Rechtsirrtum stellt keinen Wiedereinsetzungsgrund gemäß § 308 BAO dar.
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RV/1981-W/04-RS1 | Bestehen bei einer - mangels entsprechender Judikatur und Literatur - noch nicht eindeutig geklärten Rechtsfrage Zweifel darüber, ob für ein bestimmtes Wirtschaftsgut die Investitionszuwachsprämie zusteht, so ist der steuerliche Vetreter des Bw. aufgrund der ihm auferlegten Sorgfaltspflicht gehalten, einen anspruchswahrenden Antrag zu stellen. Da der steuerliche Vertreter diesen anspruchswahrenden Antrag nicht stellte, unterlief ihm ein Versehen, das nicht minderen Grades ist. |
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der unabhängige
Finanzsenat hat durch die Vorsitzende Mag. Eva Woracsek und die weiteren
Mitglieder Mag. Andreas Stanek, Günter Denk und Stefanie Toifl im Beisein
der Schriftführerin Monika Holub über die Berufung der Bw., vertreten
durch WTH-GesmbH, gegen den Bescheid des Finanzamtes Amstetten Melk Scheibbs,
vertreten durch Amtspartei, betreffend Abweisung eines Antrages auf
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gem. § 308 BAO nach der am in 1030 Wien, Vordere Zollamtsstraße 7, durchgeführten
mündlichen Berufungsverhandlung entschieden:
Die Berufung
wird als unbegründet abgewiesen.
Der angefochtene Bescheid bleibt
unverändert.
Entscheidungsgründe:
Die Berufungswerberin (Bw.)
betreibt in Ö das Fremdenverkehrsgewerbe.
Am
reichte die Bw. die Umsatzsteuererklärung 2002, die Erklärung der
Einkünfte von Personengesellschaften (Gemeinschaften) 2002, die
Erklärung der Elektrizitätsabgabe 2002 beim Finanzamt ein und
beantragte mit gleichem Datum gemäß
§ 108c Abs. 3 EStG
und gemäß
§ 108f Abs. 4 EStG die Berücksichtigung der
Bildungs- und Lehrlingsentschädigungsprämie.
Mit Umsatzsteuerbescheid vom
und Gewinnfeststellungsbescheid 2002 vom
wurden die betreffenden Abgaben erklärungskonform
festgesetzt.
Mit Schreiben vom
beantragte der steuerliche Vertreter der Bw. die
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß
§ 308 BAO.
Diesem Antrag beigefügt wurde die "Beilage zur Feststellungserklärung
für 2002 zur Geltendmachung einer Investitionszuwachsprämie
gemäß
§ 108e EStG".
Den Wiedereinsetzungsantrag
begründend führt die Bw. aus: "...
zu unserem Bedauern ist WK -
ein Mitarbeiter des steuerlichen
Vertreters - dem Irrtum unterlegen, eine
Beschneiungsanlage [sei] kein prämienbegünstigtes Wirtschaftsgut, weil
es sich hierbei um ein unbewegliches Wirtschaftsgut handelt. Aufgrund dieses
Irrtums wurde auch kein Formular E 108e gemeinsam mit unseren
Steuererklärungen eingebracht.
Anlässlich
der Veranstaltung Arbeitstagung ÖGWT in
G am erfuhr
WK im Zuge der Beantwortung von
Zweifelsfragen, ..., dass es unter anderem auch für Beschneiungsanlagen die
Investitionszuwachsprämie gibt. Da
WK am von
seinem Irrtum in Kenntnis gesetzt worden ist und somit dieser Zeitpunkt als
´Aufhören des Hindernisses´ im Sinne der BAO zu werten ist,
endete die Frist zur Stellung des Wiedereinsetzungsantrages am
. Zwischen der irrtümlichen Fehlmeinung unseres
WK und der Versäumung der Frist
zur Einreichung der Erklärung der Investitionszuwachsprämie besteht
ein unmittelbarer Zusammenhang, da wir andernfalls bereits fristgerecht die
Erklärung E 108e einreichen hätten können
...
Wie
uns unser steuerlicher Vertreter versichert, ist
WK ein äußerst
tüchtiger und gewissenhafter, langjähriger Mitarbeiter, der unter der
gebotenen Überwachung seine Aufgaben zur vollsten Zufriedenheit erledigt
(Anm: Irren kann aber natürlich jeder einmal).
