Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSF vom 05.12.2012, RV/0497-F/12

Alleinerzieherabsetzbetrag bei gemeinsamem Wohnsitz mit dem Kindesvater

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw., Gmd, Str., vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Feldkirch vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) für das Jahr 2010 entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Entscheidungsgründe

Die Berufungswerberin bezog im Streitjahr vom Arbeitsmarktservice Österreich Arbeitslosengeld und Notstandshilfe und außerdem von der Gebietskrankenkasse während der Arbeitslosigkeit Krankengeld.

Die Berufungswerberin stellte am einen elektronischen Antrag auf Durchführung einer Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2010, in dem sie ua. die Berücksichtigung des Alleinerzieherabsetzbetrages begehrte.

Mit Bescheid vom wies das Finanzamt den Antrag der Berufungswerberin auf Arbeitnehmerveranlagung mit der Begründung ab, dass sie im Antragszeitraum keine lohnsteuerpflichtigen Bezüge erzielt habe.

Mit elektronisch eingereichter Berufung vom wandte sich die Berufungswerberin gegen diesen Bescheid vom und brachte vor, dass "der Alleinerzieherabsetzbetrag beim Erstbescheid nicht berücksichtigt" worden sei.

Am wies das Finanzamt mit Berufungsvorentscheidung die Berufung vom als unbegründet ab. Begründend führte es aus, dass der beantragte Alleinerzieherabsetzbetrag nicht berücksichtigt werden konnte, da die Berufungswerberin im Veranlagungsjahr mehr als sechs Monate in einer Gemeinschaft mit einem (Ehe-)Partner gelebt habe.

Mit Schreiben vom begehrte die Berufungswerberin, die Berufung der Abgabenbehörde zweiter Instanz (Unabhängiger Finanzsenat) zur Entscheidung vorzulegen. In diesem Vorlageantrag führte sie aus, dass die Lebensgemeinschaft mehr als sechs Monate aufgelöst gewesen sei, dass trotz Wohnsitz im selben Objekt die Beziehung beendet und die räumliche Trennung vollzogen gewesen sei, dass die Kinder von ihr alleine erhalten worden seien und dass der Kindesvater keinerlei Unterhalt gezahlt habe.

Über die Berufung wurde erwogen:

Folgender Sachverhalt wurde als erwiesen angenommen: Im Streitjahr hat die Berufungswerberin ausschließlich die oben angeführten Geldleistungen von der Arbeitsmarktförderung und von der Gebietskrankenkasse bezogen. Sie war im Streitjahr mit A und den gemeinsamen Kindern M und T an der Adresse "F, Str2" polizeilich gemeldet. Sie bezog für die Kinder Familienbeihilfe. Unterhaltsvereinbarungen wurden weder nachgewiesen noch seitens der Berufungswerberin behauptet.

Gemäß § 39 Abs. 1 EStG 1988 wird die Einkommensteuer nach Ablauf des Kalenderjahres (Veranlagungszeitraumes) nach dem Einkommen veranlagt, das der Steuerpflichtige in diesem Veranlagungszeitraum bezogen hat. Hat der Steuerpflichtige lohnsteuerpflichtige Einkünfte bezogen, so erfolgt eine Veranlagung nur, wenn die Voraussetzungen des § 41 vorliegen.

§ 40 EStG 1988 lautete in der bis anzuwendenden Fassung, BGBl I Nr. 57/2004: "Unterbleibt bei Steuerpflichtigen, die Anspruch auf den Alleinverdienerabsetzbetrag bei mindestens einem Kind (§ 106 Abs. 1) oder auf den Alleinerzieherabsetzbetrag haben, eine Veranlagung und liegen auch keine ausländischen Einkünfte vor, so ist auf Antrag des Steuerpflichtigen der Alleinverdienerabsetzbetrag oder der Alleinerzieherabsetzbetrag zu erstatten. Der Antrag kann innerhalb von fünf Jahren ab dem Ende des jeweiligen Kalenderjahres gestellt werden. Im Antrag ist die Versicherungsnummer gemäß § 31 ASVG anzuführen". Die Einkommensermittlung und eine sich daraus ergebende Gutschrift der Negativsteuer erfolgt grundsätzlich im Wege der Veranlagung. Wurden im Antragsjahr keine nichtselbständigen Einkünfte bezogen und hat auch keine Veranlagung zur Einkommensteuer zu erfolgen, ermöglichte § 40 EStG 1988 über Antrag eine Erstattung des Alleinerzieherabsetzbetrages außerhalb eines Veranlagungsverfahrens (vgl. Sailer/Bernold/Mertens, Die Lohnsteuer in Frage und Antwort, Ausgabe 2008, Seite 604).

