Zahlungen aus Anlass einer Bürgschaft
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RV/3277-W/11-RS1 | Mit dem Vorbringen, ohne Übernahme der Bürgschaft sei es zu einer massiven Verschlechterung der Berufsaussichten der Tochter gekommen, wird keine Zwangsläufigkeit des Eingehens der Bürgschaft dargetan. |
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw., W.,B-Straße, vertreten durch Profundia Wirtschaftstreuhand GmbH, 1200 Wien, Treustraße 29/5, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 4/5/10 vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2009 entschieden:
Der Berufung wird teilweise stattgegeben.
Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.
Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil dieses Bescheidspruches.
Entscheidungsgründe
Die Berufungswerberin (Bw.) erhielt im Streitjahr Bezüge von mehreren auszahlenden Stellen. Die Arbeitnehmerveranlagung wurde, da sie die ihr zugesandte Erklärung zur Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung nicht beim Finanzamt einreichte, auf Grund der dem Finanzamt übermittelten Lohnzettel und Meldungen durchgeführt.
In der fristgerecht dagegen erhobenen Berufung beantragte die Bw. die Berücksichtigung von Krankheitskosten in Höhe von 1.479,00 Euro und von Bürgschaftszahlungen in Höhe von 7.410,00 Euro als außergewöhnliche Belastung.
In Beantwortung eines Vorhaltes brachte die steuerliche Vertretung der Bw. vor, die Bw. habe im Rahmen der Bürgschaft für ihre Tochter CE Kreditrückzahlungen geleistet.
Dieser Bürgschaft liege folgender Sachverhalt zu Grunde: Im Zuge der Ehescheidung der Tochter im Jahr 1997 seien die aus dem Ankauf eines Eigenheimes verbliebenen Schulden im Verhältnis 50:50 aufgeteilt worden. Bei der Umfinanzierung der Kredite sei der Exehemann der Tochter nicht erschienen und die Vertreterin der Bank hätte unter Hinweis auf die Möglichkeit einer zivilrechtlichen Klage darauf gedrängt, dass die Tochter CE den bereits vorbereiteten Kreditvertrag unterzeichnete. Mit der Unterfertigung habe sie 100% der verbliebenen Schulden übernommen.
Die Eltern hätte dafür widerwillig die Bürgschaft übernommen. Im Jahr 2003 sei es auf Grund der katastrophalen finanziellen Situation von Frau CE zum Vorschlag für einen außergerichtlichen Ausgleich gekommen, der aber nicht angenommen worden sei. In weiterer Folge sei es zum Schuldenregulierungsverfahren gekommen. Nach rechtskräftiger Bestätigung des Zahlungsplanes sei das Schuldenregulierungsverfahren aufgehoben worden. Für die nicht bezahlten Kreditraten sei in weiterer Folge die Bw. von der Bank in Anspruch genommen worden. Diese Belastung erwachse der Bw. angesichts der Mutter-Tochter-Beziehung aus sittlichen Gründen zwangsläufig.
Der angefochtene Einkommensteuerbescheid wurde im Wege einer Berufungsvorentscheidung dahingehend abgeändert als die Krankheitskosten als außergewöhnliche Belastung anerkannt wurden, sich jedoch steuerlich nicht auswirkten. Hinsichtlich der ebenfalls als außergewöhnliche Belastung geltend gemachten Bürgschaftszahlungen führte das Finanzamt aus, es sei nicht nachvollziehbar, weshalb nicht schon im Zeitpunkt der Scheidung ein Schuldenregulierungsverfahren angestrebt worden sei und bei der Umschichtung des Kredites von der Tochter freiwillig 100% übernommen worden sei. Ein Drängen der Bankbeamtin führe nicht zur Zwangsläufigkeit. Eine Zwangsläufigkeit aus sittlichen Gründen setze voraus, dass sich der Steuerpflichtige nach dem Urteil billig und gerecht denkender Menschen der Übernahme der Bürgschaft nicht entziehen könne, wobei nicht das persönliche Pflichtgefühl, sondern der objektive Pflichtbegriff entscheidend sei.
Im rechtzeitig gestellten Vorlageantrag brachte die steuerliche Vertretung der Bw. ergänzend vor, die Einleitung eines Schuldenregulierungsverfahrens bereits im Zeitpunkt der Scheidung hätte zu einer massiven Verschlechterung der Berufsaussichten bei einem Wiedereinstieg und zur absoluten Kreditunwürdigkeit bei Banken geführt. Die Folge wäre eine tatsächliche Existenzbedrohung der Tochter der Bw. sowie ihrer Kinder gewesen. Die Bürgschaft sei daher eine Möglichkeit gewesen, das Entstehen einer existenzbedrohenden Notlage der Tochter abzuwenden.
