Beschwerdeentscheidung - Strafsachen (Referent), UFSL vom 26.01.2012, FSRV/0078-L/10

Kein ausreichender Verdacht für die Einleitung eines Finanzstrafverfahrens bei pauschaler Schätzung der Umsatzsteuerbemessungsgrundlagen

Entscheidungstext

Beschwerdeentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat als Finanzstrafbehörde zweiter Instanz hat durch das Mitglied des Finanzstrafsenates Linz 1 in der Finanzstrafsache gegen AB, geb. X, Adresse, vertreten durch CD, Wirtschaftsberatung, Adresse1, wegen des Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung gemäß § 33 Abs. 2 lit. a des Finanzstrafgesetzes (FinStrG) über die Beschwerde der Beschuldigten vom gegen den Bescheid des Finanzamtes ABC als Finanzstrafbehörde erster Instanz vom , StrNr. 1,

zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird stattgegeben und der bekämpfte Bescheid aufgehoben.

Entscheidungsgründe

Die im Bereich Werbemontagen tätige Beschwerdeführerin (in der Folge kurz: Bf) übt diese Tätigkeit eigenen Angaben zufolge seit August 2005 aus.

Nachdem die Bf die ihr am zugesandten Abgabenererklärungen 2008 trotz mehrfacher Erinnerungen, Androhung und letztlich Festsetzung einer Zwangsstrafe nicht eingereicht hatte, ging die Abgabenbehörde am mit Schätzung der Bemessungsgrundlagen vor.

Die Einkommensteuerveranlagung führte zu einer Nachforderung von 41.585,00 €, die Umsatzsteuerveranlagung zu einer Restschuld im Vergleich zu den eingereichten Voranmeldungen von 8.089,21 €.

Mit Bescheid vom leitete das Finanzamt ABC als Finanzstrafbehörde erster Instanz gegen die Bf ein Finanzstrafverfahren wegen des Verdachtes ein, sie habe vorsätzlich unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von dem § 21 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1994 entsprechenden Voranmeldungen eine Verkürzung von Umsatzsteuer (Vorauszahlungen oder Gutschriften) für die Monate 1-12/2008 im Gesamtbetrag von 8.089,21 € bewirkt und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiss gehalten. Sie habe dadurch ein Finanzvergehen nach § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG begangen.

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass für die Monate 1-12/2008 folgende Beträge bekannt gegeben worden seien:


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UVA 01/2008
10.657,60
eingebracht am
UVA 02/2008
2.689,11
eingebracht am
UVA 03/2008
-256,22
eingebracht am
UVA 04/2008
3.205,32
eingebracht am
UVA 05/2008
1.118,84
eingebracht am
UVA 06/2008
4.886,43
eingebracht am
UVA 07/2008
614,40
eingebracht am
UVA 08/2008
-1.856,63
eingebracht am
UVA 09/2008
13.021,56
eingebracht am
UVA 10/2008
-163,78
eingebracht am
UVA 11/2008
10.782,14
eingebracht am
UVA 012/2008
2.212,02
eingebracht am

Für das Jahr 2008 sei jedoch keine Umsatzsteuererklärung eingereicht worden, sodass die Bemessungsgrundlagen zu schätzen gewesen seien und sich eine Umsatzsteuernachforderung von 8.089,21 € ergeben habe. Da eine Schätzung den tatsächlichen Gegebenheiten möglichst nahe kommen solle, sei von der festsetzenden Stelle ein entsprechendes Verfahren auszuwählen, sodass die Finanzstrafbehörde von der Richtigkeit der Bemessungsgrundlagen ausgehe. Sollte der dem Finanzstrafverfahren zu Grunde gelegte Betrag nicht den Tatsachen entsprechen, werde die Bf eingeladen, entsprechende Unterlagen einzureichen. Sofern dieser Aufforderung nicht Folge geleistet werde, sei vom genannten Betrag auszugehen.

Die Bf habe für die im Spruch genannten Monate keine Umsatzsteuervoranmeldungen abgegeben. Nach § 21 Abs. 1 UStG bestehe eine allgemeine Voranmeldungspflicht, die nur dann entfalle, wenn die errechnete Vorauszahlung zur Gänze spätestens am Fälligkeitstag entrichtet werde oder wenn sich für einen Voranmeldungszeitraum keine Vorauszahlung ergebe. Werde dagegen die Vorauszahlung nicht richtig errechnet oder die sich ergebende Vorauszahlung vorschriftswidrig entweder gar nicht, nur zum Teil oder verspätet entrichtet, sei der Unternehmer von der Verpflichtung zur Einreichung der Umsatzsteuervoranmeldung nicht ausgenommen. Da die Bf keine zeitgerechten Voranmeldungen eingereicht habe, obwohl sie dazu verpflichtet gewesen wäre, und keine Zahlungen geleistet habe, ergebe sich das vorsätzliche Handeln schon aus der Tat selbst.

