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OGH vom 11.03.1971, 1Ob11/70

OGH vom 11.03.1971, 1Ob11/70

Norm

ABGB § 785;

ABGB § 938;

ABGB § 951;

ABGB § 1284;

Anerbengesetz § 11;

Kopf

SZ 44/30

Spruch

Zur Berechnung des Übergabswertes einer bäuerlichen Liegenschaft bei Berechnung des Pflichtteilsergänzungsbetrages

(OLG Innsbruck 2 R 173/70; LG Innsbruck 6 Cg 273/69)

Text

Die Klägerin und der Beklagte sind Geschwister. Im vorliegenden, seit anhängigen Prozeß brachte die Klägerin vor, der Vater der Streitteile habe dem Beklagten mit Übergabsvertrag vom seinen landwirtschaftlichen Besitz unter Vereinbarung eines lebenslänglichen Ausgedinges zugunsten des Übergebers und dessen Ehegattin, also der Mutter der Streitteile, mit einem Übergabswert von mindestens S 500.000.- bis S 600.000.- übergeben. Da der Vater der Streitteile bis zu seinem Tode weiterhin in der Landwirtschaft mitgearbeitet habe, habe er sich seinen Lebensunterhalt durch seine eigene Arbeit verdient. Dasselbe gelte hinsichtlich der vom Beklagten ebenfalls übernommenen Verpflichtung, den Bruder Josef zu erhalten, da sich auch dieser seinen Unterhalt durch Mitarbeit in der Landwirtschaft selbst erworben habe. Der Übergabsvertrag beinhalte sohin eine Schenkung im Werte von mindestens S 450.000.-.

Der am verstorbene Vater der beiden Streitteile habe seine (seither verstorbene) Ehegattin und - einschließlich der beiden Streitteile - fünf Kinder hinterlassen. Aus dem Nachlaß im Betrage von S 10.175.03 habe die Klägerin 1/5, sohin S 2035.-, zu erhalten.

Die Klägerin begehrte nun die Einrechnung der vorgenannten Schenkung an den Beklagten im Werte von S 450.000.- bzw die Ergänzung auf den Pflichtteil und stellte hiezu folgende Berechnung auf:

Reiner Nachlaß nach dem Vater der Streitteile ..... S 10.175.03

Schenkung von ..................................... S 450.000.-- ---

--------- ergibt ............................................ S

460.175.03.

Da der Vater der Streitteile seine Ehegattin und fünf Kinder hinterlassen habe, betrage der der Klägerin zukommende Pflichtteil 3/40, sohin S 34.500.-. Da sie aber aus dem tatsächlich vorhandenen Nachlaß ihres Vaters rund S 2000.- erhalte, stehe der Klägerin dem Beklagten gegenüber eine Forderung auf Pflichtteilsergänzung von rund S 32.500.- zu, doch begehre sie nur S 30.000.-, welcher Betrag spätestens am zur Zahlung fällig gewesen sei.

Johann St, der am verstorbene Vater der Streitteile, hat mit Übergabsvertrag vom seine nicht einen geschlossenen Hof im Sinne des Tiroler Höfegesetzes darstellende, aus einer Hofstätte und einigen walzenden Parzellen bestehende Liegenschaft dem Beklagten übereignet, wogegen sich dieser verpflichten mußte, seinem damals 74jährigen Vater und seiner 77jährigen Mutter ein unentgeltliches Ausgedinge zu leisten. Weiter wurde es dem Beklagten zur Pflicht gemacht, den 43jährigen Bruder der Streitteile, Josef St, der wegen Geistesschwäche entmundigt war, jedoch auf dem Hof lebte, für die Dauer dessen Ledigenstandes im vollen Umfange zu versorgen. Diese Leistungen sollten allerdings nicht unentgeltlich, sondern gegen Mitarbeit des Bruders am Hofe, erfolgen. Der Übergabsvertrag wurde verbüchert, der Beklagte übernahm die Liegenschaften selbst in Bewirtschaftung, führte sie aber nur nebenberuflich, weil er seine Anstellung als Elektromonteur nicht aufgeben wollte.

