Verjährung nach Erlassung vorläufiger Bescheide
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Miterledigte GZ: |
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RV/0755-I/06 |
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der unabhängige Finanzsenat hat durch die Vorsitzende A und die weiteren Mitglieder B, C und D über die Berufung der E, gegen die Bescheide des Finanzamtes F vom 25. April bzw. betreffend Umsatzsteuer 1996 bis 1999 sowie Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 Abs. 4 BAO betreffend Umsatzsteuer 2000 bis 2004 entschieden:
1. Die Bescheide vom sowie die Berufungsvorentscheidungen vom betreffend Umsatzsteuer 1996 bis 1999 werden gemäß § 289 Abs. 1 BAO unter Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde erster Instanz aufgehoben.
2. Der Berufung gegen die Bescheide vom betreffend Wiederaufnahme der Verfahren hinsichtlich der Umsatzsteuer 2000 bis 2004 wird Folge gegeben. Die Bescheide werden aufgehoben.
Entscheidungsgründe
Die Berufungswerber erklärten seit dem Jahr 1994 Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Die Veranlagung zur Umsatzsteuer sowie die Feststellung der Einkünfte gemäß § 188 BAO für die Jahre 1994 bis 2004 erfolgte zunächst vorläufig (Anerkennung einer Einkunftsquelle). Am erließ das Finanzamt für die Jahre 1994 bis 2004 gemäß § 200 Abs. 2 BAO endgültige Umsatzsteuer- und Feststellungsbescheide, in welchen in Abweichung von der bisherigen Vorgangsweise vom Vorliegen eines Liebhabereibetriebes ausgegangen wurde.
Gegen die Umsatzsteuerbescheide 1994 bis 1999 mit Ausfertigungsdatum wurde in der am eingebrachten Berufung eingewendet, dass das Recht auf (endgültige) Festsetzung der Umsatzsteuer 1994 bis 1999 bereits verjährt sei.
In seinen Berufungsvorentscheidungen vom gab das Finanzamt der Berufung gegen die Bescheide betreffend Umsatzsteuer 1994 und 1995 statt. Die abweisenden Berufungsvorentscheidungen betreffend die Jahre 1996 bis 1999 wurden damit begründet, dass gemäß § 208 Abs. 1 lit. d BAO die Verjährung in den Fällen des § 200 BAO erst mit Ablauf des Jahres ende, in welchem die Ungewissheit beseitigt worden sei. Die Einreichung einer Prognoserechnung und damit die Beseitigung der Ungewissheit sei für den Berufungswerber jederzeit möglich gewesen. Dass die Aufforderung durch die Steuerverwaltung abgewartet worden sei, verändere nicht den Fristenlauf. Die Prognose sei erst am beim Finanzamt eingelangt, weshalb die Bescheide vom innerhalb der festgelegten Fristen erfolgt seien. Das Finanzamt vertrat weiters die Meinung, dass eine Änderung der Verhältnisse gemäß § 12 Abs. 10 UStG eingetreten sei, weshalb für die Jahre 1996 bis 1999 eine Berichtigung der Vorsteuer im Ausmaß von jährlich 989,06 € erfolgte. In der Folge nahm das Finanzamt die Verfahren hinsichtlich der Umsatzsteuer 2000 bis 2004 gemäß § 303 Abs. 4 BAO wieder auf und nahm ebenfalls eine Vorsteuerberichtigung gemäß § 12 Abs. 10 und Abs. 11 UStG in Höhe von jährlich 989, 06 € vor.
Mit Schreiben vom beantragten die Berufungswerber die Vorlage der Berufung betreffend Umsatzsteuer 1996 bis 1999 zur Entscheidung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz und erhoben weiters Berufung gegen die Bescheide betreffend Wiederaufnahme der Verfahren hinsichtlich der Umsatzsteuer 2000 bis 2004.
Über die Berufung wurde erwogen:
1. Zur Umsatzsteuer 1996 bis 1999
Die Abgabe kann vorläufig festgesetzt werden, wenn die Abgabepflicht zwar noch ungewiss, aber wahrscheinlich ist, oder wenn der Umfang der Abgabepflicht noch ungewiss ist (§ 200 Abs. 1 BAO).
