erforderlich - Dauerzustand.

Die rückwirkende Anerkennung der Einschätzung des Grades d. Behinderung ist ab 1991-01-01 aufgrund der vorgelegten relevanten Befunde möglich.

Der(Die) Untersuchte ist voraussichtlich dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.

erstellt am 2006-06-23 von B

Facharzt für Neurologie und Psychiatrie

zugestimmt am 2006-07-03

Leitender Arzt: E

Das Finanzamt erließ am einen Bescheid und wies den Antrag auf Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe ab April 2001 unter Anführung der gesetzlichen Bestimmungen und unter Verweis auf das ärztliche Sachverständigengutachten vom mit der Begründung ab, dass der Bw. zu dem Zeitpunkt, zu welchem das Bundessozialamt die rückwirkende Anerkennung der Einschätzung des Grades der Behinderung und die dauernde Erwerbsunfähigkeit vornahm (), dieser bereits das 21. Lebensjahr vollendet hatte und sich nicht mehr in Berufsausbildung befand.

Der Bw. erhob gegen den Abweisungsbescheid fristgerecht Berufung. Der Berufung beigelegt war ein Schreiben einer Einrichtung für psychisch kranke Menschen, demzufolge der Bw. nachweislich seit an einer psychischen Krankheit leide. Damals sei er im 23. Lebensjahr gewesen, daher habe er seine Berufsausbildung aufgrund der Erkrankung, an der er heute noch leide, nicht abschließen können.

Das Finanzamt legte die Berufung ohne Erlassung einer Berufungsvorentscheidung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz vor.

Über die Berufung wurde erwogen:

1. Rechtsgrundlagen

Gemäß § 2 Abs 1 lit. c FLAG haben Personen Anspruch auf Familienbeihilfe, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, für volljährige Kinder, die wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 27. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.

Eine gleichlautende Regelung enthält § 6 Abs. 2 lit. d FLAG für volljährige Vollwaisen; diese gilt gem. § 6 Abs. 5 FLAG unter bestimmten weiteren Voraussetzungen auch für Kinder, deren Eltern ihnen nicht überwiegend Unterhalt leisten.

Gemäß § 8 Abs 4 FLAG erhöht sich die Familienbeihilfe für jedes erheblich behinderte Kind.

Als erheblich behindert gilt ein Kind gemäß § 8 Abs 5 FLAG, bei dem eine nicht nur vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von voraussichtlich mehr als drei Jahren.

Der Grad der Behinderung muss mindestens 50 v.H. betragen, soweit es sich nicht um ein Kind handelt, das voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Für die Einschätzung des Grades der Behinderung sind die Vorschriften der §§ 7 und 9 Abs 1 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957, BGBl.Nr. 152 in der jeweils geltenden Fassung und die diesbezügliche Verordnung des Bundesministeriums für soziale Verwaltung vom , BGBl.Nr. 150 in der jeweils geltenden Fassung, anzuwenden. Die erhebliche Behinderung ist spätestens nach fünf Jahren neu festzustellen, soweit nicht Art und Umfang eine Änderung ausschließen.

Gemäß § 8 Abs. 6 FLAG idF BGBl I Nr. 105/2002 ist der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, durch eine Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen.

2. Folgender Sachverhalt steht fest:

  • Der Bw. leidet an schizoaffektiver Psychose.

  • Relevante vorgelegte Befunde: LKH Gugging vom und Landesnervenklinik Gugging vom

  • Der Bw. hat keine abgeschlossene Lehre.

  • Er war vom bis als Arbeiterlehrling, vom bis als Angestelltenlehrling, vom bis und vom bis als Arbeiter beschäftigt.

  • Insgesamt arbeitete der Bw. bis zum 21. Lebensjahr ca. 20 Monate.

  • Nach dem 21. Lebensjahr arbeitete er ca. 2 Jahre ( bis und bis , bis , bis , bis ) und bezog in den Zeiten dazwischen Arbeitslosengeld, Krankengeld und Notstandshilfe.

  • Vom bis bezog er erstmals eine Pension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit.

  • Er bezieht derzeit eine bis befristete Invaliditätspension nach § 256 ASVG.

3. Rechtliche Würdigung

Das Finanzamt hat im Berufungsverfahren aufgrund der gesetzlichen Verpflichtung nach § 8 Abs. 6 FLAG (sh. hierzu ) im Wege des Bundessozialamtes ein ärztliches Gutachten erstellen lassen.

