TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
Berufungsentscheidung - Steuer (Senat), UFSS vom 29.04.2009, RV/0201-S/09

Wiederaufnahme wegen Nichtbescheid im F-Verfahren

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat durch den Vorsitzenden Dr. Ralf Schatzl und die weiteren Mitglieder Mag. Erich Schwaiger, Dr. Walter Zisler und Martina Blaha über die Berufung der Bw., Adresse, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Salzburg-Stadt, vertreten durch Dr. Alfred Schmidt, vom betreffend die Zurückweisung des Antrages vom auf Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 Abs. 1 lit. b BAO betreffend Einkommensteuer 1989 in nicht mündlicher Verhandlung entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Entscheidungsgründe

Mit dem formularartigen Schreiben vom , in dem nur die persönlichen Daten der Berufungswerberin handschriftlich ergänzt wurden, beantragte diese "die Wiederaufnahme des Verfahrens gem. § 303 BAO" und führte aus, sie beträfe den "gem. § 295 abgeänderten Einkommensteuerbescheid 1989 ausgestellt am TAG, MONAT; JAHR".

Als einzigen Wiederaufnahmegrund führte sie an, dass mit Bescheid vom festgestellt worden sei, dass der dem Einkommensteuerbescheid 1989 zugrunde liegende Bescheid bezüglich der Feststellung der Einkünfte gem. § 188 BAO der "AGundMitges"vom für das Jahr 1989 mangels gültigem Bescheidadressaten der Bescheidcharakter fehle und dieser somit keine normative Kraft entfalten könne. Es handle sich um einen Nichtbescheid ().

Die Qualifizierung des Grundlagenbescheides als Nichtbescheid stelle eine neu hervorgekommene Tatsache im Sinne des § 303 Abs. 1 lit. b BAO dar und sei als tauglicher Wiederaufnahmegrund zu qualifizieren. Wenn selbst der bescheiderlassenden Behörde die Tatsache nicht bekannt gewesen sei, dass der Grundlagenbescheid nicht über Bescheidcharakter verfügte, so könne diese Tatsache im Verhältnis zum Rechtsunterworfenen nur als "neu hervorgekommen" gelten. Den Wiederaufnahmewerber treffe kein grobes Verschulden an der Nichtgeltendmachung dieses Umstandes. Diese Rechtsansicht werde durch eine Erledigung des Bundesministeriums für Finanzen vom geteilt.

Weiters wies die Berufungswerberin darauf hin, dass die Wiederaufnahme des rechtskräftigen Verfahrens zu einem abgeänderten Einkommensteuerbescheid 1989 führe. Sie ergänzte, dass der strittige Feststellungsbescheid vom zuerst mit Berufung und dann am mittels Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof bekämpft worden sei. Diese Beschwerde sei mit Beschluss vom zurückgewiesen worden (). Daraufhin habe das Finanzamt Wien 6/7/15 mit einen Bescheid erlassen, mit dem es die diesbezügliche Berufung vom mangels gültigem Bescheidadressaten als unzulässig zurückgewiesen habe.

Die vorgenommene Abänderung des Einkommensteuerbescheides 1989 gem. § 295 BAO sei auf Basis eines Nichtbescheides erfolgt und entspreche damit nicht den gesetzlichen Erfordernissen.

Das Finanzamt wies den Wiederaufnahmeantrag mit Bescheid vom zurück und begründete dies damit, die Wiederaufnahme sei ausgeschlossen, da die Frist des § 304 lit. b BAO bereits abgelaufen sei.

In der Berufung vom bestritt die Berufungswerberin diese Tatsache. Sie stützte sich - im Kern - darauf, am sei eine einheitliche und gesonderte Feststellungserklärung zur AGundMitges abgegeben worden, über die am erklärungsgemäß abgesprochen worden sei. Nach Durchführung einer Wiederaufnahme des Verfahrens sei dieser Bescheid durch den - schon oben beschriebenen - Feststellungsbescheid vom ersetzt worden, zu dem nun mit Bescheid vom (Anm. des Finanzamtes Wien 6/7/15) festgestellt worden sei, dass er nichtig gewesen sei. Grund für die nichtigen Bescheide seien Fehler in der Adressierung gewesen. Insbesondere seien in dem einheitlich und gesonderten Feststellungsbescheid bereits verstorbenen Personen angeführt worden.

