Bürgschaftszahlungen für die Ehegattin als außergewöhnliche Belastung
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw., vertreten durch die Zinell & Madritsch Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungs GmbH, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Kitzbühel Lienz vom betreffend Einkommensteuer für das Jahr 2004 entschieden:
Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.
Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.
Entscheidungsgründe
In der am elektronisch eingereichten Einkommensteuererklärung für 2004 machte der Abgabepflichtige AB unter dem Titel "Bürgschaftszahlungen" eine außergewöhnliche Belastung von 15.000 € geltend. Dazu teilte die Bank dem Finanzamt mittels E-Mail am Folgendes mit:
"Wir haben Frau BC, der Ehegattin des AB, zur Finanzierung des Geschäftsbetriebes "Geschäft" in X Kredite gewährt, für die Herr AB die Haftung als Bürge und Zahler gem. § 1357 ABGB übernommen hat:
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Kreditaufnahme
| ATS
650.000 | Bürgschaftsübernahme
| ||
Kreditaufnahme
| ATS
550.000 | Bürgschaftsübernahme
| ||
Kreditaufnahme
| ATS
300.000 | Bürgschaftsübernahme
| ||
Kreditaufnahme
| ATS
412.809 | Bürgschaftsübernahme
|
Mit Auflösung des Geschäftsbetriebes im Sommer 2002 verblieben der Unternehmerin Kredite in Höhe von € 129.025.
Da das Einkommen der Schuldnerin zur Rückzahlung ihrer Verbindlichkeiten nicht ausreichend war, wurde der Bürge AB zur Zahlung aufgefordert.
Am wurde mit den Schuldnern eine Rückzahlungsvereinbarung getroffen, nach der Herr AB eine jährliche Rückzahlung von mindestens € 15.000 zu leisten hat. Sondertilgungen sind jederzeit möglich.
Die Rückzahlungen erfolgten bisher vereinbarungsgemäß:
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2003 | €
15.000 |
2004 | €
15.000 |
2005 | €
15.000 |
Hiefür wurden entsprechende Rückzahlungsbestätigungen ausgestellt.
Unter der Annahme, dass weiterhin eine jährliche Rückzahlungsrate von € 15.000 jährlich geleistet wird, ist der Kredit bis getilgt."
Am erließ das Finanzamt einen Bescheid betreffend Einkommensteuer für das Jahr 2004, mit dem die geltend gemachten Bürgschaftszahlungen nicht als außergewöhnliche Belastung anerkannt wurden. Die Bürgschaften seien für vier Kredite der Ehegattin jeweils bei Kreditaufnahme übernommen worden. Laut geltender Lehre und Rechtsprechung würden Bürgschaftszahlungen zwangsläufig erwachsen, wenn bereits bei der Übernahme eine existenzbedrohliche Notlage vorliege. Nach dem Urteil billig und gerecht denkender Menschen sei jedoch grundsätzlich niemand verpflichtet, einem Angehörigen das von ihm eingegangene Unternehmerrisiko abzunehmen (; ). Da von einer existenzbedrohlichen Notlage weder zum Zeitpunkt der jeweiligen Kreditaufnahme noch zu einem späteren Zeitpunkt ausgegangen werden könne, seien die Zahlungen mangels Zwangsläufigkeit nicht als außergewöhnliche Belastung im Sinne des § 34 EStG 1988 anerkannt worden.
Gegen diesen Bescheid erhob der Abgabepflichtige am fristgerecht Berufung. Die Behauptung der Behörde, bei Eingehen der Bürgschaften für seine Ehegattin wäre für diese keine existenzbedrohende Notlage vorgelegen, sei ohne Begründung erfolgt und stütze sich offenbar lediglich auf die naturgemäße Tatsache, dass die zu besichernden Kredite vor Schlagendwerden der Bürgschaft aufgenommen worden seien. In Wahrheit seien die Bürgschaften damals aus keinem anderen Grund als der wirtschaftlichen Notlage und damit der Existenzgefährdung der Ehegattin eingegangen worden, in der Hoffnung, diese damit abwenden zu können.