Von der Bank sei die Zwangslage der Tochter und die aus finanziellen Gründen nicht erfolgte Beiziehung eines Rechtsbeistandes ausgenutzt worden, sodass von einer freiwilligen Unterfertigung des Kreditvertrages nicht die Rede sein könne.
Jeder billig und gerecht denkende Elternteil würde für sein Kind eine Bürgschaft übernehmen, um ein Schuldenregulierungsverfahren, das die Zukunftsaussichten des Kindes in einem nicht absehbaren Ausmaß verschlechtere und somit eine Existenzgefährdung darstellen könne, abzuwenden. Der objektive Pflichtbegriff sei daher erfüllt.
Im Ermittlungsverfahren vor der Abgabenbehörde zweiter Instanz legte die Bw. u.a. folgende Unterlagen vor.
1. Bescheid des Bundessozialamtes über den Grad der Behinderung von 50% 2. Kreditvereinbarung und Nachweis der eingegangenen Bürgschaftsverpflichtung
Über die Berufung wurde erwogen:
Die Behörde nahm folgenden Sachverhalt als erwiesen an:
Im Zuge der Scheidung der Tochter der Bw., Frau CE, im Jahr 1997 wurden die aus dem Ankauf eines Eigenheimes verbliebenen Schulden zwischen den damaligen Eheleuten im Verhältnis 50:50 aufgeteilt. Bei der Umfinanzierung der Hypothekardarlehen auf einen Privatkredit übernahm die Tochter auf Drängen der Bank 100% des Kredites. Die Bw. und ihr Mann als Eltern übernahmen für diesen Kredit am die Bürgschaft.
Im Jahr 2003 kam es zu einem Schuldenregulierungsverfahren der Tochter CE , das nach rechtskräftiger Bestätigung des angenommenen Zahlungsplanes durch die Gläubiger mit Beschluss vom aufgehoben wurde.
Hinsichtlich der noch offenen Kreditraten wurde die Bw. von der Bank auf Grund der bestehenden Bürgschaft in Anspruch genommen. Im Jahr 2009 leistete sie aus diesem Titel Zahlungen in Höhe von 7.410 Euro.
Dieser Sachverhalt gründet sich auf die Angaben der Bw., die vorgelegten Unterlagen und ist insoweit unstrittig.
Rechtliche Würdigung:
Gemäß § 34 Abs. 1 EStG 1988 sind bei der Ermittlung des Einkommens (§ 2 Abs. 2) eines unbeschränkt Steuerpflichtigen nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18) außergewöhnliche Belastungen abzuziehen, wenn die Belastung außergewöhnlich ist, dem Steuerpflichtigen zwangsläufig erwächst und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigt.
Zwangsläufigkeit liegt vor, wenn sich der Steuerpflichtige der Belastung aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann (§ 34 Abs. 3 EStG 1988).
Handelt es sich, wie im vorliegenden Fall, um Zahlungen aus Anlass einer Bürgschaft, so muss nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Zwangsläufigkeit schon für den Zeitpunkt des Eingehens der Bürgschaftsverpflichtungen gegeben gewesen sein (, und die dort zitierten Erkenntnisse). Außerdem müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:
1. Es ist erforderlich, dass der Steuerpflichtige glaubt, durch die Übernahme von Bürgschaften eine existenzbedrohende Notlage eines nahen Angehörigen mit Aussicht auf Erfolg abwenden zu können.
2. Eine existenzbedrohende Notlage liegt nicht schon dann vor, wenn nur die Fortführung einer selbständigen Betätigung ohne die Übernahme von Bürgschaften nicht mehr möglich scheint, sondern wenn die wirtschaftliche Existenz des nahen Angehörigen überhaupt verloren zu gehen droht, dieser also seine berufliche Existenz nicht auf andere ihm zumutbare Weise hätte erhalten können.
3. Die besicherten Kredite dürfen nicht dazu dienen, den Betrieb des Schuldners zu erweitern oder ihm sonst bessere Ertragschancen zu vermitteln.
4. Es besteht keine sittliche Verpflichtung zur Übernahme von Bürgschaften für Schulden, die ein naher Angehöriger ohne besondere Notwendigkeit eingegangen ist.
