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Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSI vom 19.01.2012, RV/0623-I/08

Außergewöhnliche Belastung für 1. Unterhaltszahlung für im Drittland lebende minderjährige Kinder des verstorbenen Bruders und 2. Krankheitskosten sowie Krankenversicherungskosten für die mittellose Mutter .

Beachte

VwGH-Beschwerde zur Zl. 2012/15/0065 eingebracht. Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom abgelehnt.


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Rechtssätze
Stammrechtssätze
RV/0623-I/08-RS1
Unterhaltszahlungen für im Ausland (Kongo) lebende minderjährige vollwaise Neffen, gegenüber denen keine gesetzliche Unterhaltspflicht besteht, sind nicht als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig.

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Kitzbühel Lienz vom betreffend Einkommensteuer für das Jahr 2006 entschieden:

Der Berufung wird teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil dieses Bescheidspruches.

Entscheidungsgründe

Der Berufungswerber (Bw) stammt aus dem Kongo und ist in Österreich als Priester tätig. In der Einkommensteuererklärung für das Jahr 2006 machte er eine außergewöhnliche Belastung in der Höhe von 4.858 € geltend. In einer Anfrage des Finanzamtes führte er dazu aus, er bezahle die Behandlungskosten seiner Mutter, weil sie über kein eigenes Einkommen verfüge und es keine anderen Angehörigen gebe, die dies bezahlen könnten. Die Kosten würden sich auf 3.058 € belaufen.
Weiters überweise er monatlich circa 200 US-Dollar an die beiden Kinder seines Bruders, der vor Jahren mit seiner Frau tödlich verunglückt sei. Die Kinder seien seither Vollwaisen. Ihre Großeltern (außer seiner Mutter) lebten nicht mehr, sodass er als nächster Angehöriger für ihren Unterhalt - soweit es ihm möglich sei - aufkomme. Jährlich sei dies ein Betrag von circa 1.800 €.

In dem am erlassenen Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2006 wurden die geltend gemachten Aufwendungen mit der Begründung nicht anerkannt, bei den Behandlungskosten der Mutter und den Unterhaltszahlungen an die Kinder des verstorbenen Bruders handle es sich nicht um außergewöhnliche Belastungen im Sinne des Einkommensteuergesetztes.

In der gegen diesen Bescheid am erhobenen Berufung brachte der Bw vor, die Behandlungskosten und Sozialversicherungsbeiträge für seine mittellose Mutter würden schon deshalb eine außergewöhnliche Belastung darstellen, weil diese Kosten auch bei ihm als solche anzuerkennen seien. Seine Mutter sei krank bzw. sei sehr krank gewesen und er habe für sie eine private Krankenversicherung abschließen müssen, weil er sonst die Kosten der Arzt- und Krankenhausbehandlung zur Gänze selber zahlen hätte müssen. Daneben müsse er jene Krankenbehandlungskosten tragen, die von der Krankenversicherung nicht übernommen würden. Weshalb diese Kosten keine außergewöhnliche Belastung sein sollten, gehe aus dem angefochtenen Bescheid in keiner Weise hervor und sei ihm daher nicht verständlich.
Seine monatlichen Zahlungen von 200 US-Dollar an die beiden Kinder seines verstorbenen Bruders, die in seiner Heimat im Kongo leben würden, wo keine Angehörigen seien, die für ihren Unterhalt aufkommen könnten, stellten ebenfalls eine außergewöhnliche Belastung dar. Er führe sich aus sittlichen Gründen verpflichtet, für deren Unterhalt zu sorgen. Die Bestimmung des § 34 Abs. 7 Z 4 EStG stehe der Anerkennung dieser Kosten als außergewöhnliche Belastung deshalb nicht entgegen, weil nach der Rechtsprechung des VfGH (Erkenntnis vom , B 2366/00) diese Vorschrift bloß als Aussage über das Ausmaß der steuerlichen Berücksichtigung von Unterhaltsleistungen für die vorstehend geregelten Fallgruppen der Z 1 bis 3 interpretiert werden könnte. Es wäre auch nicht verständlich, dass der Gesetzgeber zwar Ausgaben für Krankheitskosten von mittellosen Angehörigen begünstige, nicht aber Ausgaben für Angehörige, um diese vor dem Verhungern zu bewahren.

Mit Berufungsvorentscheidung vom wies das Finanzamt die Berufung im Wesentlichen mit der gleichen Begründung wie bereits im angefochtenen Bescheid als unbegründet ab.