Diesbezüglich sei zu beachten, dass auch in dem (Erst)Bescheid vom bereits verstorbene Personen angeführt worden seien. Somit sei auch dieser Bescheid als Nichtbescheid zu qualifizieren, womit über die Erklärung zur einheitlichen und gesonderten Feststellung der Einkünfte nicht bescheidmäßig abgesprochen worden sei. Damit sei gem. § 209a Abs. 2 BAO Verjährung für 1989 noch nicht eingetreten.

Die Berufung wurde mittels Berufungsvorentscheidung vom als unbegründet abgewiesen. In der Begründung verwies das Finanzamt auf mehrere Entscheidungen des Unabhängigen Finanzsenats und zitierte eine davon auszugsweise (, veröffentlicht in der Findok unter www.bmf.gv.at).

Die Berufungswerberin beantragte daraufhin mit einem weiteren formularartigen Schreiben vom die Vorlage der Berufung an den Unabhängigen Finanzsenat und die Entscheidung durch den gesamten Berufungssenat.

● Sie rügte, das Finanzamt habe in der Berufungsvorentscheidung unterstellt, dass ihr die Tatsache der Erlassung des Nichtbescheides vom ab dem Jahr 1997 bekannt gewesen sei und bestritt diese Tatsache.

● Sie behauptete weiters, das Finanzamt sei der Meinung, der Verwaltungsgerichtshof habe im Beschluss vom dem Grundlagenbescheid jeglichen Bescheidcharakter abgesprochen, und bestritt diese Tatsache.

● Die Frist für den Antrag auf Wiederaufnahme beginne nicht früher zu laufen, als beim zuständigen Finanzamt die Verständigung über die Abänderung, Aufhebung oder Feststellung der Unwirksamkeit des Feststellungsbescheides einlangt und nach außen erkennbar in Erscheinung tritt, insbesondere auch nicht früher, als dem Abgabenpflichtigen verlässlich bekannt wird, dass das zuständige Finanzamt darauf nicht mit amtswegiger Erlassung eines abgeleiteten Bescheides reagiere.

● Sie bekräftigte die Behauptung, über die Feststellungserklärung vom sei bis dato nicht bescheidmäßig abgesprochen worden, womit gem. § 209a Abs. 2 BAO keine Verjährung eingetreten sei.

Abschließend verwies die Berufungswerberin auf die Möglichkeit der amtswegigen Wiederaufnahme sowie die Voraussetzungen des § 295 BAO.

Im Vorlageantrag wurde die Entscheidung durch den gesamten Berufungssenat beantragt:

Über die Berufung wurde deshalb durch den gesamten Berufungssenat erwogen:

Die Entscheidung basiert auf dem nachstehend dargestellten, unbestrittenen Sachverhalt, der in den Akten des Finanzamtes sowie des Unabhängigen Finanzsenats abgebildet ist.

1 Sachverhalt und Beweiswürdigung

1.1 Verjährung

Die Berufungswerberin beantragte die Wiederaufnahme der Einkommensteuerverfahrens 1989. Faktum ist, dass der letzte Bescheid, der über diese Abgabe absprach, im November 1997 erging, nicht bekämpft wurde und damit 1997 in Rechtskraft erwuchs.

1.2 Wiederaufnahmegrund

Der einzige vorgebrachte Wiederaufnahmegrund liegt in der Feststellung des Finanzamtes Wien 6/7/15, das mit Bescheid vom aussprach, dass der Bescheid bezüglich der Feststellung der Einkünfte gem. § 188 BAO 1989 vom der "AGundMitges" (St.Nr. 999/9999) mangels gültigem Bescheidadressaten der Bescheidcharakter fehlt und dieser somit keine normative Kraft entfalten konnte. Dieser Ausspruch des Finanzamtes wurde nicht näher begründet.