Wie aus dem Schreiben der Bank an das Finanzamt vom entnommen werden könne, belaufe sich die ursprüngliche Summe der Kreditbeträge, für welche Haftungen eingegangen worden seien, auf 1,912.809 S (= 139.009,25 €). Die bei Betriebsaufgabe im Jahr 2002 verbliebenen ungetilgten Bankschulden hätten laut Schreiben der Bank 129.025 € betragen. Nachdem also fast der gesamte Kreditbetrag bei Betriebsaufgabe noch aushaftend gewesen sei, sei die Ehegattin unzweifelhaft von Anfang an nicht in der Lage gewesen, ausreichend Sicherheiten beizubringen, und sei von der Bank aus diesem Grund die Bürgschaft verlangt worden. Die Bürgschaft sei daher sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach bereits bei ihrem Eingehen zwangsläufig gewesen und werde daher der Antrag bekräftigt, die nunmehr jährlich aus diesem Titel zu leistende Zahlung des Bürgen an die Bank als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen. Falls gewünscht, könne eine entsprechende Stellungnahme zur wirtschaftlichen Situation der Ehegattin bei Eingehen der Bürgschaft von der Bank eingeholt werden.
Mit Berufungsvorentscheidung vom 24. Oktober bzw. wurde die Berufung vom Finanzamt als unbegründet abgewiesen. Die Ehegattin des Abgabepflichtigen, Frau BC, habe im September 1993 in X in Y ein Einzelhandelsgeschäft mit Textilwaren (Modegeschäft) mit dem Namen "Geschäft" eröffnet und bis Juni 2002 betrieben. Nach wirtschaftlich positivem Verlauf in den Jahren 1994 bis 1996 hätten sich in den Jahren 1997 bis 1999 deutliche Verluste ergeben, die in den Jahren 2000, 2001 und im Aufgabejahr 2002 von eher geringen Verlusten abgelöst worden seien. Im Einklang mit der Gewinnanalyse präsentiere sich die Umsatzentwicklung, die in den letzten Jahren einen deutlichen Abfall gegenüber den Anfangsjahren zeige.
Auf Basis des Schreibens der Bank vom könne außer Streit gestellt werden, dass der Abgabepflichtige in den Jahren 1995, 1997, 1999 und 2002 bei vier Kreditaufnahmen seiner Ehegattin als Bürge und Zahler eine Haftungsübernahme eingegangen sei, wobei zum Zeitpunkt der Geschäftsauflösung im Sommer 2002 Kredite von insgesamt 129.025 € unbeglichen ausgehaftet seien. Aufgrund mangelnder Einkommensperspektiven der Schuldnerin sei der Abgabepflichtige zur Abstattung des aushaftenden Rückstandes herangezogen worden, wobei mit der Bank eine Einigung dergestalt habe erreicht werden können, dass eine jährliche Rückzahlungsrate von 15.000 € eingeräumt und sohin eine Abstattung bis Ende 2013 in Aussicht gestellt worden sei.
Bei Zahlungen aus Anlass eingegangener Bürgschaften müsse nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Zwangsläufigkeit schon zum Zeitpunkt des Eingehens der Bürgschaftsverpflichtungen gegeben sein. Gerade diese Zwangsläufigkeit scheine im vorliegenden Fall nicht gegeben zu sein. Rechtliche Gründe, die einen Steuerpflichtigen dazu verhalten, für das Einkommen oder Vermögen seiner Ehegattin generell einzustehen, kenne die Rechtsordnung nicht. Sittliche Gründe lägen vor, wenn die vom Steuerpflichtigen erbrachten Leistungen nach dem Urteil billig und gerecht denkender Menschen durch die Sittenordnung geboten seien. Dass das Handeln des Steuerpflichtigen menschlich verständlich, vielleicht gar wünschenswert oder lobenswert erscheinen möge, reiche nicht hin, um eine sittliche Verpflichtung anzunehmen. Die Verschuldung aus einer betrieblichen Tätigkeit entstehe im Rahmen des hiemit verbundenen Wagnisses, das der Unternehmer im Grunde freiwillig auf sich genommen habe. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes könne es aber nicht im Sinne des § 34 EStG 1988 liegen, wirtschaftliche Risken und Misserfolge eines Unternehmens, die sehr vielschichtige Ursachen haben könnten, durch die Einräumung einer Ermäßigung von Steuerlasten diese schlussendlich auf die Steuerallgemeinheit abzuwälzen ().