Ebenso
wie der steuerliche Vertreter durften wir auf die bisherigen einwandfreien
Leistungen unseres Sachbearbeiters vertrauen, weshalb uns an der Versäumnis
keinerlei Schuld trifft.
Anzumerken
ist weiters, dass aus der Tatsache, dass der gegenständliche Irrtum auch
zum Gegenstand einer Zweifelsfragenbeantwortung in einer Veranstaltung wie
G genommen wurde, ein allgemeiner
Klärungsbedarf an dieser Frage bestanden hat, weshalb in unserem Fall auch
lediglich von einer entschuldbaren Fehlleistung des
WK ausgegangen werden
muss.
Es
herrschte und herrscht nach wie vor eine allgemeine Rechtsunsicherheit mit der
Regelung des § 108e EStG wie aktuellen Artikeln in diverser
Steuerliteratur zu entnehmen ist."
Unter Hinweis auf
einschlägige Judikate des Verwaltungsgerichtshofes vom
, 92/12/0177; vom ,
1212/76 (v.S.) sowie des Obersten Gerichtshofes vom ,
8 Ob a 2045/96 beantrage die Bw. die Wiedereinsetzung in den vorigen
Stand.
Demnach sei der Fehler bzw. der
Irrtum eines Konzipienten eines Rechtsanwaltes im Verhältnis zur Partei ein
unvorhergesehenes Ereignis, welcher nach den konkreten Umständen des
Einzelfalles die Wiedereinsetzung als entschuldbare Fehlleistung
rechtfertige.
Gleichfalls sei das Versehen
eines Kanzleibediensteten für den Rechtsanwalt und somit für die von
ihm vertretene Partei ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis, wenn der
Rechtsanwalt der ihm zumutbaren und nach der Sachlage gebotenen
Überwachungspflicht nachkommt.
Überdies sei darauf zu
verweisen, dass ein Rechtsirrtum oder die Unkenntnis einer Rechtsvorschrift,
wenn dem Wiedereinsetzungswerber an der Unkenntnis des Gesetzes keine grobe
Fahrlässigkeit zur Last zu legen ist, als Wiedereinsetzungsgrund zu
beurteilen sei.
Mit Bescheid vom
wies das Finanzamt den Antrag auf Wiedereinsetzung in
den vorigen Stand gemäß
§ 308 BAO betreffend die Frist zur
Einreichung der Erklärung der Investitionszuwachsprämie 2002
ab.
Begründend wurde im
Wesentlichen ausgeführt, dass die Steuererklärungen zwar von WK
vorbereitet, aber von der Bw. unterfertigt werden würden.
Auch sei
völlig unbewiesen, zu welchem Zeitpunkt (vor dem )
die Bw. von der nunmehrigen Rechtsmeinung (z.B. durch Literatur, durch Auskunft
bei der Finanzbehörde, durch einen Vortrag, etc.) Kenntnis erlangt habe.
Der Beginn des Laufens der Wiedereinsetzungsfrist mit
sei durch das Vorbringen nicht glaubhaft gemacht worden. Durch den Antrag werde
jedenfalls nicht nachgewiesen, dass die Fristversäumung für die Bw.
erst am und nicht schon früher erkennbar
war.
Darüber hinaus werde auf
die ständige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen, wonach
Rechtsunkenntnis oder Rechtsirrtum keine tauglichen Wiedereinsetzungsgründe
darstellen (; vom
, 95/16/0311; vom ,
97/12/0003; vom , 96/17/0415).
In diesem Sinne stelle der
Irrtum des WK keinesfalls ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis dar,
weil es Sache des Betroffenen sei, über die Rechtslage rechtzeitig die
erforderlichen Erkundigungen einzuholen. Die zeitgerechte Erkundigung über
die Rechtslage (im Zuge der Erstellung der Steuererklärung 2002 beim
zuständigen Finanzamt) wäre dem steuerlichen Vertreter als auch der
Partei zumutbar gewesen.
Mit Schreiben vom
beantragt die Bw. die Berufung der
Abgabenbehörde II. Instanz (UFS) vorzulegen und eine mündliche
Verhandlung vor dem gesamten Senat anzuberaumen.
Ergänzend wird
ausgeführt, dass das Gesetz als Maßstab lediglich das Glaubhaftmachen
des unabwendbaren und unvorhergesehenen Ereignisses und nicht den Beweis
desselben verlange. Nach Ansicht der Bw. sei durch die detaillierte Darstellung
des relevanten Sachverhaltes - Erstellen der Erklärungen, Seminar in
G - dem gesetzlichen Erfordernis der Glaubhaftmachung der
Fristversäumung durch ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis
entsprochen worden.