Die Berufungswerberin führte wörtlich aus:

Die Qualifizierung des Grundlagenbescheides als Nichtbescheid stellt eine neu hervorgekommene Tatsache im Sinne des § 303 Abs. 1 lit. b BAO dar und ist als tauglicher Wiederaufnahmegrund zu qualifizieren.

Dieser Bescheid erging - wie von der Berufungswerberin selbst dargestellt - offenbar als Reaktion auf den . Mit diesem sprach das Höchstgericht aus, die Berufungsentscheidung sei kein Bescheid gewesen, weil sie sich unter anderem an nicht mehr existierende Personen gerichtet hatte.

Die von der Berufungswerberin zitierte Beschwerde (VwGH Zl. 2002/13/0225) wurde von insgesamt 976 Beschwerdeführern eingebracht. Sie scheint darin als Beschwerdeführerin Nr. ## auf. Dieses Schriftstück wurde am beim Verwaltungsgerichtshof eingebracht. Auf den Seiten 26 bis 30 dieses Schriftstückes wird ausführlich dargestellt, dass unter anderem der Feststellungsbescheid 1989 vom falsch adressiert gewesen sei. So weist etwa der zusammenfassende Punkt 1.4.1 unter der Überschrift "Nicht-Bescheide 1997" die folgende Textierung auf:

Wie oben nachgewiesen, sind die Feststellungsbescheide [...], die infolge der Betriebsprüfung [...] erlassen wurden, nicht rechtswirksam ergangen, da die Voraussetzungen [...] hinsichtlich der korrekten Benennung des Bescheidadressaten nicht erfüllt sind.

Damit bestehen keine Zweifel daran, dass das Finanzamt mit der nunmehrigen Zurückweisung vom nur einen Mangel bestätigte, der der Berufungswerberin selbst (bzw. deren Berater) schon spätestens im Dezember 2002 bekannt und bewusst gewesen ist.

In der Zwischenzeit erging ein weiterer mit datierter Bescheid, in dem der Ausspruch des am erlassenen Schriftstückes wiederholt wurde, dass es sich beim Bescheid bezüglich der Feststellung der Einkünfte gem. § 188 BAO 1989 vom um einen "Nichtbescheid" gehandelt habe. Dieser neuerliche Ausspruch wurde zusätzlich mit dem Hinweis auf die Zustellfiktion des § 101 Abs. 4 BAO versehen, der im ersten Bescheid nicht enthalten war.

2 Rechtsgrundlagen und rechtliche Würdigung

2.1 Rechtzeitigkeit im Hinblick auf die 3-Monatsfrist des § 303 Abs. 2 BAO

Der Antrag auf Wiederaufnahme ist binnen einer Frist von drei Monaten von dem Zeitpunkt an, in dem der Antragsteller nachweislich von dem Wiederaufnahmsgrund Kenntnis erlangt hat, einzubringen (§ 303 Abs. 2 BAO).

Diese Frist beginnt mit Kenntnis des Wiederaufnahmegrundes und nicht erst mit dessen Beweisbarkeit zu laufen. Sie ist nicht verlängerbar (Ritz, BAO3, § 303 Tz 27f unter Verweis auf ). Der Berufungswerber hat sich dabei auch die Kenntnis seines Vertreters zurechnen zu lassen. Er hat gegenüber der Abgabenbehörde nämlich nicht nur seine eigenen Handlungen und Unterlassungen, sondern auch die derjenigen Personen zu vertreten, deren er sich zur Erfüllung seiner steuerlichen Pflichten bedient (vgl. ).

Ein verspäteter Wiederaufnahmegrund ist zurückzuweisen ().

Im Wiederaufnahmeantrag beruft sich die Berufungswerberin ausdrücklich darauf, die Qualifizierung des Grundlagenbescheides sei eine neu hervorgekommene Tatsache.