In diesem oben wiedergegebenen Gutachten wird eine rückwirkende Einschätzung des Grades der Behinderung des Bw. bzw. der dauernden Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, auf Grund der relevanten vorgelegten Befunde erst mit vorgenommen. Zu diesem Zeitpunkt war der Bw. bereits im 23. Lebensjahr und nicht mehr in Berufsausbildung. Wenn das Gutachten den Beginn der dauernden Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, mit dem ersten stationären Aufenthalt ansetzt, ist es - auch unter Beachtung des Umstandes, dass durch den jahrelangen Drogenabusus wohl eine Verschlechterung des Zustandes eingetreten ist - als schlüssig anzusehen. Schon aus diesem Grund ist die Berufung abzuweisen. Hierzu kommt noch folgender Umstand:

Der Verwaltungsgerichtshof hat in zahlreichen Erkenntnissen zum Ausdruck gebracht, dass eine mehrjährige Berufstätigkeit der Annahme entgegensteht, das "Kind" sei infolge seiner Behinderung dauernd außerstande gewesen, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen (vgl. ; , 91/14/0197; , 90/13/0129 und , 82/13/0222).

Der VwGH hat in einem vergleichbaren Fall mit Erkenntnis vom , 96/14/0159, wie folgt entschieden:

"Die am geborene Beschwerdeführerin beantragte am durch ihren Sachwalter die Gewährung der (erhöhten) Familienbeihilfe.

Mit Bescheid vom wies das Finanzamt den Antrag im Wesentlichen mit der Begründung ab, dass die Beschwerdeführerin infolge ihrer seit 1989 erzielten eigenen Einkünfte in der Lage sei, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.

In der dagegen erhobenen Berufung führte der Sachwalter aus, die Beschwerdeführerin sei tatsächlich nicht in der Lage, sich den Lebensunterhalt zu verschaffen. Dies ergebe sich daraus, dass ihr Pflegegeld zuerkannt worden sei und sie nunmehr im Wohnheim des Österreichischen Hilfswerks für Taubblinde und hochgradig Hör- und Sehbehinderte (ÖHTB) in einer betreuten Wohngemeinschaft lebe und auf einem geschützten Arbeitsplatz beschäftigt sei. Eine allfällige Beschäftigung der Beschwerdeführerin in der Vergangenheit habe auf einem Entgegenkommen der Arbeitgeber beruht...

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Von streitentscheidender Bedeutung sei im Beschwerdefall, ob die Beschwerdeführerin bereits vor der Vollendung ihres 21. Lebensjahres zufolge ihres Leidens dauernd außerstande gewesen sei, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Nach der vorgelegten amtsärztlichen Bestätigung vom , in der ein Behinderungsgrad von 80 % festgestellt werde, liege bei der Beschwerdeführerin eine Geistesschwäche ab Geburt vor. In dem im Zuge des Berufungsverfahrens ergänzten amtsärztlichen Zeugnis werde zusätzlich bescheinigt, dass die Beschwerdeführerin voraussichtlich dauernd außerstande sei, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes steht eine mehrjährige berufliche Tätigkeit der Annahme entgegen, das Kind sei infolge seiner Behinderung dauernd außerstande gewesen, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 96/14/0088, und die dort angeführte Vorjudikatur).

Bereits von der Abgabenbehörde erster Instanz wurde der Antrag der Beschwerdeführerin mit der Begründung abgewiesen, sie habe sich seit 1989, somit nach Vollendung des 21. Lebensjahres, durch eigene Einkünfte selbst den Lebensunterhalt verschafft. Die Beschwerdeführerin ist, vertreten durch ihren Sachwalter, dieser Feststellung lediglich mit dem allgemeinen Hinweis entgegengetreten, eine "allfällige Beschäftigung in der Vergangenheit" habe auf einem außerordentlichen Entgegenkommen der Arbeitgeber beruht. Wie der Verwaltungsgerichtshof in dem Erkenntnis vom , 90/13/0129, ausgeführt hat, steht ein "Entgegenkommen der Arbeitgeber" nicht der Annahme entgegen, eine Person sei auf Grund ihrer Arbeitsleistungen in der Lage, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Dass die Beschwerdeführerin keine Arbeitsleistungen erbracht habe, sondern etwa aus caritativen Überlegungen oder zu therapeutischen Zwecken ohne Erwartung einer Gegenleistung wie eine Dienstnehmerin behandelt worden sei, behauptet selbst die Beschwerde nicht (vgl. dazu auch das hg. Erkenntnis vom , 95/14/0125)."

Laut Versicherungsdatenauszug war der Bw. bis zu seinem 21. Lebensjahr 20 Monate berufstätig. Nach dem 21. Lebensjahr war er mit Unterbrechungen ca. 2 Jahre beschäftigt. Auch dies sowie der Umstand, dass der Bw. eine Invaliditätspension nach § 256 ASVG bezieht, spricht gegen eine vor Vollendung des 21. Lebensjahres eingetretene dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
Schlagworte
mehrjährige Tätigkeit
Erwerbsunfähigkeit

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at