"Allgemein
ist anzumerken, dass sämtliche angeführten Judikate
Einzelentscheidungen sind, dass es genauso unrichtig sein wird zu behaupten,
dass jede Rechtsunkenntnis und jeder Rechtsirrtum ein tauglicher
Wiedereinsetzungsgrund seien wie umgekehrt, oder jeder Fehler des Vertreters dem
Vertretenen zuzurechnen ist bzw. nicht."
Im gegenständlichen Fall
liege eine menschlich verständliche und nachvollziehbare Fehlleistung eines
langjährigen und zuverlässigen Mitarbeiters des steuerlichen
Vertreters der Bw. vor. Den steuerlichen Vertreter treffe kein
Überwachungsverschulden. Ebenso treffe die Bw. kein Verschulden, für
sie stelle der Fehler des Kanzleimitarbeiters des steuerlichen Vertreters ein
unabwendbares und unvorhergesehenes Ereignis dar.
In diesem Zusammenhang werde
auf das jüngst ergangene Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom
, 2001/16/0479, 0480 verwiesen. Wird demnach im
Wiedereinsetzungsantrag glaubhaft gemacht, dass an die bisher verlässliche
Kanzleibedienstete die ausdrückliche Weisung ergangen ist, behördliche
Schriftstücke zur Kontrolle der vorgenommenen Fristbestimmung
unverzüglich dem zuständigen Steuerberater vorzulegen, der
Parteienvertreter somit die ihm obliegende Aufsichts- und Kontrollpflicht
eingehalten hat, ist ihm und damit auch der Beschwerdeführerin das
Verschulden der Kanzleibediensteten nicht zuzurechnen.
Die Bw. beantrage der Berufung
stattzugeben.
In der am vor dem
Berufungssenat 18 abgehaltenen mündlichen Berufungsverhandlung brachten die
Parteien ergänzend vor:
Den Ausführungen des
steuerlichen Vertreters zufolge solle
der Fehler des WK im gegenständlichen Fall der Bw. zugerechnet werden,
obwohl dieser dem Arbeitgeber gegenüber passiert, aber von diesem nicht
entdeckt worden sei. Der Judikatur zufolge sei eine Wiedereinsetzung dann nicht
möglich, wenn der Wirtschaftstreuhänder seine Aufsichtspflicht
verletzt habe. Im Jahr 2002 hätten in der Kanzlei interne Schulungen
über die gesetzlichen Neuerungen, so auch u.a. bezüglich
Investitionszuwachsprämie stattgefunden und seien alle Mitarbeiter
angewiesen worden, die steuerlichen Begünstigungen zu beantragen. Bei der
Schulung sei der Gesetzestext wiedergegeben und festgehalten worden, dass u.a.
bei Gebäuden eine Investitionsprämie nicht zustehe. WK habe für
sich nun die falsche Verknüpfung angestellt und sei davon ausgegangen, dass
bei einer Beschneiungsanlage ein unbewegliches Wirtschaftsgut vorliege. Dieser
Gedankengang sei von ihm auch auf den mit der Berufung vorgelegten Unterlagen
entsprechend dokumentiert worden (ESt-Akt, Bl. 66/2002). In G habe WK sodann am
erstmal - im Rahmen der Behandlung von diversen
Zweifelsfragen - davon Kenntnis erlangt, dass auch für eine
Beschneiungsanlage die Geltendmachung einer Investitionszuwachsprämie
möglich wäre. Er habe daraufhin der Geschäftsführung sofort
mitgeteilt, im gegenständlichen Fall die Abgabe der Erklärung
verabsäumt zu haben.
Weiters wies der steuerliche
Vertreter auch daraufhin, dass zusätzlich zu den Schulungen in der Kanzlei
für jeden zu bearbeitenden Steuerakt eine "Check-Liste" angelegt werde.
Diese "Check-Liste" stelle für den Prokuristen bzw. den
Geschäftsführer der Kanzlei einen Kontrollbeleg dar, aus dem ersehen
werden könne, dass alle Punkte entsprechend den internen Schulungen
berücksichtigt bzw. abgearbeitet worden seien. Im gegenständlichen
Fall habe die "Check-Liste" versagt, weil WK beim Punkt
Investitionszuwachsprämie den auf die Berechung bezogenen Vermerk "Unter
Durchschnitt" angebracht habe. Festzuhalten sei auch, dass eine
Beschneiungsanlage aus mehreren Komponenten bestehe, wie einem Teich, einer
Kompressorstation, Schläuchen etc. Wäre WK damals fragen gegangen,
wäre dieser Fehler nicht passiert.
