Zurückweisung von Anträgen wegen entschiedener Sache
VwGH-Beschwerde zur Zl. 2013/13/0010 eingebracht. Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom abgelehnt. Wiederaufnahme zur Zl. 2013/13/0078 beantragt. Mit Beschluss vom wird dem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens nicht stattgegeben.
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw., vertreten durch Dr. Rebekka Stern, Steuerberaterin & Wirtschaftsprüferin, 1030 Wien, Hintere Zollamtsstraße 15/1/30, gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 9/18/19 Klosterneuburg betreffend Zurückweisung von Anträgen auf Durchführung der Einkommensteuerveranlagung für die Jahre 2005 bis 2009 entschieden:
Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.
Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.
Entscheidungsgründe
Der Berufungswerber (Bw.) hat für die Jahre 2005 bis 2009 "Erklärungen zur ArbeitnehmerInnenveranlagung" abgegeben. Die Veranlagungen erfolgten erklärungsgemäß am , , , und .
Am langten im Finanzamt berichtigte Erklärungen für die obigen Jahre (sowie für 2010) ein, in denen der nunmehr steuerlich vertretene Bw. Pflegeheimkosten und Kosten der Heilbehandlung zusätzlich als außergewöhnliche Belastung geltend machte.
Das Begleitschreiben hierzu vom lautet wörtlich wie folgt:
"(Bw.)
Steuernummer...
Erklärungen zur ArbeitnehmerInnenveranlagung
Sehr geehrte Damen und Herren!
Folgende 8 (Beilege(n) wird (werden) Ihnen zur gefälligen Kenntnisnahme überreicht:
- Erklärung zur ArbeitnehmerInnenveranlagung 2005, 2006, 2007, 2008, 2009 und 2010 samt Beilage
- Steuervollmacht
-Kfz-Zulassungsschein"
Das Finanzamt wies die Eingabe vom mit der Begründung zurück, die Veranlagung sei bereits durchgeführt worden; eine weitere Antragstellung in entschiedener Sache sei unzulässig.
In der dagegen gerichteten Berufung brachte der Bw. vor, mit der Einbringung der berichtigten Erklärungen zur ArbeitnehmerInnenveranlagung seien der Finanzbehörde nachträglich Tatumstände zugänglich gemacht worden, von denen es zuvor noch keine Kenntnis gehabt habe. Die neu hervorgekommenen Tatsachen führten zu einer anderen als der tatsächlich getroffenen Entscheidung.
Der Bw. legte sodann die Umstände dar, die seiner Ansicht nach für eine Anerkennung der geltend gemachten Aufwendungen sprechen.
Das Finanzamt wies die Berufung mittels Berufungsvorentscheidung ab; bei den vom Bw. eingereichten Erklärungen für die Jahre 2005 bis 2009 handle es sich um keine Anträge auf Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 BAO. Vielmehr lägen "Zweitanträge" vor. Das Finanzamt verwies in diesem Zusammenhang auf das Erkenntnis des , 0044.
In seinem Vorlageantrag legte der Bw. dar, warum seiner Meinung nach die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 303 Abs. 4 BAO erfüllt seien.
Über die Berufung wurde erwogen:
Anträge sind unter anderem dann zurückzuweisen, wenn in ein und derselben Sache die Abgabenbehörde bereits einmal rechtskräftig entschieden hat (Grundsatz "ne bis in idem"). Der Grundsatz "ne bis in idem" besagt, dass eine Abgabenbehörde in ein und derselben Sache nicht zweimal entscheiden darf (Unwiederholbarkeit, Einmaligkeitswirkung). Dieser in der Bundesabgabenordnung nicht ausdrücklich verankerte Grundsatz gehört zu den grundlegenden Pfeilern der Verfahrensordnung (siehe ; ) und ist mit dem Begriff "Rechtskraftwirkung von Bescheiden" untrennbar verbunden. Die formelle Rechtskraft ist ausschließlich prozessualer Natur und bedeutet die Unanfechtbarkeit eines Bescheides im ordentlichen Rechtsmittelverfahren. Die materielle Rechtskraft eines Bescheides (sie setzt die formelle Rechtskraft des Bescheides voraus), steht der Erlassung weiterer Bescheide in derselben Sache entgegen, dh das Verbot des "ne bis in idem" ist eine Folge der materiellen Rechtskraft (siehe Bichler, "Ne bis in idem", Das Problem der Rechtskraft im Abgabenverfahren, ÖStZ 1995, 233).
Auch das vom Finanzamt bereits zitierte einen annähernd identen Fall betreffende Erkenntnis des , 0044 spricht gegen den Standpunkt des Bw.; sachverhaltsmäßig geht aus dem Erkenntnis hervor, dass der an das Finanzamt gerichtete (zweite) Jahresausgleichsantrag des Beschwerdeführers für das Jahr 1989 zu einem Zeitpunkt beim Finanzamt eingelangt war, als dieses den Jahresausgleichsbescheid für das Jahr 1989 und den Freibetragsbescheid für das Jahr 1991 schon erlassen hatte. Der VwGH hat entschieden, dass die neuerliche Antragstellung auf Erlassung der tatsächlich bereits erlassenen Bescheide unzulässig gewesen sei.
Auch im vorliegenden Berufungsfall hat der Bw., wie aus dem zitierten wörtlich wiedergegebenen Begleitschreiben vom hervorgeht, neuerliche Anträge betreffend Zeiträume eingebracht, über die bereits rechtskräftig entschieden wurde. Da beurteilt werden muss, ob über diese Anträge materiell abgesprochen werden musste, kann hieran auch nichts ändern, wenn der Bw. nunmehr nachträglich darlegt, dass die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Verfahrens erfüllt gewesen sein sollen. Bei den in Rede stehenden Anträgen hat es sich nämlich, wie aus dem Text des Begleitschreibens eindeutig hervorgeht, eben nicht um solche auf Wiederaufnahme des Verfahrens gehandelt. Aufgrund der klaren Textierung ist auch eine Umdeutung der Anträge in andere vom Bw. möglicherweise intendierte nicht möglich. Hinzuzufügen ist, dass ein Antrag nach § 303 Abs. 4 BAO, wie dies dem Bw. nunmehr offensichtlich vorschwebt, gesetzlich nicht vorgesehen ist.
Somit kann dem Finanzamt nicht entgegen getreten werden, wenn es die neuerlichen Anträge auf Durchführung der Einkommensteuerveranlagung für die Jahre 2005 bis 2009 wegen entschiedener Sache zurückgewiesen hat.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | § 303 Abs. 4 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 273 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at