Unbestritten ist, dass es sich im vorliegenden Fall um eine Betätigung im Sinne des § 1 Abs. 2 der Liebhabereiverordnung, BGBl Nr. 33/1993 (kurz: LVO), handelt, bei der gemäß § 6 derselben Verordnung Liebhaberei auch im umsatzsteuerlichen Sinn vorliegen kann. Bei Betätigungen im Sinne des § 1 Abs. 2 der LVO liegt Liebhaberei (nur) dann nicht vor, wenn die Art der Bewirtschaftung oder der Tätigkeit in einem absehbaren Zeitraum einen Gesamtgewinn oder Gesamtüberschuss der Einnahmen über die Werbungskosten erwarten lässt (§ 2 Abs. 4 LVO). Hiefür ist die Kenntnis der wirtschaftlichen Entwicklung künftiger Jahre von Bedeutung, weshalb - in ertragsteuerlicher Hinsicht - Bescheide vorläufig erlassen werden dürfen ().
Unter welchen Voraussetzungen bei der Vermietung von privat nutzbarem Wohnraum iSd § 1 Abs. 2 LVO 1993 ("kleine Vermietung") umsatzsteuerlich Liebhaberei anzunehmen ist (vgl. § 2 Abs. 4 und § 6 LVO), beurteilt sich nach den Grundsätzen, wie sie zur Einkommensteuer dargestellt sind. Es kommt also darauf an, ob die Vermietung solchen Wohnraumes in der vom Vermieter konkret gewählten Bewirtschaftsungsart geeignet ist, innerhalb eines absehbaren Zeitraumes einen Überschuss zu erwirtschaften.
Auch in der Umsatzsteuer - in welcher die Entscheidung, ob eine unternehmerische oder nichtunternehmerische Tätigkeit vorliegt, grundsätzlich sofort zu treffen ist - ist eine vorläufige Veranlagung nicht schlechthin ausgeschlossen. So ist eine vorläufige Veranlagung dann zulässig, wenn der Steuerpflichtige seine Mitwirkungspflicht bei der Erbringung der objektiven Nachweise für seine Unternehmereigenschaft verletzt und aufgrund dieser Pflichtverletzung eine Sofortbeurteilung nicht möglich ist. Auch in einem Fall, in dem es dem Steuerpflichtigen zunächst nicht möglich ist, sämtliche objektiven Nachweise aufzubringen, kann eine vorläufige Veranlagung geboten sein, wenn die Unternehmereigenschaft trotz mangelnder Nachweise nicht ausgeschlossen werden kann (vgl. Prechtl, Liebhaberei im Umsatzsteuerrecht, S 178).
Die Berufungswerber wurden anlässlich der Neuaufnahme der Steuernummer vom Finanzamt ua um die Vorlage einer Prognoserechnung für die Jahre 1994 bis 2004 ersucht. Dazu wurde mit Schreiben vom mitgeteilt, "dass aufgrund der Fertigstellung mit Ende der heurigen Wintersaison keinerlei Umsätze zu erzielen gewesen wären. Da keine Dauervermietung von Wohnungen vorliege, sei momentan keine seriöse Voraussage von Einnahmen möglich. Eine vorläufige Hochrechnung werde mit Jahresende 1997 aufgrund der anlaufenden Vermietung ermöglicht werden ". Auf der Grundlage dieser Angaben der Berufungswerber wurde über die Abgabenerklärungen der Berufungsjahre 1996 bis 1999 mit Bescheiden abgesprochen, in denen die Umsatzsteuer gemäß § 200 Abs. 1 BAO vorläufig festgesetzt wurde. Eine solche Vorgangsweise war in Anbetracht des Umstandes, dass die Berufungswerber objektive Nachweise für eine Sofortbeurteilung der Vermietungstätigkeit schuldig blieben, gerechtfertigt.