Im Streitfall könne weder eine rechtliche, sittliche noch tatsächliche Verpflichtung zur Aufnahme von Verbindlichkeiten für die Ehegattin bzw. für das Eingehen von Bürgschaftsübernahmen gesehen werden, wenngleich das Verhalten des Abgabepflichtigen durchaus menschlich verständlich und nachvollziehbar erscheinen möge. Die Eröffnung einer Modeboutique in einer mehrheitlich eher ländlich geprägten Region möge wohl mit der Interessenslage und der beruflichen Hinwendung der Ehegattin in Übereinstimmung stehen, wäre aber ohne Verquickung mit der ausnehmend guten Einkommenssituation des Abgabepflichtigen als Musiker und Komponist schlichtweg nicht denkbar gewesen. Dass der Abgabepflichtige schon aufgrund dieser für jede Bank sehr angenehmen Kontraktsituation bei der Aufnahme von Krediten, zudem noch verstärkt bei von ihm übernommenen Bürgschaftsverpflichtungen, ein durchaus geschätzter Vertragspartner gewesen sei und nach wie vor sei, liege angesichts der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen auf der Hand. Diese Konstellation könne jedoch in keiner Weise Momente einer Zwangsläufigkeit an den Tag legen, weshalb dem Berufungsbegehren der Erfolg versagt bleiben müsse.
Am stellte der Abgabepflichtige den Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz. In der ursprünglichen Bescheidbegründung sei vom Finanzamt behauptet worden, dass für die Ehegattin keine existenzbedrohende Notlage vorgelegen und das Eingehen der Bürgschaft demnach nicht zwangsläufig gewesen sei. Dem sei in der Berufung widersprochen worden. Das Finanzamt müsse aber wohl - in richtiger Beurteilung der Rechtslage - befunden haben, dass Bürgschaftszahlungen an sich - bei Erfüllung sämtlicher Voraussetzungen - sehr wohl als außergewöhnliche Belastung geltend gemacht werden können (Hinweis auf "EStR 2000", gemeint wohl: LStR 2002, Rz 893).
In der Berufungsvorentscheidung werde nunmehr auf diesen Punkt nicht mehr eingegangen, sondern im Wesentlichen das Bestehen einer rechtlichen und sittlichen Verpflichtung des Abgabepflichtigen bestritten und aus diesem (anderen) Grund das Vorliegen einer außergewöhnlichen Belastung verneint. Dem werde wiederum widersprochen, es lägen sowohl rechtliche als auch sittliche Verpflichtungen vor. Die rechtliche Verpflichtung zur Zahlung der nach Betriebsaufgabe verbliebenen Bankschulden ergebe sich aus den übernommenen Bürgschaften gegenüber der Bank und damit unzweifelhaft aus dem ABGB. Die sittliche Verpflichtung zum Eingehen der Bürgschaften selbst habe sich laut Auskunft der Bank - wie dies dem Finanzamt am seitens der Bank auch telefonisch bestätigt worden sei - notwendigerweise und zwangsläufig dadurch ergeben, dass Lieferanten angedrängt hätten und zur Abwendung von Exekutionen in das Familienvermögen eine Finanzierung durch die Bank notwendig geworden sei. Die Bürgschaftsübernahmen des Abgabepflichtigen seien Voraussetzung für diese Kreditfinanzierungen gewesen. Er sei überzeugt gewesen, nur durch diese Maßnahmen eine existenzbedrohende Notlage der Ehegattin mit Aussicht auf Erfolg abwenden zu können.
Wenn die Abgabenbehörde nunmehr das Vorliegen einer sittlichen Verpflichtung verneine, verkenne sie, dass sich ihre Ausführungen auf die Bürgschaft eines Kindes für die Abgabenschuldigkeiten seiner Mutter beziehen (Hinweis auf genannte Rz 893). Sämtliche für die Geltendmachung von Bürgschaftszahlungen geforderten Voraussetzungen seien im gegenständlichen Fall erfüllt.
Mit Schreiben vom beantragte die steuerliche Vertreterin die Entscheidung durch den gesamten Berufungssenat (§ 282 Abs. 1 BAO) und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung (§ 284 Abs. 1 BAO).
Über die Berufung wurde erwogen:
1) Entscheidung durch den gesamten Berufungssenat: Gemäß § 282 Abs. 1 BAO in der ab dem Jahr 2003 geltenden Fassung des AbgRmRefG, BGBl. I Nr. 97/2002, obliegt die Entscheidung über Berufungen namens des Berufungssenates dem Referenten (§ 270 Abs. 3 BAO), außer in der Berufung (§ 250 BAO), im Vorlageantrag (§ 276 Abs. 2 BAO) oder in der Beitrittserklärung (§ 258 Abs. 1 BAO) wird die Entscheidung durch den gesamten Berufungssenat beantragt oder der Referent verlangt, dass der gesamte Berufungssenat zu entscheiden hat. Ein Verlangen durch den Referenten ist zulässig, wenn die zu entscheidenden Fragen besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweisen oder wenn der Entscheidung grundsätzliche Bedeutung zukommt.