Mit dem BudBG 2009, BGBl. I Nr. 52/2009, erhielt § 40 EStG 1988 ab folgende Fassung: "Eine Veranlagung nach § 39 erfolgt auch bei Steuerpflichtigen, die kein Einkommen, aber Anspruch auf den Alleinverdienerabsetzbetrag bei mindestens einem Kind (§ 106 Abs. 1) oder auf den Alleinerzieherabsetzbetrag haben und die Erstattung dieses Absetzbetrages beantragen. Der Antrag kann innerhalb von fünf Jahren ab dem Ende des jeweiligen Veranlagungszeitraums gestellt werden." Nach der bis gültigen Fassung des § 40 EStG 1988 war für die Erstattung von Absetzbeträgen (Negativsteuer, § 33 Abs. 8 EStG 1988) ein gesondertes Verfahren vorgesehen, wenn es mangels Einkommens zu keiner Einkommensteuersteuerveranlagung kam. Wenn es hingegen zu einer Einkommensteuerveranlagung kam, erfolgte die Erstattung der Absetzbeträge im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung. Aus Gründen der Verwaltungsökonomie soll seit dem die Erstattung von Absetzbeträgen stets - somit auch in Fällen, in denen kein steuerpflichtiges Einkommen erzielt wurde - im Rahmen einer Veranlagung erfolgen. Dadurch kann nunmehr auf ein eigenes Verfahren und Formular verzichtet werden. Für den Steuerpflichtigen führte die Änderung (lediglich) dazu, dass anstelle des bisher zu verwendenden Formulars ein Formular zur Einkommensteuerveranlagung zu verwenden ist (vgl. Wanke in Wiesner/Grabner/Wanke, MSA EStG 12. GL § 40 Anm 3; Bernold/Mertens, Die Lohnsteuer in Frage und Antwort, Ausgabe 2012, Seite 623).

Der Alleinerzieherabsetzbetrag gemäß § 33 Abs. 4 Z 2 EStG 1988 kann erstattet werden, wenn Steuerpflichtige mit mindestens einem Kind (§ 106 Abs. 1 leg. cit.) mehr als sechs Monate im Kalenderjahr nicht in einer Gemeinschaft mit einem (Ehe)Partner leben. Der Alleinerzieherabsetzbetrag beträgt jährlich bei einem Kind (§ 106 Abs. 1 leg. cit.) 494,00 €, bei zwei Kindern (§ 106 Abs. 1 leg. cit.) 669,00 €.

Durch den Alleinerzieherabsetzbetrag soll nicht die Unterhaltsbelastung durch das Kind, sondern die besondere Belastung berücksichtigt werden, der alleinstehende Personen mit Kindern durch ein deswegen erschwertes berufliches Fortkommen ausgesetzt sind (vgl. Doralt/Herzog, EStG14, § 33 Tz 35).

Eine eheähnliche Gemeinschaft liegt dann vor, wenn zwei Personen in einer Lebensgemeinschaft zusammenleben und das gemeinschaftliche Zusammenleben auf Dauer angelegt ist. Bei einer Lebensgemeinschaft handelt es sich um einen eheähnlichen Zustand, der dem typischen Erscheinungsbild des ehelichen Zusammenlebens entspricht. Dazu gehört im Allgemeinen eine Geschlechts-, Wohnungs- und Wirtschaftsgemeinschaft. Dabei kann aber auch das eine oder andere Merkmal fehlen (vgl. ; ). Die Merkmale einer Geschlechts-, Wohnungs- und Wirtschaftsgemeinschaft müssen demgemäß nicht kumuliert vorliegen. Das Wohnen in gemeinsamer Wohnung mit dem gemeinsamen Kind lässt auf das Vorliegen einer eheähnlichen Gemeinschaft schließen (vgl. , 0177). Indizien für eine Lebensgemeinschaft können auch die polizeiliche Meldung an ein- und demselben Wohnort oder eine gemeinsame Zustelladresse sein (vgl. ).