Der
Vertreter der Amtspartei hielt dem im
Wesentlichen entgegen, dass der Gesetzgeber in § 108e EStG eine Frist
vorgesehen habe. Werde diese versäumt, könne keine
Investitionszuwachsprämie in Anspruch genommen werden. Nur wenn bei
Fristversäumnis kein grobes Verschulden vorliege, könne innerhalb von
3 Monaten ab Kenntnis ein Antrag auf Wiedereinsetzung gestellt werden.
Diesbezüglich werde auf die Ausführungen in der Berufungsentscheidung
verwiesen.
Der
steuerliche Vertreter verwies auf die
bisherigen Ausführungen und hielt abschließend fest, dass der
Geschäftsleitung der Fehler ihres - bisher fehlerfrei und ordentlich
arbeitenden - Mitarbeiters nicht bekannt gewesen sei. Was die
Dreimonatsfrist betreffe, so reiche die Glaubhaftmachung aus.
Über
die Berufung wurde erwogen:
Als strittig stellt sich im
gegenständlichen Rechtsmittelverfahren die Frage dar, ob die Beurteilung
der Beschneiungsanlage als nicht investitionszuwachsprämienfähiges
Wirtschaftsgut durch einen langjährigen und äußerst
zuverlässigen Mitarbeiter des steuerlichen Vertreters der Bw., ein
unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis im Sinne des § 308 BAO
darstellt.
Nach § 308 Abs. 1 BAO ist
gegen die Versäumung einer Frist (§§ 108 bis 110 BAO) auf Antrag
einer Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft
macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis
verhindert war, die Frist einzuhalten. Dass der Partei ein Verschulden an der
Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung
nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens
handelt.
Ziel der Wiedereinsetzung in
den vorigen Stand ist es, Rechtsnachteile zu beseitigen, die einer Partei daraus
erwachsen, dass sie eine Frist ohne grobes Verschulden versäumt hat.
Voraussetzungen für die Bewilligung der Wiedereinsetzung sind daher -
neben der Versäumung einer Frist und einem hierdurch entstandenen
Rechtsnachteil - ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis und
kein grobes Verschulden auf Seiten des Wiedereinsetzungswerbers (z.B. Ritz,
Bundesabgabenordnung², § 308 Tz 1f.).
Die engste Verwandtschaft mit
§ 308 BAO weisen der § 71 AVG und § 46 VwGG auf, weshalb vor
allem der zu diesen Vorschriften ergangenen Judikatur und Literatur bei der
Anwendung und Interpretation der Tatbestandsmerkmale des § 308 BAO
erhöhte Bedeutung beigemessen wird.
Als Ereignis (auch im Sinne des
§ 308 Abs. 1 BAO) ist jedes Geschehen ohne jede Beschränkung auf
Vorgänge in der Außenwelt anzusehen. Gehindert wird eine Person durch
eigene menschliche Unzulänglichkeit ebenso wie durch Gewalteinwendung von
außen (Hauer/Leukauf,
Verwaltungsverfahren6, S 1071,
17a).
Nicht nur ein
äußeres Ereignis, sondern auch ein "Irrtum" kann ein Ereignis im
Sinne des § 71 AVG - somit auch im Sinne des § 308 BAO
- sein. Insofern wird in jenen Fällen, in denen die ältere
Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in einer unrichtigen Beurteilung der
Rechtslage keinesfalls und sogar auch dann keinen tauglichen
Wiedereinsetzungsgrund erblickt hat, wenn dieser Irrtum durch eine unrichtige
Rechtsauskunft des behördlichen Organs veranlasst oder bestärkt wurde
(VwSlg 7276 a), im Einzelfall jedenfalls die Verschuldensfrage zu prüfen
und ein Wiedereinsetzungsgrund nur dann zu verneinen sein, wenn dem
Wiedereinsetzungswerber wenigstens Fahrlässigkeit bei der Versäumung
des Termins zur Last fällt.