Am starb der Vater der Streitteile ohne Hinterlassung einer letztwilligen Verfügung. Noch ehe sein Reinnachlaß von S 10.175.03 abgehandelt worden war, starb am auch die Mutter der Streitteile. Der Nachlaß wurde daher auf die fünf Kinder aufgeteilt; dadurch erhielt die Klägerin S 2035.-.

Die übernommenen Liegenschaften hatten zum Zeitpunkt der Übergabe einen Verkehrswert von S 464.194.40, aber nur einen Ertragswert von S 73.340.-.

Der Erstrichter erkannte den Beklagten schuldig, der Klägerin S 6190.04 zu bezahlen und wies das Mehrbegehren ab.

Bei Prüfung der Frage, ob der Übergabsvertrag eine Schenkung verdeckt habe, müsse nicht vom Verkehrswert, sondern vom Mittel aus dem Verkehrswert und dem Ertragswert ausgegangen werden; dieses Mittel ergebe S 268.772.20. Hievon sei das Ausgedinge zugunsten seiner Eltern im Betrage von S 142.780.- abzuziehen, während die Belastung durch die an den Bruder Josef zu erbringende Versorgungsleistung außer Betracht zu bleiben habe, denn der Wert der Arbeitsleistungen des Bruders entspreche den Versorgungsleistungen. Der verbleibende Betrag von S 99.492.20, der durch Gegenleistungen des Beklagten nicht gedeckt sei, sei als eine Schenkung an diesen anzusehen. Diese Schenkung sei dem Reinnachlasse des Vaters hinzuzurechnen, sodaß sich letzten Endes ein solcher von S 109.667.23 ergebe. Da der Vater der Streitteile seine Frau und fünf Kinder hinterlassen habe, betrage der Pflichtteil der Klägerin 3/40 des Nachlasses, sohin S 8225.04. Nach Abzug des bereits erhaltenen Betrages von S 2035.- belaufe sich der Pflichtteilsergänzungsanspruch auf S 6190.04. Nur in diesem Umfang sei das Klagebegehren berechtigt.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin gegen den abweisenden Teil des Ersturteiles nicht Folge.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Gemäß § 785 Abs 1 ABGB sind auf Verlangen eines pflichtteilsberechtigten Kindes bei der Berechnung des Nachlasses die Schenkungen in Anschlag zu bringen, die der Erblasser unter Lebenden gemacht hat. Ein aus unbeweglichen Sachen bestehender Gegenstand der Schenkung ist hiebei dem Nachlaß mit dem Wert im Zeitpunkt des Empfanges hinzuzurechnen (§ 794 ABGB). Eine Schenkung liegt vor, wenn dem Pflichtteilsberechtigten die unbewegliche Sache unentgeltlich überlassen wurde (§ 938 ABGB). Der gegenständliche Übergabsvertrag vom ist nach seinem hauptsächlichen Inhalt als bäuerlicher Übergabsvertrag anzusehen, der entgeltliche und auch unentgeltliche Elemente enthalten kann. Als Entgelt kommt auch ein Ausgedinge in Betracht; bis zur Höhe des Entgelt ist der Übergabsvertrag dann als entgeltlich anzusehen (SZ 24/26, SZ 27/222 ua). Bei Beurteilung der Frage, ob eine teilweise Schenkung vorliegt, kommt es im wesentlichen auf den geäußerten Willen, also die Schenkungsabsicht und - da insbesondere unter nahen Angehörigen auch eine Verschleierung möglich ist (Stanzl in Klang[2] IV/1 590 f zu § 938 ABGB bei FN 73) - darauf an, ob der Wert der versprochenen Leistungen in einem krassen Mißverhältnis zum Übergabswert steht (RZ 1969, 14), das zwar nicht ein Entgelt von weniger als der Hälfte des Wertes voraussetzt, aber dem Erblasser bewußt gewesen sein muß (SZ 12/214, aber auch hiezu SZ 24/26 und SZ 27/ 222).