Zur subjektiven Tatseite wurde ausgeführt: "Auf der subjektiven Tatseite hat der/die Beschuldigte Vorsatz zu verantworten, da er/sie auf Grund seiner/ihrer Tätigkeit als Unternehmer/in seine/ihre steuerlichen Pflichten sehr wohl kannte und ihm/ihr insbesondere das System der Umsatzsteuer bekannt war, und wusste, dass bei Verletzung dieser Verpflichtung, er/sie eine Abgabenhinterziehung bewirken würde."

In der gegen diesen Bescheid fristgerecht erhobenen Beschwerde wandte die Bf im Wesentlichen ein, dass ihre Mutter alle steuerlichen Angelegenheiten für sie erledigt habe und sie durch ihre Montagen ständig im In- und Ausland unterwegs sei. Ihre Mutter habe diesen Part übernommen, sei aber auf Grund einer schweren Lungenkrankheit häufig im Krankenhaus oder zu Hause bettlägrig. Sie habe die Umsatzsteuererklärungen, wie richtig angeführt werde, fristgerecht eingebracht. Der Betrieb hätte bilanziert werden sollen, die Einreichfrist zur Abgabe der Einkommen- und Umsatzsteuererklärung sei verlängert worden. Plötzlich sei der Schätzungsbescheid eingelangt. Da die Bf zu dieser Zeit im Ausland gewesen sei und ihre Mutter das Bett nicht habe verlassen können, sei die Rechtsmittelfrist bereits abgelaufen gewesen, wodurch der Bescheid in Rechtskraft erwachsen sei. Die Umsatzsteuer sei zu diesem Zeitpunkt bereits zur Gänze entrichtet gewesen. Eine Nachforderung sei zu keiner Zeit vorgelegen. Die Nachforderung von 8.089,21 € sei das Ergebnis der Schätzung. Diese Schätzung könne doch in strafrechtlicher Hinsicht nicht zum Nachteil gereichen, weil kein Verschulden vorliege. Sie habe weder leichtsinnig noch billigend in Kauf genommen, dass dieser Betrag bei der Schätzung eingefordert werde. Aus Sicht des Finanzstrafgesetzes sei daher kein schuldhaftes Verhalten nachweisbar. Sie sei lediglich durch ihre arbeitsbedingten Absenzen in diese Lage geraten.

Zu ihren persönlichen Verhältnissen führte die Bf an, geschieden und für drei minderjährige Kinder sorgepflichtig zu sein. Sie sei in selbstständiger Beschäftigung (Einnahmen-Ausgaben-Rechner) Schilderherstellerin. Sie habe keine Vorstrafen. Ihr Einkommen betrage etwa 2.000,00 € monatlich.

Zur Entscheidung wurde erwogen:

Seit Inkrafttreten des § 83 Abs. 2 FinStrG idF BGBl. I Nr. 104/2010 am ist gegen den Bescheid über die Einleitung eines Finanzstrafverfahrens ein abgesondertes Rechtsmittel nicht mehr zulässig. Diese Bestimmung ist nicht anzuwenden auf zum anhängige Beschwerden gegen Einleitungsbescheide in Finanzstrafverfahren wegen des Verdachtes eines vorsätzlichen Finanzvergehens (§ 265 Abs. 1p FinStrG).

Dies bedeutet, dass das gegenständliche, zum anhängige Rechtsmittelverfahren betreffend die Beschwerde gegen den Einleitungsbescheid vom zu Ende zu führen ist.

Gemäß § 82 Abs. 1 FinStrG hat die Finanzstrafbehörde erster Instanz die ihr zukommenden Verständigungen und Mitteilungen daraufhin zu prüfen, ob genügende Verdachtsgründe für die Einleitung eines Finanzstrafverfahrens gegeben sind. Das Gleiche gilt, wenn sie in anderer Weise, insbesondere aus eigener Wahrnehmung, vom Verdacht eines Finanzvergehens Kenntnis erlangt.