Denselben Gedanken bringt die
Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Ausdruck, wonach zwar mangelnde
Rechtskenntnis oder Rechtsirrtum nicht als ein unvorhergesehenes oder
unabwendbares Ereignis zu werten sind, dass die rein subjektive Beurteilung
einer Rechtslage den Wiedereinsetzungswerber niemals hindern kann, sich
vorsorglich bei Rechtskundigen zu informieren ().
Die Relativierung der
Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage der Auswirkungen
mangelnder Rechtskenntnis oder Rechtsirrtums erfolgte in jenen Fällen, in
denen eine unvertretene Partei aufgrund ihrer mangelnden Rechtskenntnis bzw.
einer Fehlvorstellung über die Rechtslage einen Nachteil erlitten hatte.
Diese Rechtsprechung ist nicht ohne weiteres auf einen berufsmäßigen
Parteienvertreter, dem ein Fehler unterläuft, zu übertragen (; Hauer/Leukauf,
Verwaltungsverfahren6, S 1071,
17b, 17c).
Unvorhergesehen ist ein
Ereignis, das die Partei nicht einberechnet hat und dessen Eintritt sie auch
unter Bedachtnahme auf die ihr persönlich zumutbare Aufmerksamkeit und
Vorsicht nicht erwarten konnte.
Unabwendbar ist ein Ereignis
hingegen dann, wenn es die Partei mit den einem Durchschnittsmenschen zur
Verfügung stehenden Mitteln nicht verhindern konnte, auch wenn sie dessen
Eintritt voraussah (Ritz, Bundesabgabenordnung, § 308 Tz 9 f,
mwN).
Nicht jede Form von Verschulden
hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung. Unschädlich ist ein minderer
Grad des Versehens, der der leichten Fahrlässigkeit iSd.
§ 1332 ABGB gleichzusetzen ist. Keine leichte Fahrlässigkeit
liegt vor, wenn jemand auffallend sorglos handelt (z.B. ). Auffallend sorglos handelt, wer die im
Verkehr mit Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen
erforderliche und persönlich zumutbare Sorgfalt außer Acht lässt
(). An rechtskundige
Parteienvertreter ist hierbei ein strengerer Maßstab anzulegen als an
rechtsunkundige Personen (Ritz, aaO, § 308 Tz 15,
mwN).
Ein Verschulden des Vertreters
ist dem Verschulden des Vertretenen gleichzuhalten (Ritz, aaO, § 308
Tz 17, und die dort zitierten Judikate).
Im gegenständlichen Fall
beurteilte der Mitarbeiter des steuerlichen Vertreters die von der Bw.
angeschaffte Beschneiungsanlage als nicht
investitionszuwachsprämienfähiges Wirtschaftsgut. Aufgrund dieser
subjektiven Beurteilung wurde in weiterer Folge die Abgabe der Erklärung
E 108e für 2002 unterlassen.
Die Bw. bezieht sich in der
Begründung ihres Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand auf
eine am stattgefunden Veranstaltung der ÖGWT in G
("67. Arbeitstagung der Landesleitung
Niederösterreich - Zweifelsfragen zur Einkommen- und
Körperschaftsteuer - Univ.Prof. GL Dr. Peter Quantschnigg")
und legt zum Beweis ihres Vorbringens die ursprünglichen Berechnungen sowie
die Seite 9 einer Arbeitsunterlage betreffend Fragen im Zusammenhang mit
§ 108e EStG vor. Im Zuge der Beantwortung von Zweifelsfragen sei
für den Mitarbeiter des steuerlichen Vertreters hervorgekommen, dass es
auch für eine Beschneiungsanlage eine Investitionszuwachsprämie
gebe.
Wenn im Wiedereinsetzungsantrag
bzw. in der gegen den abweisenden Bescheid eingebrachten Berufung
ausgeführt wird, dass der Mitarbeiter des steuerlichen Vertreters erst im
Zuge der vorangeführten Veranstaltung die Möglichkeit der
Geltendmachung einer Investitionszuwachsprämie für eine
Beschneiungsanlage erkannt habe, dann wird hiermit ein Rechtsirrtum, im
gegenständlichen Fall ein Irrtum über das materielle Recht, geltend
gemacht.
Nun bildet ein derartiger
Rechtsirrtum, dem die steuerliche Vertretung der Bw. offensichtlich unterlegen
ist, kein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis, das nach § 308 BAO
die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand rechtfertigen würde.
