Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSK vom 16.03.2010, RV/0064-K/05

Eigenverbrauchsbesteuerung von PKW-Leasing im Lichte des Gemeinschaftsrechtes betreffend den Veranlagungszeitraum 2003

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw. GmbH, S, vertreten durch Mag. St, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Salzburg-Stadt, dieses vertreten durch HR L, vom (als Folge des § 274 BAO) betreffend Umsatzsteuer 2003 entschieden:

Der Berufung wird Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden diese einen Bestandteil dieses Bescheidspruches.

Entscheidungsgründe

Die Berufungswerberin (Bw.) wies in ihrer Umsatzsteuererklärung für 2003 ua. steuerpflichtige Umsätze in Höhe von € 8.154.017,15 (20%, Kz 022) bzw. € 23.507.578,30 (10%, Kz 029) aus.

Mit Eingabe vom teilte der steuerliche Vertreter dem Finanzamt mit, dass der Bw. im Jahre 2003 von der in D-111 ansässigen Fa. W GmbH ein PKW gegen Entgelt zur Verfügung gestellt worden sei. Die Kosten für die Überlassung dieses Fahrzeuges seien der Bw. mit Faktura vom in Rechnung gestellt worden. In der am beim Finanzamt eingereichten Umsatzsteuererklärung für 2003 habe dieser Vorgang (Eigenverbrauchstatbestand nach § 1 Abs. 1 Z. 2 lit d UStG 1994) allerdings keinen Niederschlag gefunden. Dieser sei daher im Zuge der Veranlagung für 2003 wie folgt zu berücksichtigen:


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Abschreibung
Euro 2.417,39 (siehe Rechnung)
Zinsen
Euro 483,00 (siehe Rechnung)
+ 4% Aufschlag
Euro 2.900,39
davon 20% Umsatzsteuer
Euro 580,08

Das Finanzamt veranlagte zunächst vorläufig (§ 200 Abs. 1 BAO) und brachte bei der Ermittlung der Steuerbemessungsgrundlage (20% Normalsteuersatz) einen Eigenverbrauch in Höhe von € 2.900,39 in Ansatz. Sonach ergab sich eine bescheidmäßig ausgewiesene Umsatzsteuerbemessungsgrundlage (Umsätze 20 %) in Höhe von € 8.156.917,54.

In der Berufungseingabe vom wandte die Bw. ein, dass der dem Finanzamt bekannt gegebene Eigenverbrauch in Höhe von € 2.900,39 für grenzüberschreitendes Leasing sich auf das gesamte Jahr 2003 beziehen würde. Eine Eigenverbrauchsbesteuerung sei aber erst ab dem durchzuführen. Sonach ergebe sich ein um drei Monate (Jänner bis März 2003) einzukürzender Eigenverbrauch in Höhe von € 2.262,30. In eventu begehrte die Bw., die Behörde möge aufgrund gemeinschaftsrechtlicher Vorgaben von einer Eigenverbrauchsbesteuerung zur Gänze Abstand zu nehmen.

In der Berufungsbegründung führte die Bw. in Bezug auf dieses Eventualbegehren wörtlich Nachstehendes aus:

"Die Bestimmung des § 1 Abs. 1 Z 2b UStG stützt sich auf Art. 17 Abs. 7 der 6. MWSt-RL. Es ist jedoch fraglich, ob die Durchführung des Konsultationsverfahrens und die zeitliche Befristung der Regelung allein ausreichen, eine Eigenverbrauchsbesteuerung des Auslandsleasings durchzuführen, oder ob nicht weitere Voraussetzungen, insbesondere eine konjunkturelle Maßnahme, vorliegen müssen. Diese Voraussetzung ist wahrscheinlich nicht erfüllt, da die gegenständliche Eigenverbrauchsbesteuerung bereits seit 1995 besteht. Damit würde aber die Regelung des § 1 Abs. 1 Z 2b USt G dem EU-Recht widersprechen und auch innerstaatlich nicht anwendbar sein."

Das Finanzamt verfügte mit Datum zunächst die Endgültigerklärung des vorläufig ergangenen Umsatzsteuerbescheides ohne jedoch auf das Berufungsvorbringen einzugehen und ohne Abänderung der Steuerbemessungsgrundlagen.