Der Antrag ist in der Berufung, im Vorlageantrag oder in der Beitrittserklärung selbst zu stellen. Es genügt nicht, dass ein solcher Antrag in einem (die Berufung) ergänzenden Schriftsatz gestellt wird (Ritz, BAO-Handbuch, Seite 209; vgl. zu § 284 Abs. 1 BAO alte Fassung auch ; ). Der Antrag auf Entscheidung durch den gesamten Berufungssenat wurde unzweifelhaft weder in der Berufung vom noch im Vorlageantrag vom gestellt. Ein entsprechender Antrag wurde erst in einer Berufungsergänzung (in der Vorhaltsbeantwortung vom ) gestellt. Ein Rechtsanspruch auf Entscheidung durch den gesamten Berufungssenat ist somit nicht gegeben.
2) Mündliche Berufungsverhandlung: Gemäß § 284 Abs. 1 BAO in der ab dem Jahr 2003 geltenden Fassung des AbgRmRefG, BGBl. I Nr. 97/2002, hat über die Berufung eine mündliche Verhandlung stattzufinden, wenn es in der Berufung (§ 250 BAO), im Vorlageantrag (§ 276 Abs. 2 BAO) oder in der Beitrittserklärung (§ 258 Abs. 1 BAO) beantragt wird oder wenn es der Referent (§ 270 Abs. 3 BAO) für erforderlich hält. Nur ein rechtzeitig (und zwar in der Berufungsschrift, in der Beitrittserklärung oder im Vorlageantrag) gestellter Antrag auf Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung verschafft der Partei einen Rechtsanspruch auf Anberaumung und Abhaltung einer mündlichen Berufungsverhandlung (Ritz, BAO-Handbuch, Seite 213; vgl. auch ; ; ).
Der Antrag auf Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung wurde unzweifelhaft weder in der Berufung vom noch im Vorlageantrag vom gestellt. Ein Rechtsanspruch auf Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung ist somit nicht gegeben, weshalb in deren Unterlassung auch kein Verfahrensmangel erblickt werden kann. Ein entsprechender Antrag wurde erst in einer Berufungsergänzung (in der Vorhaltsbeantwortung vom ) gestellt. Anträge, die erst in einem die Berufung ergänzenden Schreiben gestellt werden, begründen keinen Anspruch auf mündliche Verhandlung ().
Ergänzend ist festzuhalten, dass dem Berufungswerber (Bw.) nach Einbringung der Berufung und des Vorlageantrages ohnehin ausreichend Gelegenheit geboten wurde, sein Vorbringen mit geeigneten Unterlagen zu untermauern. So wurde er vom Unabhängigen Finanzsenat mit Schreiben vom aufgefordert, zu der geltend gemachten außergewöhnlichen Belastung Stellung zu nehmen. Vom Bw. wurde daraufhin eine umfangreiche Vorhaltsbeantwortung mit zahlreichen Beilagen eingereicht (vgl. das Schreiben vom ), die es der Behörde ermöglichte, die Bürgschaftszahlungen steuerlich zu beurteilen. Für eine amtswegige Anberaumung eines Verhandlungstermins bestand daher keine Veranlassung.
3) Außergewöhnliche Belastung: Gemäß § 34 Abs. 1 EStG 1988 sind bei der Ermittlung des Einkommens (§ 2 Abs. 2 leg.cit.) eines unbeschränkt Steuerpflichtigen nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18 leg.cit.) außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muss außergewöhnlich sein, sie muss zwangsläufig erwachsen und sie muss die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen. Die Belastung darf weder Betriebsausgaben, Werbungskosten noch Sonderausgaben sein. Gemäß § 34 Abs. 2 EStG 1988 ist die Belastung außergewöhnlich, soweit sie höher ist als jene, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse erwächst. Gemäß § 34 Abs. 3 EStG 1988 erwächst die Belastung dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.
Bürgschaftszahlungen sind als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen, wenn folgende Voraussetzungen kumulativ vorliegen (; ):
Es ist erforderlich, dass der Steuerpflichtige glaubt, durch die Übernahme von Bürgschaften eine existenzbedrohende Notlage eines nahen Angehörigen mit Aussicht auf Erfolg abwenden zu können. Daher muss bereits das Eingehen der Bürgschaft das Merkmal der Zwangsläufigkeit aufweisen.