Die Bw. selbst weist im
Wiedereinsetzungsantrag darauf hin, es habe einerseits einen allgemeinen
Klärungsbedarf an der Frage, ob für eine Beschneiungsanlage eine
Investitionszuwachsprämie zustehe, bestanden und herrsche nach wie vor eine
allgemeine Rechtsunsicherheit mit der Regelung des § 108e
EStG.
Gerade wenn aber bei einer
- mangels entsprechender Judikatur und Literatur - noch nicht
eindeutig geklärten Rechtslage Zweifel darüber bestehen, ob es sich
bei einer Beschneiungsanlage um ein investitionszuwachsprämienfähiges
Wirtschaftsgut handelt, wäre der steuerliche Vertreter der Bw. aufgrund der
ihm auferlegten Sorgfaltspflicht gehalten gewesen, einen anspruchswahrenden
Antrag zu stellen. Mit anderen Worten, in Zweifelsfragen muss der Vertreter den
für den Vertretenen sichersten Weg wählen und gegebenenfalls eine
fristwahrende Handlung vorsorglich vornehmen, insbesondere wenn dadurch für
die vertretene Partei keine nennenswerten Kostenrisiken oder sonstige Nachteile
entstehen. Dass die Bw. bzw. ihr steuerlicher Vertreter durch bestimmte
Umstände daran gehindert gewesen wäre, auch im Zweifelsfall den Antrag
auf Geltendmachung der Investitionsprämie fristgerecht einzubringen, wird
weder dargetan noch ergeben sich sonst dafür sprechende Anhaltspunkte.
Es besteht kein Grund, die
Unterlassung der rechtzeitigen Antragstellung als unverschuldet zu werten bzw.
kann bei einem solchen Versäumnis auch nicht von einem minderen Grad des
Versehens gesprochen werden.
Darüber hinaus hätte
die weder in der Literatur noch Judikatur behandelte Frage, ob eine
Beschneiungsanlage als investitionszuwachsprämienfähiges
Wirtschaftsgut zu beurteilen ist, nach Dafürhalten des Senates den
steuerlichen Vertreter veranlassen müssen, diese Beurteilung nicht
ausschließlich dem Mitarbeiter zu übertragen bzw. ihn dies alleine
beurteilen zu lassen. Dass der steuerliche Vertreter die Beurteilung dieser
Frage und in weiterer Folge das Unterlassen der Erklärungsabgabe
E 108e für 2002, ohne geeignete Kontroll- bzw.
Überwachungstätigkeit dem Mitarbeiter überlassen hat, ist ihm als
Verschulden anzurechnen.
Bei Anwendung des bei
berufsmäßigen Parteienvertretern gebotenen strengeren Maßstabes
hätte es die dem steuerlichen Vertreter obliegende Sorgfaltspflicht
erfordert, nicht bloß die Abarbeitung einzelner Punkte auf einer
kanzleiinternen "Checkliste", sondern die von seinem Mitarbeiter im Zusammenhang
mit der Investitionszuwachsprämie ausgearbeiteten Berechnungen einer
inhaltlichen Kontrolle zu unterziehen bzw. diese - allenfalls durch
Rücksprache mit dem Mitarbeiter - näher zu hinterfragen. Da der
steuerliche Vertreter dies nicht beachtete, unterlief ihm ein Versehen, das
nicht minderen Grades ist.
In diesem Sinne ist auch das in
der Berufung angeführte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom
, 96/17/0415, zu interpretieren. In diesem Fall ergab sich aus dem
Vorbringen der Beschwerde führenden Partei, dass die beauftragte
Rechtsanwältin sich bei der Wahl des zu ergreifenden Rechtsmittels
vollständig auf die Konzipientin verließ. Eine Kontrolle der
Tätigkeit der Konzipientin erfolgte dabei nicht. Weiters führt der
Verwaltungsgerichtshof in diesem Erkenntnis begründend aus, dass darin kein
minderer Grad des Versehens zu erblicken war, zumal es zur Aufgabe des
Rechtsanwaltes gehört, persönlich für die richtige Berechnung der
Rechtsmittelfrist Sorge zu tragen. Diese Berechnung ist nämlich die
Grundlage für die Wahl des Rechtsmittels.
Es war sohin
spruchgemäß zu entscheiden.
Wien,
am
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Materie | Steuer Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | § 308 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Schlagworte | Wiedereinsetzung Irrtum Fristversäumnis Ereignis unvorhergesehen unabwendbar Überwachungspflicht Rechtsirrtum |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at