Ergibt die Prüfung gemäß Abs. 1, dass die Durchführung des Strafverfahrens nicht in die Zuständigkeit des Gerichtes fällt, so hat die Finanzstrafbehörde erster Instanz das Strafverfahren einzuleiten (Abs. 3 leg.cit.).

Nach § 83 FinStrG ist die Einleitung des Strafverfahrens aktenkundig zu machen (Abs. 1). Von der Einleitung des Strafverfahrens ist der Verdächtige unter Bekanntgabe der zur Last gelegten Tat sowie der in Betracht kommenden Strafbestimmung unverzüglich zu verständigen.

Für die Einleitung eines Finanzstrafverfahrens genügt es somit, wenn gegen die Bf genügend Verdachtsgründe vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, dass sie als Täterin eines Finanzvergehens in Frage kommt. Verdacht ist die Kenntnis von Tatsachen, aus denen nach der Lebenserfahrung auf ein Finanzvergehen geschlossen werden kann. Der Verdacht muss sich dabei sowohl auf den objektiven als auch den subjektiven Tatbestand erstrecken.

Ob im konkreten Einzelfall die Verdachtsgründe für die Einleitung eines Finanzstrafverfahrens ausreichen, ist aus der Summe der vorhandenen tatsächlichen Anhaltspunkte zu beurteilen.

Im vorliegenden Fall reichte die Bf die Abgabenerklärungen 2008 trotz mehrfacher Aufforderungen und Nachfristsetzungen nicht ein, sodass die Abgabenbehörde zweifelsohne zur Schätzung der Bemessungsgrundlagen berechtigt war.

Gemäß § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG macht sich der Abgabenhinterziehung schuldig, wer vorsätzlich unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von dem § 21 des Umsatzsteuergesetzes 1994 entsprechenden Voranmeldungen eine Verkürzung von Umsatzsteuer (Vorauszahlungen oder Gutschriften) bewirkt und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiss hält.

Eine derartige Abgabenverkürzung ist bewirkt, wenn solche Selbstbemessungsabgaben ganz oder teilweise nicht (spätestens am Fälligkeitstag) entrichtet werden (§ 33 Abs. 3 lit. b FinStrG).

Nach § 33 Abs. 1 FinStrG macht sich der Abgabenhinterziehung weiters schuldig, wer vorsätzlich unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflicht eine Abgabenverkürzung bewirkt.

Einer Finanzordnungswidrigkeit nach § 51 Abs. 1 lit. a FinStrG macht sich dagegen schuldig, wer, ohne hiedurch den Tatbestand eines anderen Finanzvergehens zu erfüllen, vorsätzlich eine abgaben- oder monopolrechtliche Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflicht verletzt.

Die (bloße) Nichtabgabe der vorgeschriebenen Steuererklärungen ist grundsätzlich eine Finanzordnungswidrigkeit gemäß § 51 Abs. 1 lit. a FinStrG; nur dann, wenn der Täter dadurch eine Abgabenverkürzung bewirkt und sich sein Vorsatz darauf bezieht, ist der Tatbestand des § 33 Abs. 1 FinStrG erfüllt.

Nach § 21 Abs. 1 UStG 1994 hat der Unternehmer spätestens am 15. Tag (Fälligkeitstag) des auf einen Kalendermonat (Voranmeldungszeitraum) zweitfolgenden Kalendermonates eine Voranmeldung (...) einzureichen. (...) Der Unternehmer hat eine sich ergebende Vorauszahlung spätestens am Fälligkeitstag zu entrichten.

Nach § 1 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen betreffend die Abstandnahme von der Verpflichtung zur Abgabe von Voranmeldungen (BGBl. II 206/1998 idF BGBl. II 462/2002) entfällt für Unternehmer, deren Umsätze gemäß § 1 Abs. 1 Z 1 und 2 UStG 1994 im vorangegangenen Kalenderjahr 100.000,00 € nicht überstiegen haben, die Verpflichtung zur Einreichung der Voranmeldung, wenn die nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen (§ 21 Abs. 1 UStG 1994) errechnete Vorauszahlung zur Gänze spätestens am Fälligkeitstag entrichtet wird oder sich für einen Voranmeldungszeitraum keine Vorauszahlung ergibt.

Die im Kalenderjahr 2007 erzielten Umsätze der Bf betrugen mehr als 100.000,00 €, sodass sie im Kalenderjahr 2008 jedenfalls zur Abgabe von Voranmeldungen verpflichtet war.