Eine existenzbedrohende Notlage liegt nicht schon dann vor, wenn nur die Fortführung einer selbständigen Betätigung ohne die Übernahme von Bürgschaften nicht mehr möglich scheint, sondern wenn die wirtschaftliche Existenz des nahen Angehörigen überhaupt verloren zu gehen droht, dieser also seine berufliche Existenz nicht auch auf andere ihm zumutbare Weise hätte erhalten können.
Die besicherten Kredite dürfen nicht dazu dienen, den Betrieb des Schuldners zu erweitern oder ihm sonst bessere Ertragschancen zu vermitteln.
Es besteht keine sittliche Verpflichtung eines Steuerpflichtigen zur Übernahme von Bürgschaften für Schulden, die ein naher Angehöriger ohne besondere Notwendigkeit eingegangen ist.
Eine Zwangsläufigkeit aus sittlichen Gründen setzt voraus, dass sich der Steuerpflichtige nach dem Urteil billig und gerecht denkender Menschen der Übernahme von Bürgschaften nicht entziehen kann. Nicht das persönliche Pflichtgefühl des Steuerpflichtigen, sondern der objektive Pflichtbegriff nach den herrschenden moralischen Anschauungen ist entscheidend. Es reicht daher nicht aus, dass das Handeln des Steuerpflichtigen menschlich verständlich ist, es muss vielmehr die Sittenordnung dieses Handeln gebieten.
Im Streitfall ist von folgendem Sachverhalt auszugehen, wobei sich der Unabhängige Finanzsenat insbesondere auf die im Berufungsverfahren vorgelegte Stellungnahme der Bank vom stützte: BC, die Ehegattin des Bw., eröffnete im September 1993 ein Einzelhandelsgeschäft mit Textilwaren mit dem Namen "Geschäft" und betrieb dieses bis Juni 2002. Am wurde ihr von der Bank ein Kontokorrentkredit von 650.000 S "zur Finanzierung der Ladeneinrichtung und Betriebsmittel (Warenlager, EDV)" gewährt, wofür der Bw. mit Bürgschaftsvertrag gleichen Datums die Haftung als Bürge und Zahler im Sinne des § 1357 ABGB zur ungeteilten Hand übernahm. Da es in den beiden Folgejahren bereits zu Überziehungen dieses Kredites kam, wurde BC am ein weiterer Kontokorrentkredit von 550.000 S gewährt. Diesbezüglich kam es (zunächst) zu keiner Bürgschaftsübernahme seitens des Bw., obwohl eine Bürgenbestellung vorgesehen war. (Dem "Kreditvertrag" vom zufolge verpflichtete sich die Kreditnehmerin, für die Erfüllung der in diesem Vertrag eingegangenen Verbindlichkeiten der Kreditgeberin genehme Bürgen zu bestellen.)
In der Folge verschlechterte sich die wirtschaftliche Situation beim Einzelhandelsgeschäft zunehmend und BC benötigte zur Weiterführung des Geschäftsbetriebes aufgrund dringender Lieferantenzahlungen einen weiteren Kredit von 300.000 S. Dieser wurde von der Bank unter der Bedingung gewährt, dass der Bw. die Haftung als Bürge und Zahler sowohl für diesen Neukredit als auch für den bestehenden, noch nicht besicherten Kredit von 550.000 S übernahm. Die Kontokorrentkredite vom (650.000 S) und (550.000 S) wurden sodann mit Kreditvertrag vom in einen Abstattungskredit von insgesamt 1,200.000 S mit monatlicher Tilgung umgewandelt. Mit gleichem Datum wurde BC der benötigte "Betriebsmittelkredit" von 300.000 S gewährt. Mit Bürgschaftsvertrag vom übernahm der Bw. die Haftung als Bürge und Zahler sowohl für den Abstattungskredit von 1,200.000 S als auch für den neuen Kontokorrentkredit von 300.000 S.