Im Vorlageantrag vom wendete der Bw ein, auch der Berufungsvorentscheidung sei nicht zu entnehmen, weshalb die Aufwendungen für Krankheitskosten seiner mittellosen Mutter (einschließlich der Aufwendungen für die Selbstversicherung) keine außergewöhnliche Belastung sein sollten. Die Mutter sei chronisch krank und mangels gesetzlicher Krankenversicherung habe eine Selbstversicherung abgeschlossen werden müssen. Es bestehe nicht nur eine sittliche Verpflichtung diese Kosten zu tragen, sondern nach § 143 ABGB sogar eine rechtliche Verpflichtung. Hinsichtlich der Unterhaltskosten für die beiden vollwaisen Kinder seines Bruder wiederholte der Bw seine in der Berufung vorgebrachten Einwendungen.

Über die Berufung wurde erwogen:

Gem. § 34 Abs. 1 EStG 1988 sind bei Ermittlung des Einkommens (§ 2 Abs. 2) eines unbeschränkt Steuerpflichtigen nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18) außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Voraussetzung für die Abzugsfähigkeit ist, dass die Belastung außergewöhnlich ist (Z 1), zwangsläufig erwachsen ist (Z 2) und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigt wird (Z 3). Weiters darf die Belastung weder Betriebsausgaben, Werbungskosten noch Sonderausgaben sein.

Die Belastung erwächst dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann (§ 34 Abs. 3 leg.cit).

Für Unterhaltsleistungen gilt gemäß § 34 Abs. 7 EStG 1988 in der für das Berufungsjahr geltenden Fassung folgendes:

1. Unterhaltsleistungen für ein Kind sind durch die Familienbeihilfe sowie gegebenenfalls den Kinderabsetzbetrag gemäß § 33 Abs. 4 Z 3 lit. a und c abgegolten, und zwar auch dann, wenn nicht der Steuerpflichtige selbst, sondern sein mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebender (Ehe)Partner (§ 106 Abs. 3) Anspruch auf diese Beträge hat.

2. Leistungen des gesetzlichen Unterhalts für ein Kind, das nicht den Haushalt des Steuerpflichtigen zugehört und für das weder der Steuerpflichtige noch sein mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebender (Ehe)Partner Anspruch auf Familienbeihilfe hat, sind durch den Unterhaltsabsetzbetrag gemäß § 33 Abs. 4 Z 3 lit. b abgegolten

4. Darüber hinaus sind Unterhaltsleistungen nur insoweit abzugsfähig, als sie zur Deckung von Aufwendungen gewährt werden, die beim Unterhaltsberechtigten selbst eine außergewöhnliche Belastung darstellen würden. Ein Selbstbehalt (Abs. 4) auf Grund eigener Einkünfte des Unterhaltsberechtigten ist nicht zu berücksichtigen.

Gesetzliche Unterhaltsleistungen kommen zwar grundsätzlich als außergewöhnliche Belastung in Betracht, denn es handelt sich um Belastungen, denen sich der Steuerpflichtige aus "rechtlichen Gründen" nicht entziehen kann (Abs. 3). Das Gesetz schließt allerdings Unterhaltsleistungen nach den oben zitierten Bestimmungen im Wesentlichen als außergewöhnliche Belastung aus (vgl. Doralt, EStG11, § 34 Tz 56; Jakom/Baldauf11, § 34, Tz 6, 65).

Es ist zwar richtig, dass der Verfassungsgerichtshof in dem - zu § 5 Abs. 4 FLAG ergangenen - Erkenntnis vom , B 2366/00 - nicht ausschloss, dass für den Fall von Unterhaltsleistungen an sich ständig im Ausland aufhaltenden minderjährigen Kindern (für die keine Familienbeihilfe zusteht), die Unterhaltsleistungen nach den allgemeinen Regeln des § 34 EStG berücksichtigt werden können. Auch hat der Verfassungsgerichtshof zwischenzeitig die oben zitierte Bestimmung des § 34 Abs. 7 Z 2 EStG mit Erkenntnis vom , G 13/09, als verfassungswidrig aufgehoben. Entsprechend hat die seit der Veranlagung 2011 wirksame Neufassung des § 34 Abs. 7 Z 2 die Abgeltungswirkung für Leistungen des gesetzlichen Unterhaltes für ein (minderjähriges) Kind durch den Unterhaltsabsetzbetrag gemäß § 33 Abs. 4 Z 3 auf Kinder mit Aufenthalt im Inland oder in einem Mitgliedsstaat der EU oder einem Staat des EWR beschränkt, sodass gesetzliche Unterhaltsleistungen für nicht haushaltszugehörige Kinder, die sich in einem Drittland aufhalten nach dem vom VfGH entwickelten Grundsätzen als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen sind.