Die Abgabenbehörde hat die Grundlagen für die Abgabenerhebung zu schätzen, soweit sie diese nicht ermitteln oder berechnen kann (§ 184 Abs. 1 BAO).

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellen, da Verstöße gegen die Abgabenvorschriften nicht deshalb ungeahndet bleiben sollen, weil der Abgabepflichtige zweckdienliche Unterlagen nicht vorlegt und daher die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen mittels Schätzung zu erfolgen hat, Schätzungen nicht nur im Abgabenverfahren, sondern auch im Rahmen eines Finanzstrafverfahrens eine tragfähige Entscheidungsgrundlage dar (vgl. ). Allerdings trifft, anders als im Abgabenverfahren, in welchem der Abgabepflichtige, dessen Aufzeichnungen mangelhaft sind oder der die Führung von Aufzeichnungen zur Gänze unterlässt, das Risiko unvermeidbarer Schätzungsungenauigkeiten zu tragen hat, die Finanzstrafbehörde nach § 98 Abs. 3 FinStrG die Beweislast für die Richtigkeit der Schätzung.

Die Begründung des bekämpften Einleitungsbescheides erweist sich als unzureichend und widersprüchlich: Zum einen listete die Erstbehörde eingangs die für das gesamte Kalenderjahr 2008 lückenlos eingereichten Voranmeldungen auf, zum anderen warf sie der Bf in weiterer Folge vor, entgegen der Bestimmung des § 21 Abs. 1 UStG 1994 Voranmeldungen nicht abgegeben zu haben.

Eine Durchsicht des Abgabenkontos und der Umsatzsteuerdaten der Bf bestätigt die (fristgerechte) Abgabe von Voranmeldungen für das gesamte Veranlagungsjahr 2008. Lediglich für November 2008 erfolgte die Abgabe der eine Zahllast von 10.782,14 € ausweisenden Voranmeldung verspätet am . Allerdings bestand durch zwei Saldozahlungen vom in Höhe von 10.000,00 € und von 618,36 € auf dem Abgabenkonto seit diesem Zeitpunkt exakt ein Guthaben von 10.782,14 €.

Nach Ansicht des Unabhängigen Finanzsenates ist diese verspätet eingereichte Voranmeldung als Selbstanzeige im Sinne des § 29 FinStrG zu werten, weil eine verspätet erstattete Umsatzsteuervoranmeldung grundsätzlich als Darlegung der Verfehlung genügt (vgl. ). Der offen gelegte Betrag wurde auch rechtzeitig - nämlich noch vor Abgabe der Voranmeldung - im Sinne des Abs. 2 leg.cit. entrichtet.

Nicht nachvollziehbar ist ferner, auf Grund welcher Überlegungen die Erstbehörde von der Richtigkeit der Schätzung im Abgabenverfahren ausging. Aus dem Einkommensteuerakt ergibt sich zur Schätzung der Umsatzsteuerbemessungsgrundlage lediglich, dass die Summe der gemeldeten Umsätze der einzelnen Monate in Höhe von 411.588,00 € auf 450.000,00 € erhöht und die erklärte Vorsteuer von 35.403,00 € auf 35.000,00 € reduziert wurde. Eine Begründung für den Ansatz dieser Beträge findet sich nicht.

Reichte die Bf sämtliche Voranmeldungen ein und erhöhte die Abgabenbehörde die erklärten Umsätze von 411.588,00 € im Schätzungswege auf Umsätze von insgesamt 450.000,00 €, ohne dies nachvollziehbar zu begründen, ist die sich dadurch ergebende so genannte Restschuld von 8.089,21 € nicht geeignet, einen ausreichenden Verdacht nach § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG in objektiver Hinsicht zu begründen. Konkrete Sachverhaltsfeststellungen, weshalb die Bf verdächtig sei, höhere als die in den Umsatzsteuervoranmeldungen erklärten Umsätze erwirtschaftet zu haben, finden sich im angefochtenen Bescheid nicht.

Da die Bf, wie oa., die in § 21 UStG 1994 normierte Voranmeldungspflicht nicht verletzte und der angefochtene Bescheid keinerlei Feststellungen enthält, dass die eingereichten Voranmeldungen nicht den Tatsachen entsprochen hätten, mangelt es bereits aus diesem Grund an der Erfüllung des objektiven Tatbestandes des § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG.

Nach § 8 Abs. 1 FinStrG handelt vorsätzlich, wer einen Sachverhalt verwirklichen will, der einem gesetzlichen Tatbild entspricht; dazu genügt es, dass der Täter diese Verwirklichung ernstlich für möglich hält und sich damit abfindet (bedingter Vorsatz).