Dazu hat das Höchstgericht in ständiger Rechtssprechung (vgl. etwa ) ausgesprochen, Tatsachen im Sinn des § 303 Abs. 1 lit. b BAO seien ausschließlich mit dem Sachverhalt des abgeschlossenen Verfahrens zusammenhängende tatsächliche Umstände. Das sind Elemente, die bei einer entsprechenden Berücksichtigung zu einem anderen Ergebnis geführt hätten, wie etwa Zustände, Vorgänge, Beziehungen und Eigenschaften. Neue Erkenntnisse in Bezug auf die rechtliche Beurteilung solcher Sachverhaltselemente - gleichgültig, ob diese späteren rechtlichen Erkenntnisse durch die Änderung der Verwaltungspraxis oder der Rechtsprechung oder nach vorhergehender Fehlbeurteilung oder Unkenntnis der Gesetzeslage eigenständig gewonnen werden - sind danach keine neuen Tatsachen. Nur neu hervorgekommene Tatsachen oder Beweismittel, das sind solche, die schon vor Erlassung des das wieder aufzunehmende Verfahren abschließenden Bescheides bestanden haben, aber erst nach diesem Zeitpunkt bekannt wurden (nova reperta), kommen als tauglicher Wiederaufnahmsgrund im Sinne des Neuerungstatbestandes in Betracht. Erst nach Erlassung des das wieder aufzunehmende Verfahren abschließenden Bescheides entstandene Tatsachen oder Beweismittel (nova producta) sind keine Wiederaufnahmsgründe.

Die Entscheidung eines Gerichtes oder einer Verwaltungsbehörde in einer bestimmten Rechtssache stellt weder eine neue Tatsache (vgl. mwN), noch ein (neu hervorgekommenes) Beweismittel im Sinn des § 303 Abs. 1 lit. b BAO dar, sondern basiert vielmehr selbst auf Tatsachen bzw. Beweismitteln (vgl. ).

Damit kann zusammenfassend festgestellt werden, dass im Rahmen des Neuerungstatbestandes nicht - wie von der Berufungswerberin ins Treffen geführt - die Entscheidung über die Zurückweisung der Berufung vom sondern ausschließlich die Tatsachen und Beweismittel zu beurteilen sind, die zu dieser Entscheidung geführt haben (vgl. ). Die Entscheidung selbst kann schon deshalb nicht herangezogen werden, da es sich bei ihr um ein nach Erlassung des letztgültigen Einkommensteuerbescheides neu entstandenes Faktum (nova producta) handelt.

Die Tatsache sowie die Gründe der Falschadressierung des Feststellungsbescheides vom wurden von der Berufungswerberin am in einer VwGH-Beschwerde vorgebracht, bei der sie selbst als Beschwerdeführerin (Nr. ##) einschritt. Diese Tatsache und die entsprechenden Beweismittel waren ihr bzw. ihrem Vertreter damit spätestens an diesem Tag bekannt und bewusst.

Es ist richtig, dass diese Kenntnis noch nicht 1997 unterstellt werden kann, wobei der Unabhängigen Finanzsenat eine solche Behauptung der Berufungsvorentscheidung - entgegen der Rüge im Vorlageantrag - auch nicht entnehmen kann. Es ist auch richtig, dass der Verwaltungsgerichtshof im Beschluss vom nicht über den strittigen Grundlagenbescheid, sondern über die Berufungsentscheidung abgesprochen hat.

Das alles ändert aber nichts an der Tatsache, dass der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens mit datiert und damit trotzdem erst mehr als fünf Jahre nach dem Jahr der nachweislichen Kenntniserlangung (2002) der dafür behaupteten Gründe gestellt wurde. Damit war dieses Anbringen aus Sicht des Neuerungstatbestandes jedenfalls außerhalb der 3-Monatsfrist und damit verspätet.