5. Eine Zwangsläufigkeit aus sittlichen Gründen setzt voraus, dass sich der Steuerpflichtige nach dem Urteil billig und gerecht denkender Menschen der Übernahme von Bürgschaften nicht entziehen kann. Nicht das persönliche Pflichtgefühl des Steuerpflichtigen, sondern der objektive Pflichtbegriff nach den herrschenden moralischen Anschauungen ist entscheidend. Es reicht daher nicht aus, dass das Handeln des Steuerpflichtigen menschlich verständlich ist, es muss vielmehr die Sittenordnung dieses Handeln gebieten.
Wenn die Bw. vorbringt, dass bei Nichtübernahme der Bürgschaft bereits im Jahr 1997 ein Schuldenregulierungsverfahren eingeleitet worden und es für die Tochter zu einer massiven Verschlechterung der Berufsaussichten bei einem Wiedereinstieg nach der Karenz und zur absoluten Kreditunwürdigkeit gekommen wäre, so wird damit nicht dargetan, dass ihre Tochter ihre berufliche Existenz überhaupt verloren hätte; eine Verschlechterung allein reicht nicht aus, die Zwangsläufigkeit des Eingehens der Bürgschaft zu begründen. Auch hat der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen, dass nach dem Urteil billig und gerecht denkender Menschen grundsätzlich niemand verpflichtet und damit aus sittlichen Gründen gezwungen ist, einem Angehörigen das von diesem eingegangene Unternehmerwagnis abzunehmen, zu dem auch die Insolvenzgefahr gehört (). Umgelegt auf den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass keine sittliche Verpflichtung der Bw. bestand, die Tochter durch Übernahme der Bürgschaft vor einem Schuldenregulierungsverfahren zu bewahren. Die steuerliche Absetzbarkeit von Bürgschaftszahlungen als außergewöhnliche Belastungen ist durch das Gesetz auf seltene Fälle beschränkt, weil § 34 EStG 1988 nicht zu dem Zweck geschaffen wurde, wirtschaftliche Misserfolge, welche die verschiedensten Ursachen haben können, mit der Ermäßigung der Einkommensteuer zu berücksichtigen und auf diese Weise auf die Allgemeinheit abzuwälzen.
Es ist auch nicht nachzuvollziehen, dass die Zwangsläufigkeit darin gelegen ist, dass die Tochter den ihr vorgelegten Kreditvertrag über 100% der aushaftenden Verbindlichkeit auf Grund des massiven Drucks der Bankbeamtin unterfertigte, zumal auf einer Änderung des vorbereiteten Vertrages bestanden hätte werden können. In weiterer Folge wäre dann auch die finanzielle Belastung der Tochter wesentlich geringer gewesen, sodass das im Jahr 2003 notwendige Schuldenregulierungsverfahren dadurch mit großer Wahrscheinlichkeit vermieden hätte werden können.
Soweit die Bw. ausführt, sie sei sittlich zur Bürgschaftsübernahme verpflichtet gewesen, um ein Schuldenregulierungsverfahren im Jahr 1997 zu verhindern und die Zukunftsaussichten der Tochter und der Enkelkinder nicht zu verschlechtern, ist ihr entgegenzuhalten, dass das persönliche Pflichtgefühl die Zwangsläufigkeit von Bürgschaftszahlungen im Sinne des § 34 EStG 1988 nicht zu begründen vermag, und es auch nicht ausreicht, dass das Handeln des Steuerpflichtigen menschlich verständlich ist.
Die von der Bw. geleisteten Kreditrückzahlungen waren daher vom Finanzamt zu Recht nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt worden.
Darüber hinaus wird angemerkt: In der am gleichzeitig mit der Berufung beim Finanzamt eingereichten Erklärung zur ArbeitnehmerInnenveranlagung 2009 gab die Bw. den Grad ihrer Behinderung mit 50% an und legte auch den diesbezüglichen Bescheid des Bundessozialamtes vor. Es war daher gemäß § 35 Abs. 3 EStG 1988 ein Freibetrag in Höhe von 243 Euro zu berücksichtigen und der Berufung insgesamt teilweise stattzugeben.
Beilage: 1 Berechnungsblatt
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | § 34 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 34 Abs. 3 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 35 Abs. 3 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Verweise | |
Zitiert/besprochen in | UFS Newsletter 2012/02 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at