Legt man nun im gegenständlichen Fall die Feststellungen der

Untergerichte zugrunde, wonach im Zeitpunkt der Übergabe der

Übergabswert S 242.272.20 und die sich aus dem Übergabsvertrag

ergebende Belastung S 142.780.- betragen hat, dann errechnet sich im Zeitpunkt der Übergabe eine Differenz von S 99.492.20, die als Schenkung aufgefaßt wurde. Hievon mußte im Rechtsmittelverfahren schon deshalb ausgegangen werden, weil der Beklagte die Entscheidung des Erstrichters seinerseits unbekämpft gelassen hatte.

Die Untergerichte haben allerdings übergangen, daß der Zweck der Bestimmungen der §§ 785 ff ABGB - wie der Oberste Gerichtshof wiederholt ausgesprochen hat - in der grundsätzlichen Gleichstellung aller Kinder gelegen ist und daß es zu einer Beeinträchtigung dieses Grundsatzes kommen müßte, würde bei der Veranschlagung des Wertes der Schenkung gegenüber dem Beklagten die in der Zwischenzeit eingetretene Geldwertminderung vernachlässigt (siehe hiezu zB SZ 35/40, SZ 39/198, ähnlich 1 Ob 65/70). Diese grundsätzlichen Erwägungen auf den gegenständlichen Fall angewendet, könnten, bezogen auf den Todestag des Erblassers (), eine Aufwertung des auf die Klägerin rechnungsmäßig entfallenden Pflichtteilergänzungsbetrages von S 6190.04 unter Heranziehung eines Durchschnittes der verschiedenen Lebenshaltungskostenindizes in der Höhe von rund S 1000.- bedeuten.

Doch ist damit für die Klägerin, die diese Frage selbst gar nicht aufrollt, nichts gewonnen. Bei Berechnung des Übergabswertes können die Grundsätze der Höfegesetze und nunmehr auch des Anerbengesetzes analog herangezogen werden. Nach § 11 dieses Gesetzes ist der "Übernahmspreis" unter Berücksichtigung aller auf dem Erbhof haftenden Lasten nach billigem Ermessen so zu bestimmen, daß der Anerbe wohl bestehen kann. Die Erläutenden Bemerkungen führen hiezu aus, daß der Übernahmspreis weder mit dem Einheitswert noch mit dem Ertragswert noch mit dem Verkehrswert etwas gemein hat, er werde vielmehr außer von sachlichen auch von rein persönlichen Elementen gebildet (siehe hiezu Edlbacher, Anerbengesetz, MGA, 14 und 53). Auch in Fällen wie dem vorliegenden muß eine die bäuerliche Lebensordnung gebührend berücksichtigende Berechnungsmethode dieser Art angewendet werden (vgl dazu auch Stanzl in Klang[2] IV/1 593). Keinesfalls kann also von dem Verkehrswert ausgegangen werden - wie die Klägerin anstrebt -, ebenso auch nicht von dem Ertragswert allein. Wenn nun die Untergerichte ihrer Entscheidung das arithmetische Mittel zwischen Verkehrswert und Ertragswert zugrunde gelegt haben und man in Betracht zieht, daß der Verkehrswert zur Zeit der Übergabe S 464.194.40, der Ertragswert jedoch nur S 73.340.- betragen hat, dann stellt die Bestimmung des Übergabswerts mit dem arithmetischen Mittel zwischen diesen beiden Werten bereits ein so großzügiges Entgegenkommen gegenüber der Klägerin dar, daß unter Bedachtnahme auf die Bestimmung des § 273 ZPO auch die oben erwähnte Valorisierung des auf die Klägerin entfallenden Pflichtteilsergänzungsbetrages durch den rechtskräftig gewordenen Teilzuspruch des Erstrichters als mitabgegolten anzusehen ist.

Der Revision ist daher ein Erfolg zu versagen.