Sieht der Täter dagegen den Eintritt des tatbildmäßigen Erfolges als gewiss voraus, handelt er wissentlich im Sinne des § 5 Abs. 3 Strafgesetzbuch (StGB).

§ 33 Abs. 2 lit. a FinStrG erfordert für die subjektive Tatbestandsmäßigkeit für den Verkürzungserfolg Wissentlichkeit, wogegen für die Pflichtverletzung bedingter Vorsatz genügt.

Gemäß § 161 Abs. 1 FinStrG hat die Finanzstrafbehörde zweiter Instanz, sofern das Rechtsmittel nicht gemäß § 156 FinStrG zurückzuweisen ist, grundsätzlich in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung der Rechtsmittelentscheidung ihre Anschauung an die Stelle jener der Finanzstrafbehörde erster Instanz zu setzen und das angefochtene Erkenntnis (den Bescheid) abzuändern oder aufzuheben, den angefochtenen Verwaltungsakt für rechtswidrig zu erklären oder das Rechtsmittel als unbegründet abzuweisen.

Die Sache, die der Rechtsmittelbehörde zur Entscheidung vorliegt, ist die dem Beschuldigten mit dem angefochtenen Bescheid zur Last gelegte Tat in ihren wesentlichen Sachverhaltselementen, unabhängig von ihrer rechtlichen Beurteilung (vgl. ). Die Rechtsmittelbehörde bleibt auf die dem Beschuldigten im Verfahren vor der ersten Instanz zur Last gelegten Tat beschränkt und darf nicht in einer Angelegenheit, die noch nicht Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens war, entscheiden. Macht die Berufungsbehörde eine andere Sache zum Gegenstand ihrer Entscheidung als die Finanzstrafbehörde erster Instanz, verletzt sie das Recht auf den gesetzlichen Richter (vgl. Reger/Hacker/Kneidinger, FinStrG³, K 161/3 f).

Der Oberste Gerichtshof legte in der Entscheidung eines verstärkten Senates vom , 14 Os 127/90-17, dar, dass durch die Bestimmung des § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG die Strafbarkeit einer (wissentlichen) Verkürzung von Umsatzsteuer im Voranmeldungsstadium gegenüber einer unter Verletzung der abgabenrechtlichen Offenlegungs- und Wahrheitspflicht durch eine zeitlich nachfolgende unrichtige Jahresumsatzsteuererklärung nach § 33 Abs. 1 FinStrG zwecks Durchsetzung eines möglichst umgehenden und kontinuierlichen Umsatzsteueraufkommens bloß vorverlegt werde, ohne dass dadurch der Umfang der verpönten Abgabenverkürzung insgesamt eine Änderung erfahre. Durch die spätere Abgabe einer der unrichtigen Umsatzsteuervoranmeldung entsprechenden, ihrerseits falschen Jahresumsatzsteuererklärung werde somit eine Verkürzung der Umsatzsteuer in keinem größeren Ausmaß bewirkt, als dies durch die Umsatzsteuerverkürzung im Voranmeldungsstadium ohnedies bereits geschehen sei. Die Voraussetzung einer Betrachtung als scheinbare Konkurrenz, nämlich dass sich die Vortat gegen dasselbe Rechtsgut richtet wie die Haupttat und keinen über diese hinausgehenden Schaden verursacht, die Folgen der Vortat also ganz im Schaden der Haupttat aufgehen, sind dabei nach Auffassung des Obersten Gerichtshofes gegeben: Schon nach der einheitlichen Deliktsbezeichnung ("Abgabenhinterziehung"), vor allem aber nach dem gemeinsamen Tatbestandsmerkmal der "Abgabenverkürzung" (nämlich: der Umsatzsteuer) bzw. der "Verkürzung von Umsatzsteuer" sei von den Finanzvergehen nach § 33 Abs. 1 FinStrG und § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG als Rechtsgut jeweils die Umsatzsteuer schlechthin betroffen. Weiters werde durch das Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 1 FinStrG der gesamte Verkürzungsbetrag voll erfasst. Ein darüber hinausgehender tatbestandsmäßiger Verkürzungsschaden könne durch die Abgabe einer unrichtigen Jahresumsatzsteuererklärung nicht mehr eintreten. Das Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG werde, wenn in der Folge mit Beziehung auf den gleichen Betrag und denselben Steuerzeitraum auch das Finanzvergehen nach § 33 Abs. 1 FinStrG versucht werde, von letzterem konsumiert.

