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Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSW vom 24.06.2005, RV/0660-W/05

Anspruch auf Familienbeihilfe für das erste Studienjahr

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw., gegen den Bescheid des Finanzamtes Bruck an der Leitha betreffend Rückforderung von Familienbeihilfe für den Zeitraum bis  entschieden:

Der Berufung wird stattgegeben.

Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.

Entscheidungsgründe

Auf Grund einer Überprüfung des Anspruches auf Familienbeihilfe erließ das Finanzamt am einen Bescheid über die Rückforderung zu Unrecht bezogener Beträge betreffend Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag für die Zeit vom bis .

Begründet wurde die Rückforderung damit, dass Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder bestehe, wenn sich diese in Berufsausbildung befänden. Der Sohn des Berufungswerbers (Bw.) habe das Studium nach zwei inskribierten Semestern abgebrochen und für das Studienjahr 2003/04 keine Prüfungen abgelegt. Das Studium sei somit nicht ernsthaft betrieben worden. Die Inskription eines Studiums ohne Ablegung von Prüfungen stelle keine Berufsausbildung dar.

Der Bw. erhob gegen den Bescheid fristgerecht Berufung und führte zur Begründung aus:

"1. Die Aussage, dass das Studium nicht ernsthaft betrieben wurde, ist eine subjektive und trifft hier nicht zu. Durch viele gleichzeitig angesetzte Seminare, Vorlesungen und dergleichen, die mein Sohn besucht hat, war eine optimale Vorbereitung für einzelne Prüfungen nur schwer möglich. Dies wollte er, nach intensivem Studium der Materie, in den Sommerferien, im Wintersemester 2004/2005 nachholen. Bedenken gegen diese Vorgangsweise hatte ich nicht, da ich

2. eine rechtsgültige Mitteilung über den Bezug der Familienbeihilfe bis September 2004 ohne "wenn und aber", also ohne Bedingungen, von Ihnen besitze (siehe Kopie).

3. Außerdem erlischt der Anspruch auf Familienbeihilfe nach dem 1. Abschnitt des Studiums (bei Astronomie 4 Semester) plus einem Toleranzsemester. Dass mein Sohn sein Studium überraschend beendet hat, ist auf ein günstiges Angebot, im Burgenland arbeiten zu können, zurückzuführen und war erst Mitte September 2004 absehbar. Deshalb bin ich der Meinung, dass ich die Familienbeihilfe für meinen Sohn M. zurecht bezogen habe. Oder hätte er die Studienrichtung wechseln und sich nach einem Monat abmelden müssen, um einen Job annehmen zu können?..."

Mit Schreiben vom ersuchte das Finanzamt den Bw. um Nachweis darüber, dass sein Sohn im Studienjahr 2003/04 an Übungen und Lehrveranstaltungen teilgenommen hat.

Der Bw. beantwortete das Ergänzungsersuchen insofern als er angab, dass sein Sohn Michael die Lehrveranstaltungen laut beiliegenden Kopien besucht habe. Anwesenheitslisten seien fallweise erstellt worden, am häufigsten von den Professoren G.R. und P.W., seltener von M.B. und E.G.. Da diese Listen nicht öffentlich seien, seien Kopien davon nicht zu bekommen.

Die vom Bw. vorgelegten Unterlagen enthalten einen "Vorschlag fürs 1. Semester" und Kommentare zu den genannten Lehrveranstaltungen des 1. Semesters.

Herr Prof. Dr. P.W. vom Institut für Experimentalphysik der Universität Wien bestätigt, dass der Sohn des Bw. die von ihm gehaltene Vorlesung Einführung in die Physik I im WS 2003/04 besucht hat.

Über Ersuchen des Finanzamtes bekannt zu geben, an welchen Übungen und Lehrveranstaltungen der Sohn des Bw. teilgenommen habe, gab Prof. M.B., Institut für Astronomie, bekannt, dass er keine Teilnahmelisten führe und dass das auch nicht vorgesehen sei. Er habe allerdings Listen über die abgelegten Prüfungen. Da er aber nicht wisse, ob diese Informationen weitergegeben werden dürfen, ersuche er bei der offiziellen Stelle an der Universität nachzufragen.

Über Ersuchen des Finanzamtes teilte Prof. G.R. telefonisch mit, dass der Sohn des Bw. bis zur 1. Prüfung nicht eingetragen gewesen sei; nach der 1. Prüfung werde eine Anwesenheitsliste geführt. Der Sohn des Bw. habe kein zielstrebiges und ernsthaftes Studium betrieben.

Das Finanzamt erließ am eine Berufungsvorentscheidung und wies die Berufung mit folgender Begründung ab:

"Gemäß § 2 Abs. 1 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben, Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die das 26. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist. Bei volljährigen Kindern, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. I Nr. 305, genannte Einrichtung besuchen, ist eine Berufsausbildung nur dann anzunehmen, wenn sie die vorhergesehene Studienzeit pro Studienabschnitt um nicht mehr als ein Semester oder die vorgesehene Ausbildungszeit um nicht mehr als ein Ausbildungsjahr überschreiten. Anspruch auf Familienbeihilfe liegt daher nur dann vor, wenn der Studierende sein Studium zielstrebig betreibt und Nachweise über die erfolgreiche Absolvierung von Lehrveranstaltungen und Prüfungen von insgesamt 8 Wochenstunden im ersten Studienjahr vorlegt. Es muss das ernste und zielstrebige, nach außen erkennbare Bemühen um den Ausbildungserfolg gegeben sein. Die Zulassung an einer Universität bzw. die Bestätigung über die Fortsetzung des Studiums ist als reiner Formalakt allerdings nicht geeignet eine Berufsausbildung nachzuweisen und somit den Anspruch auf Familienbeihilfe zu begründen. Als Zeiten der Berufsausbildung werden nur solche Zeiten gelten können, in denen aus den objektiv erkennbaren Umständen darauf geschlossen werden kann, das eine Ausbildung für einen Beruf auch tatsächlich erfolgt ist.