Die Verjährung des Rechts, nach einer vorläufigen Abgabenfestsetzung eine endgültige Abgabenfestsetzung vorzunehmen, beginnt gemäß § 208 Abs. 1 lit. d BAO mit Ablauf des Jahres, in dem die Ungewissheit beseitigt wurde. Das Finanzamt geht dabei offenbar davon aus, dass der Wegfall der Ungewissheit über die objektive Ertragsfähigkeit aus der subjektiven Sicht der Behörde zu beurteilen sei und beruft sich dabei auf die erst am erstellte Prognoserechnung des steuerlichen Vertreters. Die Berufungswerber wenden hingegen ein, dass das Finanzamt Ermittlungen hinsichtlich des Vorliegens von Liebhaberei nicht angestellt habe und daher den Bescheiden eine die Vorläufigkeit rechtfertigende Ungewissheit nicht zugrunde lag. Tatsächlich ist aber die objektive Beseitigung der Ungewissheit maßgebend, unabhängig davon, ob die Partei oder die Abgabenbehörde hievon Kenntnis erlangte ( vgl. Ritz, BAO, § 208, Tz 4).
Für die Beantwortung der Frage, ob das Recht zur endgültigen Festsetzung der Umsatzsteuer 1996 bis 1999 im Jahr 2006 bereits verjährt war, ist daher ausschlaggebend, ob die Ungewissheit hinsichtlich des Vorliegens einer unternehmerischen Tätigkeit der Berufungswerber bereits vor Beginn des Jahres 2001 weggefallen ist.
Die für die Beurteilung dieser Frage wesentlichen Feststellungen sind der Aktenlage jedoch nicht zu entnehmen. Weder ist bekannt, um welche Art von Wohnraum es sich beim vermieteten Objekt handelt noch wurden Ermittlungen dahingehend durchgeführt, wie dieses konkret bewirtschaftet wurde. Es fehlen Feststellungen in Bezug auf die Anzahl der Mieter sowie die Dauer der Überlassung des Mietobjektes. Auch ob bzw. wie das vermietete Objekt beworben wurde, geht aus der Aktenlage nicht hervor. Schließlich fehlt auch jeder Hinweis darauf, ob die Vermietung zu fremdüblichen Konditionen erfolgte und wie viel Miete verlangt wurde. Falls es sich beim Mietobjekt um eine Ferienwohnung handelt, die in der Urlaubszeit zeitlich abwechselnd sowohl von den Eigentümern benutzt als auch vermietet wurde, wäre im Hinblick auf die Frage des Vorliegens einer Einkunftsquelle auch zu prüfen, wie die Zuordnung der auf die "Leerzeiten" (des restlichen Jahres) entfallenden anteiligen Ausgaben in den Überschussrechnungen erfolgte (Unternehmens- oder Privatbereich).
Nach § 289 Abs. 1 BAO kann die Abgabebehörde zweiter Instanz, sofern sie keine das Verfahren abschließende Formalentscheidung zu treffen hat, die Berufung auch durch Aufhebung des angefochtenen Bescheides und allfälliger Berufungsvorentscheidungen unter Zurückweisung der Sache an die Abgabenbehörde erster Instanz erledigen, wenn Ermittlungen (§ 115 Abs. 1 BAO) unterlassen worden sind, bei deren Durchführung ein anders lautender Bescheid hätte erlassen werden oder eine Bescheiderteilung hätte unterbleiben können. Im Hinblick auf den Umfang der noch notwendigen Erhebungen und der Tatsache, dass nicht absehbar ist, welche (allenfalls umfangreichen) Ermittlungsschritte zu setzen sein werden, erscheint es zweckmäßig, die Ermittlungsarbeit bei der Abgabenbehörde erster Instanz zu konzentrieren, bis eine neuerliche rechtliche Beurteilung möglich ist.
In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist noch auszuführen, dass der Berufungssenat ungeachtet eines rechtzeitigen Antrages von einer mündlichen Verhandlung absehen kann, wenn eine Berufungserledigung durch Aufhebung der angefochtenen Bescheide unter Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde erster Instanz nach § 289 Abs. 1 BAO erfolgt. Im Hinblick darauf konnte die Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung gemäß 284 Abs. 3 BAO unterbleiben.
2. Zur Wiederaufnahme der Verfahren betreffend Umsatzsteuer 2000 bis 2004
Gemäß § 303 Abs. 4 BAO ist eine Wiederaufnahme des Verfahrens von Amts wegen ua in allen Fällen zulässig, in denen Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, die im Verfahren nicht geltend gemacht worden sind, und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.