Mit Berufungsvorentscheidung vom gab das Finanzamt der Berufung gegen den Umsatzsteuerbescheid 2003 teilweise Folge und brachte den im Erstbegehren dargelegten Eigenverbrauch von € 2.262,30 (anstelle der bisher angesetzten € 2.900,39) in Ansatz.

Dem Eventualbegehren blieb indessen unter Hinweis darauf, dass infolge der durch das BGBl I Nr.10/2003 geschaffenen Rechtslage, die Eigenverbrauchsbesteuerung ab dem mit den gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen in Einklang stehe, die Anerkennung versagt.

Mit Eingabe vom beantragte die Bw. die Vorlage ihrer Berufung an den UFS als Abgabenbehörde zweiter Instanz.

Über die Berufung wurde erwogen:

In Streit steht die Rechtsfrage, ob die Bestimmung des § 1 Abs. 1 Z. 2 lit. d UStG 1994 in der ab geltenden Fassung des BGBl. I Nr. 10/2003 europarechtskonform sei oder nicht.

Gemäß dem Auffangtatbestand des § 3a Abs. 12 UStG 1994 wird eine sonstige Leistung an dem Ort ausgeführt, an dem der Unternehmer sein Unternehmen betreibt. Wird die sonstige Leistung von einer Betriebsstätte ausgeführt, so gilt die Betriebsstätte als Ort der sonstigen Leistung.

Daher gelten Leasing- bzw. Mietumsätze, unabhängig davon, wo das Fahrzeug genutzt wird, als in jenem Mitgliedsstaat ausgeführt, in dem der Leasinggeber (Vermieter) sein Unternehmen betreibt. Im gegenständlichen Fall ist dies - unstrittig - Deutschland.

Gemäß § 1 Abs. 1 Z 2 UStG 1994 unterliegt der Umsatzsteuer auch der Eigenverbrauch im Inland.

Gemäß § 1 Abs. 1 Z 2 lit. d UStG 1994 idF BGBl Nr. 21/1995 liegt ein Eigenverbrauch (auch) vor, soweit ein Unternehmer Ausgaben (Aufwendungen) tätigt, die Leistungen im Ausland betreffen, die, wären sie im Inland an den Unternehmer ausgeführt worden, den Unternehmer nach § 12 Abs. 2 Z 2 nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt hätten; dies gilt nur insoweit, als der Unternehmer im Ausland einen Anspruch auf Vergütung der ausländischen Vorsteuer hat.

Diese Regelung, die am in Kraft getreten war, wies keine Befristung auf.

Durch BGBl I Nr. 10/2003, ausgegeben am , wurde § 1 Abs. 1 Z 2 lit. d UStG 1994 um folgenden Satz ergänzt: "Lit. d ist auf Umsätze anzuwenden, die vor dem ausgeführt werden". Diese Bestimmung trat am in Kraft.

In der Begründung des zugrunde liegenden Initiativantrages wurde ua. ausgeführt:

"Mit dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union wurde die Ortsbestimmung bei der Vermietung von Kraftfahrzeugen entsprechend der 6. EG-Richtlinie dahingehend geändert, dass der Ort der Vermietung dort liegt, wo der Vermieter den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit oder eine feste Niederlassung hat.

Um den Vorsteuerausschluss im bisherigen Ausmaß beibehalten zu können, wurde der Steuertatbestand des § 1 Abs. 1 Z 2 lit. d geschaffen. Danach wird die Vermietung (Leasing) mit einer Steuer belegt, soweit der Vermietungsumsatz gemäß Art. 9 Abs. 1 der 6. EG-Richtlinie im Ausland liegt und dieser Umsatz dort zum Vorsteuerabzug führt, das Kraftfahrzeug jedoch im Inland verwendet bzw. genutzt wird.

Die Richtlinienkonformität des § 1 Abs. 1 Z 2 lit. d (UStG) wurde vom Verwaltungsgerichtshof bezweifelt und von diesem ein Vorabentscheidungsersuchen beim Europäischen Gerichtshof gestellt. Dieses Verfahren ist derzeit unter der Rechtssache C-155/01 anhängig.

In den Schlussanträgen kommt der Generalanwalt aus verschiedenen Gründen zu dem Ergebnis, dass die Bestimmung des § 1 Abs. 1 Z 2 lit. d nicht den Bestimmungen der 6. EG-Richtlinie entspricht.