Der Verwaltungsgerichtshof trat der dargestellten Auffassung des Obersten Gerichtshofes bei.

Daraus ergibt sich, dass die Strafbarkeit einer Abgabenhinterziehung im Sinne des § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG jedenfalls dann ausgeschlossen ist, wenn der Strafbarkeit infolge der nachfolgenden Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 1 FinStrG wegen des gleichen Umsatzsteuerbetrages für denselben Zeitraum kein Hindernis entgegensteht, weil in einem solchen Fall die Tathandlung im Sinn des § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG als eine - durch die Ahndung nach § 33 Abs. 1 FinStrG - nachbestrafte Vortat zu betrachten ist, was auch für solche Fälle gilt, in denen sowohl die Abgabenverkürzung nach § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG als auch jene nach § 33 Abs. 1 FinStrG durch Unterlassung der Einbringung der Umsatzsteuervoranmeldungen und der Jahresumsatzsteuererklärungen bewirkt oder zu bewirken versucht wird (vgl. ).

Das Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG wird daher, wenn in der Folge mit Beziehung auf den gleichen Betrag und denselben Steuerzeitraum auch das Finanzvergehen nach § 33 Abs. 1 FinStrG zumindest versucht wird, von letzterem konsumiert und ist nur dann zu ahnden, wenn ihm eine Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 1 FinStrG - und zwar zumindest im Versuchsstadium - nicht mehr nachfolgt.

Die beiden Taten werden durch zu unterschiedlichen Zeitpunkten verwirklichte unterschiedliche Sachverhalte begangen. Darüber hinaus ist für die Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG der qualifizierte Vorsatz der Wissentlichkeit (dolus principalis) erforderlich, während zur Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 1 FinStrG der bedingte Vorsatz (dolus eventualis) ausreicht.

Würde die Rechtsmittelbehörde die Frage prüfen, ob allenfalls ein Verdacht auf Begehung einer Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 1 (in Verbindung mit § 13 Abs. 1 FinStrG) besteht, würde sie damit die ihr nicht zustehende Befugnis zur Auswechslung der "Sache" iSd § 161 Abs. 1 FinStrG in Anspruch nehmen (vgl. ).

Die Bestrafung eines Täters nach § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG erfordert klare und eindeutige Feststellungen dahin gehend, ob dieser nicht ohnehin den Tatbestand nach § 33 Abs. 1 FinStrG hinsichtlich der Jahresumsatzsteuer erfüllt hat (vgl. ).

Derartige Feststellungen enthält der angefochtene Bescheid nicht ansatzweise.

Da gegen die Bf ein Finanzstrafverfahren wegen § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG eingeleitet worden ist, ist dem Unabhängigen Finanzsenat eine Prüfung der Frage, ob ausreichende Verdachtsgründe für die Einleitung eines Finanzstrafverfahrens nach § 33 Abs. 1 FinStrG vorliegen würden, verwehrt.

Allenfalls verbliebe ein zu prüfender Verdacht, ob die Bf durch die Nichtabgabe der Umsatz- und Einkommensteuererklärung 2008 ein Finanzvergehen nach § 51 Abs. 1 lit. a FinStrG zu verantworten hat. Die Verständigung von der Einleitung eines Strafverfahrens wegen einer Finanzordnungswidrigkeit bedarf jedoch keines Bescheides (§ 83 Abs. 1 FinStrG), sodass darüber im Rahmen einer Beschwerdeentscheidung nicht abgesprochen werden kann.

Im Rahmen dieser Beschwerdeentscheidung war lediglich zu untersuchen, ob hinreichende Verdachtsmomente hinsichtlich des im Einleitungsbescheid vorgeworfenen Finanzvergehens nach § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG vorliegen. Derartige Verdachtsmomente können aber (in objektiver Hinsicht) infolge Einreichung von Voranmeldungen für sämtliche Voranmeldungszeiträume weder durch eine in ihrem Ansatz nicht nachvollziehbare, pauschale Schätzung der Umsatzsteuerbemessungsgrundlagen noch (in subjektiver Hinsicht) durch schablonenhafte, offenbar auf Textbausteinen basierende Feststellungen, die ohne Bezug zum konkreten Einzelfall und zur konkreten Vorgangsweise der in Verdacht gezogenen Bf erfolgten, begründet werden.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Linz, am

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