Ihr Sohn M. hat im Oktober 2003 mit dem Studium der Astronomie begonnen. Aufgrund einer schriftlichen und einer mündlichen Rücksprache mit der Universität wird ab dem Ablegen der ersten Prüfung in dieser Studienrichtung ein Anwesenheitsnachweis geführt. Ihr Sohn Michael ist aber zu keiner Prüfung angetreten und hat auch kein negatives Prüfungsergebnis vorzuweisen. Denn auch ein negatives Prüfungsergebnis hätte ein nach außen erkennbares Bemühen um einen positiven Ausbildungserfolg gezeigt. Es kann daher keine ernsthafte und zielstrebige Berufsausbildung Ihres Sohnes M. angenommen werden. Ein Anspruch auf Familienbeihilfe besteht daher für die Zeit vom bis nicht.

Der Bw. stellte am den Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz und führte dazu aus:

"1. Sie sind auf meine Einwände in der Berufungsvorentscheidung überhaupt nicht eingegangen. Ich besitze einen rechtsgültigen und, wie ich glaube, rechtsverbindlichen Bescheid, wo Sie mir die Familienbeihilfe für M. bis zugesagt haben!

2. Recht kurios ist Ihre Argumentation, dass negative Prüfungsergebnisse Bemühen erkennen lassen! Entweder zählt der Erfolg oder das Bemühen! Eine negative Prüfungsnote wäre wirklich nicht schwer zu bekommen gewesen.

3. Den von Ihnen verlangten Nachweis über den Besuch von Lehrveranstaltungen haben Sie ignoriert. Oder wollten Sie mich mit falschen Informationen nur hinhalten? Sie haben eine Abgangsbescheinigung von der Universität verlangt, obwohl Sie wissen sollten, dass das nicht erforderlich gewesen wäre. Die Besorgung dieser Bescheinigung hat mich zwei Urlaubstage gekostet, die Nachweise über den Besuch von Lehrveranstaltungen einen weiteren Tag.

4. Sie erwähnen in Ihrer Begründung, dass die vorgesehenen Studienabschnitte um das Toleranzsemester überschritten werden können. Mein Sohn war im 1. Abschnitt und war im Grunde im Plansoll, auch ohne Prüfungen abgelegt zu haben. Wenn ich Ihren Argumenten Glauben schenken kann, müsste ich eigentlich zumindest für ein halbes Jahr die Familienbeihilfe zu Recht bezogen haben, da in den ersten Monaten kaum Prüfungen abgelegt werden können. Wenn ich allerdings die amtliche Mitteilung über den Bezug der Familienbeihilfe ansehe, glaube ich, dass mir die gesamte Familienbeihilfe zu Recht zugestanden ist. Schließlich schreiben Sie, dass Sie den Anspruch auf Familienbeihilfe überprüft haben!"

Über die Berufung wurde erwogen:

Gemäß § 2 Abs. 1 lit. b FLAG besteht Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die das 26. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist.

Sachverhaltsmäßig steht fest, dass der Sohn des Bw. das Studium der Astronomie im Wintersemester 2003/2004 begonnen und im September 2004 abgebrochen hat. In welchem Ausmaß der Sohn des Bw. an Lehrveranstaltungen teilgenommen hat bzw. ob er Prüfungen abgelegt hat, konnte seitens des Finanzamtes nicht festgestellt werden und wurden auch vom Bw. keine Zeugnisse vorgelegt. Es liegt lediglich die Bestätigung eines Professors vor, dass der Sohn des Bw. an dessen Vorlesungen "Einführung in die Physik I im WS/2003/04" teilgenommen hat. Von Seiten der anderen befragten Professoren wurde darauf verwiesen, dass eine Führung von Anwesenheitslisten nicht üblich sei.

Gemäß § 2 Abs. 1 lit. b FLAG gilt die Aufnahme als ordentlicher Hörer als Anspruchsvoraussetzung für das erste Studienjahr. Erst ab dem zweiten Studienjahr wird ein Erfolgsnachweis für das erste Studienjahr gefordert.

Es war somit für den Bezug der Familienbeihilfe auch nicht maßgeblich, ob der Sohn des Bw. im 1. Studienjahr Prüfungen abgelegt hat oder nicht.

Die Abgabenbehörde erster Instanz hat im vorliegenden Fall somit zu Unrecht die Familienbeihilfe und den Kinderabsetzbetrag für das erste Studienjahr (Oktober 2003 bis September 2004) zurückgefordert.

Der Berufung war daher stattzugeben und der Rückforderungsbescheid aufzuheben.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
Schlagworte
Zielstrebigkeit
Studienabbruch

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at