Darauf hat - entgegen der Behauptung im Vorlageantrag - auch der Zeitpunkt keinen Einfluss, an dem die Verständigung über die Abänderung, Aufhebung oder Feststellung der Unwirksamkeit eines Feststellungsbescheides beim (Einkommensteuer-)Finanzamt einlangt. Bei der Bemessung der Dreimonatsfrist des § 303 Abs. 2 BAO kommt es nämlich nicht auf die Kenntniserlangung durch das festsetzende Finanzamt sondern ausschließlich auf den Zugang dieser Information an die Wiederaufnahmswerberin an (Ritz, BAO3, § 303 Tz 27f unter Verweis auf ).

Der Wiederaufnahmeantrag wurde vom Finanzamt deshalb schon allein aus diesem Blickwinkel zurecht zurückgewiesen. Die Berufung musste ins Leere gehen.

Trotzdem sollen auch - wie schon in der Berufungsvorentscheidung - die Fristen des § 304 BAO untersucht werden.

2.2 Rechtzeitigkeit im Hinblick auf die Fristen des § 304 BAO

§ 303 Abs. 1 und 2 BAO lauten:

(1) Dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens ist stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und

a) ...

b) Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, die im abgeschlossenen Verfahren ohne grobes Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten, oder

c) der Bescheid von Vorfragen abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der hiefür zuständigen Behörde (Gericht) in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde

und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte (§ 303 Abs. 1 lit. b BAO).

(2) Der Antrag auf Wiederaufnahme gemäß Abs. 1 ist binnen einer Frist von drei Monaten von dem Zeitpunkt an, in dem der Antragsteller nachweislich von dem Wiederaufnahmsgrund Kenntnis erlangt hat, bei der Abgabenbehörde einzubringen, die im abgeschlossenen Verfahren den Bescheid in erster Instanz erlassen hat.

Gemäß § 304 der Bundesabgabenordnung (BAO) ist nach Eintritt der Verjährung eine Wiederaufnahme des Verfahrens ausgeschlossen, sofern ihr nicht ein

a) innerhalb des Zeitraumes, bis zu dessen Ablauf die Wiederaufnahme von Amts wegen unter der Annahme einer Verjährungsfrist (§§ 207 bis 209 Abs. 2 BAO) von sieben Jahren zulässig wäre, oder

b) vor dem Ablauf einer Frist von fünf Jahren nach Eintritt der Rechtskraft des das Verfahren abschließenden Bescheides

eingebrachter Antrag gemäß § 303 Abs. 1 BAO zugrunde liegt.

2.2.1 Eintritt der Verjährung nach den allgemeinen Regeln (§ 304 lit. a BAO)

Damit ist zunächst zu prüfen, ob die Verjährung hinsichtlich der Einkommensteuer 1989 nach den allgemeinen Regeln - unter Annahme der Verlängerung der Verjährungsfrist auf sieben Jahre - bereits eingetreten wäre. Dabei ist zu beachten, dass die absolute Verjährungsfrist auch die Frist des § 304 lit. a BAO begrenzt (vgl. Ritz, BAO³, § 304 Tz 5 unter Hinweis auf Ellinger ua, BAO³, § 209 Anm. 20 und § 304 Anm. 2). Nach § 209 Abs. 3 BAO verjährt das Recht auf Festsetzung einer Abgabe spätestens zehn Jahre nach Entstehung des Abgabenanspruches im Sinne des § 4 BAO (absolute Verjährung).

Der Abgabenanspruch der veranlagten Einkommensteuer entsteht nach § 4 Abs. 2 lit. a Z 2 BAO mit Ablauf des Kalenderjahres, für das die Veranlagung vorgenommen wird. Damit ist die absolute Verjährung mit Ablauf des Jahres 1999 und somit jedenfalls vor dem Jahr 2007 eingetreten. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass diese Frist erst mit dem Steuerreformgesetz 2005 (BGBl. I 2004/57) von fünfzehn auf zehn Jahre verkürzt wurde, wäre sie selbst nach Maßgabe dieser längeren Frist mit Ablauf des Jahres 2004 eingetreten.

Der hier zu beurteilende Wiederaufnahmsantrag vom wurde damit nach Eintritt der absoluten Verjährung gestellt, was nach § 304 lit. a BAO nicht zulässig ist.