Zu beachten ist jedoch, dass bei Unterhaltsleistungen für ein (minderjähriges) Kind die außergewöhnliche Belastung an den gesetzlichen Unterhalt (§ 34 Abs. 7 Z 2 leg.cit) anknüpft. Ebenso hat der Verfassungsgerichtshof in den oben angeführten Erkenntnissen die steuerliche Berücksichtigung von Unterhaltsleistungen für dauernd im Ausland sich aufhaltende unterhaltsberechtigte Kinder nur insoweit verfassungsrechtlich für geboten erachtet, als der im Inland unbeschränkt Steuerpflichtige zur Leistung des Unterhaltes verpflichtet ist.

Eine gesetzliche bzw. zivilrechtliche Unterhaltspflicht des Bw gegenüber den minderjährigen Kindern des verstorbenen Bruders ist aber unstrittig nicht gegeben. Selbst für den Bw eine sittliche Pflicht zur Unterhaltsleistung für diese Kinder gegeben wäre, könnte dies nicht zur Anerkennung als außergewöhnlichen Belastung führen.

Nur Aufwendungen, die beim Unterhaltsberechtigten selbst eine außergewöhnliche Belastung darstellen, sind nach der oben zitierten § 34 Abs. 7 Z 4 EStG beim Verpflichteten abzugsfähig. Nach dieser Bestimmung sind laufende Unterhaltszahlungen an Dritte aber auch dann vom Abzug ausgeschlossen, wenn sie aufgrund rechtlicher Verpflichtungen geleistet werden. Entsprechend sind auch Unterhaltsleistungen an geschiedene Ehegatten, an mittellose oder in Not geratene Eltern und sonstige nahe Angehörigen ausgeschlossen (vgl. Doralt, EStG11, § 34 Tz 56; Hofstätter/Reichl, Die Einkommensteuer, Kommentar, § 34 Abs. 6 bis 9, Tz 4; Jakom/Baldauf, § 34 Tz 66, 69 und die dort angeführte Rechtsprechung). Soweit die genannte Norm der steuerlichen Berücksichtigung von Unterhaltszahlungen an zivilrechtlich Unterhaltsberechtigte entgegensteht, muss dies - dies ergibt sich aus einem Größenschluss - erst Recht (wie im gegenständlichen Fall) für Unterhaltszahlungen gelten, die nicht in Erfüllung einer zivilrechtlichen Pflicht erbracht werden (vgl. ). Die Berufung war daher in diesem Punkt als unbegründet abzuweisen.

Anders verhält es sich bezüglich der vom Bw für seine mittellose Mutter getragenen Krankheitskosten. Hier handelt es sich um Aufwendungen, die auch bei der Mutter - wären sie von ihr geleistet worden - dem Grunde nach abzugsfähig wären. Entsprechend sind sie nach der oben zitierten Bestimmung nach § 34 Abs. 7 Z 4 EStG auch beim Bw als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig.

Nicht als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig sind hingegen die vom Bw für seine Mutter getragen Kosten für die freiwillige Krankenversicherung bei der Tiroler Gebietskrankenkasse. Im Unterschied zu Krankheitskosten wären Kosten für Krankenversicherungen bei der unterhaltsberechtigten Mutter des Bw mangels Zwangsläufigkeit nicht als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen, auch wenn es gerade für einen Kranken zweckmäßig ist, eine solche Versicherung abzuschließen. Bei der unterhaltsberechtigten Mutter des Bw wären diese Aufwendungen allenfalls als Sonderausgaben abzugsfähig, die aber bereits aufgrund der Bestimmung des § 34 Abs. 1 letzter Satz EStG nicht als außergewöhnliche Belastung geltend gemacht werden können.

Die vom Bw für seine Mutter betragenen Aufwendungen für Behandlungen und Medikamente betragen nach den vorgelegten Belegen 2.046,04 €. In dieser Höhe sind die geltend gemachten Aufwendungen grundsätzlich als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig, wobei diese Aufwendungen um den Selbstbehalt gemäß § 34 Abs. 4 EStG zu kürzen sind. Dieser beträgt nach der dort normierten Berechnungsmethode 1.691,82 € (1o% des Einkommens von 16.918,23 €). Es konnte daher nur der Betrag von 354,22 € als außergewöhnliche Belastung in Abzug gebracht werden.

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Beilage: 1 Berechnungsblatt

Innsbruck, am

Ergeht auch an: Finanzamt als Amtspartei

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
Schlagworte
außergewöhnliche Belastung
Unterhaltszahlungen
Krankheitskosten
Krankenversicherungskosten

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at