Folgt der Europäische Gerichtshof der Argumentation des Generalanwaltes würde das bereits ab Beginn 2003 massive Verlagerungen des Inlandsleasings und des Inlandskaufes (Substituierung durch Leasing) ins Ausland bedeuten. Damit wären Einnahmenausfälle in Höhe von ca. 350 Mio € verbunden.

Gemäß Art. 17 Abs. 7 der 6. EG-Richtlinie kann ein Mitgliedstaat aus konjunkturellen Gründen das Recht auf Vorsteuerabzug ausschließen bzw. wenn keine Mehrwertsteuerbelastung stattgefunden hat, in der Weise eine Besteuerung durchführen, dass diese Steuer die Mehrwertsteuer nicht überschreitet, die beim entsprechenden Erwerb zu entrichten wäre. Eine solche Bestimmung muss zeitlich beschränkt sein und ist nur nach der in Art. 29 der 6. EG-Richtlinie geregelten Konsultation des Mehrwertsteuerausschusses zulässig.

Die bestehende Regelung des § 1 Abs. 1 Z 2 lit. d soll daher unter Bezugnahme auf Art. 17 Abs. 7 der 6. EG-Richtlinie bis Ende 2005 beibehalten werden.

Österreich hat bei der 66. Sitzung des Mehrwertsteuerausschusses am das Konsultationsverfahren gemäß Art. 29 der 6. EG-Richtlinie eingeleitet und die konjunkturellen Gründe sowie die beabsichtigte Maßnahme im Sinne des Art. 17 Abs. 7 der 6. EG-Richtlinie dargelegt. Die Konsultation Österreichs wurde bei der 67. Sitzung des Mehrwertsteuerausschusses am zur Kenntnis genommen.

Ergeht ein negatives Urteil des Europäischen Gerichtshofes, ist das Urteil auf Sachverhalte nach dem Inkrafttreten der Befristung des § 1 Abs. 1 Z 2 lit. d nicht mehr anzuwenden."

Nach Art. 17 Abs. 7 der Sechsten Richtlinie kann jeder Mitgliedstaat vorbehaltlich der in Artikel 29 vorgesehenen Konsultation aus Konjunkturgründen die Investitionsgüter oder bestimmte Investitionsgüter oder andere Gegenstände von der Vorsteuerabzugsregelung teilweise oder gänzlich ausschließen. Die Mitgliedstaaten können zur Wahrung gleicher Wettbewerbsbedingungen - anstatt den Vorsteuerabzug abzulehnen - die Gegenstände, welche der Steuerpflichtige selbst hergestellt oder im Inland erworben oder auch eingeführt hat, in der Weise besteuern, dass diese Steuer die Mehrwertsteuer nicht überschreitet, die beim Erwerb entsprechender Gegenstände zu entrichten wäre.

Zu der für das gegenständliche Verfahren grundlegenden Frage der Gemeinschaftskonformität ist auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 2008/15/0109, zu verweisen. In dieser zur Umsatzsteuer des Veranlagungszeitraumes 2003 ergangenen Entscheidung hat der Verwaltungsgerichtshof in klarer Weise die Konformität der Bestimmung des § 1 Abs. 1 Z 2 lit. d UStG 1994 idF des BGBl. I Nr. 10/2003 mit dem Gemeinschaftsrecht verneint. Dabei hat das Höchstgericht im Wesentlichen ausgeführt, dass die Bestimmung des § 1 Abs. 1 Z. 2 lit. d UStG 1994 bereits seit in Geltung gestanden sei und durch die Gesetzesnovelle des BGBl I Nr. 10/2003 lediglich einer zeitlichen Befristung unterzogen worden sei. Die von Seiten der Finanzverwaltung vertretene Ansicht, dass aufgrund der Entscheidung des EuGH in der Rs C-155/01 ("Cookies World") eine Eigenverbrauchsbesteuerung bis einschließlich März 2003 ohnedies nicht vorzunehmen sei, wohl aber aufgrund der Novellierung durch das BGBl I Nr. 10/2003 für nachfolgende (nach dem liegende) Zeiträume, verkenne, dass die oben zitierte Bestimmung des UStG 1994 auch für den Zeitraum vom bis Teil der österreichischen Rechtsordnung gewesen sei.