Aufgrund dringender Lieferantenzahlungen kam es in der Folge am nochmals zu einer Kreditaufnahme durch BC in Höhe von 30.000 € (412.809 S), die als Aufstockung des bestehenden Abstattungskredites erfolgte. Als Verwendungszweck ist "Betriebsmittelfinanzierung - Lieferantenzahlungen" ausgewiesen. Auch für diesen Aufstockungsvertrag übernahm der Bw. mit Bürgschaftsvertrag vom die Haftung als Bürge und Zahler. Somit wurden von BC zur Finanzierung des Geschäftsbetriebes "Geschäft" mit der Bank im Zeitraum März 1995 bis Jänner 2002 Kreditverträge über insgesamt 1,912.809 S (= 139.009,25 €) abgeschlossen, wofür der Bw. jeweils die Haftung als Bürge und Zahler gemäß § 1357 ABGB übernahm.
Im Juni 2002 erfolgte sodann die Geschäftsauflösung, wobei sich der Gesamtschuldenstand der BC bei der Bank auf 129.025 € belief. Im Zuge mehrerer Besprechungen wurde versucht, eine Rückzahlungsvereinbarung für den offenen Kreditsaldo zu treffen. Da das Vermögen der Schuldnerin zur Tilgung ihrer Verbindlichkeiten nicht ausreichend war, wurde der Bw. als Bürge zur Zahlung aufgefordert. Am (dieses Datum wurde von der Bank in der an das Finanzamt gerichteten E-Mail vom irrtümlich mit "" bezeichnet) wurde schließlich eine Regelung dahingehend getroffen, dass der Bw. eine jährliche Rückzahlung von mindestens 15.000 € zu leisten hat. Sondertilgungen sind jederzeit möglich. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte sich der Gesamtschuldenstand aufgrund der aufgelaufenen Zinsen bereits auf 137.572,05 € erhöht. Abzüglich eines von der Bank gewährten Zinsnachlasses für die Jahre 2002 und 2003 von 3.806 € sowie einer im Jahr 2003 vom Bw. bereits getätigten Teilzahlung von 15.000 € belief sich die Restschuld zum somit auf 118.766,05 €, für die bis auf weiteres ein Zinssatz von 4,5 % verrechnet wurde (vgl. die an die Ehegatten B am in schriftlicher Form versendete "Schuldregelung nach Geschäftsauflösung"). Auch in den Streitjahren 2004 und 2005 leistete der Bw. vereinbarungsgemäß Rückzahlungen von jeweils 15.000 €, die entsprechenden Rückzahlungsbestätigungen (lautend auf den Bw.) wurden dem Unabhängigen Finanzsenat vorgelegt.
Das im September 1993 von BC eröffnete Einzelhandelsgeschäft mit Textilwaren entwickelte sich zunächst wirtschaftlich positiv, bis einschließlich 1996 konnten Gewinne aus dem Gewerbebetrieb erzielt werden. Von einer existenzbedrohenden Notlage eines nahen Angehörigen, die ua. Voraussetzung für die Anerkennung von Bürgschaftszahlungen als außergewöhnliche Belastung ist, kann somit (zumindest) zum Zeitpunkt der ersten Kreditaufnahme nicht gesprochen werden. So wurde der Kontokorrentkredit vom über 650.000 S auch "zur Finanzierung der Ladeneinrichtung und Betriebsmittel (Warenlager, EDV)" aufgenommen (vgl. die Stellungnahme der Bank vom ). Wie bereits ausgeführt, dürfen die besicherten Kredite gerade nicht dazu dienen, den Betrieb des Schuldners zu erweitern oder ihm sonst bessere Ertragschancen zu vermitteln, um eine Bürgschaftszahlung als außergewöhnliche Belastung anerkennen zu können.
Ab dem Jahr 1997 verschlechterte sich die wirtschaftliche Situation beim Einzelhandelsgeschäft zunehmend, für die Jahre 1997 bis 1999 ergaben sich deutliche Verluste. In einer der Vorhaltsbeantwortung vom beigelegten Stellungnahme zur Ertragssituation führte BC folgende Gründe für die eingetretenen Verluste an: Die mit Beginn der geschäftlichen Tätigkeit eingestellte, beliebte und in der Modebranche erfahrene Verkäuferin sei ab dem Jahr 1997 in Karenz gegangen. Der neuen Bediensteten habe eine einschlägige Erfahrung gefehlt, sie sei zuvor nicht in der Modebranche tätig gewesen. Zudem habe ein Konkurrenzunternehmen ab diesem Zeitpunkt dieselbe Modelinie vertrieben, ein weiterer Mitbewerber sei in das Ortszentrum in die unmittelbare Nähe zu ihrem Standort umgezogen. Überdies seien die Umsätze durch Neueröffnungen von Geschäften zweier Textilhandelsketten in Z eingebrochen. Letztlich seien auch die Schlussverkäufe immer weiter vorverlegt worden. All diese Umstände hätten in den Jahren 1997 bis 1999 zu hohen Verlusten geführt.