Das Finanzamt hat aufgrund der polizeilichen Meldung der Berufungswerberin und A an ein- und demselben Wohnort (vgl. die diesbezügliche "Behördenanfrage aus dem Zentralen Melderegister, wonach die Berufungswerberin und A bis gemeinsam an der Adresse "F, Str2" polizeilich gemeldet waren) den Alleinerzieherabsetzbetrag nicht berücksichtigt (vgl. die Berufungsvorentscheidung vom ).

Zum Vorbringen der Berufungswerberin im Vorlageantrag vom , dass im Streitjahr die Lebensgemeinschaft mehr als sechs Monate aufgelöst gewesen sei, dass trotz Wohnsitz an der gemeinsamen Adresse die räumliche Trennung vollzogen gewesen sei und dass sie ihren Lebensunterhalt und den ihrer Kinder alleine bestritten habe (sie habe Notstandshilfe und private Hilfe erhalten; kein Unterhalt vom Kindesvater), ist Folgendes zu sagen: Das gemeinsame Wohnen mit dem Kindesvater stellt ein Element dar, das zivilrechtlich zum Charakteristikum einer umfassenden ehelichen Lebensgemeinschaft iSd § 90 ABGB zählt, wobei zB das Benutzen getrennter Schlafzimmer selbst bei intakten Ehen nicht unüblich ist, und auch ein aus vielerlei Gründen (zB gesundheitlicher Natur) möglicher Wegfall einer geschlechtlichen Beziehung eine derartige Gemeinschaft nicht ausschließt. Das gemeinsame Wohnen mit dem Kindesvater ist jedenfalls ein Indiz dafür, dass zwischen den Beteiligten - gleich wie bei Lebenspartnern - ein wechselseitiges Vertrauensverhältnis bestand und dass auf beiden Seiten eine Lebensführung gegeben war, die eine anständige Begegnung der Kindeseltern und die Rücksichtnahme aufeinander einschloss (vgl. dazu Stabentheiner in Rummel3, § 90 [Rzen 4, 5 u. 8]; -G/06).

Dass die polizeiliche Meldung einer Person an einer Adresse nur ein Merkmal von vielen ist, ist unzweifelhaft. Ist das äußere Erscheinungsbild eines Zusammenlebens aber wie gegenständlich gegeben (Wohnen mit gemeinsamen Kindern an einer gemeinsamen Adresse), so spricht die Vermutung für eine gemeinsame Lebensführung. Diese Annahme konnte die Berufungswerberin mit ihren Ausführungen im Vorlageantrag nicht entkräften (es wird in diesem Zusammenhang auch auf die Vorhaltswirkung einer Berufungsvorentscheidung verwiesen; vgl. zB ; ). Das Vorbringen, dass sie mehr als sechs Monate im Kalenderjahr nicht in einer Gemeinschaft mit einem (Ehe)Partner gelebt habe und dass trotz Wohnsitz an der gemeinsamen Adresse die räumliche Trennung vollzogen gewesen sei, geht über eine bloße Behauptung nicht hinaus. In der polizeilichen Meldung der Berufungswerberin, welche bis einschließlich andauerte, ist - wie oben bereits ausgeführt worden ist - ein wesentliches Indiz zu sehen, dass im Streitjahr zwischen der Berufungswerberin und A noch eine eheähnliche Gemeinschaft im Sinne des § 33 Abs. 4 EStG 1988 vorlag (vgl. dazu zB ). Gleichfalls geht auch das Vorbringen, dass A nichts zu ihrem Lebensunterhalt und dem ihrer gemeinsamen Kinder beigetragen habe, über eine bloße Behauptung nicht hinaus. Im Übrigen käme dem Fehlen einer Wirtschaftsgemeinschaft für sich allein keine entscheidende Bedeutung zu (vgl. ).

Der Unabhängige Finanzsenat gelangt damit in freier Beweiswürdigung zur Ansicht, dass im Streitjahr die Voraussetzungen für eine Gewährung des Alleinerzieherabsetzbetrages nicht vorlagen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Feldkirch, am

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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen

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