Es ist - im Sinne der Rechtsprechung des VwGH (zB ) - die Aufgabe der Abgabenbehörden, die von ihnen verfügte Wiederaufnahme des Verfahrens durch unmissverständliche Hinweise darauf zu begründen, welche Tatsachen und Beweismittel auf welche Weise neu hervorgekommen sind. Soll eine amtswegige Wiederaufnahme des Verfahrens im Sinne des § 303 Abs. 4 BAO zulässig sein, muss aktenmäßig erkennbar sein, dass dem Finanzamt nachträglich Tatumstände zugänglich gemacht wurden, von denen es nicht schon zuvor Kenntnis gehabt hat. Welche gesetzlichen Wiederaufnahmegründe durch einen konkreten Sachverhalt als verwirklicht angesehen und daher als solche herangezogen werden, bestimmt bei der Wiederaufnahme von Amts wegen die gemäß § 305 Abs. 1 BAO für die Entscheidung über die Wiederaufnahme zuständige Behörde. Aufgabe der Berufungsbehörde bei der Entscheidung über ein Rechtsmittel gegen eine amtswegige Wiederaufnahme durch das Finanzamt ist es, (nur) zu prüfen, ob dieses das Verfahren aus den von ihm gebrauchten Gründen wieder aufnehmen durfte, nicht jedoch, ob die Wiederaufnahme auch aus anderen Wiederaufnahmegründen zulässig gewesen wäre.
Liegt der vom Finanzamt angenommene Wiederaufnahmsgrund nicht vor oder hat das Finanzamt einen Wiederaufnahmsgrund nicht benannt, muss die Berufungsbehörde den vor ihr bekämpften Wiederaufnahmsbescheid des Finanzamts ersatzlos beheben (). Verstößt die Berufungsbehörde gegen diese Beschränkung auf die Sache des Berufungsverfahrens, belastet sie ihren Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit (; uva).
Die Bescheide, mit denen die Wiederaufnahme der Verfahren hinsichtlich der Umsatzsteuer 2000 bis 2004 verfügt wurden, enthalten lediglich die Begründung, dass die Wiederaufnahme der Verfahren gemäß § 303 Abs. 4 in Verbindung mit § 303 Abs. 1 lit. c BAO erfolgte. Wurde in den angefochtenen Verfahrensbescheiden nicht - auch nicht im Wege des Verweises auf andere Schriftstücke - aufgezeigt, welche Tatsachen neu hervorgekommen sind und wann dies der Fall gewesen ist, kann die Aufgabe der Abgabenbehörde zweiter Instanz nur darin bestehen, die bekämpften Bescheide aufzuheben.
Im Übrigen teilt der Senat auch nicht die Meinung des Finanzamtes, dass eine Änderung der Verhältnisse gemäß § 12 Abs. 10 UStG eingetreten und daher eine Berichtigung der Vorsteuer (im Ausmaß von jährlich 989,06 €) vorzunehmen sei. Wird eine typisch der Lebensführung zuzurechnende Betätigung als nichtunternehmerisch (Liebhaberei) beurteilt, so hat dies keinen Übergang von einer unternehmerischen zu einer nichtunternehmerischen Tätigkeit zur Folge. Denn eine als Liebhaberei beurteilte typisch der Lebensführung zuzurechnende Betätigung ist auch umsatzsteuerlich stets insgesamt, also vom Beginn bis zu ihrer Beendigung bzw. bis zur Änderung der Art der Bewirtschaftung oder der Tätigkeit Liebhaberei. Dies gilt auch in jenen Fällen, in denen die Abgabenbehörde auf Grund verfahrensrechtlicher Hindernisse für einzelne Veranlagungszeiträume die materiellen Rechtsfolgen der Beurteilung als Liebhaberei nicht mehr durchsetzen kann (vgl.Rauscher/Grübler, Steuerliche Liebhaberei², Rz 247 und 543 mit weiteren Hinweisen).
Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.
Innsbruck, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | § 208 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Schlagworte | Verjährung vorläufige Veranlagung Wegfall der Ungewissheit |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at