In den Jahren 2000 bis 2002 habe BC versucht, durch Einschränkung der Personalkosten und verstärkte Werbemaßnahmen (entsprechende Werbeaussendungen wurden dem Unabhängigen Finanzsenat vorgelegt) wiederum in die Gewinnzone zu kommen. Aufgrund der großen Konkurrenz und der Aussichtslosigkeit, wieder Gewinne zu erzielen, habe sie im Juni 2002 keinen anderen Ausweg gesehen, als ihr Einzelhandelsgeschäft zu schließen.
Für den Unabhängigen Finanzsenat ist nachvollziehbar, dass die anhaltende Verlustsituation der Jahre 1997 bis 1999 dazu führte, dass die Ehegattin des Bw. nicht mehr in der Lage war, den laufenden Geschäftsbetrieb zu finanzieren und die Lieferantenrechnungen zu bezahlen. Wie BC glaubhaft versicherte (vgl. die der Vorhaltsbeantwortung vom beigelegte Stellungnahme), besaß sie weder Grundstücke noch anderes Vermögen, das zur Finanzierung des Einzelhandelsgeschäftes hätte herangezogen werden können. Da kein Eigenkapital vorhanden war, war sie gezwungen, laufend Fremdkapital aufzunehmen, um den Geschäftsbetrieb aufrechtzuerhalten. Die bei der Bank aufgenommenen (weiteren) Kredite dienten der Begleichung der Lieferverbindlichkeiten, wie dies teilweise auch dem Verwendungszweck der vorgelegten Kreditverträge entnommen werden kann.
Da BC der Bank keine Sicherheiten anbieten konnte, musste der Bw. zur Sicherstellung aller Forderungen des Kreditgebers die Haftung als Bürge und Zahler im Sinne des § 1357 ABGB übernehmen; andernfalls wäre die Bank nicht bereit gewesen, BC (weitere) Kredite zu gewähren. Der Unabhängige Finanzsenat geht - im Einklang mit dem Bw. - davon aus, dass bei BC eine Insolvenz wohl unausweichlich gewesen wäre, wenn ihr die (weiteren) Kredite im vorliegenden Ausmaß nicht gewährt worden wären. BC brachte selbst zum Ausdruck (vgl. die der Vorhaltsbeantwortung vom beigelegte Stellungnahme), dass Lieferanten sie mehrmals gemahnt und ihr bereits mit einer Klage gedroht hätten.
Es mag in diesem Zusammenhang auf sich beruhen, zu welchem Zeitpunkt konkret die Zahlungsunfähigkeit bei BC ohne Kreditgewährung eingetreten wäre, wann demnach die Fortführung des Einzelhandelsgeschäftes ohne die Übernahme der Bürgschaften nicht mehr möglich erschienen wäre. Wie die steuerliche Vertreterin in der Vorhaltsbeantwortung vom ausführte, dürfte die Bank bis Anfang 1999 selbst davon ausgegangen sein, dass BC die Rückführung der gewährten Fremdmittel über Umsatzerlöse aus eigener Kraft bewerkstelligen könne. Die Bank dürfte sodann eine andere Erkenntnis gewonnen haben, was am zur Umwandlung der beiden Kontokorrentkredite (vom und ) in einen Abstattungskredit geführt habe. Zu diesem Zeitpunkt sei nach Auffassung der steuerlichen Vertreterin die existenzbedrohende Notlage der Ehegattin des Bw. schlagend geworden. Für den Abstattungskredit über insgesamt 1,200.000 S habe der Bw. mit Bürgschaftsvertrag vom die Haftung als Bürge und Zahler übernehmen müssen, widrigenfalls die Umschuldung wohl nicht gelungen wäre und die jederzeitige Fälligstellung der Kontokorrentkredite (und damit die Insolvenz) gedroht hätte.
Wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat (vgl. etwa ; ; ), liegt eine existenzbedrohende Notlage insbesondere dann vor, wenn dem nahen Angehörigen ohne Bürgschaftsübernahme Konkurs und damit ein vollkommener Vermögensverlust (vgl. weiters für die Zeit nach Konkursaufhebung die §§ 60, 61 KO) droht. Auch das Vorliegen einer existenzbedrohenden Notlage bei der Ehegattin des Bw. (demnach ab Beginn des Jahres 1999) vermag der vorliegenden Berufung aber aus folgenden Gründen nicht zum Erfolg zu verhelfen:
Dem Berufungsvorbringen zufolge habe vor allem eine sittliche Verpflichtung zum Eingehen der Bürgschaften zum Zwecke der Beseitigung der existenzbedrohenden Notlage der Ehegattin bestanden. Sittliche Gründe liegen vor, wenn die vom Steuerpflichtigen erbrachten Leistungen nach dem Urteil billig und gerecht denkender Menschen durch die Sittenordnung geboten sind. Dass das Handeln des Steuerpflichtigen menschlich verständlich, wünschenswert oder lobenswert erscheinen mag, reicht nicht hin, um eine sittliche Verpflichtung anzunehmen (vgl. Hofstätter/Reichel, Die Einkommensteuer, Kommentar, § 34 Abs. 2 bis 5 EStG 1988 Tz 3.3).
Die Verschuldung aus einer betrieblichen Tätigkeit entsteht im Rahmen des mit dieser verbundenen Wagnisses, das der Unternehmer freiwillig auf sich genommen hat. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wurde § 34 EStG nicht zu dem Zweck geschaffen, wirtschaftliche Misserfolge des Unternehmers, die verschiedenste Ursachen haben können, durch die Ermäßigung der Einkommensteuer anderer Steuersubjekte zu berücksichtigen und in einem solchen Fall die Steuerlast auf die Allgemeinheit abzuwälzen (; ).
Nach dem Urteil billig und gerecht denkender Menschen ist grundsätzlich niemand verpflichtet, einem Angehörigen das von diesem eingegangene Unternehmerrisiko, zu dem auch die Insolvenzgefahr gehört, abzunehmen (vgl. wiederum ; ). Das gilt auch für die Übernahme einer Bürgschaft im Zusammenhang mit einer existenzbedrohenden Notlage des Ehegatten und drohendem Konkurs (). Für den Bw. bestand somit keine sittliche Verpflichtung zur Übernahme der Bürgschaften, um den aufgrund der unternehmerischen Tätigkeit drohenden Konkurs der Ehegattin abzuwenden. Die Sittenordnung gebot es dem Bw. nicht, für Betriebsschulden (Darlehensverbindlichkeiten) seiner Ehegattin im Ausmaß von 1,912.809 S Bürgschaften zu übernehmen, mag die Sittenordnung eine solche Handlung auch gutheißen.
Vom Bw. wurde weiters eingewendet, dass sich eine rechtliche Verpflichtung zur Zahlung der nach Betriebsaufgabe verbliebenen Bankschulden der Ehegattin aus den übernommenen Bürgschaften und damit unzweifelhaft aus dem ABGB ergeben habe. Dem ist zu entgegnen, dass bereits das Eingehen der Bürgschaft (und nicht erst die Inanspruchnahme aus der Bürgschaft) das Merkmal der Zwangsläufigkeit aufweisen muss. Der Einwand des Bw., dass er im Hinblick auf die abgeschlossenen Bürgschaftsverträge rechtlich zur Leistung von Bürgschaftszahlungen verpflichtet sei, mag daher auf sich beruhen. Im Übrigen besteht keine Rechtsnorm, die den Steuerpflichtigen zur Übernahme einer Bürgschaft verhält (vgl. Hofstätter/Reichel, Die Einkommensteuer, Kommentar, § 34 EStG 1988 Einzelfälle, Stichwort "Bürgschaft"). Entgegen dem Vorbringen im Berufungsverfahren liegt daher auch eine rechtliche Verpflichtung zum Eingehen der Bürgschaften im Streitfall nicht vor.
Für die Übernahme einer Bürgschaft kommen letztlich auch tatsächliche Gründe schon rein begrifflich nicht in Betracht, weil darunter nur Gründe zu verstehen sind, die den Steuerpflichtigen unmittelbar selbst betreffen (vgl. dazu etwa ; ; ; vgl. auch Hofstätter/Reichel, Die Einkommensteuer, Kommentar, § 34 EStG 1988 Einzelfälle, Stichwort "Bürgschaft").
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Innsbruck, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | § 34 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 34 Abs. 3 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Schlagworte | außergewöhnliche Belastung Bürgschaftszahlungen Ehegattin existenzbedrohende Notlage sittliche Verpflichtung Unternehmerrisiko Insolvenzgefahr |
Verweise |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at