2.2.2 Die besondere Fünfjahresfrist (§ 304 lit. b BAO)

Das Gesetz erachtet einen Wiederaufnahmsantrag trotz Eintrittes der absoluten Verjährung als zulässig, wenn dieser innerhalb von fünf Jahren nach Eintritt der Rechtskraft des das Verfahren abschließenden Bescheides eingebracht wird. Unter Rechtskraft ist dabei die formelle Rechtskraft zu verstehen (Ritz, ÖStZ 1995, 120; Ellinger ua, BAO³, § 304 Anm. 5).

Im gegenständlichen Fall ist es unbestritten, dass die formelle Rechtskraft des Einkommensteuerbescheides 1989 vom November 1997 bereits in diesem Jahr eingetreten und dass damit zusätzlich diese Fünfjahresfrist spätestens 2002 abgelaufen war.

Damit ist der Wiederaufnahmeantrag auch unter diesem Aspekt nicht mehr zulässig.

2.2.3 Wirkungsweise des § 209a BAO

Der Berufungswerber wendete ein, Verjährung könne aufgrund des § 209a Abs. 2 BAO nicht eingetreten sein, weil der Einkommensteuerbescheid 1989 von der Erledigung eines Rechtsmittels gegen bzw. eines Antrages auf Erlassung des entsprechenden Feststellungsbescheides im Sinne des § 188 BAO abhängig sei. Dazu ist zu sagen:

§ 209a BAO lautet:

(1) Einer Abgabenfestsetzung, die in einer Berufungsentscheidung zu erfolgen hat, steht der Eintritt der Verjährung nicht entgegen.

(2) Hängt eine Abgabenfestsetzung unmittelbar oder mittelbar von der Erledigung einer Berufung oder eines in Abgabenvorschriften vorgesehenen Antrages (§ 85) ab, so steht der Abgabenfestsetzung der Eintritt der Verjährung nicht entgegen, wenn die Berufung oder der Antrag vor diesem Zeitpunkt, wenn ein Antrag auf Aufhebung gemäß § 299 Abs. 1 vor Ablauf der Jahresfrist des § 302 Abs. 1 oder wenn ein Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens rechtzeitig im Sinn des § 304 eingebracht wurde.

(3) Sofern nicht Abs. 1 oder 2 anzuwenden ist, darf in einem an die Stelle eines früheren Bescheides tretenden Abgabenbescheid, soweit für einen Teil der festzusetzenden Abgabe bereits Verjährung eingetreten ist, vom früheren Bescheid nicht abgewichen werden.

Es ist unbestritten, dass das Grundlagenverfahren über die einheitliche und gesonderte Feststellung der Einkünfte Auswirkungen auf das Einkommensteuerverfahren 1989 haben kann. Trotzdem führt das nicht dazu, dass die Einkommensteuer 1989 nicht der Verjährung unterliegen würde, nur weil in Bezug auf die Feststellung der Einkünfte Verfahren offen sind.

Schon aus dem Gesetzeswortlaut des § 209a BAO ergibt sich nämlich eindeutig, dass der Gesetzgeber nicht in die Verjährungs- oder Wiederaufnahmebestimmungen eingreifen wollte. Er wollte nur erlauben, dass eine Abgabenfestsetzung in bestimmten Fällen "trotz des Eintrittes der Verjährung" erfolgen kann.

Dazu zählt etwa der Fall, dass zum Feststellungsverfahren gem. § 188 BAO eine Berufung oder ein entsprechender Antrag (§ 85 BAO) anhängig ist, woraus sich die mittelbare Abhängigkeit des Einkommensteuerverfahrens ergibt. Im Falle der späteren Entscheidung über diese Anbringen kann die Einkommensteuerfestsetzung trotz Eintritts der Verjährung bei Vorliegen der anderen Voraussetzungen etwa gem. § 295 BAO angepasst werden (vgl. Ritz, BAO3, §209a Tz 6ff; Ellinger ua, BAO³, § 209a Anm. 10). Eine solche Entscheidung liegt bis dato nicht vor.