Eine Berufung auf Art. 17 Abs. 7 der Sechsten Richtlinie habe zur Voraussetzung, dass dem Erlass dieser Regelung die Konsultation des Mehrwertsteuerausschusses voranzugehen habe. Dies sei gegenständlich nicht geschehen, weshalb auch aus diesem Grunde die Bestimmung des § 1 Abs. 1 Z 2 lit. d UStG 1994 unter Hinweis auf das Urteil Stradasfati Srl RS C-228/05 keinesfalls durch Art. 17 Abs. 7 der Sechsten Richtlinie gedeckt sein könne.

Weiters führte der VwGH unter Verweis auf die Entscheidung "Cookies World" aus, dass die gegenständliche Regelung des § 1 Abs. 1 Z 2 lit. d UStG 1994 auch keinen Vorsteuerausschluss vorsehe, wie dieser in Art. 17 Abs. 7 der Sechsten Richtlinie angeführt werde. Die besagte Norm stelle vielmehr einen durch die Sechste Richtlinie nicht vorgesehenen Umsatzsteuertatbestand dar, zumal dieser Umsatz bereits in einem anderen Land des Gemeinschaftsgebietes zulässigerweise der Umsatzsteuer unterzogen worden sei.

Zudem hat der VwGH auch das Vorliegen der geforderten konjunkturellen Gründe für eine derartige Maßnahme als nicht gegeben erachtet. Die Frage, ob es sich dabei um eine begrenzte konjunkturelle oder eine strukturelle Maßnahme handle, sei - so der Gerichtshof - im Lichte der Entscheidung Stradasfalti Srl zu beurteilen. Dabei indiziere die Verlängerung der Befristung keine konjunkturelle Maßnahme, sondern zeige vielmehr auf, dass strukturelle Erwägungen dafür ausschlaggebend gewesen seien. Auch aus diesem Grunde bleibe kein Raum dafür, die genannte Bestimmung als Anwendungsfall des Art. 17 Abs. 7 der Sechsten Richtlinie zu werten.

Darüber hinaus habe die Bundesregierung die von ihr angeführten "konjunkturellen Gründe" im BGBl I Nr. 10/2003 auch nicht spezifiziert, was einer Anwendung des Art. 17 Abs. 7 der Sechsten Richtlinie ebenfalls entgegenstehe.

Da somit nach den eindeutigen und unmissverständlichen Aussagen des VwGH in seinem Erkenntnis vom , Zl. 2008/15/0109, die Eigenverbrauchsbesteuerung des § 1 Abs. 1 Z 2 lit. d UStG 1994 idF des BGBl. I Nr. 10/2003 keine Deckung in der Sechsten Richtlinie findet und es den Mitgliedstaaten untersagt ist, nicht durch die Richtlinie gedeckte Steuertatbestände zu normieren, kann die genannte Norm keinesfalls zum Nachteil des Abgabepflichtigen angewendet werden. Vielmehr ist in unmittelbarer Anwendung des Gemeinschaftsrechtes die Besteuerung des wirtschaftlichen Vorganges "Vermietung eines Beförderungsmittels" mit der Besteuerung am Sitz des Vermieters endgültig abgeschlossen.

Die strittige Eigenverbrauchsbesteuerung iZm dem in Deutschland gemieteten PKW hat daher in Ansehung des Anwendungsvorranges gemeinschaftsrechtlicher Bestimmungen zu entfallen.

Der Berufung war daher (im Sinne des Eventualbegehrens) Folge zu geben. Der erstinstanzlich in Ansatz gebrachte Eigenverbrauch (€ 2.900,38) war aus der Umsatzsteuerbemessungsgrundlage auszuschälen.

Der Vollständigkeit halber bleibt darauf hinzuweisen, dass sich die Berufung gegen den vorläufig ergangenen Umsatzsteuerbescheid 2003 aufgrund der Bestimmung des § 274 BAO - somit ex lege - auch gegen den endgültigen Umsatzsteuerbescheid 2003 vom richtet, zumal der endgültige Bescheid dem Berufungsbegehren keine Rechnung trägt.

Beilage : 1 Berechnungsblatt

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
Schlagworte
Eigenverbrauchsbesteuerung
PKW-Leasing
Gemeinschaftsrecht
Verweise

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at