Da der hier zu beurteilende Wiederaufnahmeantrag bezüglich des Einkommensteuerverfahrens 1989 selbst jedenfalls nicht vor dem Eintritt der Verjährung eingebracht wurde, findet § 209a Abs. 2 BAO insofern darauf keine Anwendung. Die im vom Berufungswerber zitierten Schreiben des Bundesministeriums für Finanzen vom vertretene Rechtsansicht, wonach die Wiederaufnahme auch dann zu bewilligen sei, wenn die Bemessungsverjährung der Erlassung eines neuerlichen Änderungsbescheides entgegensteht, wird vom Unabhängigen Finanzsenat deshalb so nicht geteilt. Nach § 6 Abs. 1 des Bundesgesetzes über den unabhängigen Finanzsenat (BGBl. I Nr. 97/2002; kurz UFSG) sind die Mitglieder des unabhängigen Finanzsenates bei Besorgung der ihnen nach den Abgabenvorschriften (§ 3 Abs. 3 BAO) zukommenden Aufgaben weisungsfrei. Aus diesem Grunde hat die Beurteilung der gegenständlichen Rechtsfragen ausschließlich anhand der gesetzlichen Bestimmungen zu erfolgen, die nur die eben dargestellte Auslegung zulassen.

2.3 Ergebnis

Die vom Finanzamt verfügte Zurückweisung des Wiederaufnahmeantrages erfolgte deshalb im Ergebnis zu Recht. Der Antrag war unzulässig, weil bei dessen Einbringung sowohl die Dreimonatsfrist des § 303 Abs. 2 BAO wie auch die Fristen des § 304 BAO bereits abgelaufen waren.

2.4 Wirksamkeit des Zurückweisungsbescheides vom

Der Vollständigkeit halber sei hier noch einmal erwähnt, dass vom Finanzamt Wien 6/7/15 anlässlich von Aktenrecherchen des Unabhängigen Finanzsenats Zweifel bezüglich der Wirksamkeit seines eigenen Zurückweisungsbescheides vom geäußert wurden. Diesem Schriftstück fehlte nämlich der Hinweis auf die Zustellfiktion des § 101 BAO. Diese Zweifel führten zur neuerlichen Erlassung eines solchen mit datierten Zurückweisungsbescheides, mit dem die Zustellungsfehler repariert werden sollten.

Damit kann hier festgehalten werden, dass der Bescheid, auf den sich der Wiederaufnahmeantrag stützte, an den Berufungswerber mangels ordnungsgemäßer Zustellung niemals wirksam ergangen ist und ihm gegenüber deshalb keine Wirkungen zu entfalten vermochte. Aus der Tatsache, dass sie sich trotzdem auf dessen Inhalt beruft, kann zwar darauf geschlossen werden, dass ihr sein Inhalt bekannt wurde, was allenfalls die Voraussetzungen des Neuerungstatbestandes erfüllen könnte. Wie oben bereits nachgewiesen wurde, war dies hier aber nicht der Fall, da die Berufungswerberin bzw. deren Vertreter diese Umstände zumindest seit der Beschwerdeführung beim Verwaltungsgerichtshof (Zl. 2002/13/0225) und damit schon lange vor Erlassung dieses Zurückweisungsbescheides gekannt hatte.

Damit war der Bescheid des Finanzamtes zu bestätigen und die Berufung als unbegründet abzuweisen. Mangels Zulässigkeit des Wiederaufnahmeantrages war auf dessen Inhalt nicht weiter einzugehen.

Die Anregung, eine Wiederaufnahme von Amts wegen durchzuführen, ist ganz offensichtlich an das Finanzamt Salzburg-Stadt adressiert und fällt nicht in den Zuständigkeitsbereich des Unabhängigen Finanzsenat, weshalb darauf nicht mehr einzugehen war.

Salzburg, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
§ 209a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 303 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 304 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at